Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen Ablehnung des zweiten Folgeantrages als unzulässig (Äthiopien)

Aktenzeichen  B 7 K 21.30337

Datum:
16.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23918
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwVfG § 51

 

Leitsatz

1. Gegenwärtig besteht in Äthiopien kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt.  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit sich der Kläger auf die Corona-Pandemie, die Heuschreckenplage und eine Hungersnot beruft, ist dieser Vortrag schon von Vorneherein nicht geeignet, zur Zuerkennung des internationalen Schutzes zu verhelfen. Insoweit handelt es sich (nur) um eine allgemeine und insbesondere um keine – zielgerichtet – von einem relevanten Akteur ausgehende Gefahr.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.    
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 16.06.2021 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II. Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zwar zulässig, wenn man Gunsten des Klägers unterstellt, dass die isolierte Anfechtungsklage (Ziffer I. der Klageanträge vom 23.04.2021) gegen die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG mit einem lediglich hilfsweisen Verpflichtungsbegehren (Ziffer II. der Klageanträge vom 23.04.2021) auf Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes verbunden wurde (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris; BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – juris; vgl. auch BayVGH, U.v. 23.03.2017 – 13a B 17.50003 – juris; VG Ansbach, U.v. 25.5.2020 – AN 17 K 18.50729 – juris; BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angegriffene Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheides) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zudem besteht kein (hilfsweiser) Anspruch auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrags nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist zudem nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
Gemessen hieran hat die Beklagte den Asylfolgeantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt, da Wiederaufgreifensgründe nicht ersichtlich sind. Insoweit nimmt das Gericht zunächst vollumfänglich Bezug auf den angefochtenen Bescheid und macht die dortigen Ausführungen zum Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) vermag das Gericht keinen Wiederaufnahmegrund des § 51 Abs. 1 VwVfG zugunsten des Klägers zu erkennen.
In Anbetracht der ausführlichen und vollumfänglich zutreffenden Begründung der Beklagten im angefochtenen Bescheid und der fehlenden Klagebegründung bzw. der lediglich pauschalen und unsubstantiierten Ausführungen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung, ist lediglich noch ergänzend bzw. vertiefend Folgendes auszuführen:
Soweit der Kläger Rahmen des Folgeverfahrens erneut vorträgt, er könne wegen seiner oromischen Volkszugehörigkeit und der exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland nicht zurück nach Äthiopien, ist dies für das hiesige Folgeverfahren schon deswegen belanglos, weil es sich nicht um eine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG handelt. Diese Aspekte waren schon Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Asylerstverfahren. Im Übrigen führt dieser Vortrag jedenfalls deswegen nicht zum Wiederaufgreifen des Verfahrens, da er auch gegenwärtig nicht geeignet ist, dem Kläger zur Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung als im Erstverfahren bezüglich § 3 AsylG zu verhelfen. Auch zum jetzigen Zeitpunkt bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Volkszugehörige der Oromo einer Gruppenverfolgung unterliegen (BayVGH, B.v. 8.3.2020 – 23 ZB 20.32340). Dass ihm nunmehr insoweit – in Abweichung zur damaligen Feststellung des Gerichts – gegenwärtig eine konkret-individuelle Verfolgung i.S.d. § 3a AsylG droht, die an einen Verfolgungsgrund des § 3b AsylG anknüpft, ist ebenfalls nicht einmal ansatzweise glaubhaft gemacht. Das Folgeantragsvorbringen beschränkt sich fast ausschließlich auf ein allgemeines und pauschales Vorbringen zu politischen und ethnischen Vorfällen in Äthiopien, ohne dass auch nur annähernd dargelegt wird bzw. ersichtlich ist, wie der Kläger durch die Unruhen und Auseinandersetzungen konkret-individuell betroffen sein sollte. Die vorgelegten Bilder von “Opfern” stammen aus den sozialen Medien. Der Kläger hat keinen Bezug zu den dort abgelichteten Personen und war nicht einmal in der Lage darzulegen, was die konkreten Hintergründe/Zusammenhänge dieser Fotos sind. Soweit in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, sein Bruder sei im Zusammenhang mit der Ermordung des bekannten Sängers festgenommen worden, bleibt völlig offen, wie sich dieser konkret an den Demonstrationen/Aufständen beteiligt hat bzw. was konkret vorgefallen ist und warum dies auch eine Verfolgung des hiesigen Klägers, der seit über sechs Jahren in Deutschland lebt, nach sich ziehen soll. Nach der Auskunftslage und der aktuellen Rechtsprechung handelt es sich bei den vom Kläger allgemein angeführten gegenwärtigen Vorkommnissen in erster Linie um ethische Konflikte zwischen den Oromo und anderen Volksgruppen oder um Auseinandersetzungen zwischen militanten Oromo und Sicherheitskräften, auf die der äthiopische Staat im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr bzw. der Strafverfolgung reagiert, jedoch nicht um gezielte Verfolgung oppositioneller Oromo (BayVGH, B.v. 1.4.2021 – 23 ZB 20.32507 – juris).
