Aktenzeichen W 1 K 18.30499
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 3a Abs. 1, § 3b, § 4
AufenthG § 11, § 59, § 60 Abs. 5 u Abs. 7
Leitsatz
1 Eine Glaubhaftmachung von Fluchtgründen scheitert, wenn der Fluchtvortrag insgesamt vage, unsubstantiiert und oberflächlich ist und der Flüchtling nicht den Eindruck vermitteln kann, bei den geschilderten Vorgängen handele es sich um reale eigene Erlebnisse. (Rn. 12 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Derzeit ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan nicht, dass ein alleinstehender, arbeitsfähiger, männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. (Rn. 47 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 3. Januar 2017 ist – soweit er noch Gegenstand dieser Klage ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung sowie des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
1. Vorliegend hat der Kläger nicht glaubhaft und überzeugend darlegen können, dass er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes aufhält. Der Kläger hat nicht glaubhaft machen können, dass er Afghanistan vorverfolgt verlassen hat. Sein Fluchtvortrag ist insgesamt vage, unsubstantiiert und oberflächlich geblieben. Der Kläger hat hierbei nicht den Eindruck vermitteln können, dass es sich bei den geschilderten Vorgängen um reale eigene Erlebnisse gehandelt hat. So ist etwa nicht lebensnah nachvollziehbar, aus welchem Grunde ausgerechnet der Kläger den Taliban hätte helfen sollen, einen bestimmten Geheimdienstmitarbeiter, der im Laden des Klägers eingekauft habe, zu töten. Denn nach den vorliegenden Erkenntnismitteln handelt es sich bei den Taliban um eine Organisation, die fraglos ohne fremde Hilfe in der Lage ist, bestimmte nach ihrer Einschätzung hochrangige Angriffsziele zu töten. Der Hilfe von nicht der Organisation angehörender Bevölkerung bedürfen die Taliban hierbei sicher nicht. Daher haben die Taliban nach Angaben des Klägers auf den besagten Geheimdienstmitarbeiter auch bereits zuvor ohne dessen Zutun einen Anschlag verübt, den dieser nur durch Zufall überlebt hat. Soweit der Kläger auf entsprechenden Vorhalt, warum die Taliban ausgerechnet ihn um Mithilfe bei der Ermordung gebeten hätten, angegeben hat, dass der Geheimdienstmitarbeiter ein guter Kunde von ihm gewesen sei, der ihm vertraut habe und der Taliban gedacht habe, dass es für ihn leichter sei, den Mann umzubringen, wenn dieser den Kläger in seinem Laden besuche, so erscheinen diese Ausführungen konstruiert und nicht überzeugend. Im Übrigen erscheint es widersinnig, gerade eine solche Person wie den Kläger in Anschlagspläne einzuweihen, von der die Taliban etwaig befürchten müssen, dass diese die betroffene Person warnt und so deren Planungen vereitelt. Nach Angaben in der mündlichen Verhandlung will der Kläger nämlich sogar mit dem Geheimdienstmitarbeiter befreundet gewesen sein, was eine Einbeziehung des Klägers vor dem geschilderten Hintergrund noch unwahrscheinlicher macht. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass der in dem Laden des Klägers geplante Anschlag diesen wohl vollständig oder zumindest weitgehend zerstört hätte und gegebenenfalls sogar der Kläger selbst zu Schaden oder gar zu Tode gekommen wäre. Es erscheint insoweit selbst für die Verhältnisse der Taliban, die auch in hohem Maße auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sind, abwegig, dass diese derartig schwere Nachteile und Gefahren zulasten der Bevölkerung – wie hier des Klägers – in Kauf nehmen, wenn sie ihre Ziele ohne weiteres auch auf anderem Wege erreichen können.
