Verwaltungsrecht

einstweiliger Rechtsschutz, Kinder- und Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Beschulung an der Web-Individual-Schule, B., Asperger-Autismus, Schulpflicht, bestehende, Systemversagen der Schule, bejaht, Schulbegleiter, Ausfallbürgschaft des Jugendhilfeträgers, Gesamtbedarf, Deckung nicht möglich, Teilbedarf, Schulbesuchsunfähigkeit, Kernbereich schulischen Handelns, Vereitelung sozialer Teilhabe durch Gewährung von Teil-Eingliederungshilfe, Vorwegnahme der Hauptsache

Aktenzeichen  W 3 E 21.985

Datum:
16.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34177
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
SGB VIII § 35a
SGB VIII § 10 Abs. 1 S. 1
SGB IX § 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
SGB IX § 112 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
BayEUG Art. 35
BayEUG Art. 36
BayEUG Art. 56 Abs. 4 S. 3
BayEUG Art. 118 Abs. 2
HUnterrV § 1 Abs. 3
BaySchO § 20

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig bis zum Ende der Wirksamkeit der Schulbesuchsunfähigkeitsbescheinigung des Gesundheitsamts am Landratsamt M.-S. vom 25. Mai 2021, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2021, dem Antragsteller Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form der Kostenübernahme für den Besuch der W1. I1. Schule B. zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu ¾, der Antragsgegner zu ¼ zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für die Beschulung durch die W1. I1. Schule B.
1. Die Eltern des am … … 2009 geborenen Antragstellers sind seit dem Jahr 2014 getrennt; der Antragsteller lebt bei der Kindsmutter in … … … Beide Eltern haben gemeinsam das Personensorgerecht inne.
Seitens des Universitätsklinikums W., Zentrum für psychische Gesundheit, wurde hinsichtlich des Antragstellers – letztmalig mit Bericht vom 30. Januar 2020 – folgende Diagnose gestellt:
Asperger-Syndrom (F84.5)
Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität mit Beginn der Kindheit und Jugend (F98.80)
Nichtorganische Enkopresis (F98.1)
Nichtorganische Insomnie (F51.0)
Entwicklungsstörung motorischer Funktionen, nicht näher bezeichnet, im Rahmen der autistischen Störung, Dyskalkulie (vorbefundlich) (F81.2)
Durchschnittliche Intelligenz
Habituelle Obstipation
Multiple psychosoziale Belastungsfaktoren
Ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung in den meisten Bereichen
Demgegenüber hatte das Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz, unter dem 12. April 2017 folgende Diagnose gestellt und in diesem Zusammenhang eine Autismus-Spektrum-Störung gesichert ausgeschlossen:
Ausschluss einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung (F84.0A)
Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0G)
Emotionale Störung des Kindesalters (F93.9G)
Enkopresis (F98.1G)
Durchschnittliche Intelligenz bei heterogenem Leistungsprofil (Befund übernommen)
Assoziierte aktuelle psychosoziale Umstände: abweichende Elternsituation, Disharmonie in der Familie zwischen Erwachsenen
2. Der Antragsteller besuchte vom Schuljahr 2015/2016 bis zum Schuljahr 2018/2019 die Grundschule in … … …; hierfür bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller durchgehend auf der Grundlage von § 35a SGB VIII eine Schulbegleitung. Im Rahmen der Beschulung kam es zu einer Notenaussetzung im Fach Mathematik.
Im Rahmen der Frage nach dem für den Antragsteller künftig geeigneten Förderort erstellte das Sonderpädagogische Förderzentrum … …Schule … am 25. Januar 2019 ein sonderpädagogisches Gutachten. Hiernach bestehe beim Antragsteller seit der ersten Jahrgangsstufe umfassender und kombinierter sonderpädagogischer Förderbedarf in den Förderschwerpunkten emotional-soziale Entwicklung und Lernen, der für den Antragsteller als Gefahr für dessen Bildungserfolg zu bewerten sei. Er bedürfe im schulischen Kontext zur Bewältigung der schulischen Aufgaben sowie zu seiner emotionalen und sozialen Unterstützung in Mathematik einer Notenaussetzung und ein daraus folgendes individuell passendes Lernangebot. Angesichts der Kommunikations- und Interaktionsprobleme sowie der Probleme in der Handlungsplanung und Aufmerksamkeitssteuerung bedürfe der Antragsteller bei einem Schulwechsel zumindest anfänglich der Begleitung und Unterstützung einer professionellen Bezugsperson. Das Gutachten empfiehlt nach Abschluss der Grundschule als Förderort die Mittelschule mit dem Schulprofil Inklusion und weist darauf hin, dass der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf den Antragsteller dazu berechtigt, an einem sonderpädagogischen Förderzentrum beschult zu werden.
3. Auf der Grundlage eines Hilfeplans vom Juni 2019 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 2. August 2019, geändert mit Bescheid vom 8. August 2019, vom 10. September 2019 bis längstens 24. Juli 2020 Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers (Schulbegleiters) für den Besuch der Mittelschule … Aus dem Hilfeplan auf der Grundlage einer Hilfeplankonferenz vom 16. Januar 2020 ergibt sich, dass der Antragsteller gut in der neuen Klasse der Mittelschule angekommen sei; dies habe sich inzwischen jedoch geändert. Aufgrund seiner Abwesenheiten durch Krankheit habe der Antragsteller viele Fehltage, er sei durch die dadurch erforderliche Nachholung von Lernstoff zunehmend überfordert. Er benötige ständige Motivation und Hilfe durch die Schulbegleitung. Für alle Sachfächer einschließlich Mathematik sei eine vorübergehende Notenaussetzung vereinbart worden. Zudem werde der Antragsteller nicht mehr traditionell unterrichtet, sondern er erhalte individuelle Projektaufgaben zu bestimmten Themen. Bis zu einem geplanten Wechsel an eine M2. Schule müsse er weiterhin regulär beschult werden.
4. Seit dem 20. Januar 2020 war der Antragsteller krankgeschrieben, dies aufgrund gesundheitlicher Probleme möglicherweise auch im Zusammenhang mit dem Ausfall der erkrankten Schulbegleitung.
Ein Bericht des Universitätsklinikums W., Zentrum für psychische Gesundheit, vom 30. Januar 2020 kommt auf der Grundlage der obengenannten Diagnosen zu dem Ergebnis, dass eine regelmäßige kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung im ambulanten Rahmen indiziert sei. Parallel werde eine Einzelpsychotherapie und im Anschluss hieran die Teilnahme an einem sozialen Kompetenztraining für Kinder mit Autismus empfohlen. Der Antragsteller gehöre aus fachärztlicher Sicht zum Personenkreis derer, die nach § 35a SGB VIII von einer seelischen Behinderung bedroht seien und deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet seien. Um den Antragsteller in seiner weiteren schulischen, psychosozialen und emotionalen Entwicklung ausreichend fördern zu können, sei aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht ein Schulbegleiter über das volle Stundenmaß dringend notwendig. Da das Hilfeplangespräch am 16. Januar 2020 zum Ergebnis gekommen sei, dass der Besuch der Mittelschule für den Antragsteller trotz Inklusionsanspruch der Schule nicht passend sei und auch ein Wechsel an die … …Förderschule nicht als geeignete Maßnahme angesehen werde, werde zu einem Gespräch mit der Schulberatungsstelle sowie zu einer Vorstellung an der K.-Kr.-Schule in Würzburg geraten.
Unter dem 4. September 2020 empfahl Diplom-Psychologe F …, der den Antragsteller seit Mai 2020 betreute, eine künftige Beschulung an der W1. I1. Schule B. und begründete dies mit den nach dem Übertritt an die Mittelschule … entstandenen psychischen und physischen Beschwerden, die sich zum Teil auf die Belastung durch eine inadäquate Form der Beschulung zurückführen ließen. Der Antragsteller habe in der Schule besonders unter der großen Lautstärke gelitten sowie unter dem Druck, im gleichen Tempo wie die Klasse arbeiten zu müssen. Die Schulbegleitung habe dies nicht kompensieren können. Notwendige Pausen hätten zur Versäumung von Unterrichtsstoff geführt. Aufgrund der hohen Klassenstärke habe man nicht auf die spezifischen Bedürfnisse des Antragstellers eingehen können. Dieser profitiere beim Lernen deutlich von einer Eins-zu-Eins-Situation mit individuell gestalteten Lerninhalten. Dies biete die W1. I1. Schule B. an. Eine adäquate Form der Beschulung in der näheren Umgebung an einer staatlichen Schule sei nicht möglich.
