Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines irakischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  AN 10 K 16.30873

Datum:
4.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 24 Abs. 1 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Für eine asylrechtlich relevante Konversion zum Christentum ist der formale Akt der Taufe weder hinreichend noch zwingend notwendig. Es muss vielmehr zur Überzeugung des Gerichts dargelegt werden, welche Wertentscheidungen der Asylbewerber mit dem Christentum verbindet. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus bzw. von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten hat und der streitgegenständliche Bescheid auch im Übrigen rechtmäßig ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1, 4 AsylG besteht zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG nicht.
Nach dem Vortrag des Klägers zu seiner Konversion ist nicht von einer anspruchsbegründenden Furcht vor Verfolgung wegen der Religion bei dem Kläger auszugehen.
Zwar ist hinsichtlich eines Konvertiten zur christlichen Religion auch in der Heimatregion des Klägers eine asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung gem. § 3a Abs. 1 AsylG nicht auszuschließen. Der Asylbewerber ist insoweit nicht darauf zu verweisen, seine Religion nur im Privaten bzw. Geheimen auszuüben und asylrechtlich auch dagegen geschützt, die Religionsausübung aus Furcht vor Verfolgung aufgeben zu müssen (BVerwG, U.v. 20.2.2013, 10 C 23/12). Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes äußert sich zwar insoweit, dass es keine Straftatbestände für einen Abfall vom Islam gibt, jedoch nicht zur allgemeinen Lage von Konvertiten. Weiter äußert sich der aktuelle Lagebericht dazu, dass religiöse Minderheiten in der Region Kurdistan-Irak vor Verfolgung geschützt sind, äußert sich jedoch nicht zur speziellen Personengruppe der Konvertiten. Der Lagebericht ist daher insoweit lückenhaft, so dass im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO hinsichtlich der Lage der Konvertiten, eines Umstandes, der nicht nur in der individuellen Sphäre des Klägers liegt, ergänzend weitere Auskünfte einzuholen sind. Auch die Beklagte war hierzu nach § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG verpflichtet. Das Gericht hat über eine Erkenntnismittelliste hierzu eine einschlägige Auskunft des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Österreich vom 27. März 2017 eingeführt, wonach Apostasie verboten sei und beispielsweise dadurch ausgeschlossen sei, dass die religiöse Zugehörigkeit in Identifikationsdokumenten nicht geändert werden könne. Es bestehe oftmals eine ernsthafte Verfolgung durch die Gesellschaft bis zur Tötung, oftmals von eigenen Angehörigen. Nach einer einschlägigen Auskunft von ACCORD vom 12. Februar 2016, ebenfalls als Erkenntnismittel eingeführt, sei bei Hilfeersuchung bei den Behörden durch Konvertierten im Irak unter Umständen mit Gewalt durch die Polizei zu rechnen. Nach der ebenfalls in das Gerichtsverfahren eingeführten Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 20. Mai 2016 zur Lage von Konvertiten insbesondere in der autonomen Region Kurdistan-Irak käme es dort zu Diskriminierungen und Gewalt durch die Familie, Gesellschaft und Behörden.
Auf die Frage der allgemeinen Bedrohungslage kommt es jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an, da die Konversion nicht glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts gemacht wurde.
Hierbei ist eine Hinwendung zum Christentum auf der Grundlage einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aufgrund innerer Überzeugung erforderlich, allein der formale Akt einer Taufe genügt nicht. Es muss zur Überzeugung des Gerichts dargelegt werden, welche Wertentscheidungen der Kläger mit dem Christentum verbindet (VG Augsburg, U.v. 9.1.2017, Au 5 K 16.31898). Dies dient letztlich auch dem Ausschluss des Asylmissbrauchs. Umgekehrt erscheint es denkbar, eine Taufe nicht in jedem Fall für eine asylrechtlich erhebliche Konversion für erforderlich zu halten. Sie ist jedoch ein Indiz für die Ernsthaftigkeit einer Konversion (OVG NRW, B.v. 24.5.2013, 5 A 1062/12.A).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des anwaltlich vertretenen Klägers nicht, der in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit hatte, sich insoweit zu äußern und den knappen Vortrag vor dem Bundesamt – auf diese Tatsache war der Kläger auch noch einmal von dem Gericht hingewiesen worden – zu ergänzen oder zu erläutern.
