Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde hinsichtlich der Stellenbesetzung einer Professur

Aktenzeichen  7 CE 16.1838

Datum:
10.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG BayVwVfG Art. 20 Abs. 4 S. 2, Art. 21 Abs. 2
BayHSchPG BayHSchPG Art. 18 Abs. 4
SGB IX SGB IX § 82 S. 2
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

Eine Verletzung einschlägiger Verfahrensvorschriften und damit des Bewerberverfahrensanspruchs gibt nur dann einen Anspruch auf die erneute Durchführung eines Auswahlverfahrens, wenn die Auswahl des Bewerbers bzw. der Bewerberin tatsächlich möglich erscheint und seine bzw. ihre Chancen, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, damit zumindest offen sind (vgl. VGH München BeckRS 2010, 52502). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 E 16.307 2016-08-16 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.Die Antragstellerin begehrt, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, eine ausgeschriebene W2-Professur für Komparatistik (Vergleichende Literaturwissenschaft) mit dem Schwerpunkt Nordeuropäische Literaturen/Skandinavistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) mit einer Mitbewerberin zu besetzen.
Bereits in der ersten Sitzung der zuständigen Berufungskommission hatten deren Mitglieder die Antragstellerin aufgrund ihrer fehlenden komparatistischen Ausrichtung und mangelnden habilitationsäquivalenten Leistung einstimmig einer Gruppe von Kandidaten unter den insgesamt 21 Bewerberinnen und Bewerbern zugeordnet, die in Bezug auf das ausgeschriebene Stellenprofil zweifelsfrei abzulehnen seien (sog. C-Kandidaten). Gleichwohl erhielt die Antragstellerin im Hinblick auf ihre Schwerbehinderung als eine von acht Bewerberinnen und Bewerbern eine Einladung zu einem Probevortrag, der allerdings nach Ansicht der Berufungskommission in einigen Punkten nicht dem Stand der aktuellen Forschung entsprach. Die Kommission beschloss daraufhin wiederum einstimmig, die Bewerbung der Antragstellerin nicht weiter zu berücksichtigen und setzte schließlich die Beigeladene vor zwei Mitbewerberinnen an die Spitze ihrer Berufungsvorschlagsliste. Nach Annahme des Listenvorschlags durch die Universitätsleitung ist an die Beigeladene ein Ruf ergangen; der Antragstellerin wurde erst auf anwaltliche Nachfrage mitgeteilt, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt wurde.
Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Ihren gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Antragstellerin habe zwar einen Anordnungsgrund, nicht jedoch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht geltend, die Auswahlentscheidung leide bereits an formellen Fehlern: Obwohl sich Prof. H. als Mitglied der Berufungskommission aufgrund ihrer wissenschaftlichen Nähe zu mehreren Bewerbern für befangen erklärt habe, sei sie nicht in der rechtlich gebotenen Weise aus der Berufungskommission ausgeschlossen worden und habe unerlaubten Einfluss auf die Auswahlentscheidung genommen. Das an ihrer Stelle berufene Ersatzmitglied sei nicht in der rechtlich vorgesehenen Weise bestellt worden. Im Übrigen sei die getroffene Auswahlentscheidung auch materiell fehlerhaft.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. August 2016 abzuändern und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die in der ZEIT vom 5. Mai 2015 ausgeschriebene Professur für Komparatistik (Vergleichende Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Nordeuropäische Literaturen/Skandinavistik) mit einem Mitbewerber zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin und ihren Widerspruch vom 25. Februar 2016 gegen ihre Nichtberücksichtigung rechtskräftig entschieden wurde.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Akten der FAU Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde, bei der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe geprüft werden, bleibt ohne Erfolg. Nach der im Eilverfahren allein möglichen, summarischen Prüfung wird der Widerspruch der Antragstellerin gegen die getroffene Auswahlentscheidung voraussichtlich erfolglos bleiben.
Verfahrensfehler, die einen Anspruch der Antragstellerin auf erneute Durchführung des Auswahlverfahrens begründen könnten, liegen nicht vor.