Unter dem 16. Oktober 2020 empfahl Diplom-Psychologe F … eine Befreiung vom Schulbesuch bis zur Installation einer anderen adäquaten Form der Beschulung.
5. Aus dem Protokoll einer Helferkonferenz des Beklagten am 29. Oktober 2020 ergibt sich der mündliche Antrag des Kindsvaters hinsichtlich der Bewilligung von Eingliederungshilfe für Home-Schooling (Unterricht über Web-Individual-Beschulung). Dies beurteilte die Helferkonferenz aufgrund fehlender sozialer Kontakte zu Gleichaltrigen als eher kontraproduktiv. Eine Befreiung vom Schulbesuch werde voraussichtlich nicht bewilligt. Es solle ein Austausch mit der K.-Kr.-Schule und dem Schulamt erfolgen.
Mit Formblatt vom 5. November 2020 beantragten die Eltern des Antragstellers schriftlich Eingliederungshilfe, dies gemäß einem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 1. Dezember 2020 auf der Grundlage eines Gesprächs am 5. November 2020 in Form der Beschulung durch die W1. I1. Schule B..
Unter dem 1. Dezember 2020 nahm der Amtsarzt des Gesundheitsamts am Landratsamt M.-S. zur Schulbesuchsfähigkeit des Antragstellers dahingehend Stellung, eine fehlende Schulbesuchsfähigkeit könne amtsärztlich nicht bescheinigt werden. Dies wird damit begründet, auf der Grundlage der Stellungnahmen des Diplom-Psychologen F … werde davon ausgegangen, dass eine Beschulung in einem Klassenverband von annähernd 30 Schülern nicht zielführend und bezüglich der Symptomenkontrolle als kontraproduktiv einzustufen sei. Eine Schulbegleitung sei nicht das geeignete Mittel, um diese Rahmenbedingungen zu kompensieren. Demgegenüber könne der Einschätzung des Diplom-Psychologen F … hinsichtlich der Beschulung durch die W1. I1. Schule B. nicht gefolgt werden, dies deshalb, weil ein Klassenverband auch anders zusammengestellt und Rahmenbedingungen angepasst werden könnten, so dass hiermit eine durchaus geeignete adäquate Beschulung erfolgen könne. Es werde eine Vorstellung an der K.-Kr.-Schule empfohlen, zudem eine ambulante psychiatrische Behandlung, eine medikamentöse Therapie und die von der Universitätsklinik Würzburg empfohlenen Therapiemöglichkeiten. Zwar sei die bis dato stattgefundene Form der Beschulung inadäquat; da noch nicht alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien, werde eine Beschulung an der K.-Kr.-Schule als Möglichkeit einer adäquaten Beschulung angesehen.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2020 genehmigte das Staatliche Schulamt den personensorgeberechtigten Eltern des Antragstellers Distanzunterricht durch eine Lehrkraft der Mittelschule … im Rahmen von vier Wochenstunden, befristet bis Ende Januar 2021. Auch wenn aufgrund der fehlenden Schulbesuchsunfähigkeit ein Anspruch auf Hausunterricht nicht bestehe, werde dem Antragsteller auf diese Weise die Teilhabe am Schulunterricht auch aufgrund der aktuellen Pandemiesituation ermöglicht.
Unter dem 29. Januar 2021 nahm der Diplom-Psychologe F … erneut Stellung zur weiteren Beschulung des Antragstellers unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklungen. Zwar habe der Amtsarzt auf der Grundlage der Empfehlungen der Universitätsklinik Würzburg einen Besuch der K.-Kr.-Schule empfohlen, was auf den ersten Blick auch stimmig und nachvollziehbar sei; gegen den Besuch der Schule spreche jedoch die lange Anfahrtszeit von etwa eineinhalb Stunden (einfache Strecke) mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die für den Antragsteller aufgrund einer ausgeprägten Angst vor Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu belastend sei. Hinzu kämen die gastrointestinalen Beschwerden des Antragstellers.
Mit Bescheid vom 1. März 2021 bewilligte der Antragsgegner für den Antragsteller vom 15. Februar 2021 bis einschließlich 31. Juli 2021 Eingliederungshilfe in Form der Teilnahme am Fernunterricht der W1. I1. Schule B. und begründete dies damit, diese Maßnahme erscheine lediglich als kurzfristige Übergangslösung in Corona-Zeiten als erforderlich und geeignet, um eine schulische Förderung des Antragstellers sicherzustellen. Die Autismus-Diagnose rechtfertige keine Befreiung vom Schulbesuch mit ausschließlicher Heimbeschulung. Die notwendige gesellschaftliche Teilhabe auch am Schulleben sei für den Antragsteller essentiell notwendig und könne durch die W1. Schule nicht sichergestellt werden. Es sei ein reales Schulsetting erforderlich, um in allen Bereichen eine gesellschaftliche Teilhabe und Integration des Antragstellers zu gewährleisten. Dem lag eine Stellungnahme des Fachdienstes des Antragsgegners vom 11. Februar 2021 zugrunde, wonach zum aktuellen Zeitpunkt eine Beschulung durch die W1. I1. Schule als geeignetste Möglichkeit zur Sicherung der schulischen Teilhabe des Antragstellers anzusehen sei. Längerfristig sei jedoch die Integration des Antragstellers in ein schulisches Setting anzustreben, damit auch der sozialen Teilhabe Rechnung getragen werde. Diese Maßnahme solle jedoch nicht länger als ein Schuljahr insgesamt durchgeführt werden, um die soziale Teilhabe nicht zu gefährden. Es solle Kontakt mit der K.-Kr.-Schule in W. aufgenommen werden. Demgegenüber könne durch die Teilnahme am Unterricht der W1. I1. Schule verhindert werden, dass der Antragsteller bei Wiederaufnahme des Regelschulbetriebs große Lernrückstände aufweise, welche sich neben seiner seelischen Beeinträchtigung zusätzlich negativ auf die schulische Teilhabe auswirkten. Daher werde die Beschulung durch die W1. I1. Schule für das restliche Schuljahr 2020/2021 befürwortet. Für die weitere Entwicklung des Antragstellers sei auch die soziale Teilhabe essentiell. Zwar gebe es in der W1. I1. Schule offenbar gemeinsame Projekte wie eine Schülerzeitung, es fänden jedoch keine realen Zusammentreffen statt.
6. Mit Schreiben vom 19. März 2021 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 1. März 2021 insoweit Widerspruch einlegen, als die gewährte Hilfe lediglich bis einschließlich 31. Juli 2021 gewährt worden ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Beschulung sowohl an der derzeitigen Schule wie auch an der K.-Kr.-Schule erscheine nicht geeignet. Auch aus Pandemiegründen sei eine Beendigung der Beschulung durch die W1. I1. Schule zum 31. Juli 2021 nicht möglich.
Unter dem 7. April 2021 erstellte das Universitätsklinikum W., Zentrum für psychische Gesundheit, eine Stellungnahme zur Vorlage beim Amtsarzt, in welcher festgehalten wird, im Rahmen der Autismus-Spektrumsstörung zeige der Antragsteller qualitative Beeinträchtigungen der Kommunikation und Interaktion und eine situationsübergreifende Störung der Aufmerksamkeit. Aufgrund des komplexen Störungsbildes stelle ein dreieinhalbstündiger Schulweg eine Überforderung dar, so dass die Empfehlung für den Schulbesuch der K.-Kr.-Schule nicht aufrechterhalten werden könne.
Aus dem Protokoll einer Helferkonferenz vom 21. Mai 2021 ergibt sich die Mitteilung der Schulleitung der K.-Kr.-Schule, deren Förderangebot sei für den Antragsteller nicht passend.
Das Gesundheitsamt am Landratsamt M.-S. gab am 25. Mai 2021 eine ergänzende Stellungnahme zur Schulbesuchsfähigkeit des Antragstellers ab. Von Seiten der Behandelnden der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei gegenüber dem Gesundheitsamt dahingehend Stellung genommen worden, dass die Schulbesuchsfähigkeit aufgrund der Ausprägung des Autismus in Verbindung der ausgeprägten Symptomatik aus dem psychiatrischen und psychosomatischen Formenkreis beim Antragsteller nicht gegeben sei. Aufgrund dieser Auskunft, aufgrund eines Gesprächs mit den Eltern, einer persönlichen Exploration des Antragstellers und aufgrund der Erkenntnisse aus den aktuell vorgelegten Befunden könne die Schulbesuchsfähigkeit amtsärztlich nicht festgestellt werden. Da eine wesentliche Änderung auch mittelfristig nicht erwartet werden könne, müsse dies bis zum Ende der Schulpflichtigkeit angenommen werden.