Entsprechendes gilt für Personen, die sich in Deutschland exilpolitisch engagiert haben. Auch die von einer Bundesanwältin geforderte landesweite gerichtliche Untersuchung für im Exil lebende Flüchtlinge mit politischen Aktivitäten der Oromo-Bewegung ist nicht geeignet, dem Kläger zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu verhelfen. Insoweit ist nicht einmal ansatzweise substantiiert und glaubhaft vorgetragen, warum hierdurch nunmehr eine Verfolgungsgefahr für den Kläger bestehen sollte (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2020 – 23 ZB 20.31450; BayVGH, B.v. 8.3.2021 – 23 ZB 20.32340; vgl. auch BayVGH, B.v. 1.4.2021 – 23 ZB 20.32507 – juris). Dies gilt vorliegend umso mehr, da bereits im Asylerstverfahren festgestellt wurde, dass die dort vorgetragene Fluchtgeschichte des Klägers, insbesondere die Ausführungen zum politischen Engagement des Klägers in Äthiopien dürftig bzw. sogar unglaubwürdig ist und auch keine besondere Qualität der exilpolitischen Betätigung ersichtlich ist. Darüber hinaus bestehen keinerlei Hinweise dafür, dass Rückkehrer mit exilpolitischer Betätigung im Ausland in Äthiopien inzwischen unterschiedslos mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätten. Daran ändert auch die angebliche erneute exilpolitische Betätigung nichts. Insoweit trug der Kläger nur vor, er habe in Deutschland an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen. Seine letzte Demonstration sei – soweit er sich erinnere – am 05.06.2021 in Frankfurt gewesen. Weitere Einzelheiten blieben völlig offen. Es wurde auch keine Teilnahmebestätigung vorgelegt. Im Übrigen ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass die erneute bzw. erneuten Demonstrationsteilnahme(n) nunmehr dazu führen wurde(n), dass der Kläger bei einer gegenwärtigen Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG ausgesetzt wäre.
Der Vortrag im Folgeverfahren ist auch schon im Ansatz nicht geeignet, dem Kläger zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG zu verhelfen. Auch insoweit ist es nicht gelungen, eine Veränderung der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten glaubhaft darzulegen. Die Folgeantragsbegründung führt lediglich pauschale – und mehr oder weniger aktuelle – Ereignisse und verschiedene punktuelle Auseinandersetzungen in Äthiopien auf, die auch in Zusammenhang mit den allgemeinen Angaben über Menschenrechtsverletzungen verschiedener Art nicht geeignet sind, einen Anspruch auf subsidiären Schutz beim Kläger auszulösen. Zwar mag es durchaus zutreffen, dass sich die bewaffneten Konflikte und Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien in den letzten Monaten teilweise verschärft haben. Weder der aktuellen Auskunftslage (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 20.31450; BayVGH, B.v. 21.12.2020 – 23 ZB 20.32090), noch dem Vortrag der Klägerseite ist jedoch nachvollziehbar zu entnehmen, dass hierdurch dem hiesigen Kläger nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine “konkret-individuelle” Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Insoweit wird auch auf die vorstehenden Ausführungen zum Flüchtlingsschutz verwiesen.