Darüber hinaus hat der Kläger seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung auch dahingehend erheblich gesteigert, dass er dort angegeben hat, dass er mit dem Geheimdienstmitarbeiter mit der Zeit befreundet gewesen sei. Er habe diesem Informationen zukommen lassen, etwa dahingehend, wer in der Stadt gefährlich sei. Eines Tages dann habe ein Mitglied der Taliban eines dieser Gespräche beobachtet. Vor dem Bundesamt dagegen hat der Kläger den Geheimdienstmitarbeiter stets nur als Kunden bezeichnet. Von einer Freundschaft oder gar der Weitergabe von Informationen hat der Kläger nichts berichtet. Nach Überzeugung des Gerichts will der Kläger damit aus asyltaktischen Gründen eine besondere Nähe und Vertrautheit zu dem besagten Geheimdienstmitarbeiter herstellen, ohne dass dies den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang angegeben hat, dass er die vorgenannten Angaben aus der mündlichen Verhandlung auch bereits beim Bundesamt gemacht habe, diese dort jedoch nicht protokolliert worden seien, so kann ihm dies nicht abgenommen werden. Denn dem Kläger wurde die Niederschrift seiner Aussage rückübersetzt und der Kläger hat unterschriftlich bestätigt, dass das rückübersetzte Protokoll seinen gemachten Angaben entspreche, vollständig sei und der Wahrheit entspreche (Blatt 5 der Behördenakte). Vor diesem Hintergrund sind keine überzeugenden Gründe ersichtlich, die die zuvor skizzierte Steigerung nachvollziehbar erklären könnten. Dieser gesteigerte Sachvortrag macht den Kläger nach Überzeugung des Gerichts darüber hinaus auch persönlich unglaubwürdig.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen vermag die Schilderung des zeitlichen Ablaufs der fluchtauslösenden Ereignisse ebenfalls nicht zu überzeugen. Beim Bundesamt hat der Kläger zunächst angegeben, dass er ca. zwei Monate vor der Ausreise seinen Laden aufgegeben habe (Seite 6 der Niederschrift). Sodann hat er dort im weiteren Verlauf erklärt, dass ein paar Tage später ein Drohbrief angekommen sei, daraufhin habe ihn sein Vater nach Kabul geschickt (Seite 7) – nach Aussage in der mündlichen Verhandlung am Tag nach dem Drohbrief (Seite 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung) –, wo er dann rund eine Woche verblieben sei, bevor er Afghanistan verlassen habe (Seite 3 sowie Seite 8 der Niederschrift der Bundesamtsanhörung). Hieraus wird ersichtlich, dass die Schließung des Ladens etwa zwei Monate vor der Ausreise mit den zeitlichen Abläufen in der weiteren Folge nicht korrespondiert. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sich sodann auf Befragen zum Zeitraum zwischen dem Verkauf seines Ladens und der Ausreise hieran zunächst nicht mehr erinnern können, während er in der Folge von ein paar Wochen oder ein paar Monaten gesprochen hat. Die Frage nach dem Zeitraum zwischen dem Verkauf des Ladens und dem Erhalt des ersten Drohbriefes hat der Kläger ebenfalls nicht beantworten können. Es erscheint dem Gericht nicht lebensnah nachvollziehbar, dass sich der Kläger an die zeitliche Einordnung zentraler Abläufe seines Lebens, die ihn dazu veranlasst haben sollen, sein Heimatland zu verlassen, nur derartig unbestimmt oder auch gar nicht erinnern kann. Die vom Kläger diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung, dass es ihm gesundheitlich sehr schlecht gehe und er sich nicht konzentrieren könne sowie unter Kopfschmerzen leide, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Denn zum einen haben sich bereits vor dem Bundesamt – wie geschildert – Ungereimtheiten ergeben und zum anderen erscheint es nicht plausibel, dass der Kläger auf viele Fragen dezidiert antworten kann und hierbei auch zeitliche Angaben memoriert, während er sich hinsichtlich anderer auf gesundheitliche Beschwerden beruft. Dies erscheint vorgeschoben und asyltaktisch motiviert. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des vorgelegten ärztlichen Attestes vom 2. Mai 2018, das dem Kläger eine schwere depressive Episode und den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung bescheinigt und den Hinweis auf vom Kläger angegebene Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten enthält. Diese festgestellten Beschwerden beruhen offensichtlich allein auf den – nicht hinterfragten – Angaben des Klägers und das Attest enthält ärztlicherseits keine Aussage dahingehend, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich an bestimmte Vorfälle oder Zeiträume in seinem Vorleben zu erinnern.