Mit Mail vom 25. Juni 2021 forderte das Staatliche Schulamt im Landkreis M.-S. den Amtsarzt auf, seine Stellungnahme vom 25. Mai 2021 zu überdenken, dies insbesondere unter dem Aspekt, dass eine Schulbesuchsunfähigkeit für maximal drei Monate attestiert werden könne.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 nahm der Antragsgegner gegenüber dem Bevollmächtigten des Antragstellers hinsichtlich des Widerspruchs vom 19. März 2021 dahingehend Stellung, die Bewilligung einer Eingliederungshilfe in Form der W1. I1. Schule B. mit Bescheid vom 1. März 2021 sei als kurzfristige Übergangslösung in Corona-Zeiten für erforderlich und geeignet angesehen worden, um die schulische Förderung des Antragstellers sicherzustellen. Eine auf längere Zeit angelegte Form dieser Beschulung könne keine positive Entwicklung fördern, weil für den Antragsteller hier die soziale Teilhabe nicht gegeben sei. Über ein weiteres Schuljahr sei die W1. I1. Schule keine Perspektive für den Antragsteller, denn der direkte Austausch mit anderen Gleichaltrigen und der reale Besuch einer Schule stelle eine wichtige Umgebung für soziales Lernen dar, auf welche auch vorliegend nicht verzichtet werden dürfe. Eine Befreiung von der Schulpflicht bestehe nicht.
Die Mittelschule … schlug dem Antragsgegner unter dem 16. Juli 2021 vor, eine Beschulung des Antragstellers im Schuljahr 2021/2022 mit einer Beschulung mit Schulbegleitung, mit zeitweiser Unterstützung durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD), mit einer Unterrichtung nach Förderplänen und Teilbeschulung z.B. in den Lieblingsfächern Informatik und Englisch und einer langsamen Steigerung in den weiteren Fächern mit Möglichkeiten in Nebenräumen oder in der Bibliothek zu arbeiten, vor.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2021 nahm der Antragsgegner gegenüber den Eltern des Antragstellers dahingehend Stellung, die Beschulung durch die W1. I1. Schule sei für einen begrenzten Zeitraum als Überbrückungslösung bewilligt worden. Bei der gesellschaftlichen Teilhabe gehe es um die Sicherstellung der schulischen Teilhabe und auch um die Sicherstellung der sozialen Teilhabe; letztere sei durch die W1. I1. Schule nicht ausreichend erfüllt. Dort fänden keine realen sozialen Kontakte statt, die im vorliegenden Fall für eine positive Entwicklung des Antragstellers unbedingt erforderlich seien. Ohne soziale Kontakte bestehe die große Gefahr, dass der Antragsteller sich zu Hause immer mehr isoliere und den Anschluss an die reale Welt nicht mehr finde. Um dem Anspruch auf Eingliederungshilfe gerecht zu werden, werde eine Schulbegleitung als geeignet und notwendig angesehen, die in der zuständigen Sprengelschule, der Mittelschule …, tätig werden solle. Demgegenüber sei die K.-Kr.-Schule nicht der geeignete Förderort. An der W1. I1. Schule könne der Antragsteller seine Schulpflicht nicht erfüllen. Dies sei an der Mittelschule … möglich. Dort könnten ihm im Rahmen des Inklusionsprofils zusätzliche Angebote zur Verfügung gestellt werden, z.B. ein separater Raum, in dem er in Ruhe und mit Unterstützung durch die Schulbegleitung arbeiten könne. Die Schule könne zunächst auch eine stundenweise Beschulung anbieten, welche schrittweise gesteigert werden könne. Die Beschulung könne auf die Bedürfnisse des Antragstellers eingehen. Es werde darum gebeten, den Antrag für die Bewilligung eines Schulbegleiters zu übermitteln. Sollte dieser Empfehlung nicht nachgekommen werden, werde die Gefahr einer latenten sozio-emotionalen Gefährdung des Antragstellers gesehen, so dass dann die Verpflichtung bestünde, das Familiengericht einzuschalten.
Das Staatliche Schulamt im Landkreis M.-S. informierte den Antragsgegner am 23. Juli 2021 auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Satz 1 KKG über eine mögliche Gefährdung des Wohls des Antragstellers.
7. Am 23. Juli 2021 ließ der Antragsteller im vorliegenden Verfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO beim Verwaltungsgericht Würzburg b e a n t r a g e n:
„Der Antragsgegner wird einstweilen unabhängig von der Position des Schulamtes des Landkreises M.-S. verpflichtet für den Kläger vorläufig mindestens für einschließlich 30.07.2022 die Förderung durch die W1. Schule B. zu genehmigen und die entsprechenden Kosten vorläufig für die Dauer zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu übernehmen.“
Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Besuch der K.-Kr.-Schule sei aufgrund der erheblichen Belastungen des langen Schulwegs nicht möglich. Der Psychologe F … sehe einen Unterricht aus fachlicher Sicht als nicht sinnvoll an. Er empfehle eine Befreiung vom Schulbesuch. Das Gesundheitsamt habe eine Schulbesuchsfähigkeit amtsärztlich nicht feststellen können. Der Antragsgegner habe den Besuch der W1. I1. Schule übergangsweise für erforderlich gehalten und bewilligt. An der W1. I1. Schule habe sich der Antragsteller gut entwickelt. Er beherrsche die englische Sprache wie ein Muttersprachler. Die W1. I1. Schule gehöre zu den Maßnahmen, die im Rahmen des § 35a SGB VIII bewilligt werden könnten. Da die W1. I1. Schule am 1. August 2021 mit dem Unterricht beginne, bestehe Eilbedürftigkeit. Die Argumentation des Antragsgegners, der die realen Kontakte zu Gleichaltrigen in der Schule in den Raum stelle, sei ohne Bezug zu den konkreten Gegebenheiten. Die Autismus-Diagnose des Antragstellers erschwere solche Kontakte. Das Gutachten habe Schulunfähigkeit festgestellt. Dies umfasse auch den Schulbesuch mit Begleitung eines Schulbegleiters. Das Schulamt wolle unzulässig Druck auf das Gesundheitsamt hinsichtlich der Beurteilung der Schulbesuchsfähigkeit des Antragstellers ausüben.
Der Antragsgegner b e a n t r a g t e, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, die Eltern des Antragstellers hätten das Angebot, die K.-Kr.-Schule zu besuchen, abgelehnt. Der durch die Mittelschule … durchgeführte Distanzunterricht sei vom Antragsteller nur selten wahrgenommen worden. Aus diesen Gründen sei eine als Überbrückung dienende Bewilligung der W1. I1. Schule ausnahmsweise zugelassen worden. Ziel sei jedoch immer die Rückkehr in den Präsenzunterricht mit Unterstützung durch den Schulbegleiter gewesen. Deshalb sei am 1. März 2021 der Bewilligungsbescheid lediglich befristet erlassen worden. Aufgrund eines Kontakts der Mutter des Antragstellers mit dem Gesundheitsamt habe dieses ergänzend Stellung genommen und nun die Schulbesuchsunfähigkeit attestiert. Dem Antragsteller sei erneut für das Schuljahr 2021/2022 angeboten worden, die Beschulung durch die Mittelschule … durchzuführen, dies mit sämtlichen verfügbaren Angeboten der Schule und durch Unterstützung durch eine Schulbegleitung. Eine Weiterbewilligung der W1. I1. Schule wäre nur dann gegeben, wenn keine andere Möglichkeit bestünde, den Hilfebedarf im öffentlichen Schulsystem zu decken. Vorliegend könne der Antragsteller die Mittelschule … mit einem Schulbegleiter besuchen und hätte dort die dringend notwendigen Kontakte zu Gleichaltrigen.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Antragsgegners, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
II.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, wie die Würdigung des Vorbringens der Antragstellerseite entsprechend § 88 VwGO ergibt, das Begehren des Antragstellers, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 5. November 2020 auf Eingliederungshilfe in Form der dauerhaften Kostenübernahme für den Besuch der W1. I1. Schule B. die vorläufige Gewährung dieser Leistung auch über den 31. Juli 2021 hinaus bis zum 30. Juli 2022 zu gewähren. Dies ergibt sich aus dem entsprechenden schriftlichen Antrag der Eltern des Antragstellers vom 5. November 2020 in Verbindung mit der mündlichen Erläuterung im Gespräch mit dem Antragsgegner am 5. November 2020, aus dem Widerspruchsschreiben vom 19. März 2021 sowie aus der Antragsbegründung im vorliegenden Verfahren.