Der Kläger hat zu seiner Glaubensausübung in Deutschland und den mit dem Christentum verbundenen Werten fast nichts vorgetragen, außer dass er getauft wurde, dass er sich in Deutschland weiter über das Christentum informiert und dass er damit verbindet, dass das Christentum eine friedliche Religion sei. Da der Kläger vorgetragen hat, wegen Problemen im Zusammenhang mit der im Heimatland bereits vollzogenen Konversion ausgereist zu sein und um in Deutschland mehr über das Christentum zu erfahren und diesen Glauben zu leben, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger zu seiner Glaubensausübung in Deutschland nähere Ausführungen macht. Auch wenn der Kläger seinen Glauben möglicherweise eher für sich leben mag, so wären zumindest Ausführungen zu seinem Weg zur Taufe und ob er weiter am Gemeindeleben in seiner Taufkirche oder einer anderen Kirche teilnimmt, zu erwarten gewesen. Über diese Umstände aus seiner Sphäre hätte der anwaltlich vertretene Kläger von sich aus berichten müssen; hier endet die Amtsermittlungspflicht, § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Es ist Sache des Klägers, seinen Vortrag selbst zu substantiieren, um eine gerichtliche Prüfung zu ermöglichen.
Es ist damit zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung gem. § 77 Abs. 2 AsylG nicht (mehr) von einer Konversion des Klägers auszugehen, so dass bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit (zu diesem Maßstabe BVerwG, U.v. 20.2.2013, 10 C 23/12) mit Nachteilen durch die Gesellschaft oder den Staat, wie sie in den herangezogenen Auskünften beschrieben sind, zu rechnen ist: Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung war zu diesem Zeitpunkt nicht von einer Konversion auszugehen, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger bei Rückkehr in seine Heimatregion christlich leben wird oder hierauf nur aus Angst vor Verfolgung verzichten wird. Durch sein zukünftiges Verhalten drohen ihm daher keine Nachteile durch Familie, Staat oder Gesellschaft.
Gleiches gilt letztlich im Hinblick auf die vorgetragene Konversion durch den Besuch einer Kirche im Heimatland vor der Flucht. Dies ist außerhalb seines Heimatortes nicht bekannt, angesichts dessen, dass in den Personalpapieren des Klägers weiter als Religion Islam eingetragen ist. Der Kläger wäre daher auch anderswo in seiner Heimatregion Kurdistan-Irak gem. § 3e Abs. 1 AsylG vor Verfolgung geschützt. Aufgrund des kulturellen Kontextes und der Auskunftslage hält es das Gericht zwar weiter für möglich, dass es Formen der Befassung bzw. Hinwendung zum Christentum in der Heimatregion des Klägers gibt wie von diesem beschrieben und dass allein dies auch nach zwischenzeitlicher Ausreise in ein anderes Land und einem etwaigen Motivationswandel zu asylrechtlich erheblichen Repressalien durch die eigene Familie und das weitere Umfeld bei Rückkehr führt. Ausreichend ist die schlichte Möglichkeit jedoch nicht. Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des individuellen Verfolgungsschicksals bilden können, allein die Möglichkeit des Verfolgungsschicksals reicht nicht (BVerwG, U.v. 16.4.1985, 9 C 109.84). Diese Obliegenheit zur Glaubhaftmachung im Sinne einer Überzeugung von der Wahrheit kann für den Kläger durchaus mit Schwierigkeiten verbunden sein durch die sprachliche und kulturelle Barriere. Andererseits kommt dem Kläger jedoch auch eine Beweiserleichterung im Gegensatz zum normalen Verwaltungsprozess zustatten, da er sich seiner selbst als Beweismittel in eigener Sache bedienen darf und der Ausschluss von Asylmissbrauch bei einem anderen Maßstab an die Glaubhaftmachung kaum möglich wäre. Insoweit ist der Vortrag zu einer damaligen Hinwendung zum Christentum durch Besuche der christlichen Kirche des Nachbarortes und der Vortrag durch daraus resultierende Bedrohungen durch Familie und Umfeld zu substanzarm (zum Erfordernis der Substantiierung BVerwG NVwZ-RR 1990, 379).
Nach alledem besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1, 4 AsylG.
Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes gem. § 4 Abs. 1 AsylG und auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5, 7 AufenthG besteht nicht. Es wird insoweit auf die zutreffende Würdigung im streitgegenständlichen Bescheid gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen der nach § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist nicht zu beanstanden, § 114 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage resultiert aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.


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