Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines afghanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 17 K 16.35547

Datum:
9.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Interne Schutzalternativen bestehen in den großen Städten Afghanistans, wie zB in Kabul und Herat. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 In der Nordregion Afghanistans besteht aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage keine erhebliche individuelle Gefahr. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung hierauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 29. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Er hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz – AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Auch ein Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) besteht nicht. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das 30-monatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind nicht zu beanstanden.
1. Zur Begründung wird auf die hinsichtlich der Ablehnung subsidiären Schutzes und von Abschiebungsverboten zutreffende Begründung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Ergänzend wird hierzu Folgendes ausgeführt:
2.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben; die einzelnen Verfolgungsgründe werden in § 3b AsylG einer näheren Begriffsbestimmung zugeführt. Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann nach § 3c AsylG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
2.2 Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er – ohne Anknüpfung an bestimmte Verfolgungshandlungen oder -gründe – stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr.1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bzw. Bestrafung (Nr.2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines international oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes (Nr.3).
Wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine schlechte Behandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und Art. 15 lit. b QualRL insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Kriterien hierfür sind zum Beispiel die Art der Behandlung oder Bestrafung und der Zusammenhang, in dem sie erfolgte, die Art und Weise ihrer Vollstreckung, ihrer zeitlichen Dauer, ihrer psychischen und geistigen Wirkungen sowie gegebenenfalls abgestellt auf Geschlecht, Alter bzw. Gesundheitszustand des Opfers.
Wann eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F., nunmehr § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) besteht, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsgrundsätzlich geklärt (BVerwG, Be.v. 27.6.2013 – 10 B 11/13 und 10 B 12/13.). Insoweit bedarf es zunächst für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte unter anderem einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos, anhand deren zu bestimmen ist, ob dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“; BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 – juris Rn. 17 unter Anführung von EGMR, U.v. 28.2.2008 – Saadi/Italien, Nr. 37201/06 – NVwZ 2008, 1330 Rn.125 ff.), was dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 lit.b RL 2004/83/EG; BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Im Hinblick auf die allgemeine Gefahrenlage in Afghanistan hat das Bundesverwaltungsgericht das Risiko (für das Jahr 2009) von etwa 1:800 oder 0,12% in der Herkunftsprovinz verletzt oder getötet zu werden sowie die auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt sei, im Ergebnis revisionsgerichtlich nicht beanstandet (BVerwG, U.v.17.11.2011-a.a.O., Rn.22).
2.3 Für die Frage, ob aufgrund individueller gefahrerhöhender Umstände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gefahr für Leib oder Leben droht, wird in Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU sowohl für die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz als auch für die Gewährung subsidiären Schutzes eine tatsächliche Vermutung normiert, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte/Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden (BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11.09 – juris; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris).
Ansonsten kommt es darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 sowie U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – jeweils juris).
2.4. Allerdings wird dem Ausländer der Flüchtlingsstatus sowie der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und von dem vernünftiger Weise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§§ 3e Abs. 1, 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Die Verweisung auf eine interne Fluchtalternative ist allerdings nur zumutbar, wenn dort nicht andere, unzumutbare Nachteile drohen, so, wenn dem Asylsuchenden am Ort der internen Schutzalternative ein Leben erwartet, das zu Hunger, Verelendung sowie zum Tod führt oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums“ (BVerwG, B.v. 17.5.2006 – 1 B 100/05 – juris; BVerwG, B.v. 21.5.2003 – 1 B 298/02 – juris). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen vom 19. April 2016 hält eine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan nur für zumutbar, wenn der betreffende Ausländer dort Zugang zu Obdach, Grundleistungen wie Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsfürsorge und Bildung sowie die Möglichkeit, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen, hat. Als Ausnahme vom Erfordernis einer externen Unterstützung sieht er alleinstehende, leistungsfähige Männer und Ehepaare im Arbeitsalter an, die nicht aufgrund persönlicher Umstände auf eine besondere Unterstützung angewiesen sind. Solche Personen können dazu in der Lage sein, ohne die Unterstützung durch die Familie oder durch eine Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten zu leben, die unter staatlicher Kontrolle sind und die nötige Infrastruktur und Möglichkeit bieten, die Grundbedürfnisse zu befriedigen (vgl. UNHCR, Eligibility Guidelines for accessing the international protection needs of asylum-seekers from Afghanistan, 19.4.2016, S. 83 ff.). Außerdem muss das Zufluchtsgebiet für den Betroffenen sicher und legal erreichbar sein (Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 1325).