Der zulässige Antrag ist nur zum Teil begründet. Ihm kann lediglich bis zum Eintritt der Unwirksamkeit der Stellungnahme des Gesundheitsamts am Landratsamt M.-S. vom 25. Mai 2021 hinsichtlich der Schulbesuchsunfähigkeit des Antragstellers, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2021 stattgegeben werden. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrunds, also die Eilbedürftigkeit, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 45 ff.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Happ, a.a.O., § 123 Rn. 54, 51).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Happ, a.a.O., § 123 Rn. 54).
Es entspricht dem Wesen der einstweiligen Anordnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und der Antragsteller nicht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das erhalten soll, worauf sein Anspruch in einem Hauptsacheverfahren gerichtet ist; das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll also nicht die Hauptsache vorwegnehmen. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66, BeckRS 2016, 44855 Rn. 4; B.v. 18.2.2013 – 12 CE 12.2104 – juris Rn. 38; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 14; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a).
2. Im Rahmen der im Eilverfahren möglichen Prüfung hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit einer Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft gemacht. Dies ergibt sich aus seiner Darlegung, dass der Unterricht der W1. I1. Schule über den am 31. Juli 2021 abgelaufenen Bewilligungszeitraum hinaus am 1. August 2021 begonnen hat und es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, um eine entsprechende Beschulung zu erhalten.
3. Einen Anordnungsanspruch hat der Antragsteller jedoch nur in zeitlich eingeschränkter Hinsicht glaubhaft machen können. Es ist für das Gericht lediglich erkennbar, dass ein Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Bewilligung von Eingliederungshilfe in Form einer Online-Beschulung durch die W1. I1. Schule B. bis zum Eintritt der Schulbesuchsfähigkeit des Antragstellers, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2021 besteht. Über diesen Zeitraum hinaus hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Gemäß § 35a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Art. 1 Gesetz vom 26.6.1990, BGBl. I S. 1163), zuletzt geändert durch Art. 8 Gesetz vom 16. Juni 2021 (BGBl. I S. 1810) – SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn (1.) ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht (seelische Behinderung) und (2.) daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (Teilhabebeeinträchtigung). Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (§ 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).
Gemäß § 35a Abs. 1a Satz 1 SGB VIII hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Abs. 1 eine fachärztliche oder jugendpsychotherapeutische Stellungnahme einzuholen, die die in § 35a Abs. 1a Satz 2 bis Satz 3 SGB VIII genannten Voraussetzungen zu erfüllen hat. Demgegenüber ist die Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII Aufgabe des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, da hierbei sozialpädagogische Fachlichkeit erforderlich ist (von Boetticher/Meysen in Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 35a Rn. 34).
Im vorliegenden Fall besteht kein Streit um die Frage, ob im vorliegenden Fall die seelische Gesundheit des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht. Dies ist seitens des Universitätsklinikums W., Zentrum für Psychische Gesundheit, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, mithin von einer Einrichtung nach § 35a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VIII bescheinigt worden, zuletzt mit Stellungnahmen vom 30. Januar 2020 und vom 7. April 2021.
Zudem ist zwischen den Parteien auch die Frage nicht streitig, ob die Teilhabe des Antragstellers am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Eine derartige Beeinträchtigung sieht der Antragsgegner in den Bereichen schulische Integration und soziale Integration. Dies ergibt sich aus dem Hilfeplan vom 16. Januar 2020 und aus der Stellungnahme des Jugendamts des Antragsgegners vom 11. Februar 2021, wo die gesellschaftliche Teilhabe im schulischen und im sozialen Bereich als massiv beeinträchtigt beurteilt wird. Auch die Helferkonferenz vom 23. Juni 2021 sieht eine Teilhabebeeinträchtigung im schulischen und im sozialen Bereich. Eine entsprechende Mitteilung enthält auch das Schreiben des Antragsgegners vom 20. Juli 2021 an die Eltern des Antragstellers.
Streitig ist zwischen den Parteien jedoch die Frage, welche Hilfeart für den Antragsteller geeignet ist.
a) Auf der Grundlage der oben dargestellten Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. nach § 90 und nach den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
Die Leistung soll den Leistungsberechtigten nach § 90 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 8 Gesetz vom 16. Juni 2021 (BGBl I S. 1810) – SGB IX – eine individuelle Lebensführung ermöglichen und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern; nach Satz 2 der Vorschrift soll die Leistung die Leistungsberechtigten befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich vornehmen zu können. Nach § 90 Abs. 4 SGB IX ist es besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 SGB IX u.a. Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der all-gemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen ein-schließlich der Vorbereitung hierzu, wobei die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht un-berührt bleiben.
b) Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Hilfemaßnahme, denn gemäß § 35a Abs. 2 SGB VIII wird die Hilfe nach dem Bedarf im Einzelfall geleistet. Das erfordert eine Entscheidung darüber, welche konkrete Hilfemaßnahme im Hinblick auf die festgestellte Teilhabebeeinträchtigung notwendig und geeignet ist. Diesbezüglich kommt dem Antragsgegner ein verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Denn nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung unterliegt die Entscheidung über die Erforderlichkeit und Geeignetheit einer bestimmten Maßnahme einem kooperativen, sozialpädagogischen Entscheidungsprozess unter Mitwirkung der Fachkräfte des Jugendamts und des betroffenen Hilfeempfängers, der nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern vielmehr eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation beinhaltet, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss (sog. sozialpädagogische Fachlichkeit). Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich in diesem Fall darauf, dass allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist daher nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (BVerwG, U.v. 24.6.1999 – 5 C 24.98 – BVerwGE 109, 155 ff.; BayVGH, B.v. 28.6.2016 – 12 ZB 15.1641 – juris Rn. 26; U.v. 24.6.2009 – 12 B 09.602 – juris Rn. 26).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung einer bestimmten Hilfeleistung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sich der Beurteilungsspielraum der Behörde dahingehend verdichtet, dass nur eine einzige Maßnahme, nämlich die von der Antragstellerseite begehrte, als notwendig und geeignet anzusehen ist. Bei der im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage muss es dabei ausreichen, wenn eine solche Sondersituation jedenfalls als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden kann.
c) Grundsätzlich zielt die Eingliederungshilfe darauf ab, den Hilfebedarf in seiner Gesamtheit zu decken und deshalb alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick zu nehmen. Hilfeleistungen sind demnach so auszuwählen und aufeinander abzustimmen, dass sie den gesamten Bedarf soweit wie möglich erfassen. Denn aus dem sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungsgrundsatz, der im Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe in § 35a Abs. 2 SGB VIII verankert ist, folgt, dass grundsätzlich der gesamte im konkreten Einzelfall anzuerkennende Hilfebedarf seelisch behinderter Kinder oder Jugendlicher abzudecken ist (BVerwG, U.v. 19.10.2011 – BVerwG 5 C 6.11 – juris Rn. 12; U.v. 18.10.2012 – 5 C 21/11 – juris Rn. 25). Allerdings kann der Regelung des § 35a SGB VIII nicht entnommen werden, dass dies zwingend der Fall sein muss. Denn der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist zu entnehmen, dass Eingliederungshilfen auch darauf ausgerichtet sein dürfen, einen Teilbedarf zu decken. Denn wenn Teilhabebeeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen einen Hilfebedarf erzeugen, der nur durch verschiedene, auf den jeweiligen Bereich zugeschnittene Leistungen abgedeckt werden kann und muss, kann es geboten sein, verschiedene Hilfeleistungen zu kombinieren oder durch mehrere Einzelleistungen den Gesamtbedarf des Hilfebedürftigen abzudecken. In diesem Fall kann es, wenn nicht sogleich der Gesamtbedarf gedeckt werden kann, erforderlich sein, Hilfeleistungen zumindest und zunächst für diejenigen Teilbereiche zu erbringen, in denen dies möglich ist. Steht etwa eine bestimmte Hilfeleistung tatsächlich zeitweilig nicht zur Verfügung oder wird eine bestimmte Hilfe vom Hilfeempfänger oder dessen Erziehungsberechtigten (zeitweise) nicht angenommen, kann es gleichwohl geboten sein, die Hilfen zu gewähren, die den in anderen Teilbereichen bestehenden Bedarf abdecken (BVerwG, U.v. 18.10.2012 – 5 C 21/11 – juris Rn. 23 bis 24 und 26).
