Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde gegen die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich

Aktenzeichen  1 C 19.287

Datum:
19.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2727
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 1, § 168 Abs. 1 Nr. 3, § 169 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Auch wenn in einem gerichtlichen Vergleich der streitgegenständliche Bescheid abgeändert wurde, richtet sich die Vollstreckung ausschließlich nach dem gerichtlichen Vollstreckungsregime; der Vergleich konsumiert grundsätzlich die streitigen Ausgangsverfügungen und/oder Bescheide. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Vergleichsinhalt muss in aller Regel aus sich heraus oder gegebenenfalls im Zusammenhang mit seiner Begründung bestimmbar sein, was zur Folge hat, dass der Vergleichsinhalt grundsätzlich in einer einheitlichen Urkunde festzulegen ist; dieser ist auch einer Auslegung zugänglich, maßgebend ist aber allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 V 15.3780 2019-01-07 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 17. Mai 2011.
Der Vergleich wurde in einem Klageverfahren (Az. M 1 K 11.1219) geschlossen, in dem sich der jetzige Antragsgegner als Kläger gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 23. Februar 2011 getroffene denkmalschutzrechtliche Anordnung zur Entfernung von Kunststofffenstern und zum Einbau von Holzfenstern sowie zur Entfernung einer Gaube im Anwesen FlNr. …, Gemarkung T…, gewandt hat. In dem Vergleich vom 17. Mai 2011 hat er sich zur Beseitigung der Gaube und zum Austausch der Kunststofffenster an der Nordseite (C…straße) bis zum 30. September 2012 verpflichtet sowie zur Vorlage von Werkplänen hinsichtlich der Gestaltung der Fenster an der C…straße. Die Antragstellerin sollte im Gegenzug den angefochtenen Bescheid ändern und die Kunststofffenster an der Süd- und Westseite dulden, so lange an diesen beiden Fassaden kein Fensteraustausch stattfindet. Dem Antragsgegner wurde in Aussicht gestellt, dass er nach Abstimmung mit der Antragstellerin und dem Landesamt für Denkmalpflege im Bereich der Gaube zwei Dachliegefenster einbauen dürfe. Nach wiederholten Erinnerungen durch die Antragstellerin wurden die Werkpläne am 5. Februar 2013 vorgelegt und überarbeitet und der Austausch der Fenster nach Vorlage geänderter Unterlagen mit Bescheid vom 16. Juli 2014 genehmigt mit dem Hinweis auf Einleitung der gerichtlichen Vollstreckung für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Maßnahmen. Am 31. August 2015 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht M… die Vollstreckung des gerichtlichen Vergleichs beantragt, da der Antragsgegner trotz gewährter Fristverlängerung den sich daraus ergebenen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 7. Januar 2019 dem Antrag stattgegeben. Es hat dem Antragsgegner eine weitere Frist zur Erfüllung seiner Verpflichtungen bis zum 31. August 2019 gesetzt und für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtungen ein Zwangsgeld je nicht eingehaltener Verpflichtung in Höhe von 2.000,00 Euro angedroht. Der Antragsgegner ist seinen Verpflichtungen aus dem Vergleich bis heute nicht nachgekommen.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Vollstreckung aus dem Vergleich vom 17. Mai 2011 zu Recht stattgegeben.
1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind. Die Vollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs zugunsten der öffentlichen Hand richtet sich gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 3, § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz – VwVG – des Bundes. Der Antragsgegner ist den sich aus dem wirksamen gerichtlichen Vergleich vom 17. Mai 2011 ergebenen Verpflichtungen nicht nachgekommen, weil er weder den ihm mit Bescheid vom 16. Juli 2014 genehmigten Austausch der Fenster vorgenommen hat noch die Beseitigung der Gaube. Der Antragsgegner hat sich in dem Vergleich zur Vornahme einer vertretbaren Handlung verpflichtet, womit die Vollstreckung dieses Vergleichs den Regelungen der §§ 6 ff. VwVG unterliegen.