Eine andere Einschätzung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben betreffend seine Vorverfolgung ergibt sich schließlich auch nicht aus den beiden vorgelegten Drohbriefen. In der Gesamtschau und unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen sind diese nicht geeignet, eine Vorverfolgung des Klägers glaubhaft zu machen. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (vgl. dort S. 25), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in Afghanistan in erheblichem Umfang existieren und es daher kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe. Es fällt zudem auf, dass der Aussagegehalt der Briefe ausgesprochen allgemein gehalten ist und insbesondere keinen inhaltlichen Bezug zu dem vom Kläger geschilderten angeblichen Verlangen der Taliban nach Mithilfe bei der Ermordung eines Geheimdienstmitarbeiters enthält. Im Gegenteil ist darin allein die Aufforderung enthalten, dass der Vater des Klägers seinen Sohn zu den Taliban bzw. zu deren Kommission schicken solle. Beim Bundesamt dagegen hatte der Kläger angegeben, dass in dem Brief gestanden habe, dass er dabei helfen solle, was die Leute schon bereits von ihm verlangt hätten. Nach alledem misst das Gericht den beiden Drohbriefen keinerlei Beweiskraft bei und hält den Verfolgungsvortrag des Klägers insgesamt für nicht glaubhaft.
Soweit der Kläger darüber hinaus eine Verfolgungsfurcht auch im Hinblick auf seine Onkel väterlicherseits geltend gemacht hat, so erscheint auch dies nicht glaubhaft. Beim Bundesamt hat der Kläger in diesem Zusammenhang erläutert, dass man selbst unter Familienmitgliedern Probleme bekomme, wenn man Landwirtschaft habe. Wenn das Land verteilt werde und sie nicht da seien, dann gingen sie leer aus. Wenn er dann nach Afghanistan zurückgeschickt werde, dann erzählten die Onkel den Taliban davon, dass er wieder dort sei; sie wollten nicht, dass er etwas bekomme. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sodann geschildert, dass er mit den Onkeln Kontakt aufgenommen und einen Erbteil gefordert habe. Diese hätten ihm gesagt, dass ihm ein solcher nicht zustehe, sondern nur dem Vater. Es sei ihm auch angedroht worden, dass er umgebracht werde, wenn er nach Afghanistan komme und den Erbteil fordere. Es erscheint diesbezüglich schon nicht plausibel, dass der Kläger, der nicht das Familienoberhaupt ist, für sich einen Erbteil einfordert. Darüber hinaus ist auch nicht nachvollziehbar, warum die übrigen Onkel den Vater des Klägers bislang am Erbe beteiligt haben und von Streitigkeiten nicht die Rede war, sie nun aber die (Erb-) Linie der Familie des Klägers von dem Gesamterbe ausschließen sollten. Diese pauschale Behauptung des Klägers erscheint nicht glaubhaft. Unabhängig hiervon ist der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits deshalb keiner beachtlichen diesbezüglichen Gefahr ausgesetzt, da es ausschließlich in seiner Hand liegt, ob er einen Erbteil fordert und sich damit einer etwaigen Gefahr aussetzt. Es ist ihm vielmehr zuzumuten, dies zu unterlassen. In diesem Fall ist eine Gefährdung ausgeschlossen.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert überdies auch daran, dass vorliegend keiner der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe einschlägig ist. Selbst wenn man entgegen obiger Ausführungen diesen Vortrag als glaubhaft unterstellen wollte, so ist nach Überzeugung des Gerichts anzunehmen, dass Personen, die sich ohne weitere Angabe von Gründen einer Zusammenarbeit mit den Taliban entziehen, keine bestimmte soziale Gruppe nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bilden, da diese bereits keine deutlich abgegrenzte Identität in Afghanistan besitzen und auch von der sie umgebenden Gesellschaft nicht als andersartig betrachtet werden. Darüber hinaus ist auch das Merkmal der politischen Überzeugung nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG vorliegend nicht einschlägig; dies gilt auch unter Berücksichtigung von Abs. 2 der genannten Vorschrift, wonach eine vom Verfolger unterstellte politische Überzeugung ausreichend ist. Die alleinige Nichtbeteiligung an einer Organisation, ohne dass hierfür die Beweggründe näher zutage getreten wären, kann noch nicht zu der Annahme einer dem Kläger von Seiten der Taliban zugeschriebenen politischen Überzeugung gegen diese Organisation führen. Eine gegenteilige Einschätzung ist der Erkenntnismittellage nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr nichts dafür ersichtlich, dass die geltend gemachte Verfolgung gerade aus Gründen einer dem Kläger unterstellten politischen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung gegen die Taliban erfolgt, was Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wäre. In diesem Zusammenhang ist ergänzend zu erwähnen, dass der Kläger eine Verfolgung wegen der in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen Weitergabe von Informationen an den Geheimdienstmitarbeiter explizit nicht geltend gemacht hat.
Nach alledem ist der Kläger nicht vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist und es ist nichts dafür ersichtlich, dass ihm im Falle einer Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr droht.