Etwas anderes kann – mit Blick auf Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe – nur dann anzunehmen sein, wenn die Gewährung der Hilfe für einen Teilbereich die Erreichung des Eingliederungsziels in anderen von der Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereichen erschweren oder vereiteln würde, es also zu Friktionen zwischen Hilfemaßnahmen käme (BVerwG, a.a.O., Rn. 27; vgl. zur gesamten Problematik auch BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 12 C 17.2563 – juris Rn. 20 bis 25 m.w.N.).
d) Auf dieser Grundlage ist im Rahmen der Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass dem vorliegenden Antrag nur teilweise stattgegeben werden kann.
aa) Wie oben festgestellt, besteht beim Antragsteller Eingliederungshilfebedarf sowohl in schulischer als auch in sozialer Hinsicht. Im Rahmen seines zunächst gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums ist der Antragsgegner der Ansicht, dass dieser Bedarf durch eine einheitliche Maßnahme gedeckt werden kann. Hierbei handelt es sich um die Beschulung des Antragstellers an der Mittelschule … im Rahmen von deren Inklusionsprofil mit verschiedenen Maßnahmen für eine bedarfsgerechte Beschulung. Im Einzelnen handelt es sich um die Stellung einer Schulbegleitung, um die zeitweise Unterstützung durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst, um die Unterrichtung nach Förderplänen, um eine Teilbeschulung, z.B. zunächst in den Lieblingsfächern Informatik und Englisch mit langsamer Steigerung und um die Möglichkeit, in Nebenräumen oder in der Bibliothek zu arbeiten. Dies hat der Antragsgegner den Eltern des Antragstellers mit Schreiben vom 20. Juli 2021 mitgeteilt. Für das Gericht nachvollziehbar begründet wird dies mit der Argumentation, der Kontakt zu Gleichaltrigen sei essenziell in der Entwicklung junger Menschen. Eine derartige soziale Teilhabe und damit auch eine sozio-emotionale Entwicklung des Antragstellers sei gefährdet, wenn er an keine Schule angebunden sei und somit keinerlei soziale Kontakte zu Gleichaltrigen habe. Damit sei die W1. I1. Schule als vorübergehende Maßnahme der Eingliederungshilfe zur schulischen Teilhabe geeignet gewesen, allerdings nicht über das Schuljahr 2020/2021 hinaus.
Auch die inhaltliche Ausgestaltung dieses Vorschlags ist für das Gericht nachvollziehbar. Er wird gleichermaßen dem schulischen und dem sozialen Eingliederungshilfebedarf gerecht, dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller nicht zwingend und dauerhaft mit einer Vielzahl von Mitschülerinnen und Mitschülern konfrontiert ist, sondern zunächst eine zeitliche Einschränkung der Beschulung mit langsamer Steigerung und bei Bedarf Rückzugsmöglichkeiten vorgesehen sind. Die Unterrichtung nach Förderplänen wirkt der zu Beginn des Schuljahrs 2019/2020 eingetretenen Überforderung beim Lerntempo und bei den Lerninhalten entgegen.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Stellungnahme des Gesundheitsamts am Landratsamt M.-S. vom 25. Mai 2021, welche noch von einer Beschulung in der Mittelschule … ohne die vom Antragsgegner nunmehr vorgeschlagenen Zusatzmaßnahmen ausgeht. Dies gilt auch für die Stellungnahmen des Diplom-Psychologen F … vom 4. September 2020 und vom 16. Oktober 2020.
Demgegenüber kann im Rahmen des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums zunächst nicht festgestellt werden, dass gegenüber dessen Vorschlag eine Beschulung durch die W1. I1. Schule B. die einzige geeignete Maßnahme wäre.
Auf dieser Grundlage wäre die vom Antragsgegner vorgeschlagene Beschulung an der Mittelschule … mit den entsprechenden Zusatzmaßnahmen als eine von dessen Beurteilungsspielraum abgedeckte und geeignete Eingliederungshilfemaßnahme anzusehen.
bb) Allerdings ist diese Eingliederungshilfemaßnahme zumindest derzeit für den Antragsteller nicht erreichbar. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Gesundheitsamts am Landratsamt M.-S. vom 25. Mai 2021, welche amtsärztlich eine Schulbesuchsunfähigkeit bis zum Ende der Schulpflichtigkeit bescheinigt. Bei dieser Stellungnahme handelt es sich um eine Ergänzung der Stellungnahme vom 1. Dezember 2020, welche das Staatliche Schulamt im Landkreis M.-S. offensichtlich auf der Grundlage von Art. 118 Abs. 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i. d. F. d. Bek. vom 31. Mai 2000 (GVBl 2000, 414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2020 (GVBl. 2020, 386) eingeholt hat. Eine derartige Stellungnahme kann Grundlage für eine Beurlaubung vom Schulbesuch gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 BaySchO sein. Diese Stellungnahme vom 25. Mai 2021 beruft sich als Begründung auf „neue Erkenntnisse“ und auf „zusätzliche neue Befundberichte der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums W.“, auf eine persönliche Exploration des Antragstellers und auf ein ausführliches Gespräch mit dessen Eltern sowie auf „mehrere(n) telefonische(n) Gespräche mit Frau O …, behandelnde Psychologin in der KJP der Universitätsklinik Würzburg“. Allerdings benennt der Amtsarzt nicht, welche zusätzlichen neuen Befundberichte der Universitätsklinik Würzburg er verwendet hat. Zwar ist in den vorgelegten Verwaltungsakten eine Stellungnahme des Universitätsklinikums W. vom 7. April 2021 zur Vorlage beim Amtsarzt enthalten, diese beschäftigt sich jedoch ausschließlich mit der Frage, ob die K.-Kr.-Schule ein für den Antragsteller geeigneter Förderort sei. Aussagen zur Schulbesuchsunfähigkeit sind hierin nicht enthalten. Weiterhin benennt der Amtsarzt nicht einmal ansatzweise den Inhalt der telefonischen Gespräche mit der Psychologin der Universitätsklinik Würzburg; auch ein Ergebnis seiner persönlichen Exploration und die Inhalte des ausführlichen Gesprächs mit den Eltern werden nicht benannt. Insofern ist die Stellungnahme vom Ergebnis her zwar eindeutig, von ihrer Begründung her jedoch nur eingeschränkt nachvollziehbar. Darüber hinaus ist sie teilweise auch in sich widersprüchlich. Der Beurteilung einer Schulbesuchsunfähigkeit bis zum Ende der Schulpflicht (also für weitere fünf Schulbesuchsjahre) steht die Ausführung entgegen, dass eine zukünftige Entwicklung in gewissem Maße spekulativ sei und dass den Eltern jederzeit die Möglichkeit gegeben werden solle, eine erneute Schulbesuchsmaßnahme zu beantragen. Zudem wurde diese Stellungnahme am 25. Mai 2021, also vor etwa zweieinhalb Monaten erstellt. Aus diesen Gründen erscheint sie dringend überprüfungsbedürftig, dies zusätzlich auch deswegen, weil sie die vom Antragsgegner nunmehr vorgeschlagene Art der Beschulung in der Mittelschule … noch nicht berücksichtigen konnte.
Allerdings ist es nicht Sache des Jugendamts, eine schulbehördliche Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (BVerwG, U.v. 28.4.2005 – 5 C 20/04 – juris Rn. 11; VG Trier, U.v. 24.5.2007 – 6 K 757/06.TR – juris Rn. 23) und auch das Gericht kann sie nicht ohne weiteres übergehen, zumal sie nicht völlig inkonsistent erscheint. Auch ist das Gericht aufgrund fehlender Fachkenntnis nicht dazu in der Lage, eine eigene Beurteilung der Schulbesuchsfähigkeit des Antragstellers vorzunehmen. Deshalb erscheint die Stellungnahme vom 25. Mai 2021 zwar in inhaltlicher und in zeitlicher Hinsicht überprüfungsbedürftig, sie hindert derzeit jedoch die Umsetzung des Vorschlags des Antragsgegners, dem Antragsteller Eingliederungshilfe im Rahmen des Besuchs der Mittelschule … zu gewähren.
cc) Ist die vom Antragsgegner vorgesehene sowohl die schulische als auch die soziale Eingliederungsbedürftigkeit des Antragstellers umfassende Hilfe aufgrund der derzeit bescheinigten Schulbesuchsunfähigkeit nicht erreichbar und kann der Antragsteller aufgrund der amtsärztlichen Stellungnahme vom 25. Mai 2021 derzeit keine – auch keine andere – Präsenzschule besuchen, so ist dem Antragsgegner die Gewährung von Eingliederungshilfe im sozialen Bereich verwehrt. Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2012 (5 C 21/11 – juris) kommt damit Eingliederungshilfe lediglich für einen Teilbereich, nämlich hinsichtlich des Eingliederungsbedarfs im schulischen Bereich, in Betracht, dies mit dem Ziel, Sorge dafür zu tragen, dass der Antragsteller hinsichtlich seiner schulischen Fähigkeiten und Leistungen in den einzelnen Unterrichtsfächern nicht den Anschluss verliert und damit seine Schulbildung einschließlich eines für ihn gegebenenfalls möglichen regulären Schulabschlusses nicht in Frage gestellt wird. Hierfür ist die vom Antragsteller beantragte Bewilligung der Kostenübernahme für die Beschulung durch die W1. I1. Schule B. die einzige erkennbar geeignete Maßnahme, dies allerdings lediglich in zeitlich eingeschränktem Umfang.
dd) Die Beschulung durch die W1. I1. Schule ist derzeit trotz der Schulpflicht des Antragstellers, also trotz der Pflicht, eine öffentliche oder eine staatlich anerkannte private Schule gemäß Art. 35 und Art. 36 BayEUG zu besuchen, als Eingliederungshilfe im schulischen Bereich geeignet.