Im Übrigen besteht gegenwärtig in Äthiopien auch kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solch innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken. Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris). Trotz der vermehrt aufkommenden Unruhen, insbesondere nach dem Tod des Sängers Hachalu Hundessa, ist es angesichts der Größe Äthiopiens nicht einmal ansatzweise erkennbar, dass es sich um landesweite oder doch zumindest weite Teile des Heimatlandes des Klägers betreffende anhaltende Unruhen handelt, die zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit Unbeteiligter führen könnte (VG Bayreuth, U.v. 23.9.2020 – 7 K 20.30867; BayVGH, B.v. 21.12.2020 – 23 ZB 20.32090). Auch die Unruhen bzw. kriegerischen Auseinandersetzungen in der Region Tigray dürften nach aktueller Auskunftslage nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG erfüllen (vgl. https://www.sueddeutsche.de/politik/tigray-drucken-eritrea-1.5248333; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2021 – B 7 K 20.31081; U.v. 26.4.2021 – B 7 K 21.30264). Im Übrigen braucht es insoweit im vorliegenden Verfahren keiner vertieften Auseinandersetzung, da der Kläger nicht aus der Region Tigray stammt und daher davon auszugehen ist, dass eine Rückkehr in die Oromo-Region erfolgt, in der ersichtlich kein Konflikt mit der Intensität im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG herrscht (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2020 – B 7 K 20.30867).
Soweit sich der Kläger auf die Corona-Pandemie, die Heuschreckenplage und eine Hungersnot berufen, ist dieser Vortrag schon von Vorneherein nicht geeignet, zur Zuerkennung des internationalen Schutzes zu verhelfen. Insoweit handelt es sich (nur) um eine allgemeine und insbesondere um keine – zielgerichtet – von einem Akteur im Sinne des § 3c AsylG bzw. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG ausgehende Gefahr (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2021 – 23 ZB 20.32340; BayVGH, B.v. 1.4.2021 – 23 ZB 20.32507 – juris).
Daneben ist auch der Vortag in der mündlichen Verhandlung, die Kinder bekämen in Äthiopien keinerlei Unterstützung, man könne dort wegen der Kinderbetreuung nicht arbeiten sowie die Familie werde auf der Straße landen und verhungern, für die Frage des internationalen Schutzes schlichtweg irrelevant.
2. Wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass das Begehren auf hilfsweiser Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, in prozessual zulässigerweise zum Klagegegenstand gemacht wurde (s.o.), hat der Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG erfasst seit dem Inkrafttreten des Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) am 6. August 2016 auch unzulässige Asylanträge und somit auch die Konstellation, wenn nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist u.a. in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Dies bedeutet, dass in Asylverfahren, die einen Asylfolgeantrag zum Gegenstand haben, jedenfalls nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Regelung die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots vorliegen, entgegen der bis zum 5. August 2016 geltenden Rechtslage unabhängig davon zu treffen ist, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (vgl. SächsOVG, U.v. 21.6.2017 – 5 A 109/15.A – juris; VG Oldenburg, B.v. 16.3.2017 – 3 B 1322/17 – juris; VG Würzburg, U.v. 15.2.2017 – W 6 K 16.31039 – juris; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482 – juris; a.A.: VG Berlin, GB.v. 31.8.2020 – 34 K 233.19 A – juris; VG Regensburg, U.v. 20.4.2021 – RN 15 K 19.30633 – juris). Das Bundesamt – oder ggf. im weiteren Verfahren das Gericht – hat daher im Falle eines nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Folgeverfahrens eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ohne die Einschränkungen des § 51 VwVfG durchzuführen.
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, hat das Bundesamt zunächst unzutreffend auf das Erfordernis der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in Bezug auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten abgestellt. Im Folgenden hat die Beklagte dann aber dennoch eine unbeschränkte inzidente materielle Prüfung angestellt, und zwar nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG,114/2017, Anm. 1 – juris). In der Begründung zu Nr. 2 des Bescheides hat das Bundesamt selbst ausgeführt, dass eine Abänderung der bisherigen Entscheidung auch unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht gerechtfertigt sei.
Letztlich entscheidend ist, dass – in der hier maßgeblichen Verpflichtungssituation – auch für das Gericht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes erkennbar ist.
a) Ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor.
(aa) Soweit der Kläger auf die schlechten Lebensbedingungen im Herkunftsland, insbesondere infolge der “Corona-Pandemie” und der “Heuschreckenplage”, verweist, führt dieser Vortag nicht zur Verpflichtung der Beklagten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Fehlt eine politische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, kann ein Ausländer im Hinblick auf die (allgemeinen) Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, ausnahmsweise Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten “gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde” (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – juris; BayVGH, U.v. 12.12.2019 – 8 B 19.31004 – juris; VG Würzburg, GB v. 11.5.2020 – 8 K 20.50114 – juris).
