Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines pakistanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 1 K 17.43366

Datum:
8.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23364
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Bei einer Aufenthaltsnahme in einer der größeren Städte Pakistans können Verfolgte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers entgehen. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG, noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 und 38 AsylG, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in § 11 AufenthG.
Im Klageverfahren haben sich keine neuen Gesichtspunkte gegenüber dem Verfahren vor dem Bundesamt ergeben. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Insbesondere folgt das Gericht dem Bundesamt in seiner ausführlich und nachvollziehbar begründeten Wertung, dass der Vortrag des Klägers unglaubwürdig ist. Vor Gericht hat sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Klägers verstärkt. Er legte zur Stützung seiner Angaben ein von ihm als „Polizeibericht aus Pakistan“ bezeichnetes englischsprachiges Schriftstück vor, das mit einem unvollständigen Stempel versehen ist, und das er sich nach Deutschland habe zusenden lassen. Nach dem Inhalt des Textes handelt es sich aber um keinen Polizeibericht, sondern um ein Schreiben des Klägers an eine Polizeistation in Pakistan mit der Bitte um Schutz vor Verfolgung. Der Text gibt die vor dem Bundesamt geschilderten Verfolgungsgründe nicht deckungsgleich wieder. So fehlt in dem Text jeglicher Hinweis auf die angeblich beobachtete Gehirnwäsche anderer im Camp ausgebildeter junger Männer. Andererseits berichtet der Text darüber, dass der Kläger in dem Lager Waffen und Munition gesehen hätte und ihm von daher klar gewesen sei, dass es sich hier um Terroristen handele, weswegen er geflohen sei. Diesen Sachverhalt erwähnte der Kläger vor dem Bundesamt mit keinem Wort. Als reines Konstrukt erscheint auch der klägerische Erklärungsversuch darüber, warum er seinen Personalausweis – sein einziges Personaldokument – nicht vorlegen könne. Vor dem Bundesamt führte er hierzu aus, er habe diesen in der Eile der Flucht nach Karachi nicht mehr mitnehmen können, was für sich schon Glaubwürdigkeitszweifel aufwirft. Andererseits präsentierte der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine angebliche Kopie von eben diesem Personalausweis, die ihm ein Freund aus Griechenland nach Deutschland geschickt hätte. Diese Kopie habe der Kläger selber bei der Ausgabe des Personalausweises durch die pakistanischen Behörden gefertigt. Diesen Vortrag bewertet das Gericht als reine Zweckbehauptung. Das Gericht glaubt dem Kläger nicht.
Selbst wenn – wie nicht – der Vortrag des Klägers glaubwürdig sein sollte, hätte seine Klage keinen Erfolg. Der Vortrag betrifft private Probleme und hat nichts mit politischer Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG und des § 3 AsylG zu tun. Der Bedrohung durch die Taliban fehlt das asylerhebliche Merkmal, dessentwegen die angebliche Verfolgung stattgefunden haben soll. Die Taliban haben den Kläger, ebenfalls ein Angehöriger des sunnitischen Islam, nur wegen seiner Weigerung, am bewaffneten Kampf teilzunehmen, drangsaliert. Es fehlt auch an einem Akteur im Sinne des § 3c, § 4 Abs. 5 AsylG, von dem die geschilderte Bedrohungslage ausgehen soll. Die Taliban können in dieser Unbestimmtheit nicht als Akteur in diesem Sinne angesehen werden. Ebenso kommt ein subsidiärer Schutz nach § 3 AsylG nicht in Frage.
Im Übrigen kann der Kläger den von ihm befürchteten Gefahren in seinem Heimatstaat ausweichen, § 3e AsylG (inländische Fluchtalternative). Ihm wäre ein Ausweichen auf andere Landesteile Pakistans möglich, was einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG einer Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG entgegensteht.
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Damit wird die Nachrangigkeit des Schutzes verdeutlicht. Der Ausländer muss am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden, d.h. es muss zumindest (in faktischer Hinsicht) das Existenzminimum gewährleistet sein, das er unter persönlich zumutbaren Bemühungen sichern können muss. Dies gilt auch, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Unerheblich ist, ob eine Gefährdung am Herkunftsort in gleicher Weise besteht (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 20; VG München, U.v.12.6.2015 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 21 ff.).
Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG finden kann.
In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan – Lagebericht -, Stand Mai 2016, S. 21). In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.254 qkm, ca. 200 Millionen Einwohner) ohne funktionierendem Meldewesen ist es nach den Erkenntnissen grundsätzlich möglich, bei Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig vom 15.1.2014; vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative in Pakistan VG München, U.v.12.6.2015 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 23 m.w.N.).
Der Kläger kann in den Großstädten und in anderen Landesteilen als erwachsener jüngerer erwerbsfähiger Mann auch ein ausreichendes Einkommen finden. Zwar ist das Leben in den Großstädten teuer, allerdings haben viele Menschen kleine Geschäfte oder Kleinstunternehmen. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis. Es kann somit vom Kläger erwartet werden, dass er sich in einem dieser Landesteile niederlässt, wo ihm die behaupteten Gefahren nicht drohen.
Bei dieser Sachlage bestehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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