Verwaltungsrecht

Entzug waffenrechtlicher und jagdrechtlicher Erlaubnisse – fahrlässige Trunkenheit im Verkehr

Aktenzeichen  24 ZB 21.626

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42488
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b, § 45 Abs. 2
BJagdG § 18 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei der Prüfung, ob bei einer Strafe, die im Mindestbereich des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b WaffG angesiedelt ist, die Regelvermutung der Vorschrift entkräftet werden kann, können nur tatbezogene Umstände berücksichtigt werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 20.432 2021-01-22 GeB VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 13.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2020, mit dem u.a. seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde vom Bayerischen Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 18. März 2020 abgelehnt (M 7 S 20.623). Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 19. Mai 2020 zurückgewiesen (24 CS 20.766).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 7. Januar 2020 mit Gerichtsbescheid vom 22. Januar 2021 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten erweise sich als rechtmäßig, weil der Kläger, gegen den wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr ein Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängt worden sei, nachträglich im waffen- und jagdrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden sei. Es liege ein Fall der Regelunzuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG vor. Es bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit des Strafbefehls zu zweifeln. Insbesondere vermöge das Vorbringen, man habe die Grenze von 60 Tagessätzen im Strafverfahren nicht gekannt und deshalb kein Rechtsmittel eingelegt, keinen Ausnahmefall zu begründen. Zunächst sei durch einen Bevollmächtigten Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt worden. Dass der Kläger diesen habe zurücknehmen lassen, liege in seinem Verantwortungsbereich. Die Regelvermutung sei nicht entkräftet worden, da die Tat weder Bagatellcharakter habe, noch erscheine sie aufgrund von Besonderheiten im Verhalten des Klägers in einem anderen Licht. Der Kläger habe mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,73 Promille und damit deutlich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit mit einem Pkw am Straßenverkehr teilgenommen. Damit zeige er, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter ausgehen, zu sorglos umgehe. Dass der Kläger bisher straf- und waffenrechtlich nicht auffällig geworden sei, ändere daran nichts. Auch der vorgelegte berufliche Werdegang, das Zertifikat über eine Teilnahme an der verkehrstherapeutischen Schulung, das Gutachten über die Untersuchung von Haaren auf Ethylglucuronid sowie die ärztlich bestätigte Alkoholabstinenz rechtfertigten keine andere Bewertung. Die waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse seien wegen fehlender Zuverlässigkeit und nicht wegen Eignungszweifeln entzogen worden. Eben so wenig sei der Vortrag, die vorgelegten Bescheinigungen seien ein Beleg dafür, dass die Verfehlung dem Kläger eine Lehre gewesen sei und er in Zukunft vorsichtiger mit Alkohol umgehe, geeignet, das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Dies könne in einem etwaigen Verfahren auf Neuerteilung der Erlaubnisse berücksichtigt werden.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter teilweiser Wiederholung seines Vorbringens im erstinstanzlichen Eil- und Klageverfahren macht er insbesondere geltend, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
Der Bevollmächtigte des Klägers macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Solche sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel genügt keine unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gehört auch, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG), was in der Regel u.a. dann nicht der Fall ist, wenn er wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG).
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die zugrundeliegende Verurteilung liege exakt an der Grenze der gesetzlichen Regelunzuverlässigkeit von 60 Tagessätzen. Bei 59 Tagessätzen hätte es keine Grundlage zum Entzug der Erlaubnisse gegeben. Es sei eine Gesamtbewertung der Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen im Rahmen einer Zukunftsprognose anzustellen, was das Erstgericht verkannt habe. Die Regelunzuverlässigkeit sei hier widerlegt, da der Kläger ein bisher unbescholtener Jagdscheininhaber gewesen sei, dessen Verurteilung sich an der Grenze von 60 Tagessätzen bewege. Im Strafverfahren habe er nicht von der Grenze von 60 Tagessätzen gewusst. Hätte er dies gewusst, hätte er Rechtsmittel einlegen können. Die Verfehlung sei ihm eine Lehre.
Dieses Vorbringen verhilft seinem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Strafe zwar im „Mindestbereich“, den § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG fordert, angesiedelt ist, bei der Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet werden kann, jedoch nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen sind.
Der Beklagte und das Verwaltungsgericht haben sich vor dem Hintergrund der auch vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v.13.12.1994 – 1 C 31.92 – juris Rn. 31) ausführlich u.a. mit der Persönlichkeit des Antragstellers, der Schwere der von ihm begangenen Tat und der Höhe der verhängten Strafe befasst.
Das Erstgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass das Vorbringen des Klägers, er habe nichts von der Grenze von 60 Tagessätzen gewusst, keinen Ausnahmefall begründet. Der Kläger hatte vielmehr Rechtsberatung durch einen Bevollmächtigten, der zunächst Einspruch eingelegt hatte. Es stand ihm frei, den Einspruch aufrecht zu erhalten, um eine Reduzierung der Tagessätze zu erwirken. Es liegt daher in seinem Verantwortungsbereich, dass er den Einspruch dann wieder zurücknehmen ließ.
Anders als der Kläger teilt jedoch der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Tat weder Bagatellcharakter hat noch sie aufgrund von Besonderheiten im Verhalten des Klägers in einem milderen Licht erscheint. Der Kläger hat vielmehr dadurch, dass er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,73 Promille – und damit deutlich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit – mit einem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, deutlich aufgezeigt, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter ausgehen, zu sorglos umgeht. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind aber nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
Zutreffend ist auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Unbescholtenheit des Klägers eben so wenig geeignet ist, die Regelvermutung zu entkräften wie die vorgelegten Unterlagen zur verkehrstherapeutischen Schulung und Abstinenz. Dieses kann in Rahmen einer Neuerteilung der Erlaubnisse berücksichtigt werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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