Grundsätzlich kann eine Beschulung mittels einer Online Schule, mit welcher die bestehende Schulpflicht nicht erfüllt werden kann, keine geeignete Eingliederungshilfe darstellen, denn auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Leistungen zur Teilhabe an Bildung prinzipiell lediglich unterstützenden Charakter. Sie sind grundsätzlich weder auf die Finanzierung der Bildungsmaßnahme selbst noch auf die Gestaltung deren pädagogischen Kernbereichs gerichtet. Dies bedeutet, dass z.B. Schulgelder und Kursgebühren grundsätzlich nicht in das Leistungsspektrum des Rehabilitationsträgers fallen. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die Fälle des Systemversagens, wenn z.B. einem Kind der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven Gründen oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder zumutbar ist. Solange der Schulträger seinem Versorgungsauftrag nicht nachkommt, muss der Eingliederungshilfeträger dann die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung durch vorläufige Finanzierung der Bildungsmaßnahme (z.B. Schulgeld für eine Privatschule) sicherstellen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Hilfe zu einer Schulbildung eine Leistungspflicht hinsichtlich der eigentlich dem Kernbereich der Schule zugewiesenen Maßnahme beispielsweise dann besteht, wenn die Förderung in der Schule nicht ausreichend ist (BVerwG, B.v. 17.2.2015 – 5 B 61/14 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 26.2.2020 – 12 S 3015/18 – juris Rn. 14; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 8.10.2020 – 3 M 159/20 – juris Rn. 12; Zinsmeister in Dau/Düwell/Joussen, Beck-Online-Kommentar, SGB IX, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 4 i.V.m. § 75 Rn. 7 und 8; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, Stand: 13.11.2020, § 112 Rn. 30 f., Rn. 49; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: 6/2021, § 35a Rn. 48; Kepert/Dexheimer in LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, S 35a Rn. 56; BayVGH, B.v. 18.10.2016 – 12 CE 16.2064 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 5.2.2018 – 12 C 17.2563 – juris Rn. 44). Das Jugendamt trifft damit eine Einstandspflicht als Ausfallsbürge (VG Schwerin, B.v. 13.11.2015 – 6 B 3377/15 SN – juris Rn. 31 m.w.N.).
Der Kernbereich der der Schule zugewiesenen pädagogischen Arbeit betrifft die dem Lehrer vorbehaltene Vermittlung von Lerninhalten in pädagogischer und didaktischer Hinsicht (Stähr in Hauck Noftz, SGB VIII, Stand: 6/2021, § 35a, Rn. 48 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall trifft die begehrte Maßnahme den Kernbereich schulischen Handelns, denn es geht darum, dass im Rahmen der W1. I1. Schule B. die jeweiligen Lerninhalte individuell auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Antragstellers abgestimmt werden (BSG, U.v. 9.12.2016 – B 8 SO 8/15 R – juris Rn. 25; Kepert/Dexheimer in LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 35a Rn. 56). Damit ist vom Grundsatz her ein Anspruch gegen den Antragsgegner als Sozialleistungsträger ausgeschlossen. Zudem ist der Antragsteller gemäß Art. 35 Abs. 2 und 3 BayEUG noch schulpflichtig. Gemäß Art. 35 Abs. 2 BayEUG dauert die Schulpflicht in Bayern 12 Jahre. Diese gliedert sich nach Art. 35 Abs. 3 BayEUG in eine Vollzeitschulpflicht und in die Berufsschulpflicht. Die Vollzeitschulpflicht dauert neun Jahre nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayEUG. Die sich daran anschließende Berufsschulpflicht beträgt in der Regel gemäß Art. 39 BayEUG drei Jahre.
Der Antragsteller hat derzeit sechs Schulbesuchsjahre absolviert, seine Vollzeitschulpflicht endet demnach mit Ende des Schuljahrs 2023/2024, die Berufsschulpflicht voraussichtlich mit Abschluss des Schuljahrs 2026/2027. Ausnahmen von der Schulpflicht sind im bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz nicht mehr vorgesehen, Fälle fehlender Schulbesuchsfähigkeit sollen über den Hausunterricht gelöst werden. Darüber hinaus ist eine Beurlaubung vom Schulbesuch in § 20 Abs. 3 Satz 1 BaySchO geregelt, wonach Schüler auf schriftlichen Antrag in begründeten Ausnahmefällen vom Schulbesuch befreit werden können (Amberg/Falckenberg/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Kommentar, Stand: Juni 2021, Art. 35 BayEUG Rn. 2.2 und Rn. 3 sowie Art. 56 BayEUG Rn. 6.3).
Trotz dieser Sachlage ist es für das Gericht glaubhaft, dass zumindest in zeitlich eingeschränkter Hinsicht die Bewilligung von Eingliederungshilfe in Form der W1. I1. Schule B. ausnahmsweise eine geeignete Maßnahme darstellt. Dies ergibt sich daraus, dass ein Fall des so genannten Schulversagens vorliegt, das staatliche Schulsystem also derzeit nicht dazu in der Lage ist, dem Antragsteller eine für ihn angemessene Beschulung anzubieten. Wie oben bereits ausgeführt, kommt der Besuch der Mittelschule … auch unter Berücksichtigung des Inklusionsprofils der Schule und der zusätzlichen individuellen Regelungen deshalb nicht in Betracht, weil das Gesundheitsamt mit Stellungnahme vom 25. Mai 2021 die Schulbesuchsunfähigkeit bescheinigt hat. Aus demselben Grund entfallen die Möglichkeiten einer Beschulung in der K.-Kr.-Schule Würzburg, dies unabhängig von den weiteren diesbezüglichen Problemen hinsichtlich Schulweg und inhaltlicher Geeignetheit der Schule, sowie im Sonderpädagogischen Förderzentrums … …Schule … Auch eine Hausbeschulung kommt nicht in Betracht, dies aufgrund eines fehlenden Antrags seitens der Eltern des Antragstellers (vgl. § 1 Abs. 3 Verordnung über den Hausunterricht, Hausunterrichtsverordnung – HUnterrV) vom 29. August 1989 (GVBl S. 455, ber. S. 702), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 247 Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286, ber. S. 405); vgl. auch VG München, B.v. 24.3.2020 – M 18 E 20.258 – juris Rn. 56). Anderweitige Beschulungsmöglichkeiten konnte das Staatliche Schulamt im Landkreis M.-S. bislang nicht anbieten. Ist der Antragsteller aber im staatlichen Schulsystem aktuell nicht beschulbar, entfällt die diesbezügliche Nachrangigkeit der Jugendhilfe und eine Beschulung außerhalb des staatlichen Schulsystems und außerhalb der Erfüllung der staatlichen Schulpflicht kommt grundsätzlich als geeignete und vom Träger der Jugendhilfe zu finanzierende Eingliederungshilfe in Betracht.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner durch den Bewilligungsbescheid vom 1. März 2021 bereits zu erkennen gegeben, dass er den Fernunterricht an der W1. I1. Schule B. hinsichtlich der Beschulung des Antragstellers in inhaltlicher, pädagogischer und didaktischer Hinsicht für sachgerecht hält. Der Antragsteller hat zudem zur Glaubhaftmachung einen Lernstandsbericht der W1. I1. Schule B. vom 14. Juni 2021 vorgelegt aus dem sich ergibt, dass der Antragsteller sich seit Februar 2021 gut an den Schulalltag gewöhnen und im täglich stattfindenden Live-Unterricht schnell an Selbstvertrauen habe gewinnen können. Der Antragsteller habe von der klaren Struktur des Einzelunterrichts, welcher auf seine Bedürfnisse angepasst sei, profitiert und er habe kontinuierlich Lernfortschritte erzielen können. Die Möglichkeit, das Unterrichtsgeschehen jederzeit der Tagesform anzupassen, sei für die Lernatmosphäre förderlich und trage zur motivierten Teilnahme des Antragstellers am Unterricht bei.