3. Unabhängig von vorstehenden Ausführungen bestünde jedoch für den Kläger in Afghanistan die Möglichkeit des internen Schutzes nach § 3e AsylG in Kabul, wenn man – entgegen obiger Ausführungen – davon ausginge, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist ist, indem er dort von den Taliban zu einer Zusammenarbeit bei der Ermordung eines Geheimdienstmitarbeiters aufgefordert wurde und er deshalb zwei Briefe mit der Androhung harter Bestrafung für den Fall der Verweigerung erhalten hat.
Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftiger-weise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen.
Das Gericht geht – auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie – davon aus, dass der Kläger in Kabul internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat. Es sprechen nämlich stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger dort erneut von einer Verfolgung bedroht würde, wie er sie in seinem Asylverfahren vorgetragen hat. Der Kläger stellt für die Taliban ersichtlich kein hochrangiges Angriffsziel dar, da er sich zu keiner Zeit aktiv gegen diese engagiert, sondern lediglich einer Mithilfe entzogen hat. Der Kläger weist darüber hinaus auch keine besonderen Kenntnisse oder Fähigkeiten auf, die es nahe legen würden, dass die Taliban versuchen, ihn landesweit ausfindig zu machen. Wie bereits oben geschildert, ist der Kläger für die Taliban in keiner Weise dazu notwendig, um gegen den besagten Geheimdienstmitarbeiter vorzugehen. Der Kläger hat über die beiden Drohbriefe hinaus auch nichts zu einer weiteren Nachsuche nach seiner Person berichtet, was zu erwarten wäre, wenn die Taliban weiterhin ein Interesse daran hätten, des Klägers habhaft zu werden. Nach eigenen Angaben hat der Kläger mit seinen Onkeln väterlicherseits, die am Herkunftsort verblieben sind, von Deutschland aus gesprochen, sodass diese ihm anlässlich eines solchen Telefonats sicherlich von weiteren Nachstellungsversuchen berichtet hätten. Schließlich würde der Kläger seinen Wohnort über Provinzgrenzen hinweg in die Millionenstadt Kabul verlegen, wodurch anzunehmen ist, dass er dort sicher und eine Verfolgung ausgeschlossen ist.
Der Kläger könnte darüber hinaus sicher und legal nach Kabul reisen. Schließlich kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich dort niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Nicht zumutbar ist hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 6.6.2016 – 13 A 18182/15.A – juris).
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan und Kabul stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan vom 28. Juli 2017 ergibt sich insoweit nichts grundlegend Abweichendes: In fast allen Regionen werde von der Bevölkerung die Arbeitslosigkeit als das größte Problem genannt. Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen sei im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 25% gesunken. Die afghanische Regierung habe unter Beteiligung der internationalen Geberschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert. Ein Großteil der internationalen Geberschaft habe zudem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheit OCHA aufzustocken. Trotz internationaler Hilfe übersteige der derzeitige Versorgungsbedarf allerdings das vorhandene Maß an Unterstützungsmaßnahmen seitens der Regierung.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 14.09.2017, Seite 27 ff.) führt aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt bleibe, wobei der Anteil der notleidenden Bevölkerung im Verlaufe des Jahres 2016 um 13% angestiegen sei; 2017 benötigten 9,3 Millionen Afghanen dringend humanitäre Hilfe. Die Arbeitslosenquote sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch. Gleichzeitig seien die Löhne in Gebieten, welche von Rückkehrströmen betroffen seien, signifikant gesunken. Nach wie vor seien die meisten Menschen in der Land- und Viehwirtschaft oder als Tagelöhner tätig. Die zunehmenden Rückkehrströme hätten zu einem enormen Anstieg an Unterkunftsbedarf geführt, weshalb sich insbesondere in der Hauptstadt Kabul die Wohnraumsituation extrem verschärft habe. Rund 68% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu adäquaten Sanitätsinstallationen und ca. 45% keinen Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser. Rund 40% der Bevölkerung sei von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Die Zahl der von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffenen Menschen steige an und umfasse inzwischen 1,6 Millionen Personen. In Gebieten, die von hohen Rückkehrströmen betroffen waren, seien die Lebensmittelpreise stark angestiegen. Etwa 9 Millionen Menschen, in besonderem Maße Frauen und Kinder, hätten keinen oder nur beschränkten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, welchen es auch an angemessener Ausstattung mangele. Im Jahr 2016 sei der Druck zur Rückkehr auf afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan dramatisch angestiegen; Kabul sowie die Provinzen im Norden, Nordosten und Osten des Landes seien in