Die allgemein unsichere oder wirtschaftlich schlechte Lage im Zielstaat infolge von Hungersnöten, Naturkatastrophen oder Epidemien – und damit auch infolge der Verbreitung des Corona-Virus bzw. der massiven Ausbreitung der Heuschrecken in Äthiopien – begründet nur Gefahren allgemeiner Art nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG, weil ihr die gesamte Bevölkerung oder eine ganze Bevölkerungsgruppe des betroffenen Landes (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß) ausgesetzt ist (vgl. Kluth/Heusch in: BeckOK AuslR,§ 60 AufenthG, Rn. 38 ff., 45; VG Würzburg, U.v. 3.7.2020 – W 3 K 19.31666 – juris unter Verweis auf BayVGH, B.v. 19.05.2020 – 23 ZB 20.31096; VG Würzburg, B.v. 3.12.2020 – W 3 S 20.31209 – juris).
Es ist für das Gericht auch nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien einer Extremgefahr im vorstehenden Sinne, die die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung einschränken könnte, ausgesetzt wäre. Weder aus den Darlegungen, noch aufgrund anderweitiger Erkenntnisse kann geschlossen werden, dass der Kläger – ohne derzeit aktive Erkrankungen – aufgrund der Verbreitung des Corona-Virus (auch) in Äthiopien bei einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Bei Zugrundelegung der gegenwärtigen Erkenntnisse über die Verbreitung des Corona-Virus in Äthiopien und des damit bestehenden Ansteckungsrisikos besteht schon keine beachtliche Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, der der Kläger angehört, geschweige denn eine Extremgefahr im vorstehenden Sinn. Denn das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, ist in Anbetracht der derzeitigen Infektionszahlen (vgl. Johns-Hopkins-Universität, Stand 22.06.2021) im Verhältnis zur Gesamtbevölkerungszahl Äthiopiens eher gering – auch wenn man von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. Äthiopien gehört bei Weitem nicht zu den weltweit am meisten von Covid-19 betroffenen Ländern (BayVGH, B.v. 21.12.2020 – 23 ZB 20.32090 – m.w.N.). Noch erheblich unwahrscheinlicher ist es, dass – im Falle einer Infektion – der Kläger zu dem niedrigen Prozentsatz gehört, bei dem die Krankheit sehr schwer oder gar tödlich verläuft. Er gehört angesichts seines Alters auch nicht zur Risikogruppe. In Übrigen ist es dem Kläger (und auch seiner Ehefrau) möglich und zumutbar, sich noch in Deutschland entsprechend impfen zu lassen, so dass ein schwerer Verlauf einer eventuellen Covid-19-Erkrankung und eine Ansteckung der Kinder durch die Eltern weitestgehend minimiert wird.
Daneben gibt es auch nach der aktuellen Auskunftslage keine belastbaren Hinweise darauf, dass die Versorgungslage in Äthiopien – auch unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen und Verschärfungen durch die Corona-Pandemie und die Heuschreckenplage – gegenwärtig derart desolat wäre, dass dem Kläger dort der Hungertod oder schwerste Gesundheitsschäden in Folge von Mangelernährung droht (vgl. hierzu auch DW, Wie Ostafrika eine Heuschreckenplage bekämpft – inmitten einer Pandemie; Aus Politik und Zeitgeschichte: Am Ende kann nur Gott uns helfen. Das Coronavirus in Äthiopien; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.12.2020 – 23 ZB 20.32090; BayVGH, B.v. 17.8.2020 – 23 ZB 20.31574; VG Würzburg, B.v. 3.12.2020 – W 3 S 20.31209 – juris; VG Würzburg, U.v. 27.10.2020 – W 4 K 20.30318 – juris). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass das Aufeinandertreffen von Heuschreckenschwärmen und der Covid-19-Pandemie zu einer dynamischen Lageentwicklung in Äthiopien beiträgt, die aufmerksam beobachtet werden muss. Die potentiell möglichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen werden teilweise durchaus kritisch eingeschätzt (vgl. z.B. Manek/Meckelburg, in “Aus Politik und Zeitgeschichte” vom 24.04.2020; https://qz.com/africa/1857046/locust-swarms-still-coming-to-east-africa-yemen-but-gains-made/). Jedoch ergibt sich – auch aus aktuellen Quellen – nicht, dass sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die wirtschaftliche Lage tatsächlich bereits gravierend verschlechtert hätte. Aus der Quellenlage lässt sich lediglich ersehen, dass eine Verschlechterung in Folge der Heuschrecken und der Covid-19-Pandemie potentiell eintreten könnte – freilich ohne