Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines staatenlosen Palästinensers aus dem Libanon

Aktenzeichen  W 2 K 16.30772

Datum:
18.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 3c, § 3e Abs. 2 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2, 3, Abs. 3 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, 2, § 60a Abs. 1 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Geht eine örtlich begrenzte Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren aus und sind diese nicht mit den staatlichen Behörden verbunden, kann vom Asylantragsteller vernünftigerweise erwartet werden, dass er internen Schutz in Anspruch nimmt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Restriktionen für im Libanon lebende palästinensische Flüchtlinge begründen nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer in den Libanon mit palästinensischer Volkszugehörigkeit wird dort nicht alsbald mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine extreme Gefahrenlage geraten, die eine Abschiebung in diesen Staat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Er kann sich im Libanon auch ein Existenzminimum sichern. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen in seiner Person auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Vorliegend ist auf den Libanon als Herkunftsland abzustellen. Bei Staatenlosen ist das Land des letzten gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG). Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Kopie des Flüchtlingsausweises und des UNRWA-Familienregisters (Original befindlich beim Landratsamt Aschaffenburg) handelt es sich bei ihm um einen staatenlosen Palästinenser, der vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Libanon hatte.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
1.1
Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG bestehen nicht.
1.2
Die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dem Kläger droht kein ernsthafter Schaden in Form von Folter bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung.
1.2.1
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Erfasst werden Maßnahmen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer gegen die Menschenwürde verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 4 AsylG, Rn. 10). Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1, §§ 3c bis 3e AsylG auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher bzw. quasistaatlicher oder interner Schutz zur Verfügung steht.
Der Kläger muss die Umstände und Tatsachen, die für die von ihm befürchtete Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung maßgeblich sind, von sich aus konkret, in sich stimmig und erschöpfend vortragen (VG München, U.v. 26.3.2014 – M 16 K 13.30929 – juris; vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c Richtlinie 2011/95/EU; BVerfG, B.v. 7.4.1998 – 2 Bv R 253/96 – juris). Insoweit trifft ihn die Darlegungslast. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen (vgl. VG München, U.v. 31.3.2014 – M 25 K 13.31344 – juris). Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person (VG München, U.v. 20.12.2012 – M 15 K 12.30068 – juris). Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen, die für die von ihm befürchtete Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung maßgeblich sind.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Gericht in Anbetracht der Sachverhaltsdarstellung durch den Kläger im Asylverfahren und in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr in den Libanon Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffende Begründung im Bescheid des Bundesamtes vom 9. Juni 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im Klageverfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnten.
Ergänzend ist zum gerichtlichen Verfahren auszuführen: Das Gericht verkennt nicht, dass konfessionelle Mischehen im Libanon nur in wenigen Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sind (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 14). Das Gericht ist aber nicht davon überzeugt, dass die Schilderung des Klägers mit sunnitischer Glaubenszugehörigkeit, wonach er aufgrund des außerehelichen Verhältnisses mit einer Drusin namens L* … von deren Familie sowie seinem Vater verfolgt werde, der Wahrheit entspricht. Die Angaben des Klägers sind von einigen Ungereimtheiten geprägt. Auch machte der Kläger bei der Schilderung seines Schicksals in der mündlichen Verhandlung auf das Gericht einen sehr unbeschwerten Eindruck.