besonderem Maße betroffen gewesen. Rückkehrende fänden oft keine adäquate Unterkunft; sie lebten oft in notdürftigen Behausungen mit schlechten Sanitäranlagen. Der eingeschränkte Zugang zu Land, Nahrungsmitteln und Trinkwasser und die begrenzten Möglichkeiten zur Existenzsicherung stellten eine enorme Herausforderung für diesen Personenkreis dar. Aufgrund der äußerst schwierigen Lebensbedingungen würden Rückkehrende oft zu intern Vertriebenen, deren Zahl Ende 2016 auf etwa 1,4 Millionen Menschen geschätzt worden sei und deren Lage sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert habe. Auch für Flüchtlinge aus Europa gestalte sich eine Rückkehr schwierig. Die Bevölkerung Kabuls solle sich binnen nur sechs Jahren verdreifacht haben. Dort lebten etwa 75% der Bevölkerung in informellen und behelfsmäßigen Behausungen, die oft weder ans Wasserversorgungsnetz noch an die Kanalisation angeschlossen seien. Der Zugang zu Lebensmitteln habe sich rasant verschlechtert, was unter anderem auf die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten zurückzuführen sei. Armut sei weit verbreitet. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung Kabuls könne sich keine medizinische Behandlung leisten. Die große Zahl der Rückkehrenden und intern Vertriebenen führe zur Überlastung der bereits äußerst stark beanspruchten Infrastruktur zur Erbringung der Grunddienstleistungen in der Hauptstadt Kabul aber auch andernorts, insbesondere in den wichtigsten Provinzstädten und Bezirken.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist von dem Kläger vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in Kabul niederlässt. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen befindet er sich in einer vergleichsweise guten Position. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 25-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr um 9% gesunken ist (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report 2017, Februar 2018, S. 1). Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zu-dem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Trotz dieser Einschätzung, für die der UNHCR seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz in einer Entscheidung vom 13.10.2017 (Az. D-5800/2016) zu einem anderen Ergebnis kommt und ausführt, ohne besonders begünstigende Faktoren wie das Vorhandensein eines tragfähigen sozialen Netzes in Kabul sei ein Zurückschicken auch bei gesunden jungen Männern unzumutbar, kann sich dem das Gericht auf der Grundlage der oben aufgezeigten Erkenntnislage nicht anschließen. Mit der Rechtsprechung des Bayer. VGH (vgl. zuletzt B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris), der sich das erkennende Gericht anschließt, sind alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben.
Individuell ist bei dem Kläger zu berücksichtigen, dass er in Afghanistan die Schule bis zur neunten Klasse besucht hat. Damit verfügt dieser über einen Bildungsstand, mit dem er gegenüber den vielen Analphabeten in seinem Heimatland klar im Vorteil und damit auch in der Lage ist, ein deutlich breiteres Spektrum an Tätigkeiten auszuüben, was seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig erhöhen wird. Er hat zudem die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines Heimatlandes 22 Jahre lang kennengelernt, sodass er auch nach einer Rückkehr dorthin in der Lage sein wird, sich dort zurechtzufinden. Positiv ist überdies zu erwähnen, dass der Kläger in Afghanistan bereits eingehende berufliche Erfahrungen gesammelt hat, indem er dort selbständig einen Laden betrieben hat. Er damit gezeigt, dass er in der Lage ist, auch unter schwierigen Bedingungen auf eigenen Füßen zu stehen und für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ihm dies nach einer Rückkehr nach Afghanistan nicht wieder gelingen würde. Ohne dass es von Rechts wegen noch hierauf ankäme, könnte der Kläger auch auf die Unterstützung zumindest durch seine vier Onkel mütterlicherseits zählen, die in Kabul leben. Zu diesen hat der Kläger während der Zeit seines Aufenthalts in Afghanistan gute Beziehungen gepflegt. Er hat sich bei einem der Onkel auch bereits für kurze Zeit vor seiner Ausreise aufgehalten. Der Kläger hat durch seine Onkel somit einen Anlaufpunkt in Kabul, wo er auch unterkommen könnte. Eine finanzielle Unterstützung im Bedarfsfalle erscheint angesichts dessen, dass einer der Onkel Lehrer und drei weitere Ladenbesitzer gewesen seien, auch realistisch. Überdies ist es im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass in Notsituationen über derartige Kontakte Unterstützung geleistet wird und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. Schließlich hat der Kläger beim Bundesamt auch erklärt, dass er in Afghanistan viele Freunde gehabt habe, gut vernetzt gewesen sei und er mit den Freunden über Facebook Kontakt halte. Auch durch diese erscheint im Bedarfsfalle eine Unterstützung gegenüber dem Kläger möglich, auch wenn einige der Freunde das Land zwischenzeitlich ebenfalls verlassen haben sollen.