Dem hat der Antragsgegner nichts entgegengesetzt, was die derzeitige Geeignetheit des Unterrichts im Rahmen der W1. I1. Schule B. in Bezug auf die Eingliederungshilfe im schulischen Bereich in Frage stellen könnte.
ee) Allerdings ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Akten des Antragsgegners, dass das Staatliche Schulamt eine juristische Prüfung der Stellungnahme vom 25. Mai 2021 veranlasst hat.
Sobald aufgrund dieser Überprüfung oder aufgrund einer Fortschreibung der Stellungnahme vom 25. Mai 2021 eine Schulbesuchsunfähigkeit des Antragstellers nicht (mehr) bescheinigt werden kann, ist das staatliche Schulsystem wieder in der Lage, dem Antragsteller eine angemessene Beschulung zur Verfügung zu stellen, dies in der Mittelschule … mit den entsprechenden schon beschriebenen individuellen Regelungen und mit Unterstützung durch einen Schulbegleiter, den der Antragsgegner im Rahmen der Eingliederungshilfe zu bewilligen bereit ist.
Aus diesem Grund war dem Antrag lediglich bis zu dem Zeitpunkt stattzugeben, zu welchen die amtsärztliche Bescheinigung vom 25. Mai 2021 ihre Wirkung verliert.
ff) Unabhängig hiervon konnte der Antragsteller das Bestehen eines Anordnungsanspruchs auch bei länger andauernder Schulbesuchsunfähigkeit über den 31. Oktober 2021 hinaus nicht glaubhaft machen.
Dies ergibt sich daraus, dass eine Eingliederungshilfe für den Teilbedarf schulische Integration mittels Beschulung durch die W1. I1. Schule B. über diesen Zeitpunkt hinaus die Erreichung des Eingliederungsziels soziale Teilhabe deutlich erschweren und auf Dauer sogar vereiteln würde (BVerwG, U.v. 18.10.2012 – 5 C 21/11 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 12 C 17.2563 – juris Rn. 24).
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Die Hilfekonferenz im Jugendamt des Antragsgegners vom 29. Oktober 2020 hält im Hinblick auf eine Empfehlung des Diplom-Psychologen F … vom 16. Oktober 2020, den Antragsteller vom Schulbesuch zu befreien, aus pädagogischer Sicht eine Heimbeschulung nicht für sinnvoll und eher kontraproduktiv mit der Begründung, der Antragsteller habe in diesem Fall keine sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen.
Aus einem Aktenvermerk einer mit dem Verfahren betrauten Mitarbeiterin des Jugendamts des Antragsgegners vom 1. Dezember 2020 ergibt sich die Einschätzung, zum aktuellen Zeitpunkt erscheine eine Beschulung der W1. I1. Schule als geeignetste Möglichkeit, um die schulische Teilhabe des Antragstellers zu sichern. Längerfristig sei jedoch die Integration des Antragstellers in ein schulisches Setting angestrebt, da der Antragsteller ausreichend Erfahrungen in sozialen Situationen gerade im Hinblick auf den Einstieg ins Berufsleben benötige. Es werde als problematisch eingeschätzt, den Antragsteller wieder in ein soziales Setting zu integrieren, wenn er über eine längere Zeit nur online beschult werde. Deshalb solle die Online-Beschulung voraussichtlich nicht länger als ein Schuljahr insgesamt durchgeführt werden.
Das Gesundheitsamt vertritt in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 1. Dezember 2020 die Auffassung, es sei auf der Grundlage der Stellungnahme des Diplom-Psychologen F … vom 16. Oktober 2020 nachvollziehbar, dass ein Klassenverband von 29 Schülern nicht die geeignete Beschulungsform darstelle, jedoch könne ein anders zusammengestellter Klassenverband mit angepassten Rahmenbedingungen geeignet für eine adäquate Beschulung für den Antragsteller sein.
In einer Stellungnahme vom 11. Februar 2021 vertritt das Jugendamt des Antragsgegners die Ansicht, zum aktuellen Zeitpunkt erscheine die Beschulung durch die W1. I1. Schule als geeignetste Möglichkeit, um die schulische Teilhabe des Antragstellers zu sichern. Längerfristig werde jedoch die Integration in ein schulisches Setting angestrebt, damit auch der sozialen Teilhabe Rechnung getragen werde. Bei einer längerfristigen Online-Beschulung werde die soziale Teilhabe als gefährdet angesehen, da durch eine reine Web-Beschulung keine realen sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen möglich seien. Längerfristig benötige der Antragsteller ein Setting, in dem reale soziale Kontakte möglich seien und er so mit sozialen Situationen konfrontiert werde. Für seine weitere Entwicklung sei auch die soziale Teilhabe essenziell. Gerade im Hinblick auf das spätere Berufsleben sei es un-realistisch, dass alle Kontakte ausschließlich online stattfänden. In einem gewissen Rahmen müsse der Antragsteller dazu in der Lage sein, sich in sozialen Situationen zurecht zu finden. Hierfür sei die reale Interaktion mit Gleichaltrigen unabdingbar. Auf diese Stellungnahme verweist auch der Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 1. März 2021 mit der Bemerkung, die notwendige gesellschaftliche Teilhabe auch am Schulleben sei für den Antragsteller essenziell notwendig und könne durch die W1. I1. Schule nicht sichergestellt werden. Dies bedeute, dass im Schuljahr 2021/2022 der Besuch einer entsprechenden Förderschule mit kleineren Klassengrößen anzustreben sei.
Die Hilfekonferenz des Jugendamts des Antragsgegners vom 21. Mai 2021 vertrat im Hinblick auf den Widerspruch des Antragstellers vom 19. März 2021 die Auffassung, aus pädagogischer Sicht sei eine Heimbeschulung auf Dauer nicht sinnvoll und eher kontraproduktiv, da der Antragsteller keinerlei sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen habe. Die Bewilligung der W1. I1. Schule bis zum 31. Juli 2021 sei lediglich eine Übergangslösung gewesen, um angesichts der pandemiebedingten Unregelmäßigkeiten im Schulbetrieb die schulische Teilhabe zu sichern. Für eine weitere Entwicklung sei jedoch ein gewisser Kontakt zu Gleichaltrigen essenziell. Aus pädagogischer Sicht müsse mittlerweile durch das Verhalten der Eltern und aufgrund der Rahmenbedingungen von einer sich manifestierenden sozio-emotionalen Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden. Die selbe Auffassung wird auch in der Stellungnahme des Jugendamts vom 26. Mai 2021 zum Widerspruch des Antragstellers vom 19. März 2021 vertreten.
Diese fachlichen Beurteilungen sind für das Gericht plausibel und nachvollziehbar. Der auf die soziale Kompetenz bezogene Eingliederungsbedarf des Antragstellers beruht gerade auf seiner mangelnden Fähigkeit, Kontakte mit Gleichaltrigen aufzunehmen und damit an dem Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Dies ist – wie der Kammer aus verschiedenen Verfahren bekannt ist – eine bei jungen Menschen mit Asperger-Autismus weit verbreitete Problematik. Es ist weiterhin gut nachvollziehbar, dass ein Verzicht auf soziale Kontakte mit Gleichaltrigen über einen kurzen Zeitraum hinweg hinnehmbar ist, dass jedoch eine Wiederaufnahme von Kontakten zu Gleichaltrigen umso schwieriger wird, je länger der Kontaktabbruch angedauert hat, so dass es in dieser Hinsicht sogar zu irreversiblen Schäden kommen kann. Damit bestünde die handgreifliche Gefahr von dauerhaften Schäden im sozialen Bereich bei einer zeitlich unbefristeten Online-Beschulung des Antragstellers. Demgegenüber kann die Argumentation des Bevollmächtigten des Antragstellers im vorliegenden Verfahren zu keinem anderen Ergebnis führen. Entgegen dessen Meinung berücksichtigt der Antragsgegner die konkreten Gegebenheiten des vorliegenden Falls. Dass der beim Antragsteller vorhandene Asperger-Autismus – wie der Antragstellerbevollmächtigte in den Raum stellt – soziale Kontakte erschwert, liegt auf der Hand und ist gerade kein Argument dafür, auf Dauer auf solche sozialen Kontakte zu verzichten.