Zunächst kann dem Kläger die behauptete Inhaftierung von 40 Tagen in einer Zelle in einer Polizeistation nicht abgenommen werden. Bereits das Bundesamt weist im angegriffenen Bescheid vom 9. Juni 2016 darauf hin, der Annahme eines realen Erlebens stehe entgegen, dass der Kläger bei seinen Angaben keine Gefühle und Emotionen zu Protokoll gegeben habe. So verhielt es sich auch in der mündlichen Verhandlung. Während des diesbezüglichen Vortrags machte der Kläger auf das Gericht einen unbekümmerten und fröhlichen Eindruck, was im deutlichen Widerspruch zu den von ihm geschilderten Haftbedingungen (Schläge, keine Wechselwäsche) steht. Auch hat der Kläger nicht erklären können, warum sämtliche andere Insassen bereits nach wenigen Tagen freikamen, während er über einen Monat in der Polizeizelle festgehalten wurde. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch die Wahrunterstellung einer Inhaftierung für die Nachvollziehbarkeit seines Verfolgungsschicksals unzureichend ist. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum der Vater von L* … nach der Ablehnung des lediglich telefonisch gestellten Heiratsantrags eine Inhaftierung des Klägers hätte veranlassen sollen. Zu sexuellen Kontakten war es zu diesem Zeitpunkt nach Angaben des Klägers noch nicht gekommen. Des Weiteren war sich der Kläger selbst nicht sicher, ob seine Beziehung zu L* … überhaupt den Grund für seine Inhaftierung darstellte. Dies konnte der Kläger bereits in seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt nicht plausibel darlegen (vgl. Bl. 4 d. Anhörungsniederschrift). Insoweit stützt der Kläger seine Verfolgungsfurcht auf Vermutungen. Er gab in der mündlichen Verhandlung an, er wisse nicht, warum er inhaftiert worden sei. Er glaube, das Mädchen sei der Anlass gewesen. L* … Familie habe über Beziehungen in der Polizei und der Regierung verfügt. L* … habe dem Kläger erzählt, ihr Vater habe gesagt, sie werde sehen, was sie mit dem Kläger machten. Aus diesen Angaben geht hervor, dass der Kläger lediglich mutmaßt, die Familie von L* … habe seine Verhaftung initiiert. Es ist des Weiteren nicht nachvollziehbar, wie es dem Mädchen L* … ohne Weiteres möglich gewesen sein soll, sich mit dem Kläger vor der Universität zu treffen. Schließlich gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, L* … sei von ihrer Familie im Haus festgehalten worden und habe Schläge erhalten. Unglaubhaft erscheint des Weiteren, dass die Familie von L* … den Aufenthaltsort in Jezin mittels Schlägen gegenüber der Schwester der Freundin von L* … in Erfahrung gebracht haben soll. Auch ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger lediglich mutmaßt, es sei „klar gewesen, dass das Mädchen von der Familie nur bestraft würde, aber dass er nicht mit dem Leben davon kommen werde.“ Schließlich gab er insoweit an, dass ihm dies seine Freundin gesagt habe. Auffällig ist des Weiteren, dass die Angaben des Klägers gegenüber dem Bundesamt knapp und vage waren, während seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung in vielen Punkten von einem Detailreichtum geprägt waren. So schilderte der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung, L* … sei vor ihrem Treffen von ihrer Familie festgehalten und geschlagen wurden und auch ihren Aufenthaltsort in Jezin hätte L* …s Familie durch Schläge gegenüber der Schwester der Freundin von L* … herausgefunden. Zudem erwähnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals einen Herzinfarkt von L* …s Mutter. Aus diesem Grund habe sich L* … zur Rückkehr zu ihrer Familie entschieden. Hierbei handelt es sich um Steigerungen im Sachvortrag, die gleichermaßen gegen die Glaubwürdigkeit sprechen. Im Hinblick auf die behauptete Verfolgung durch den Vater des Klägers ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu Beginn der mündlichen Verhandlung ausführte, seine Familie sei „vermutlich gegen eine Heirat mit einer Drusin gewesen.“ Später gab er auf die Frage, warum ihn sein Vater umbringen wolle, an, dieser habe „auch ein Problem damit gehabt, dass der Kläger sich mit einer Drusin verheiraten wollte.“ Demnach mutmaßte der Kläger zunächst, dass seine Familie mit der Heirat einer Drusin nicht einverstanden sei. Demgegenüber konstruierte er hieraus im Laufe der mündlichen Verhandlung in Bezug auf seinen Vater eine Verfolgungsgefahr. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum der Vater den Kläger wegen der beabsichtigten Heirat bedrohen sollte. Schließlich hatte der Vater von L* … eine Heirat abgelehnt. Darüber hinaus steht der Kläger nach eigenen Angaben mit einem Teil seiner Familienmitglieder, unter anderem seiner Mutter, weiterhin in Kontakt. Auch dieser Umstand steht der Annahme entgegen, dass der Vater des Klägers dessen Tötung beabsichtigt.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dem Kläger auch bei Wahrunterstellung seines Vorbringens – Verfolgung durch die Familie von L* … sowie seinen Vater – eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen würde. Nach § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftiger Weise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Beim internen Schutz sind nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Art. 4 QRL zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 20) und erfordert eine Einzelfallprüfung (ständige Rechtsprechung, z.B. BayVGH, B.v. 23.9.2013 – 13a ZB 13.30252 – juris Rn. 4; B.v. 11.12.2013 – 13a ZB 13.30185 – juris Rn. 5). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3e Rn. 24 ff., insbesondere 31, 32). Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicheren Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Anfangsschwierigkeiten das für seinen Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann (VG Gelsenkirchen, U.v. 22.8.2013 – 5a K 156/11.A – juris). Falls die Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und diese nicht mit den staatlichen Behörden kooperieren oder anderweitig mit diesen verbunden sind und die Verfolgung örtlich begrenzt bleibt, kann vom Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden, internen Schutz in Anspruch zu nehmen (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3e, Rn. 18). So verhält es sich auch hier. Selbst wenn dem Kläger – wovon das Gericht nicht ausgeht – eine Verfolgung drohen sollte, wäre es dem Kläger möglich und zumutbar, in einem der nördlicheren Landesteile eine Schutzmöglichkeit zu suchen. Zur Überzeugung des Gerichts besteht dort keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung. Es ist nicht zu erwarten, dass der Kläger von der Familie von L* … sowie seinem Vater landesweit verfolgt würde. Die Angabe des Klägers, es handele sich bei der Familie von L* … um eine mächtige Familie, steht dieser Annahme nicht entgegen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie über einen landesweiten Einflussbereich verfügt. Dies gilt gleichermaßen für seinen Vater. Des Weiteren ist der Kläger keine herausgehobene in der Öffentlichkeit stehende Person. Auch das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure in der Regel durch Verlegung des Wohnortes außerhalb des Einflussbereichs dieser Akteure entgangen werden könne (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 19). Ein Überleben des Klägers wäre auch in einem der nördlicheren Landesteile im Libanon gewährleistet. Zwar bezeichnet das Auswärtige Amt die Lage der im Libanon lebenden palästinensischen Flüchtlinge aufgrund der schwierigen Bedingungen in den Flüchtlingslagern als „prekär“; auch seien für die Palästinenser im Hinblick auf den Zugang zu freien Berufen Einschränkungen zu konstatieren. Bei UNRWA registrierte palästinensische Flüchtlinge verfügten über einen sicheren Aufenthaltsstatus und würden grundsätzlich vom Gesundheitsdienst der UNRWA versorgt, doch decke diese Versorgung Leistungen der Nachsorge nur unzureichend ab (umfassend Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 12 f.; s.a. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Köln vom 16.10.2014; GIGA Institut für Nahost-Studien, Auskunft an das VG Köln vom 20.10.2014). Vorliegend droht dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger bei einer Abschiebung in einen nördlichen Landesteil jedoch auch ohne die Unterstützung durch Familienmitglieder keine extreme Gefahrenlage. Der bei UNRWA registrierte Kläger, der über einen hohen Bildungsgrad, umfassende Sprachkenntnisse und Berufserfahrung verfügt, kann durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten zumindest ein kleines Einkommen erzielen, um sein Überleben zu sichern. Es müsste ihm zudem möglich sein, sich dort zurecht zu finden.