2.5 Schließlich steht § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – insoweit handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16 ff.) – einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist (auch hier) die beachtliche Wahrscheinlichkeit. Ein Abschiebungsverbot infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt nur in Fällen ganz extremer Gewalt in Betracht und auch schlechte humanitäre Bedingungen können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen, so, wenn der Ausländer „gleichsam sehenden Auges“ dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – juris, Rn. 15).
2.6 Allerdings ist es Sache des jeweiligen Schutzsuchenden darzulegen, dass in seinem Falle die tatsächlichen Grundlagen für eine Schutzgewährung – insbesondere also ein Verfolgungsschicksal bzw. eine (noch) anhaltende Gefährdungssituation – gegeben sind. Eine Glaubhaftmachung derjenigen Umstände, die seinen eigenen Lebensbereich betreffen, erfordert einen substantiierten, im Wesentlichen widerspruchsfreien und nicht wechselnden Tatsachenvortrag, der geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, und der auch mit den objektiven Umständen in Einklang zu bringen ist. Der Schutzsuchende hat seine guten Gründe für eine ihm drohende Verfolgung unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig, zu schildern (BVerwG, B.v. 10.5.1994 – 9 C 434.93, NVwZ 1994, 1123 ff.; B.v. 26.10.1989 – 9 B 405.89 – InfAuslR 1990, 38 ff.; OVG NRW, B.v. 22.6.1982 – 18 A 10375/81).
3. Gemessen an den ausgeführten Anforderungen ist weder die Anerkennung des Klägers als Flüchtling, noch die Zuerkennung subsidiären Schutzes gerechtfertigt.
3.1 Der Sachvortrag des Klägers erfüllt – anders als von der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid beurteilt – zwar hinsichtlich der Bombenexplosion die Anforderungen einer im Wesentlichen widerspruchsfreien und nicht wechselnden Wiedergabe der Umstände seines eigenen Lebensbereichs. Er ist insoweit, wie im gerichtlichen Verfahren vorgebracht, zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft. Unter Einbeziehung des weiteren Sachvortrags hinsichtlich der nachfolgenden Ereignisse ergibt sich hieraus jedoch weder eine stattgefundene Verfolgung des Klägers, noch eine dementsprechende Gefahr bei einer Rückkehr nach Afghanistan.
Zu den Ereignissen nach der Explosion der Bombe, ausweislich des vom Kläger vorgelegten Berichts seines Vaters an die Polizei am 11. Juli 2014, hat der Kläger angegeben, ca. drei Monate danach in seinem Elektrikgeschäft bedroht worden zu sein und zwei weitere Monate danach habe es einen Handgranatenangriff auf das von ihm bewohnte Haus gegeben. Im Gegensatz zur Bombenexplosion, zu der die Ereignisse realistisch detailgetreu und in sich schlüssig bei der informatorischen Anhörung im Verhandlungstermin vom Kläger geschildert werden konnten, hat der Kläger die angebliche Bedrohung in seinem Elektrikgeschäft nur wenig detailgetreu angegeben. Dies gilt insbesondere für die Art und Weise des Vorgehens dieser Personen. Insofern hat sich der Kläger darauf beschränkt, anzugeben, dass drei Personen ihn mit zwei Motorrädern aufgesucht hätten, ihm vorgeworfen hätten, dass er sie bei der Polizei verraten habe und sie sich bei ihm deswegen rächen und ihn umbringen wollten.
Die so wiedergegebene Vorgehensweise erscheint nicht realistisch. Wenn die bezeichneten Personen sich hätten rächen wollen wegen der Angaben des Klägers gegenüber der Polizei, die zum fraglichen Zeitpunkt drei Monate zurücklag, hätten sie sich problemlos eine andere Tageszeit als die angegebene Basarzeit, bei der der Platz stark frequentiert war, aussuchen und ihr Vorhaben in die Tat umsetzen können. Der Kläger hat auch keinerlei Angaben, nicht einmal Vermutungen, dazu angeben können, wer die ihn bedrohenden Personen waren. Er beschrieb diese nur vage derart, dass es vielleicht die Taliban, vielleicht lokale Polizisten oder vielleicht Terroristen waren. Ebenso vage bleibt die Beschreibung ihres Äußeren als ungepflegt und hässlich, bekleidet mit eher dunklen Kleidern nebst Schal.
