Verwaltungsrecht

Endgültiges Nichtbestehen der Diplomprüfung

Aktenzeichen  M 3 K 15.1632

Datum:
11.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DPO DPO § 15, § 16, § 17, § 29

 

Leitsatz

1. Es obliegt dem Studierenden, sein Studium von Anfang an so effizient zu planen und zu betreiben, dass er alle Prüfungen rechtzeitig ablegen kann. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeit von Prüfungen auf nur eine Wiederholung verstößt weder gegen Bestimmungen des Grundgesetzes noch der Bayerischen Verfassung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. April 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Fortsetzung ihres Diplom-studiums an der beklagten Hochschule (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Beklagte hat das endgültige Nichtbestehen der Diplomprüfung in rechtmäßiger Weise auf § 29 Abs. 7 der Diplomprüfungsordnung für den Diplomstudiengang Wirtschaftspädagogik an der Beklagten – DPO – vom 26. März 1998, in der Fassung der 5. Änderungssatzung vom 24. September 2007, gestützt.
Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 DPO ist die Diplomprüfung bestanden, wenn innerhalb der Fristen gem. § 16 Abs. 4 und 5 DPO insgesamt 90 Leistungspunkte nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 bis 7 DPO erreicht und in Studienrichtung I maximal fünf Malus-punkte angesammelt wurden. Vorliegend galt die Diplomprüfung im Sommersemester 2014 wegen Überschreitung der Frist zur Ablegung der Diplomprüfung nach § 16 Abs. 5 DPO als erstmals nicht bestanden, was der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. November 2014 (Bl. 29 d.A.) mitgeteilt wurde. § 29 Abs. 4 DPO regelt in diesem Fall, dass die Diplomprüfung nach Maßgabe des § 29 Abs. 6 einmal wiederholt werden kann (Satz 1) und sich die Frist des § 16 Abs. 5 DPO für die Wiederholungsprüfung um ein Semester verlängert (Satz 2). Innerhalb dieser Frist können die Versuche, die erforderlichen Leistungspunkte zu erwerben, fortgesetzt werden (§ 29 Abs. 6 Satz 2 DPO). Wird die Frist für die Wiederholungsprüfung gem. § 29 Abs. 4 Satz 2 DPO aus von dem Kandidaten zu vertretenden Gründen überschritten, ist die Diplomprüfung gemäß § 29 Abs. 7 Nr. 5 DPO endgültig nicht bestanden und kann nicht mehr wiederholt werden.
Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 7 Nr. 5 DPO liegen vor, da die zum Bestehen der Diplomprüfung erforderlichen Leistungspunkte von der Klägerin bis zum Ende des Wiederholungssemesters im Wintersemester 2014/2015 nicht erbracht wurden und somit die Frist für die Wiederholungsprüfung überschritten wurde, was die Klägerin auch zu vertreten hatte.
Gemäß § 17 Abs. 3 DPO sind in der Studienrichtung I insgesamt 90 Leistungspunkte zu erbringen, davon 78 Pflichtleistungspunkte und 12 Wahlleistungspunkte. Die 78 Pflichtleistungspunkte setzen sich zusammen aus 20 Pflichtleistungspunkten für die bestandene Diplomarbeit und 26 Pflichtleistungspunkten im Prüfungsfach Wirtschaftspädagogik, davon 16 aus studienbegleitenden Leistungen und 10 aus der mündlichen Abschlussprüfung, sowie jeweils 8 Pflichtleistungspunkten aus studienbegleitenden Leistungen in jedem der Prüfungsfächer „allgemeine BWL“, „Spezielle BWL“, „VWL“ und einem „Pflichtwahlfach“. Die 12 Wahlleistungspunkte können gem. § 17 Abs. 3 Satz 3 und 4 DPO auf die Prüfungsfächer der Studienrichtung I (§ 15 Abs. 1 DPO) verteilt werden.
Ausweislich der Auflistung der bestandenen Leistungen der Klägerin (Stand 8. Februar 2016) hat sie bis zum Ende des Wintersemesters 2014/2015 insgesamt 86 Punkte erreicht, sodass ihr zum Bestehen der Diplomprüfung 4 Punkte fehlten.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Prüfung „International Management“ zu Recht als nicht bestanden gewertet wurde (hierfür spricht, dass die Rüge betreffend den abgefragten Prüfungsstoff erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses und damit jedenfalls verspätet erfolgte, vgl. § 8 Abs. 2 DPO). Denn der Vortrag der Klägerseite, wonach das Nichtbestehen der Diplomprüfung allein aufgrund des Nichtbestehens einer Wahlfachklausur erfolgt sei, trifft so nicht zu. Vielmehr kommt es auf ein (Nicht-)Bestehen der Prüfung „International Management“ nicht entscheidungserheblich an, da sich aus dieser einstündigen Klausur für die Klägerin selbst im Bestehensfalle lediglich 2 weitere Punkte ergeben würden (vgl. dazu § 19 Abs. 2 DPO, § 14 Abs. 6 der Studienordnung für den Diplomstudiengang Wirtschaftspädagogik an der Beklagten – DStO – vom 26. März 1998 in der Fassung der Änderungssatzung vom 24. September 2007). Die Klägerin käme damit selbst im Falle des Bestehens der Prüfung „International Management“ nur auf eine Gesamtsumme von 88 Leistungspunkten, sodass ihr zum Ende ihres Wiederholungssemesters weitere 2 Leistungspunkte zum Bestehen ihrer Diplomprüfung fehlen würden.