Aus alledem ergibt sich, dass eine dauerhafte Beschulung durch die W1. I1. Schule B. im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf den sozialen Integrationsbedarf des Antragstellers kontraindiziert ist.
Auf der Grundlage der oben dargestellten für das Gericht nachvollziehbaren Einschätzungen des Jugendamts des Antragsgegners ist damit eine Beschulung durch die W1. I1. Schule B. lediglich für eine kurze Zeit hinnehmbar und damit ein Anordnungsanspruch glaubhaft. Nach der ersten Einschätzung des Jugendamts vom 1. Dezember 2020 wurde eine Online-Beschulung für maximal ein Jahr für sachgerecht gehalten. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits seit dem 20. Januar 2020 nicht mehr am Schulleben teilgenommen hat. Auf dieser Grundlage ist die zeitliche Grenze, zu welcher die eigentlich angemessene Hilfe für den Teil Integrationsbedarf Schule in eine aufgrund ihrer Kontraindizierung zum sozialen Integrationsbedarf unangemessene Hilfe umschlägt, alsbald erreicht. Für das Gericht ist deshalb ein Anordnungsanspruch lediglich noch bis zum 31. Oktober 2021 glaubhaft, dies auch unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. unten). Auf der Grundlage der oben dargestellten fachlichen Einschätzungen des Jugendamts des Antragsgegners ist bei einer Online-Beschulung über diesen Zeitpunkt hinaus mit dem Eintritt der dargestellten Schäden im sozialen Bereich konkret zu rechnen. Hierbei ist auch die Anzeige des Staatlichen Schulamts im Landkreis M.-S. vom 23. Juli 2021 an den Antragsgegner wegen des Verdachts auf Gefährdung des Kindeswohls zu berücksichtigen. Diese Anzeige beruht auf § 4 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2975), zuletzt geändert durch Art. 20 Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). Werden Lehrerinnen oder Lehrern an öffentlichen und an staatlich anerkannten privaten Schulen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 KKG unter anderem mit dem Kind oder Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten die Situation erörtern und auf die entsprechende Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken. Ist dieses Vorgehen erfolglos und wird ein Tätigwerden des Jugendamts für erforderlich gehalten, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so besteht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 KKG die Befugnis, das Jugendamt zu informieren. Auf dieser Grundlage hat das Staatliche Schulamt das Jugendamt darauf hingewiesen, dass der Antragsteller seit dem 20. Januar 2020 nicht mehr im Präsenzunterricht anwesend war und auch schon zuvor schulische Angebote versäumt hatte. Trotz eines positiv verlaufenen Hilfeplangesprächs am 16. Januar 2020 hätten die Eltern den Antragsteller am 20. Januar 2020 für 25 Wochen krankgemeldet und Hausunterricht beantragt. Das Staatliche Schulamt teilt weiter die Ansicht der Eltern des Antragstellers mit, dass ihnen die Wissensvermittlung wichtiger sei als soziale Kontakte und dass sich die Mutter gegen eine Beschulung im Förderzentrum … gewehrt habe. Dies gelte auch für die Beschulung durch die K.-Kr.-Schule. Die Teilnahme am Distanzunterricht der Mittelschule … von Dezember 2020 bis März 2021 sei nicht nachprüfbar gewesen. Einladungen des Schulamts zu einem Gespräch über die weitere Entwicklung des Antragstellers seien entweder ohne ihn wahrgenommen oder ganz abgelehnt worden. Damit bestünden gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls des Antragstellers insbesondere im Hinblick auf die fehlende Ermöglichung sozialer Teilhabe im Austausch mit Gleichaltrigen. Es lägen Anhaltspunkte vor, dass die Eltern ihr Sorgerecht nicht zum Wohl des Antragstellers ausübten und nicht dazu bereit seien, mit den schulischen Fachkräften gemeinsam nach einer bedarfsorientierten Lösung für die Beschulung zu suchen. Es bereite Sorge, dass die Eltern zwar viel unternähmen, um eine Präsenzbeschulung zu verhindern, sich jedoch über diese Sorge hinaus nicht zur Mitwirkung bereit zeigten, noch so niederschwellige Angebote einer inklusiven Beschulung zu ermöglichen.
Auch dies macht deutlich, dass auf eine Online-Beschulung über den 31. Oktober 2021 hinaus kein Anspruch besteht.
gg) Demgegenüber ist es sachgerecht, bis zu diesem Zeitpunkt eine Online-Beschulung fortzuführen, um dem Antragsteller den Wiedereinstieg in einen Präsenzunterricht zu erleichtern. Andernfalls würde sich der Antragsteller zu Beginn des Schuljahrs 2021/2022 unter Berufung auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 25. Mai 2021 ohne jegliche Eingliederungshilfe zu Hause aufhalten. Die Beteiligten werden die bis zum 31. Oktober 2021 verbleibende Zeit nutzen müssen, um eine dem schulischen und dem sozialen Integrationsbedarf des Antragstellers angemessene Lösung zu erarbeiten. Hierbei ist nicht nur die Schulbesuchsfähigkeit des Antragstellers erneut zu beurteilen – dies allein schon unabhängig von den genannten Unzulänglichkeiten der Stellungnahme des Gesundheitsamts vom 25. Mai 2021 aufgrund der Tatsache, dass sich aufgrund des Zeitablaufs eine andere Beurteilung ergeben kann -, sondern auch die Frage zu klären, welche schulischen Settings in Betracht kommen. Hierbei dürften nicht nur die Mittelschule … mit den vom Antragsgegner und der Schule ausgearbeiteten individuellen Bedingungen und das Sonderpädagogische Förderzentrum … …Schule … in den Blick zu nehmen sei, sondern es bietet sich möglicherweise auch an, angesichts der Problematik des Antragstellers über eine stationäre Aufnahme in die Klinik- und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums W. in Verbindung mit einer Beschulung durch die Schule für Kranke nachzudenken oder Schulen in den Blick zu nehmen, die der besonderen Problematik des Antragstellers gerecht werden könnten, dies aufgrund möglicherweise unzumutbarer täglich zurück zu legender Schulwege in Verbindung mit einer vollstationären Aufnahme. Sollte all dies aufgrund einer möglicherweise unzureichenden Mitwirkungsbereitschaft der Eltern des Antragstellers zu keinem Ergebnis führen, käme auf der Grundlage der Anzeige des Staatlichen Schulamts im Landkreis M.-S. vom 23. Juli 2021 eine Kontaktaufnahme des Jugendamts des Antragsgegners mit dem zuständigen Familiengericht auf der Grundlage von § 157 FamFG in Betracht.
hh) Der Fortführung der Online-Beschulung bis spätestens 31. Oktober 2021 steht auch nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Denn angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller bei einer Ablehnung des Antrags zur Gänze mit Beginn des Schuljahrs 2021/2022 ohne jegliche Eingliederungshilfe weder im schulischen noch im sozialen Bereich auf unabsehbare Zeit zu Hause verbleiben würde, erscheint dem Gericht die vorliegende Entscheidung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig. Dies ergibt sich daraus, dass die Verweigerung von Eingliederungshilfe im schulischen Bereich angesichts der hieraus folgenden gravierenden Nachteile für den Antragsteller bei einer späteren schulischen Wiedereingliederung aufgrund der Versäumung von Unterrichtsstoff und aufgrund der dann fehlenden Lern-Routine unzumutbar wäre. Darüber hinaus hat das Gericht den Zeitpunkt, bis zu welchem dem Antrag stattzugeben ist, nämlich bis zum 31. Oktober 2021, so gewählt, dass bis dahin noch ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Einschätzung des Jugendamts des Antragsgegners vom 1. Dezember 2020, die Online-Beschulung solle voraussichtlich nicht länger als ein Schuljahr insgesamt durchgeführt werden, um den Antragsteller anschließend wieder ohne erhebliche Probleme in ein soziales Setting integrieren zu können.
4. Auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Anordnungsgrunds und eines bis zum 31. Oktober 2021 glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs war dem Antrag im tenorierten Umfang stattzugeben; im Übrigen war er abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat hierbei das Begehren des Antragstellers berücksichtigt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Förderung durch die W1. I1. Schule B. bis mindestens einschließlich 30. Juli 2022 zu genehmigen. Aus der Tatsache, dass das Gericht dem Antrag längstens bis zum 31. Oktober 2021 stattgegeben hat, ergibt sich die vorliegende Kostenquotelung von ¾ zu ¼. Gemäß § 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO werden Gerichtskosten in Angelegenheiten der Jugendhilfe nicht erhoben.


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