Andererseits stellt die Bedrohung durch diese Personen – und nicht die zuvor stattgefundene Bombenexplosion – den zentralen vom Kläger angegeben Fluchtgrund dar. Wenn diese Bedrohung tatsächlich derart erlebt worden wäre, dass der Kläger sich hierdurch existenziell und nachhaltig an Leib und Leiben bedroht fühlte, ist zu erwarten, dass ihm auch in Anbetracht des Zeitablaufs von drei Jahren eine detailgetreuere Schilderung der Art und Weise des Vorgehens dieser Personen und auch eine genauere Angabe, um wem es sich wohl hierbei handelt, möglich ist. Völlig unverständlich erscheint auch die Angabe, dass er die Polizei nicht von der Bedrohung informiert habe, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Die Polizei war bereits mit der Angelegenheit durch die Ermittlungen zur vorangegangen Bombenexplosion vorbefasst. Eine Anzeige der Bedrohung hätte sich daher aufgedrängt. Ein Absehen hiervon, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen, andererseits aber den ultimativen Aus Weg in der Flucht außer Landes zu suchen, erscheint nicht nachvollziehbar. Nicht glaubhaft erscheint auch, die Taliban als mögliche drohende Personen zu benennen. Die Taliban sind in ihrem Auftreten religiös bzw. ideologisch motiviert. Von ihnen ausgehende Gewaltakte lassen sich daher in aller Regel unproblematisch ihnen zuordnen. Nicht nachvollziehbar ist schließlich auch die Meldung des Vaters des Klägers an die Polizei, die im Gerichtsverfahren vorgelegt und vom Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung übersetzt wurde. In dieser Meldung ist ausschließlich die Bombenexplosion vom 11. Juli 2014 angesprochen. Die angegebene Bedrohung des Klägers, der zentrale angegebene Grund der Flucht, und der nachfolgende Handgranatenangriff, ist aber in keiner Weise angesprochen. Gleiches gilt im Hinblick auf die vom Kläger weiter angegebenen Probleme des Vaters bei der Führung des Elektrikgeschäfts im Hinblick darauf, dass diese Personen immer wieder Schutzgelder erpressen wollen. Dies ist insbesondere deshalb nicht nachvollziehbar, weil der letztgenannte Umstand gerade auch den Lebensalltag des Vaters prägt.
Die nach der Bombenexplosion vom Kläger angegebenen Ereignisse erscheinen daher zur Überzeugung des Gerichts als unglaubhaft.
3.2. Unabhängig davon ist davon auszugehen, dass der Kläger eine für ihn zumutbare interne Schutzalternative in den großen Städten Afghanistans, wie z.B. in Kabul und Herat, finden kann. Insbesondere in Anbetracht dessen, dass er jahrelang ein Elektrikgeschäft in Afghanistan betrieben hat und deshalb mit den Lebensverhältnissen des Landes vertraut ist und er des Weiteren über Auslandserfahrung verfügt kann vernünftiger Weise erwartet werden, dass er sich in den genannten Städten niederlässt und dort Fuß fasst. Dass der Kläger derart ins Visier der Taliban gekommen wäre, dass davon ausgegangen werden müsste, dass er auch dort aufgespürt und bedroht wird, ist nach Vorstehendem nicht beachtlich wahrscheinlich.
Im Übrigen besteht auch in der Nordregion Afghanistans, der Heimatregion des Klägers, mit einer Einwohnerzahl von knapp 3,5 Millionen., in der im Jahr 2016 1362 Zivilisten getötet oder verletzt wurden, was einem Risiko von etwa 1:2570 entspricht, aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage keine erhebliche individuelle Gefahr (so auch BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 13a ZB 17.30231 – juris Rn. 10).
4. Auch Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Aus den unter 3.2. genannten Gründen besteht für den Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine extreme Gefahrenlage.
5. Nach alledem ist auch die von dem Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig.
6. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordung (ZPO).


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