Zwar ist – wie die Antragstellerin zu Recht geltend macht – Prof. H., die sich aufgrund ihrer wissenschaftlichen Nähe u. a. als Doktormutter dreier der insgesamt 21 Bewerberinnen und Bewerber in Bezug auf diese selbst für befangen erklärt hat, nicht in der gemäß Art. 21 Abs. 2, 20 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG vorgesehenen Weise, d. h. ausdrücklich durch eine Entscheidung der Berufungskommission, von ihrer Mitgliedschaft in dieser Kommission entbunden worden. Ebensowenig geht aus den Akten hervor, dass das an ihrer Stelle berufene Ersatzmitglied Prof. S. durch den gemäß Art. 18 Abs. 4 Satz 1 des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes (BayHSchPG) zuständigen Fakultätsrat im Einvernehmen mit der Hochschulleitung bestellt worden wäre.
Allerdings gibt eine Verletzung einschlägiger Verfahrensvorschriften und damit des Bewerberverfahrensanspruchs nur dann einen Anspruch auf die erneute Durchführung eines Auswahlverfahrens, wenn die Auswahl des Bewerbers bzw. der Bewerberin tatsächlich möglich erscheint und seine bzw. ihre Chancen, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, damit zumindest offen sind (st. Rspr. vgl. z. B. BayVGH, B. v. 11.8.2010 – 7 CE 10.1160 – juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im Fall der Antragstellerin nicht erfüllt: Denn ihre Einladung zum Probevortrag (mit dem sie allerdings nicht uneingeschränkt überzeugen konnte) erfolgte, wie die Berufungskommission bereits in ihrer ersten Sitzung am 4. Mai 2015 festgestellt hat, ausschließlich im Hinblick auf ihre Schwerbehinderung und die Regelung in § 82 Satz 2 SGB IX bei zweifelsfreier Ablehnung (C) in Bezug auf das ausgeschriebene Stellenprofil. Die Antragstellerin entspreche aufgrund ihrer fehlenden komparatistischen Ausrichtung und der fehlenden habilitationsäquivalenten Leistung nicht dem Stellenprofil.
Damit erfüllt die Antragstellerin nach Einschätzung der Berufungskommission nicht das konstitutive Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle, was bereits für sich genommen ihre Nichtberücksichtigung und den Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren unabhängig von ihren sonstigen Beurteilungen rechtfertigt (vgl. BayVGH, B. v. 17.2.2014 – 7 CE 13.2524 – m. w. N.), so dass es auf ihre sonstige fachliche Qualifikation und deren Einschätzung durch Prof. S., Prof. H. oder auch die Antragstellerin selbst entscheidungserheblich nicht ankommt.
Die Einschätzung der Berufungskommission kam – entgegen der Darstellung der Antragstellerin – ohne Mitwirkung der nach eigener Ansicht befangenen Prof. H. zustande. Diese hat weder an der Sitzung der Kommission am 4. Mai 2015 noch an der Beschlussfassung teilgenommen. Sie hat zwar bereits im Vorfeld eine kurze Stellungnahme zu allen Bewerbern und Bewerberinnen mit Ausnahme der von ihr zuvor wissenschaftlich betreuten abgegeben, diese blieb jedoch ersichtlich inhaltlich ohne Einfluss auf das Beschlussergebnis. Prof. H. hat in Bezug auf die – bereits an der FAU tätige – Antragstellerin darauf hingewiesen, eine Berufung ihrer Person auf die ausgeschriebene Professur würde eine – in der Regel unzulässige – Hausberufung darstellen. Im Übrigen halte sie die fachliche Qualifikation der Antragstellerin für eine Professur nicht für ausreichend, was sich auch in ihren erfolglosen Bemühungen um Drittmittel ablesen lasse. Diese Ausführungen hat sich die Berufungskommission ausweislich des Protokolls der Sitzung vom 4. Mai 2015 bei ihrer Beschlussfassung jedoch nicht zu eigen gemacht, sondern allein auf die fehlende komparatistische Ausrichtung und habilitationsäquivalente Leistung der Antragstellerin abgestellt.
Der weitere Vortrag der Antragstellerin, die Beigeladene erfülle aufgrund mangelnder Kenntnis des Altnordischen das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle nicht, verhilft ihrer Beschwerde auch nicht zum Erfolg. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Stellenausschreibung ist die Beherrschung des Altnordischen nicht gefordert. Die Ansicht der Antragstellerin, ein derartiges Erfordernis sei in der Stellenausschreibung „inkludiert“, teilt der Antragsgegner und Dienstherr, dem in Bezug auf die Ausgestaltung einer neu ausgeschriebenen Stelle ein weites Organisationsermessen zukommt, nicht.
Soweit die Antragstellerin schließlich geltend macht, das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle sei in unzulässiger Weise nachträglich geändert worden, wiederholt sie lediglich ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Das Verwaltungsgericht hat sich damit bereits ausführlich auf S. 17 f. des angefochtenen Beschlusses vom 16. August 2016 befasst, auf diese Ausführungen wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO billigerweise selbst, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

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