Auch nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris; U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris), der sich das Gericht anschließt, scheitert eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen befindet sich der Kläger vielmehr in einer vergleichsweise guten Position. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Dies ist vorliegend der Fall.
Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700,00 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Der vorstehenden Einschätzung, dass ein Aufenthalt in Kabul wirtschaftlich zumutbar ist, steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Reihe von gesundheitlichen Beschwerden geltend gemacht und hierzu ein ärztliches Attest des Dr. A. vom 2. Mai 2018 vorgelegt hat, wonach der Kläger an einer schweren depressiven Episode und dem Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung leidet. Denn es ist bereits im Ausgangspunkt nicht überzeugend, dass der Kläger hinsichtlich der Ursache für seine psychischen Erkrankungen auf belastende Erinnerungen und Albträume in Bezug auf den Krieg zwischen den Taliban und dem afghanischen Volk sowie eine Schießerei an der Grenze zur Türkei verweist. Denn in seinem Verfolgungsvortrag vor dem Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger keinen konkreten Bezug zwischen seiner Person und allgemeinen Kriegshandlungen und deren Auswirkungen in Afghanistan hergestellt. Auch von einer Schießerei an der Grenze zur Türkei hat der Kläger nichts berichtet. Er hat insoweit lediglich angegeben, dass seine Eltern kurz nach ihm ausgereist seien und sie sich an der Grenze vom Iran zur Türkei verloren hätten. Da es sich insoweit nicht um ein nebensächliches Detail handelt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger von einer dortigen Schießerei berichtet hätte, wenn sich eine solche tatsächlich ereignet hätte. Vor diesem Hintergrund erscheinen bereits die auslösenden Faktoren für die vom Kläger geklagten gesundheitlichen Beschwerden nicht glaubhaft, was das vorgelegte Attest insgesamt in seiner Beweiskraft erschüttert. Auch hat sich der ausstellende Arzt mit dem Vortrag des Klägers in keiner Weise auseinandergesetzt, sondern diesen seiner medizinischen Einschätzung, ohne ihn weiter zu hinterfragen, zu Grunde gelegt. Überdies fällt auf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, dass er bereits seit seiner Ankunft in Deutschland unter Kopfschmerzen und Schwindel leide und sich daher in hausärztlicher Behandlung befinde. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum der Kläger auf diese Beschwerden bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt nicht hingewiesen hat. Dass der Kläger nun nach Ablehnung seines Asylantrages im Verwaltungsverfahren und kurz vor der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren erstmals eine Facharztpraxis aufsucht, erscheint asyltaktisch motiviert.
Inhaltlich entspricht das Attest auch nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – Asylmagazin 1-2/2018, S. 41 f.). Insbesondere wird darin nicht dargestellt, welche konkreten Folgen sich für den Kläger im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan ergeben. Es reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, diesbezüglich pauschal auf eine Befindensverschlechterung, Destabilisierung bzw. – an anderer Stelle – starke Verschlechterung des psychischen Zustandes zu verweisen; woraus der behandelnde Arzt dies herleitet, erschließt sich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 – juris). Darüber hinaus erklärt der behandelnde Arzt zunächst, dass eine Befindensverschlechterung drohe, falls die laufende Behandlung unterbrochen werden sollte. Sodann wird es als „sinnvoll“ erachtet, den Patienten im aktuellen Umfeld zu belassen. Aus ärztlicher Sicht werden weitere Termine „empfohlen“, um eine ausreichende Stabilität zu erreichen und die bisherigen Fortschritte nicht zu gefährden. Daraus kann eine zwingende Notwendigkeit einer medikamentösen und/oder psychotherapeutischen Weiterbehandlung nicht hergeleitet werden. Überdies bleibt im Dunkeln, welche „bisherigen Fortschritte“ nicht gefährdet werden sollen, nachdem es sich nach klägerischen Angaben um den Ersttermin bei Dr. A. gehandelt hat. Erhebliche Gefahren für Leib und Leben im Falle einer Abschiebung werden in der Stellungnahme nicht beschrieben. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung benannten aktuellen gesundheitlichen Beschwerden in Form von Bauchschmerzen, Durchfall, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Gliederschmerzen und ab und zu Herzrasen sind nicht für die Annahme geeignet, dass der Kläger in Afghanistan in einen Zustand geraten würde, in dem er einen schweren gesundheitlichen Schaden erleiden würde. Im Übrigen enthält die Stellungnahme auch keine Angabe einer ICD-10 Nummer. Damit ist auch eine Überprüfung hinsichtlich der Diagnosekriterien nach der ICD-10 nicht möglich. Hinsichtlich der erwähnten posttraumatischen Belastungsstörung ist zu beachten, dass insoweit lediglich ein – nicht ausreichender – Verdacht ausgesprochen wird. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf dramatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, wie dies hier der Fall ist, so ist überdies in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.9.2017 – 10 C 8/07 – juris). Auch hierzu trifft die vorliegende ärztliche Stellungnahme keinerlei Aussagen. Soweit schließlich ärztlicherseits erklärt wird, dass durch die Abschiebung eine Destabilisierung zu befürchten sei, so stellt dies bereits kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis dar, welches im Rahmen des vorliegenden Verfahrens allein von rechtlicher Relevanz ist. Gefahren, welche mit dem Abschiebungsvorgang in unmittelbarem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang stehen, sind vielmehr von der zuständigen Ausländerbehörde zu beachten (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 – juris).
