Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines Staatsangehörigen aus der Elfenbeinküste auf Zuerkennung subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  W 2 K 18.30896

Datum:
27.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34563
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Nach der aktuellen Auskunftslage können sich die Staatsbürger gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als gesunder junger Mann ist der Kläger in der Lage, in seinem Heimatland auch ohne familiäre Unterstützung ein Erwerbseinkommen zu erzielen und sich das nötige Existenzminimum zu sichern. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
1. Der Bundesamtsbescheid vom 19. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der Begründung im Bescheid vom 19. April 2018 und verweist auf die dortigen Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
1.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Weder die Vollstreckung, die Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht.
Eine eventuell drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung kann ebenfalls nicht angenommen werden.
Soweit der Kläger vorträgt, er könne bei einer Rückkehr in die Elfenbeinküste nicht leben, weil ihn seine Familie verstoßen habe, kann dies nicht einen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen.
Ein drohender ernsthafter Schaden macht der Kläger durch die angeblich konkreten Bedrohungen der ehemals rivalisierende Jungendbande geltend. Damit kann er nicht gehört werden.
Bezüglich des zeitlichen Ablaufs und seines eventuellen zwischenzeitlichen Aufenthalts bei seiner Mutter liegen unterschiedliche Angaben des Klägers vor, so dass an deren Wahrheitsgehalt gezweifelt werden muss. Aber selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger auch in der Stadt Aboisso aus Angst vor den Nachstellungen dieser ehemals rivalisierenden Bande nicht habe leben können. Nach seinen eigenen Angaben konnte sich der Kläger in Aboisso durch Arbeit eine Existenzgrundlage schaffen. Die Auseinandersetzungen zwischen den Banden fanden bis zum Jahr 2011 statt und lagen somit zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Elfenbeinküste sechs Jahre zurück. In dieser Zeit hat sich der Kläger vom Jungen zum Mann entwickelt und auch äußerlich so verändert, dass er von Bekannten aus seiner Jungendzeit nur schwer erkennbar wäre. Er hatte keine herausragende Position in seiner Jungendbande. Auch hat er keinen Grund vorgetragen, warum seine ehemaligen Konkurrenten nach so langer Zeit noch ein Interesse an seiner Verfolgung haben könnten. Immerhin hat er freiwillig die Stadt der Konkurrenzkämpfe verlassen und sich eine Existenzgrundlage in einer fremden Stadt gesucht. Seine Konkurrenten hatten damit ihr Ziel – Vertreibung der Konkurrenz – schon erreicht.
Außerdem könnte er in seinem Heimatland auf die ivorischen Sicherheitsbehörden verwiesen werden. Denn ein Ausländer ist nicht subsidiär schutzberechtigt, wenn er im Heimatland wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz vor der Bedrohung finden kann, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3d AsylG. Bezüglich der Schutzwilligkeit und der Schutzbereitschaft des ivorischen Staates wird auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid verwiesen.
Darüber hinaus scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes auch wegen des Vorrangs der internen Fluchtalternative aus. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach der aktuellen Auskunftslage können sich die Staatsbürger gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen. Sie haben dort, zumindest als junger gesunder Mann, grundsätzlich die Möglichkeit, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Beim Kläger sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die dem widersprechen würden. Abwegig ist die Vorstellung, dass seine ehemaligen Konkurrenten den Kläger in jedem Landesteil der Elfenbeinküste finden könnten. Dazu fehlen ihnen die technischen und finanziellen Möglichkeiten. Außerdem besteht für diese nach so langer Zeit auch kein Anlass, einem ehemaligen Mitglied einer konkurrierenden Bande noch nachzustellen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
1.3 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07). Solche Umstände sind beim Kläger nicht ersichtlich.
Der Kläger ist ein gesunder junger Mann, der in der Lage ist, in seinem Heimatland auch ohne familiäre Unterstützung ein Erwerbseinkommen zu erzielen und sich das nötige Existenzminimum zu sichern. Gesundheitsbedingte Einschränkungen im für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.4 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.5 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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