Verwaltungsrecht

Entlassung von der Schule wegen Gebrauchs von THC-Liquids in einer E-Shisha

Aktenzeichen  7 CS 18.869

Datum:
5.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NJW – 2018, 3600
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 , Nr.10

 

Leitsatz

1 Die Schule ist nicht verpflichtet, die Entscheidung der Polizei und der Staatsanwaltschaft über die Einleitung eines Strafverfahrens abzuwarten, da sie an diese nicht gebunden ist.  (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Drogenmissbrauch bzw. die Verleitung von Mitschülern zum Drogenkonsum verletzt die Rechte Dritter der Mitschüler und gefährdet die Erziehungsziele der Schule und ist deswegen als ist als schulische Gefährdung zu werten. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Hinsichtlich der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen kommt der Schule ein pädagogischer Wertungsspielraum zu, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann. Dabei besteht keine Rangfolge in der Weise, dass immer eine mildere Ordnungsmaßnahme zu ergreifen ist, bevor eine schwerere, wie z.B. die Entlassung von der Schule, verhängt wird (Anschluss an BayVGH BeckRS 2018, 21892 ua). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 S 18.404 2018-04-06 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, bei der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe geprüft werden, hat keinen Erfolg. Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung – eine Beweisaufnahme findet nicht statt – wird die Klage des Antragstellers voraussichtlich erfolglos bleiben. Zur Begründung wird auf die insoweit zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Sie werden zum Gegenstand dieser Entscheidung gemacht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung sind sowohl das Verwaltungsgericht als auch die Schule von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die Schule hat zeitnah ermittelt und das Ermittlungsergebnis mit den schriftlichen Stellungnahmen der Mitschüler und den Gesprächsprotokollen der Befragungen dokumentiert. Die Ermittlungen, aber auch der Inhalt der Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie der beigezogenen Akten der Schule ergeben, dass sich der Antragsteller durchaus bewusst war, dass er THChaltige Cannabisprodukte mittels E-Shisha konsumiert hat und auch Mitschüler daran hat teilhaben lassen. Er hat den Besitz von THC-Liquids eingeräumt. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers ausführt, dass dem Antragsteller und seinem Verkäufer nicht klar gewesen sei, ob sich THC, NPS oder CBD in den Liquids befunden habe, bezieht sich diese Stelle auf das neben den THC-Liquids gefundene synthetische Cannabinoid 5 f-ADB, einen sog. neuen psychoaktiven Stoff (NPS). Dafür, dass sich der Antragsteller durchaus bewusst war, THC-Liquids zu besitzen und Mitschüler an deren Gebrauch teilhaben zu lassen, spricht zudem die Tatsache, dass er einen Mitschüler nach dem Genuss des Rauschmittels mit dem Smartphone gefilmt hat. Dies geschah augenscheinlich in der Erwartung deutlich erkennbarer Rauschsymptome beim Mitschüler.
Die Schule war nicht verpflichtet, die Entscheidung der Polizei und der Staatsanwaltschaft über die Einleitung eines Strafverfahrens abzuwarten. Sie wäre daran nicht gebunden gewesen. Die eigene Würdigung des Disziplinarausschusses, dass dem Antragsteller die Ursache der berauschenden Wirkung bewusst gewesen sei, ist nicht zu beanstanden.
Das Verhalten des Antragstellers ist als schulische Gefährdung i.S.d. Legaldefinition des Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2018 (GVBl S. 613) zu werten. Er hat damit die Rechte Dritter, nämlich seiner Mitschüler, im Rahmen des Schulbesuchs von Gefährdungen durch Drogenmissbrauch verschont zu bleiben, verletzt und damit auch die Erziehungsziele der Schule gefährdet, indem er Mitschüler auf dem Schulweg, also im Zusammenhang mit dem Schulbesuch, zum Drogenkonsum verleitet hat. Die Beeinträchtigung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule wird auch daran deutlich, dass der Vater einer Mitschülerin im Rahmen eines Elterngesprächs die Schulleitung gebeten hat, seine Tochter vor Mitschülern zu schützen, die ihr Drogen angeboten hätten.
Die vom Disziplinarausschuss verhängte Ordnungsmaßnahme der Entlassung von der Schule (Art. 86 Abs. 2 Nr. 10 BayEUG) ist nicht zu beanstanden und insbesondere nicht unverhältnismäßig. Hinsichtlich der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen kommt der Schule, hier dem Disziplinarausschuss, ein pädagogischer Wertungsspielraum zu, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann. Insbesondere besteht unter den Ordnungsmaßnahmen gemäß Art. 86 Abs. 2 BayEUG keine Rangfolge in der Weise, dass immer eine mildere Ordnungsmaßnahme zu ergreifen ist, bevor eine schwerere, wie z.B. die Entlassung von der Schule, verhängt wird (BayVGH, B.v. 14.6.2002 – 7 CS 02.776 – juris und vom 31.8.2018 –7 CS 18.800). Die Wahl der Ordnungsmaßnahme orientiert sich u.a. an dem Maß der Beeinträchtigung der Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule sowie den Erfordernissen des Schutzes Dritter und insbesondere daran, ob dem Schüler in aller Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann. Die Auffassung des Disziplinarausschusses, dass Berührungen mit der Drogenszene zumindest im schulischen Umfeld nicht folgenlos bleiben können und eine spürbare Maßnahme nach sich ziehen müssen, überschreitet den Rahmen seines pädagogischen Wertungsspielraums nicht. Der Antragsteller kann im Übrigen seine Ausbildung an einer anderen Schule fortsetzen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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