Da entsprechend vorstehender Ausführungen etwaige psychische Erkrankungen und deren Folgen im Falle der Abschiebung nicht substantiiert vorgetragen wurden, war diesem Vortrag auch nicht weiter durch Beweiserhebung nachzugehen. Darüber hinaus hat der Kläger entgegen der ihm – unter Belehrung über die Rechtsfolgen – bis zum 4. Mai 2018 gesetzten Frist nach § 87b Abs. 2 Nr. 1 VwGO nichts zu einer bei ihm nunmehr neu bestehenden psychischen Erkrankung vorgetragen und auch das am 2. Mai 2018 ausgestellte Attest nicht vorgelegt. Die verspätete Vorlage erst in der mündlichen Verhandlung wurde klägerseitig nicht begründet und somit nicht entschuldigt, sodass auch aus diesem Grunde weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, da diese nach Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würden, § 87b Abs. 3 VwGO.
In der Gesamtschau ergibt sich aus dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung sowie dem vorgelegten ärztlichen Attest kein Abschiebungshindernis aus gesundheitlichen Gründen, das der Zumutbarkeit einer internen Schutzmöglichkeit in Kabul entgegenstehen würde. Auch ist aus dem Gesamtvorbringen nicht entnehmen, dass der Kläger nicht erwerbsfähig wäre. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Kläger ausreichend leistungsfähig und in der Lage ist, in Afghanistan seinen Lebensunterhalt mittels einer Erwerbstätigkeit sicherzustellen. Wie bereits dargelegt, ergibt sich aus der ärztlichen Stellungnahme nicht die zwingende Notwendigkeit der Einnahme bestimmter Psychopharmaka, welche dem Kläger durch Dr. A. seit etwa drei Wochen verschrieben worden seien. Ohne dass es von Rechts wegen noch darauf ankäme, könnte der Kläger jedoch auch in Afghanistan gängige Psychopharmaka, um die es sich vorliegend bei den Medikamenten Mirtazapin und Venlafaxin handelt, beziehen, was ganz besonders für die Hauptstadt Kabul gilt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 23 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung vom 5. April 2017). Überdies erscheint es realistisch, dass der Kläger – erforderlichenfalls unter finanzieller Unterstützung durch seine in Kabul lebenden vier Onkel – diese Medikamente dort auch wird finanzieren können.
Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann und Amnesty International, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (vgl. Friederike Stahlmann, Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff.; Amnesty International, Auskunft an das VG Leipzig vom 8.1.2018 und an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018). Denn Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen nicht vor. Zwar lassen sich auch schwerwiegende Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche in Afghanistan durchaus nicht aus-schließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris). Nach Überzeugung des Gerichts bieten die vorliegend geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben Kabul zumutbar erscheinen zu lassen.
Nach alledem kann der Kläger internen Schutz in Kabul in Anspruch nehmen, so dass auch aus diesem Grunde ein Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus ausscheidet.