1.2.2
Die palästinensische Volkszugehörigkeit des Klägers sowie seine Ausführungen, wonach er deshalb in Libanon schlecht behandelt werde, sind für die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unzureichend. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes seien Repressionen aufgrund der palästinensischen Volkszugehörigkeit nicht bekannt. Den im Libanon lebenden Flüchtlingen würden aber politische und wirtschaftliche Rechte verwehrt. Sie dürften seit 2001 keinen Grund und Boden mehr erwerben. Zwar seien einige Berufe für Palästinenser zugänglich. Allerdings bestünden rechtliche Hindernisse und gesellschaftliche Diskriminierungen. So werde von Palästinensern stets eine Arbeitserlaubnis verlangt; freie Berufe könnten nicht ausgeübt werden. Der Besuch staatlicher Schulen sei palästinensischen Flüchtlingen untersagt, sie hätten Zugang zu den (unterfinanzierten) UNRWA-Schulen und müssten sich auf die für Ausländer reservierten 10% der Studienplätze bewerben (umfassend Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 9, 13; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Köln vom 16.10.2014). Diese Restriktionen für im Libanon befindliche palästinensische Flüchtlinge begründen nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Zudem benötigen die in den Lagern lebenden Palästinenser nach Angaben des Auswärtigen Amtes keine spezielle Erlaubnis, um sie zu verlassen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 13). Die Sûreté Générale stelle registrierten palästinensischen Flüchtlingen, zu denen auch der Kläger zählt, Reisedokumente aus. Auch der längere Aufenthalt des Klägers in Deutschland begründet nicht die Gefahr einer Verfolgung. Es sind keine Fälle bekannt, in dem die unfreiwillige Rückkehr eines abgelehnten Asylbewerbers staatliche Repressionsmaßnahmen zeitigte (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 23; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Köln vom 16.10.2014).
1.3
Der Kläger hat bezogen auf das Gouvernement Süd-Libanon auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG eine ersthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen ausüben können. Hiervon abzugrenzen sind Fälle bloßer innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulte oder vereinzelt auftretende Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, was beispielsweise bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen der Fall ist (vgl. EuGH, U.v. 30.1.2014 – Elgafaji, C-285/12 – juris; VGH BW, U.v. 6.3.2012 – A 11 S 3070/11 – juris Rn. 23). Aufgrund eines derartigen Konflikts muss für den Schutzsuchenden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit bestehen. Hierbei ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Schutzsuchenden so verdichtet hat, dass sie eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt. Hierbei ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren würde (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – BVerwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 – 13a B 11.30427 – juris Rn. 15 m.w.N.), also auf seinen „tatsächlichen Zielort“ (EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – juris Rn. 40). Da der Kläger nach eigenen Angaben vor seiner Ausreise aus dem Libanon in Saida (Sidon) im Gouvernement Süd-Libanon gelebt hat, ist auf diese Herkunftsregion abzustellen.
Hierbei ist jedenfalls annäherungsweise eine quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betroffenen Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Anzahl der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben der Zivilpersonen verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Ob die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllt sind, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden (BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – NVwZ 2009, 1237).
Normalerweise hat ein derartiger bewaffneter Konflikt nicht eine solche Gefahrendichte, dass alle Bewohner des betroffenen Gebietes ernsthaft individuell bedroht sein werden. Ein Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land/die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies bleibt allerdings außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris; EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C-465/07 – juris). Eine Individualisierung kann sich auch bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Solche persönlichen Umstände können sich z.B. aus dem Beruf des Schutzsuchenden als Arzt oder Journalist ergeben, ebenso aber aus seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten ausgesetzt ist.
Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit im Süd-Libanon einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt wäre (vgl. SächsOVG, B.v. 2.2.2016 – 5 D 20/15.A – juris). Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes ist die Sicherheitslage im Libanon im Großen und Ganzen stabil. Allerdings greife der Syrienkonflikt immer wieder auf libanesisches Territorium über. Besonders betroffen sei die Gegend um den Grenzort Arsal. Im Zeitraum September 2013 bis Frühjahr 2014 und erneut am 12. November 2015 hätten sich schwere Autobomben- und Selbstmordanschläge gegen schiitische Wohngebiete in der südlichen Vorstadt Beiruts ereignet (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 5, 8). Hieraus ergibt sich keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit im Gouvernement Süd-Libanon einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt wäre. In der Person des Klägers sind auch keine gefahrerhöhenden Gesichtspunkte vorhanden.
2. Kann der Schutzsuchende keinen subsidiären Schutz erlangen, sind weiter hilfsweise die nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 AufenthG und des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – BverwGE 136, 360).
2.1
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Konstellationen wie der Vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37). Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Fallgestaltung.