dass sich daraus bereits eine rechtliche Einordnung der befürchteten künftigen Lage vornehmen ließe. Zudem geht die aktuelle Auskunftslage davon aus, dass die “neue Welle” der Heuschrecken im Jahr 2021 bei weitem nicht so verheerend ausfällt, wie im Jahr 2020 (vgl. Islamische Zeitung, Ausgabe 309 vom 05.03.2021; https://islamische-zeitung.de/neue-welle-einer-heuschreckenplage-in-ostafrika/). Der äthiopische Staat ist zudem weder hinsichtlich der Heuschrecken noch der Covid-19-Pandemie untätig (vgl. https://www.africanews.com (Rubrik: ethiopia-coronavirus-covid19-hub-updates/); https://reliefweb.int/report/ethiopia/ethiopia-covid-19-humanitarian-impact-situation-update-no-12-2-september-2020). Wie sich beide Faktoren in den Folgemonaten entwickeln werden, ob und wie die von der äthiopischen Regierung getroffenen Maßnahmen weiterhin fruchten und was internationale Hilfsprogramme bewirken werden, lässt sich nicht absehen und ist angesichts des allein maßgeblichen Zeitpunkts der gerichtlichen Entscheidung auch letztlich nicht ausschlaggebend. Auch aus den weiteren Quellen ergibt sich eine solche Zuspitzung der Situation in Äthiopien im aktuellen Zeitpunkt nicht. Dabei ist nicht zuletzt zu würdigen, dass bereits über 117 Mio. Dollar an Hilfsgeldern allein von deutscher Seite geleistet wurden. Auch die EU hat im April 2021 erneut eine beträchtliche Summe an Hilfsgeldern für Äthiopien angekündigt (vgl. PM der Europäischen Kommission vom 23.4.2021, https://ec.europa.eu/ commission/presscorner/detail/de/IP_21_1861).
Im Rahmen der vorliegend zu treffenden Prognoseentscheidung ist daher davon auszugehen, dass auch der hiesige Kläger zusammen mit seiner Kernfamilie – trotz der gegenwärtigen Situation – sein absolutes Existenzminimum in Äthiopien sichern kann. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat zudem die Schule in Äthiopien besucht und dort bereits auf dem Bau gearbeitet. Es ist nicht ersichtlich, dass er eine Erwerbstätigkeit – ggf. auch mehrere schlichte Hilfstätigkeiten – nicht aufnehmen könnte, um das Existenzminimum der fünfköpfigen Familie zu sichern. Während der Erwerbstätigkeit des Klägers kann die Kinderbetreuung ohne weiteres von der Ehefrau/Kindsmutter übernommen werden. Daneben ist es auch nicht unmöglich, dass die Ehefrau neben der Kinderbetreuung einer Teilzeittätigkeit in den Zeiten nachgeht, in denen der Mann zu Hause ist und für die Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Da es sich um eine gesunde Durchschnittsfamilie handelt, ist nicht ersichtlich, dass diese ihr Existenzminimum in Äthiopien nicht sichern könnte. Darüber hinaus verfügen der Kläger und seine Frau über familiären Rückhalt in Äthiopien, sodass bei einer Rückkehr in Notsituationen von einer Unterstützung im Rahmen des Familienverbundes auszugehen ist. Die gegenteiligen Behauptungen in der mündlichen Verhandlung sind angesichts der bereits in früheren Verfahren festgestellten Widersprüche wenig glaubhaft. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Kontakt zu Verwandten – selbst wenn er zwischenzeitlich abgerissen ist oder war – nicht wiederhergestellt werden kann. Letztlich bedarf es insoweit keiner weiteren Vertiefung, da es dem Kläger und seiner Frau auch ohne verwandtschaftliche Unterstützung möglich ist, das absolute Existenzminimum für die Familie zu sichern.
Weiterhin hat das Bundesamt bereits mit der Zuleitung des streitgegenständlichen Bescheids an die Bevollmächtigten des Klägers auf die Rückkehrhilfen bei freiwilliger Ausreise hingewiesen. Aus dem sog. REAG-/GARP-Programm kann u.a. eine Reisebeihilfe i.H.v. 200,00 EUR sowie eine Starthilfe von 1.000,00 EUR in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus besteht das Reintegrationsprogramm ERRIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen Beratung nach der Ankunft, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Unterstützung bei einer Existenzgründung, Grundausstattung für die Wohnung sowie die Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Die Unterstützung wird als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückkehrende Einzelpersonen beträgt dabei bis zu 2.000,00 EUR und im Familienverbund bis zu 4.000,00 EUR (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/erin).