II.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist bereits nicht glaubhaft gemacht worden, jedenfalls besteht jedoch eine interne Schutzmöglichkeit in Kabul. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Laghman. Dasselbe gilt für die Stadt Kabul als interner Schutzmöglichkeit entsprechend obiger Ausführungen. In der Ostregion, zu der die Provinz Laghman gehört, wurden im Jahre 2017 1.481 Zivilpersonen getötet oder verletzt, in der Zentralregion, zu der die Hauptstadt Kabul gehört, 2.240 Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Annual Report 2017 Afghanistan, Februar 2018, S. 7). Die Anschlagswahrscheinlichkeit lag damit sowohl für die Ost- als auch für die Zentralregion im Jahr 2017 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 vom 28.7.2017) hat sich die Bedrohungslage für Zivilisten seit Ende der ISAF-Mission nicht wesentlich verändert. Das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, liegt immer noch im Promillebereich. Damit ist derzeit noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan, die eine Notfallbehandlung Schwerverletzter nur eingeschränkt ermöglichen dürfte. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den Abhandlungen von Frau Friederike Stahlmann (vgl.: Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, in: ZAR 5-6/2017, S. 189 ff.; Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018). Soweit diese darauf hinweist, dass in den UNAMA-Berichten eine Untererfassung der zivilen Opfer zu besorgen sei, so ist darauf hinzuweisen, dass anderes geeignetes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht und zum anderen auf die von Frau Stahlmann alternativ genannte Zahl der kriegsbedingt Binnenvertriebenen angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht abgestellt werden kann. Insoweit weist Frau Stahlmann eingangs ihrer Abhandlung auch selbst darauf hin, dass ihre Diskussion nicht den Anspruch habe, die Kriterien einer juristischen Prüfung zu erfüllen (vgl. Fußnote 1). Aber selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht. Soweit Frau Stahlmann in ihrem Gutachten vom 28. März 2018 (vgl. S. 9) ausführt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, so handelt es sich hierbei um eine allein dem erkennenden Gericht vorbehaltene rechtliche Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. Die von ihr darüber hinaus geschilderten Tatsachen betreffen weit überwiegend Umstände, die allein bei der qualitativen Gesamtbetrachtung zu würdigen sind, die sich hier jedoch aufgrund der – gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – verhältnismäßig niedrigen Opferzahlen unter keinen Umständen auswirken können (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris).
III.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
Darüber hinaus ist bei dem Kläger auch kein Abschiebungshindernis aus gesundheitlichen Gründen anzunehmen. Insofern wird vollumfänglich auf die einschlägigen Ausführungen unter I.3. verwiesen.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris; B.v. 21.8.17 – 13a ZB 17.30529 – juris; B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 pro – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I.3. verwiesen werden. Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit in Kabul besteht und deren Voraussetzungen über diejenigen im Rahmen des Vorliegens einer extremen Notlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehen, ist auch ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift abzulehnen.
Darüber hinaus ist bei dem Kläger auch kein Abschiebungshindernis aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 Satz 1-4 AufenthG anzunehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein derartiges Abschiebungshindernis aufgrund einer psychischen Erkrankung und deren körperlicher Auswirkungen wurden nicht glaubhaft und substantiiert dargelegt. Insofern wird vollumfänglich auf die einschlägigen Ausführungen unter I.3. verwiesen.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG bestehen ebenfalls keine Bedenken.
IV.
Der Hilfsantrag, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf null Monate zu befristen, ist ebenfalls unbegründet. Die Entscheidung in Ziffer 6 des angegriffenen Bundesamtsbescheides, die Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate festzusetzen, basiert auf § 11 AufenthG. Nach Abs. 3 der genannten Vorschrift wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Vorliegend wurde eine Frist von 30 Monaten festgesetzt. Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensausfall vor. Gründe für eine Ermessensreduzierung dahingehend, die Frist auf null Monate festzusetzen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger wurde im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt zu schutzwürdigen Belangen hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbotes befragt und hat keine schutzwürdigen Belange vorgetragen. Insofern erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, die Frist auf 30 Monate und damit auf die Hälfte der Maximalfrist nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 – juris). Die Formulierung (nach dem Zitat des Gesetzestextes des § 11 Abs. 3 AufenthG): „Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist im vorliegenden Fall angemessen. … Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung, aufgrund schutzwürdiger Belange, wurden weder vorgetragen noch liegen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Der Antragsteller verfügt im Bundesgebiet über keine wesentli-chen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären“, erscheint im vorliegenden Falle ausreichend, um das Ermessen auszuüben. Weitere Erwägungen waren nicht anzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich zwischenzeitlich Änderungen hinsichtlich schutzwürdiger Aspekte ergeben haben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.