Das Vorbringen des Antragsgegners, die Antragstellerin habe mit dem Erlass des Ergänzungsbescheids vom 25. August 2011, den sie in Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs als Verwaltungsakt erlassen und der selbst Titelfunktion habe, Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Bescheids einleiten und erforderlichenfalls Zwangsmittel anordnen können, greift nicht durch. Denn auch wenn in einem gerichtlichen Vergleich der streitgegenständliche Bescheid – wie hier – abgeändert wurde, richtet sich die Vollstreckung ausschließlich nach dem gerichtlichen Vollstreckungsregime (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 168 Rn. 14). Soweit er ausführt, dass die Antragstellerin nicht mehr die Vollstreckung des Vergleichs beim Verwaltungsgericht habe beantragen können, verkennt er, dass ein gerichtlicher Vergleich grundsätzlich die streitigen Ausgangsverfügungen und/oder Bescheide konsumiert. Der Gesetzgeber hat in § 169 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsbehörde als am Vergleich beteiligte Prozesspartei die Vollstreckung aus dem Vergleich als Selbst- oder Eigenvollstreckung versagt und die Vollstreckung dem Vorsitzenden/der Vorsitzenden des ersten Rechtszugs gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO zugewiesen. Zu dem Schutzzweck der Norm gehört auch, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich überprüft und die Vollstreckung eigenverantwortlich leitet. Ein Ausnahmefall dergestalt, dass in dem gerichtlichen Vergleich lediglich die Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheids vereinbart wurde, liegt nicht vor (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2001 – 23 C 01.155 – BayVBl 2001, 474; Kraft in Eyermann a.a.O. Rn. 14).
2. Auch die Ausführungen des Antragsgegners, dass hinsichtlich der geforderten Beseitigung der Gaube ein vollstreckungsfähiger Inhalt nicht vorliege, verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Erfordernis der Bestimmtheit des Titels soll umfassend der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen bzw. bei Prozessvergleichen der Regelungswirkung dienen. Dazu muss bei einem Urteil nicht nur sichergestellt werden, dass der Urteilsausspruch bei Erlass des Urteils inhaltlich bestimmt ist. Es muss auch gewährleistet sein, dass der Urteilsinhalt äußerlich in einer Art und Weise festgelegt wird, dass er auch danach bestimmbar bleibt, da andernfalls nach Rechtskraft der Entscheidung und insbesondere bei der Zwangsvollstreckung Unsicherheiten entstehen können. Aus diesem Grund muss der Urteilsausspruch in aller Regel aus sich heraus oder gegebenenfalls im Zusammenhang mit seiner Begründung bestimmbar sein, was zur Folge hat, dass der Urteilsinhalt grundsätzlich in einer einheitlichen Urkunde festzulegen ist (vgl. BGH, U.v. 14.10.1999 – I ZR 117/97 – BGHZ 142, 388). Diese Erwägungen gelten auch für den Prozessvergleich. Der Vergleichstext ist auch einer Auslegung zugänglich, maßgebend ist aber allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (vgl. BayVGH, B.v. 6.5.2019 – 9 C 18.2676 – juris Rn. 9; OVG LSA, B.v. 12.7.2011 – 3 O 475/10 – juris Rn. 6 f.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist der gerichtliche Vergleich hinreichend bestimmt. Zwar fehlt in Nr. I Satz 1 des Vergleichs nach dem Wort „Kastengaube“ das Wort „entfernt“. Das Verwaltungsgericht ist bei der Auslegung des Vergleichs aber zutreffend davon ausgegangen, dass dieser keine von der denkmalschutzrechtlichen Anordnung abweichende Regelung hinsichtlich der Beseitigung der Gaube trifft. Da der Vergleichstext unmittelbar auf den Bescheid vom 23. Februar 2011 Bezug nimmt, ist zur Auslegung des Vergleichs auch ein Rückgriff auf diesen Bescheid zulässig. Dieses Ergebnis entspricht auch dem in dem Vergleich unter Nr. I Satz 2 aufgeführten In-Aussichtstellen des Einbaus von zwei Dachliegefenstern im Bereich der Gaube, der ohne die vorherige Beseitigung der Gaube keinen Sinn macht.
3. Auch die weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Hierzu trägt das Beschwerdevorbringen auch nichts vor. Eine Änderung der Frist zur Erfüllung der Verpflichtungen ist nicht erforderlich. Der Beschwerde des Antragsgegners kommt keine aufschiebende Wirkung zu, da sie nicht die Festsetzung eines Zwangsgelds zum Gegenstand hat.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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