Es liegt auf der Hand, dass die genannten Rückkehrhilfen und Leistungen aus dem Reintegrationsprogramm gerade in der Anfangszeit nach der Rückkehr und vor dem Hintergrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie mit dazu beitragen, dass der Kläger und seine Familie in Äthiopien wieder Fuß fassen können. Ihnen wird es dadurch erleichtert, etwaige Quarantänekosten nach der Ankunft oder Reisekosten in die Heimatregion zu schultern. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Äthiopien freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen (vgl. hierzu auch VG Bayreuth, U.v. 25.6.2020 – B 7 K 19.30636).
(bb) Individuelle Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, sind im Folgeverfahren nicht vorgetragen und auch nicht anderweitig ersichtlich.
b) Dem Kläger steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Insbesondere darf gemäß Art. 3 EMRK niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
(aa) Soweit der Kläger auf die schlechte Lage im Herkunftsland infolge der “Corona-Pandemie” und der “Heuschreckenplage” Bezug nimmt, spricht nach Auffassung des Gerichts bereits vieles dafür, dass § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bezüglich allgemeiner Gefahren aufgrund der unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat als lex specialis anzusehen ist und daher insoweit auch im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG Sperrwirkung “entfaltet”. Bei den nationalen Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG handelt es sich nämlich um einen einheitlichen, nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – juris; BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris). Eine zusätzliche Würdigung allgemeiner Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Zielstaat der Abschiebung im Rahmen und am Maßstab des § 60 Abs. 5 AufenthG würde die gesetzgeberischen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot bei allgemeinen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit konterkarieren (so auch BayVGH, B.v. 6.5.2020 – 23 ZB 20.30943 – im Hinblick auf das Verhältnis von § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m.§ 60a Abs. 2c AufenthG zu § 60 Abs. 5 AufenthG bei der Geltendmachung gesundheitlicher Gründe; vgl. auch BayVGH, B.v. 9.12.2020 – 23 ZB 20.31844).
(bb) Letztlich kann aber dahinstehen, ob die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG auch im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG greift. Selbst wenn man der Auffassung folgt, dass der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG auch bei einer allgemeinen Gefahrenlage, insbesondere bei einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen eröffnet sein soll, da schon von der Gesetzessystematik her der Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG nicht herangezogen werden kann (so BayVGH, U.v.21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris), ist bei der Prüfung eines Abschiebungsverbotes aus humanitären Gründen im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG jedenfalls ein “sehr hohes Niveau” anzulegen und eine “besondere Ausnahmesituation” erforderlich. Nur in “ganz außergewöhnlichen Fällen”, nämlich wenn die humanitären Gründe gegen die Abschiebung mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung “zwingend” sind, sind liegen die Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 5 AufenthG vor (BVerwG, B.v. 22.9.2020 – 1 B 39.20 – juris; BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris m.w.N.; BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris; BayVGH, U.v. 12.12.2019 – 8 B 19.31004 – juris m.w.N.; BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris).
Gemessen an diesem Maßstab ist beim Kläger auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK im Hinblick auf die gegenwärtig schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die aktuelle Auskunftslage rechtfertigt es nach Überzeugung des hiesigen Einzelrichters nicht, äthiopischen Staatsangehörigen gegenwärtig – mehr oder weniger pauschal und ohne eingehende Darlegung und Würdigung der Situation im jeweiligen Einzelfall (so wie beispielsweise zum Teil in Verfahren vor dem VG Ansbach) – ein Abschiebungsverbot aus humanitären Gründen allein “aufgrund der sich derzeit durch die Corona-Pandemie im Zusammenspiel mit der in Äthiopien herrschenden Heuschreckenplage ergebenden landesweiten Verhältnisse” zuzusprechen. Im vorliegenden Fall verweist das hiesige Gericht daher auf die obigen einzelfallbezogenen Ausführungen zu § 60 Abs. 7 AufenthG. Obwohl im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG nicht der Maßstab der “Extremgefahr” anzulegen ist, handelt es sich im Fall des hiesigen Klägers (mit seiner Familie) jedenfalls (auch) nicht um einen “ganz außergewöhnlichen” Fall, in dem humanitären Gründe der Abschiebung “zwingend” entgegenstehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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