Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage einer Familie aus Nigeria

Aktenzeichen  B 4 K 16.31692

Datum:
17.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143631
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1 u. 4, § 4 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 3, § 26a Abs. 1 S. 3
AufenthG § 60 Abs. 5 u. 7 S. 1

 

Leitsatz

Nigerianer vom Volk der Ibo und christlicher Religionszugehörigkeit können sich in anderen Teilen Nigerias – namentlich dem Süden des Landes – niederlassen; insbesondere bietet sich dafür eine Ansiedlung im Siedlungsgebiet der Ibo an. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässigen Klagen haben keinen Erfolg.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG sowie subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in ihrer Person vor.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 08.11.2016 ist somit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigte liegen nicht vor (Art. 16 a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG). Dies ergibt sich dies schon daraus, dass die Kläger nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und keine Ausnahmen nach § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG vorliegen.
Nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände, insbesondere den der inländischen Fluchtalternative erfüllt.
Nach diesen Maßstäben haben die Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes glaubhaft gemacht.
Sie haben keinerlei individuelle Verfolgungshandlung erlebt, sondern sich allgemein auf die Furcht vor den Aktivitäten der Terrororganisation Boko Haram in der Stadt K. (rd. 2,3 Mio. Einwohner; Bundesstaat K. in Norden Nigerias) berufen. Wegen Bombenexplosionen, Schüssen und Angriffen auf christliche Kirchen könne man nicht zur Ruhe kommen.
Das Gericht hat bereits Zweifel, ob die Kläger, die ihre Identität und Herkunft in keiner Weise belegen können, tatsächlich in K. gewohnt haben. Der Kläger zu 1 ist in B. City (Bundesstaat Edo) geboren, die Klägerin zu 2 stammt aus Wonye (Bundesstaat Cross River): Beide gehören dem Volk der Ibo an, das genau in diesen südlichen Bundesstaaten beheimatet ist, in denen auch die christliche Bevölkerung Nigerias vorwiegend wohnt. Was die Eltern des Klägers in das ca. 600 km entfernte K. mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung verschlagen haben soll, ist nicht ersichtlich, zumal immer betont wird, man könne sich nicht außerhalb seiner Region und seines Volksstammes niederlassen. Die Klägerin zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie sei nach K. gekommen, weil sie nach dem Tod ihrer Eltern vor ca. 10 Jahren (beim Bundesamt: drei Monate vor ihrer Ausreise) nicht allein in ihrem Dorf habe bleiben können. Deshalb sei sie auf der Suche nach Hilfe von Dorf zu Dorf gezogen. Sie habe in K. unter einer Brücke geschlafen und dabei ihren Mann kennengelernt. Abgesehen davon, dass ihr Ehemann beim Bundesamt angegeben hat, er habe seine Frau auf dem Weg nach Lagos kennengelernt, als er als Helfer auf Lastwagen mitgefahren sei, ist es auch nicht glaubhaft, dass eine alleinstehende junge Frau über Jahre (oder Monate) hinweg durch fremde Gegenden zieht, insbesondere in den von ihrer Heimat hunderte Kilometer entfernten muslimischen Norden, anstatt in ihrem Dorf unter ihresgleichen Hilfe zu erlangen. All dies ist widersprüchlich und macht den gesamten Sachvortrag unglaubhaft.
Selbst wenn man die Herkunft der Kläger aus K. als wahr unterstellt, ist ihnen sowohl eine Rückkehr dorthin zuzumuten, nachdem die islamistische Terrororganisation Boko Haram seit Februar 2015 durch Militäreinsätze der nigerianischen Armee mit Unterstützung von Truppen benachbarter Staaten weitgehend aus ihrem eroberten Territorium vertrieben wurde (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2016). Darüber hinaus können sich die Kläger aber auch in anderen Teilen Nigerias – namentlich dem Süden des Landes – niederlassen, was zahlreiche Christen auch schon getan haben. Für die Kläger bietet sich insbesondere eine Ansiedlung im Gebiet des Geburtsstaates des Klägers zu 1 an, wo auch das Siedlungsgebiet der Ibo liegt.
Die Klagen sind weiterhin unbegründet, soweit die Kläger subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG und die Feststellung eines Abschiebeverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehren. Das Gericht verweist hierzu auf die entsprechenden Ausführungen im Bescheid der Beklagten vom 08.11.2016 (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach Überzeugung des Gerichts verfügen die Kläger bei einer Rückkehr noch über familiären Rückhalt zumindest durch die Eltern des Klägers zu 1. Dass deren Aufenthaltsort angeblich unbekannt ist, ist eine beliebte Erklärung von Asylantragstellern, die sich auf fehlende familiäre Unterstützungsmöglichkeit berufen wollen. Nachdem der Kläger zu 1 auch ansonsten widersprüchliche Angaben gemacht hat (beim Bundesamt: zwei ältere Schwestern wegen Hexerei getötet; in der mündlichen Verhandlung: eine ältere Schwester gestorben, als er noch ein Kind war), kann seinen Angaben auch diesbezüglich kein Glauben geschenkt werden.
Der Kläger ist gesund und erwerbsfähig. Bei einer freiwilligen Rückkehr kann seiner Familie auch eine finanzielle Unterstützung aus den Programmen REAG/GARP gewährt werden.
Nach alledem steht den Klägern kein Abschiebungsschutz zu.
Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziffer 5, wonach die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert worden sind, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Klägern entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn sie sind, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtlinge anzuerkennen, noch stehen ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 AsylG).
2. Die Kläger haben als unterliegende Beteiligte gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 VwGO zu tragen. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO –.


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