Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines georgischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  B 1 K 18.30606

Datum:
23.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17200
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG Art. 16a

 

Leitsatz

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der georgische Staat nicht in der Lage oder willens ist, ausreichenden Schutz gegen Übergriffe nichtstaatlicher Akteure zu gewähren. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom … rechtmäßig ist und den Kläger nicht seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Denn der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Asylanerkennung; auch ist ihm der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG nicht zuzusprechen. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die Begründung im angefochtenen Bescheid des … (§ 77 Abs. 2 AsylG), soweit das Bundesamt die geltend gemachten Ansprüche abgelehnt hat (hinsichtlich der Aufhebung der qualifizierten Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet wird auf den Beschluss des Gerichts vom 19. März 2018 verwiesen).
Ergänzend ist zum Vorbringen im gerichtlichen Verfahren Folgendes auszuführen:
a. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft dann nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG). Dabei ist sowohl bei der Prüfung des Flüchtlingsschutzes (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylG) als auch des subsidiären Schutzes durch die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote als Prognosemaßstab einheitlich der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen. Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG). Danach besteht bei vorverfolgt Ausgereisten die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (hierzu: BVerwG, U. v. 27. April 2010, Az. 10 C 5/09).
Eine Verfolgung wegen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Asyl genannten Merkmale liegt nicht vor. Der Kläger ist den Angaben seiner Mutter nach nur deshalb ausgereist, weil man ihn nicht habe allein zurücklassen können. Man habe befürchtet, dass er von den Brüdern des Getöteten nochmals angegangen oder gar ermordet werden könne, wenn er allein zu Hause sei. Abgesehen davon, dass diesem Vortrag ein asylrechtlich erhebliches Verfolgungsmerkmal nicht entnommen werden kann, da der Kläger ausdrücklich nicht von der Blutrache bedroht sein soll, ist hinsichtlich der vorgetragenen Schutzlosigkeit des Klägers darauf zu verweisen, dass die gesamte Familie des Klägers ausreisepflichtig ist, er mithin nicht allein nach Georgien zurück muss und damit nicht völlig schutzlos auf sich gestellt ist.
Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist damit nicht gegeben.
b. Da dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen ist, entfällt ebenso die Anerkennung als Asylberechtigter, da eine politische Verfolgung i.S.v. Art. 16a GG nicht vorliegt.
c. Aus den unter a. dargestellten Gründen liegen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG nicht vor. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Georgien kein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG. Insbesondere droht dem Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wobei der georgische Staat nicht in der Lage oder willens sein müsste, dem Kläger ausreichenden Schutz zu gewähren. Hiervon kann nicht ausgegangen werden. Das Gericht verweist diesbezüglich auf die Ausführungen in den Urteilsgründen zum Verfahren des Bruders … unter Ziffer 1a (S. 8f.).
d. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insbesondere droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Georgien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, auch nicht im Hinblick auf seine gesundheitliche Situation (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG). Der Kläger hat bislang in Georgien gelebt. Er kann im Familienverband dorthin zurückkehren und ist folglich auch nicht auf sich alleine gestellt, denn die Klagen seiner Mutter und Geschwister wurden allesamt abgewiesen, so dass auch diese ausreisepflichtig sind. Dass sich auch bei einer Ausreise im Familienverband eine erhebliche Gesundheitsverschlechterung aufgrund der Verhältnisse in Georgien im Hinblick auf die Behandlung seiner Erkrankung einstellen würde, wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
e. Der Bescheid des … gibt schließlich hinsichtlich der Ziffer 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert worden sind, keinen Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich.
f. Die Entscheidung des …, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG auf 30 Monate zu befristen, gibt im Rahmen der dem Gericht möglichen Überprüfung (vgl. § 114 VwGO) keinen Anlass zur Beanstandung (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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