Die Klägerin hat zudem bis zuletzt keine Gründe vorgetragen, weshalb sie die Fristüberschreitung nicht vertreten müsste. Nach § 29 Abs. 7 Nr. 5, 2. Halbsatz i.V.m. § 16 Abs. 7 DPO hätte es der Klägerin oblegen, etwaige Gründe, die eine Überschreitung der Frist rechtfertigen sollen, vor Fristablauf – d.h. vor Ende des Wintersemesters 2014/2015 – beim Prüfungsamt geltend und glaubhaft gemacht zu machen. Auch in ihrem undatierten, bei der Hochschule am 13. April 2015 – und damit bereits verspätet – eingegangenen Schreiben äußert sich die Klägerin indes nicht dazu, weshalb ihr eine Ablegung weiterer Prüfungen im Wintersemester 2014/2015 nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr argumentiert die Klägerin mit der Unverhältnismäßigkeit, wenn ihr der Erwerb der fehlenden 4 Punkte verwehrt bliebe.
2. Auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung eines weiteren Semesters, um die fehlenden Punkte noch erzielen zu können.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin im Wintersemester 2014/2015 ihren Punkterückstand deutlich verringert hat und insbesondere sowohl die mündliche Prüfung als auch die Diplomarbeit bestanden hat. Es hätte der Klägerin jedoch oblegen, ihr Studium von Anfang an so effizient zu planen und zu betreiben, dass sie alle Prüf-ungen rechtzeitig ablegen kann (vgl. auch 16 Abs. 4 DPO). Die Gewährung des Wintersemesters 2014/2015 stellte insofern bereits eine zusätzliche (Wiederholungs-) Möglichkeit zur Erbringung der noch ausstehenden Leistungen dar. Diese letzte Chance zur erfolgreichen Beendigung ihres Diplomstudiums hat die Klägerin nicht genutzt, da sie – unabhängig vom (Nicht-)Bestehen der Prüfung „International Management“ – bis zum Ende des Wintersemesters 2014/2015 nicht die erforderlichen 90 Leistungspunkte erzielt hat und Gründe, die eine neuerliche Fristüberschreitung rechtfertigen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.
3. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht entgegen des Vortrags der Bevollmächtigten der Klägerin auch keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG erkennen.
Durch die ständige ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeit von Prüfungen auf nur eine Wiederholung weder gegen Bestimmungen des Grundgesetzes noch der Bayerischen Verfassung verstößt (vgl. etwa BVerfG, B.v. 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris; BVerwG, B.v. 7.3.1991 – 7 B 178/90 – juris, bestätigt durch BVerfG, B.v. 6.12.1994 – 1 BvR 1123/91 – juris; BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris und v. 07.03.2014 – Vf.54-VI-13 – juris). Ebenso ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Regelungen geklärt, die für die Ablegung oder Wiederholung von Prüfungen Fristen vorsehen (vgl. etwa BVerfG, B.v. 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris; BVerwG, B.v. 7.3.1991 – 7 B 178/90 – juris, bestätigt durch BVerfG, B.v. 6.12.1994 – 1 BvR 1123/91 – juris; BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris und v. 07.03.2014 – Vf.54-VI-13 – juris) und als Folge der Fristversäumung die Prüfung als nicht bestanden behandeln (vgl. etwas BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris Rn. 74).
Auch der Umstand, dass es sich bei den noch fehlenden Leistungspunkten um sog. Wahlleistungspunkte handelt, kann eine Verfassungswidrigkeit des Bescheids vom 10. April 2015 nicht begründen.