2.2
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht ebenfalls nicht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG derartige Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Demnach kann der Schutzsuchende auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lediglich individuelle nur ihm persönlich drohende Gefahren geltend machen (BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10/09 – NVwZ 2011, 48). Hingegen können allgemeine Gefahren außerhalb bewaffneter Konflikte, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Schutzsuchende angehört, nur bei Anordnungen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG berücksichtigt werden. Diese Gefahr kann auch dann nicht im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage darstellt (BVerwG, U.v. 8.12.1998 – 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Jedoch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für die kein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG vorliegt, ausnahmsweise Schutz vor der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Dies ist der Fall, wenn der Schutzsuchende gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde (st. Rspr. des BVerwG, z.B. U.v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115,1 m.w.N.).
Die allgemeine Gefahr im Libanon hat sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Wann allgemeine Gefahren sich zu einer extremen Gefahr verdichten und somit zu einem Abschiebungsverbot von Verfassungswegen führen, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Schutzsuchende mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der Rechtsprechung (SächsOVG, B.v. 2.2.2016 – 5 D 20/15.A – juris), der sich das Gericht anschließt, ist unter Zugrundelegung sämtlicher Auskünfte und Erkenntnismittel nicht davon auszugehen, dass ein arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer palästinensischer Volkszugehörigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in einem libanesischen Flüchtlingslager in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Libanon verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe.
Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes ist die Lage der im Libanon lebenden palästinensischen Flüchtlinge prekär. Für ihre Schulbildung und gesundheitliche Versorgung hänge die Lagerbevölkerung ausschließlich vom UNRWA-Hilfswerk bzw. Hilfsleistungen anderer Nichtregierungsorganisationen ab. Palästinensische Flüchtlinge mit UNRWA-Registrierung verfügten über einen sicheren Aufenthaltsstatus und würden grundsätzlich vom Gesundheitsdienst der UNRWA versorgt; Nachsorgeleistungen seien aber nur unzureichend abgedeckt. Bis zu 200.000 bis 250.000 palästinensische Flüchtlinge lebten unter teils schwierigen und sehr beengten Verhältnissen in den zwölf über das ganze Land verteilten palästinensischen Flüchtlingslagern; die Situation habe sich durch den enormen Zuzug von syrischen Flüchtlingen weiter verschlechtert. Die Flüchtlingslager seien der Kontrolle durch staatliche Gewalt weitgehend entzogen. Alle Lager seien massiv von Hilfsleistungen der chronisch unterfinanzierten UNRWA abhängig. Immer wieder komme es speziell in den Lagern Mie-Mie und Ain-el-Hilwe zu schweren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen extremistischen Gruppierungen. Die libanesischen Sicherheitskräfte griffen in diese Auseinandersetzungen nicht ein. Da der libanesische Staat kaum Sicherheits- und Vorsorgeleistungen erbringe, seien die Palästinenser auf ihre Familien und Gemeinschaften angewiesen (umfassend Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon v. 30.12.2015, S. 12 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Köln vom 16.10.2014; GIGA Institut für Nahost-Studien, Auskunft an das VG Köln vom 20.10.2014).
Zu berücksichtigen ist, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar, wie oben ausgeführt, nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich.
Im Sinne einer Gesamtgefahrenschau ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger bei einer Rückführung in den Libanon alsbald der sichere Tod drohte oder ernste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Kläger hat im Libanon trotz seiner palästinensischen Volkszugehörigkeit eine Schulbildung durchlaufen und an einer Privatuniversität ein Studium der Buchhaltung absolviert. Zudem verfügt er, wie in der mündlichen Verhandlung festzustellen war, über passable Deutschkenntnisse. Damit hebt er sich deutlich von anderen gleichaltrigen Palästinensern im Libanon ab. Zudem war er in der Vergangenheit in der Gastronomie sowie in dem Büro einer Tankstelle tätig. Demnach ist er flexibel einsetzbar. Der bei UNRWA registrierte Kläger ist jung und gesund. Zudem verfügt er im Libanon über Familienangehörige. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Kläger trotz der für palästinensische Flüchtlinge im Libanon bestehenden beruflichen Restriktionen befähigt ist, sich dort sein Existenzminimum zu sichern.
3. Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind gegeben. Die Bezeichnung des Abschiebezielstaats im Bescheid des Bundesamtes genügt den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (BayVGH, B.v. 10.1.2000 – 19 BZ 99.33208 – juris Rn. 4).
Somit konnte die Klage keinen Erfolg haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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