Die von der Klägerseite zitierte Entscheidung des BVerwG vom 29. Mai 2013 betrifft den Sonderfall der Verklammerung von universitärer Schwerpunktprüfung und staatlicher Pflichtfachprüfung im ersten juristischen Examen, wobei das Bundesverfassungsgericht der Annahme engerer grundrechtlicher Bindungen der Hochschule durch das BVerwG mit Kammerbeschluss vom 26. Juni 2015 – 1 BvR 2218/13 – widersprochen und den Beschluss des BVerwG aufgehoben hat. Das BVerfG hat dabei allerdings auch die ständige Rechtsprechung betont, wonach Prüfungsregelungen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur genügen, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind. Das Bestehen von Teilprüfungen könne folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten würden (vgl. BVerfG, B.v. 26.06.2015 – 1 BvR 2218/13 – juris Rn. 24). In einem Verfahren betreffend die Universität der Bundeswehr hat das BVerwG zudem bereits entschieden, dass das Bestehen der Diplomhauptprüfung (Elektrotechnik) von ausreichenden Leistungen in einem Wahlpflichtfach (Politikwissenschaft) abhängig gemacht werden kann. Das BVerwG hat dazu ausgeführt, dass die Frage, ob die Prüfungsanforderungen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemessen, überspannt seien, allein vom Berufsbild her zu beantworten sei (BVerwG, U.v.24.04.1991 – 7 C 24/90 – Rn. 16).
Letztlich kann offenbleiben, ob diese Entscheidungen zum Nichtbestehen von Teil- / Wahlfachprüfungen überhaupt auf den vorliegenden Fall einer Fristüberschreitung wegen Nichterreichung der Gesamtzahl erforderlicher Leistungspunkte übertragbar sind. Denn selbst bei Zugrundelegung der von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung konkretisierten prüfungsrechtlichen Maßstäbe, ist weder ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG erkennbar.
Nach § 7 Abs. 3 DStO soll das Hauptstudium im Diplomstudiengang Wirtschaftspädagogik der Beklagten eine weitgehend individuelle Ausrichtung der Ausbildung in einem sich ständig fortentwickelnden Fach ermöglichen (Satz 1). Dies wird durch eine große Flexibilität bei der Wahl der zu besuchenden Lehrveranstaltungen erreicht (Satz 2). § 3 Satz 2 DStO spricht von einer „schwerpunktbezogenen Vertiefung“ vor dem Hintergrund der in § 3 Satz 3 DStO nicht abschließend aufgezählten beruflichen Einsatzmöglichkeiten. Die breiten beruflichen Einsatzmöglichkeiten wurden von der Beklagten anschaulich erläutert. Das Bestehen der Diplomprüfung vom Erwerb von Pflichtleistungs- und Wahlleistungspunkte abhängig zu machen (§ 16 Abs. 1 und 2 DPO), erscheint vor diesem Hintergrund nur konsequent und ist rechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden. Die Verteilung der Pflicht- und Wahlleistungspunkte ist in § 17 DPO geregelt, wobei die Sätze 3 und 4 des § 17 Abs. 3 DPO für die Verteilung der Wahlleistungspunkte weitere Regelungen treffen. Dass es sich bei den Wahlleistungspunkten zudem um „vollwertige“ Leistungspunkte handelt, macht auch die Regelung des § 17 Abs. 7 Satz 2 DPO deutlich. Danach werden die erworbenen Leistungspunkte zunächst als Pflichtleistungspunkte gewertet, wenn zu einer Veranstaltung sowohl Pflichtals auch Wahlleistungspunkte erworben werden können und noch nicht alle Pflichtleistungspunkte in diesem Fach erworben wurden. Bei den Wahlleistungspunkten handelt es sich damit um Leistungspunkte, die in ihrer Wertigkeit den Pflichtleistungspunkten gleichzusetzen sind und die innerhalb eines von der DPO vorgezeichneten Rahmens mit Blick auf die späteren beruflichen Tätigkeitsfelder eine individuelle Schwerpunktsetzung durch die Studierenden ermöglichen.
Soweit in der mündlichen Verhandlung von der Bevollmächtigten schließlich pauschal kritisiert wurde, dass die zwei fehlenden Leistungsnachweise auch völlig außerhalb des Hauptstudiums des Bereichs der Betriebswirtschaftslehre gewählt werden könnten, ist bereits nicht klar, welche von den § 17 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 DPO abgedeckte Fallkonstellation hier gemeint sein soll. Im Fall der Klägerin ist mit der streitgegenständlichen ABWL-Prüfung jedenfalls gerade kein völlig außerhalb der Betriebswirtschaftslehre liegendes Prüfungsfach für das endgültige Nichtbestehen des Studiengangs ursächlich.
Insgesamt ist damit weder ein Verstoß gegen die Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ersichtlich.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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