Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen das Nichtbestehen einer Wiederholungsprüfung

Aktenzeichen  W 6 K 17.1026

Datum:
20.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10009
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12
VwGO § 70, § 75, § 113 Abs. 1 S. 1
FPO § 22 Abs. 3 S. 1
PrüfVO § 6 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Im gerichtlichen Verfahren der Prüfungsanfechtung muss der Prüfungskandidat konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die gerügte Bewertung seiner Prüfungsarbeit vorbringen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Widerspruch (vgl. § 70 VwGO) muss nicht als solcher bezeichnet werden, vielmehr genügt es, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Maßnahme beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und die Überprüfung sowie Aufhebung der Maßnahme begehrt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der Bewertung seiner Prüfungsleistung besteht bei berufsbezogenen Prüfungen zusätzlich zum Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und erfüllt als verwaltungsinternes Kontrollinstrument eine notwendige Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit. (Rn. 30 und 39) (redaktioneller Leitsatz)
4 Im Überdenkungsverfahren muss der Prüfling wirkungsvolle Hinweise geben, d.h. seine Einwände müssen konkret und nachvollziehbar begründet werden. (Rn. 30 und 41) (redaktioneller Leitsatz)
5 Randbemerkungen bei einer schriftlichen Prüfungsleistung und der abschließende Bewertungsvermerk sind grds. als eine einheitliche Begründung der Bewertung zu verstehen und insgesamt zu würdigen, wenn es darum geht, ob die Begründung Mängel aufweist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da die angefochtene Entscheidung der Beklagten, der Notenbescheid vom 10. Mai 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2017, nicht rechtswidrig ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Neubewertung und Neubescheidung seiner Prüfungsleistung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1.
Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung seiner Projektarbeit, welche einen eigenständigen Prüfungsteil seiner Fortbildung zum „Geprüften Betriebswirt (IHK)“ darstellt, der gesondert zu bewerten ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 6, sowie § 7 Abs. 2 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Betriebswirt/Geprüfte Betriebswirtin nach dem Berufsbildungsgesetz vom 12.7.2006). Die Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist in Prüfungsangelegenheiten grundsätzlich auf die Durchsetzung des Anspruchs des Prüflings auf fehlerfreie Neubewertung und Neubescheidung seiner Prüfungsleistung gerichtet. Sie hat dann Erfolg, wenn die Prüfungsleistung rechtsfehlerhaft bewertet worden ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich dies auf die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung über die Bewertung der Prüfungsleistung ausgewirkt hat.
Bei Streitigkeiten über Prüfungsentscheidungen, in denen Bewertungsmängel geltend gemacht werden, darf das Gericht die streitgegenständlichen Prüfungsleistungen nicht selbst bewerten, weil den Prüfern bei prüfungsspezifischen Wertungen insbesondere hinsichtlich der Beurteilung der Qualität der Prüfungsleistung und der Zuordnung zu einer bestimmten Note ein Bewertungsspielraum verbleibt, der nicht durch Dritte ersetzt werden kann. Dieser Spielraum ist nur dann überschritten und eine gerichtliche Korrektur geboten, wenn die Prüfungsbehörden wesentliche Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen, sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder die Prüfungsentscheidung auf Willkür beruht. Nach dem vorgenannten Maßstab ist eine Prüfungsentscheidung im Rahmen der Willkürkontrolle auch dann aufzuheben, wenn sie so aus dem Rahmen fällt, dass sie einem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – juris) und sich daher als krasser Missgriff des Prüfers darstellt (BFH, B.v. 17.12.2007 – VII B 67/07 – juris). Die Prüfungsentscheidung ist weiterhin dann aufzuheben, wenn in gerichtlich voll nachprüfbaren Fachfragen eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch gewertet wurde (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – juris; BVerwG, U.v. 9.12.1992 – 6 C 3/92 – juris). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen schließlich wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, dem aber unter bestimmten Voraussetzungen ein vom Prüfer zu respektierender Antwortspielraum des Prüflings gegenübersteht (BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris).
Grundsätzlich obliegt es dem Kläger, den konkreten prüfungsrechtlichen Anspruch je nach Art des gerügten Fehlers und der Beseitigung der Folgen zu modifizieren und zu spezifizieren. Zwar ermittelt das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO), sucht jedoch nicht von Amts wegen nach Bewertungsfehlern. Der Prüfungskandidat muss vielmehr konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die gerügte Bewertung seiner Prüfungsarbeit vorbringen. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass sich schon irgendein Bewertungsfehler finden werde (BVerwG, B.v. 1.9.1992 – 6 B 22/92 – juris).
2.
Der Kläger rügt vorliegend, die Beklagte habe seine Widerspruchsbegründung nicht abgewartet und das Überdenkungsverfahren sei unterblieben; des Weiteren wendet er sich gegen die Bewertung der Projektarbeit an sich sowie deren aus seiner Sicht defizitäre Begründung. Er kann mit seinen Einwänden jedoch nicht durchdringen, da diese zu keinem beachtlichen Fehler im Verfahren zur rechtsfehlerfreien Ermittlung seiner Prüfungsleistung führen, sodass die Klage keinen Erfolg hat.
2.1.
Entgegen der klägerischen Auffassung konnte die Beklagte über den Widerspruch entscheiden ohne eine Widerspruchsbegründung abzuwarten. Es stellt folglich keinen Verfahrensfehler dar, dass der Kläger nicht zuvor zur Vorlage einer Widerspruchsbegründung aufgefordert worden ist.
2.1.1.
Hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens ist gesetzlich geregelt, in welcher Form und Frist ein Widerspruch erhoben werden kann, vgl. § 70 VwGO. Im Übrigen enthält die Verwaltungsgerichtsordnung keine Anforderungen an den Inhalt des Widerspruchs. Er muss nicht als solcher bezeichnet werden, vielmehr genügt es, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Maßnahme beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und die Überprüfung sowie Aufhebung der Maßnahme begehrt. Ein bestimmter Antrag ist nicht erforderlich, der Widerspruch muss auch nicht begründet sein (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 35. EL September 2018, § 69 Rn. 4). Die Widerspruchsbehörde überprüft im Vorverfahren die Rechtmäßigkeit sowie die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes, § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte schon nicht verpflichtet, vor Erlass des Widerspruchsbescheids die Vorlage einer Widerspruchsbegründung abzuwarten bzw. hierzu aufzufordern. Der Klägerbevollmächtigte konnte zudem nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde ihn vor ihrer Entscheidung über den Widerspruch zur Vorlage einer Begründung auffordern. Insbesondere ist der Verweis auf ein ähnliches Vorgehen der Beklagten im Widerspruchsverfahren zum ersten bzw. regulären Prüfungsversuch des Klägers (Notenbescheid vom 25.10.2016 i.d.F. des Widerspruchbescheids vom 13.7.2017) nicht zielführend. Zwar hatte dort die Beklagte den Klägerbevollmächtigten tatsächlich aufgefordert, den (ersten) Widerspruch entweder zurückzunehmen oder ihn zu begründen. Jedoch handelte es sich dort um einen Sonderfall, der keine Selbstbindung der Verwaltung zu begründen vermag, denn das dortige Widerspruchsverfahren war auf Bitte des Klägers bis zum Abschluss der (hier verfahrensgegenständlichen) ersten Wiederholungsprüfung ausgesetzt worden. Nachdem diese (Wiederholungs-)Prüfung vom Kläger nicht bestanden wurde, griff die Beklagte das dortige Widerspruchsverfahren mit besagter Aufforderung wieder auf.
2.1.2.
Ebenso wenig verfängt das Argument des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, dass üblicherweise die Beklagte das Widerspruchsmit dem Überdenkungsverfahren verbindet und deshalb zur Durchführung des Überdenkungsverfahrens das Abwarten der Widerspruchsbegründung erforderlich gewesen wäre.
Der bei berufsbezogenen Prüfungen bestehende Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens besteht zusätzlich zu seinem Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Da die gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen, bei denen dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum verbleibt, nur eingeschränkt erfolgen kann, erfüllt das verwaltungsinterne Kontrollverfahren als Verfahrensgewährleistung eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B. v. 9.8.2012 – 6 B 19/12 – juris Rn. 5; U. v. 24.2.1993 – 6 C 32/92 – juris Rn. 17). Die Einleitung eines eigenständigen Überdenkungsverfahrens setzt seitens des Prüflings die Erhebung substantiierter Einwände gegen die Leistungsbewertung voraus, d. h. gegen die mit einem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum verbundene Einordnung der erbrachten Leistungen in ein Bewertungssystem. Der Prüfling muss wirkungsvolle Hinweise geben, d. h. die Einwände müssen konkret und nachvollziehbar begründet werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 5.10.2009 – 6 PKH 6/09 – juris Rn. 5; B.v. 18.12.2008 – 6 B 70/08 u. a. – juris Rn. 7; B.v. 8.11.2005 – 6 B 45/05 – juris Rn. 10; U. v. 24.2.1993 – 6 C 32/92 – juris Rn. 19).
Das Überdenkungsverfahren gewährleistet, dass der Prüfling auch mit den Einwänden gehört werden kann, die den prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Prüfer betreffen, welche der behördlichen Kontrolle im Widerspruchsverfahren bzw. der gerichtlichen Kontrolle entzogen sind. Dem Klägerbevollmächtigten ist zuzugeben, dass oftmals im Widerspruchsverfahren zugleich das Überdenkungsverfahren durchgeführt wird. Dem Gericht ist bekannt, dass auch bei der Beklagten diese Verfahrensschritte zusammenfallen, indem der Prüfungsausschuss Stellung zu sämtlichem Vorbringen des Prüflings im Rahmen des Widerspruchverfahrens nimmt. Nachdem es aber keineswegs ausgeschlossen ist, dass sich der Prüfling nicht gegen die Bewertung selbst wendet, sondern (nur) Verfahrensfehler geltend macht, die von der prüfungsspezifischen Bewertung losgelöst sind – z.B. das fehlerhafte Zustandekommen der Prüfungsleistung aufgrund äußerer Umstände, die fehlerhafte Besetzung der Prüfungskommission, die mögliche Befangenheit eines Prüfers – erschließt sich nicht, weshalb die Begründung im Widerspruchsverfahren stets zwingend mit einem Überdenkungsverfahren einhergehen sollte. Der allgemeine Anspruch des Prüflings auf eine vollständige Durchführung des Prüfungsverfahrens mit dem Ziel eines rechtsfehlerfreien, den von ihm erbrachten Leistungen entsprechenden Abschlusses kann von der Widerspruchsbehörde auf Verfahrens- bzw. Bewertungsmängel nur insoweit nachgeprüft werden, wie ihre Prüfungskompetenz reicht. Weder die Prüfungsbehörde noch die Verwaltungsgerichte sind befugt, sich anstelle der Prüfer mit den Einwänden auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob die Bewertungen der Prüfungsleistungen zu ändern sind (BVerwG, B.v. 3.8.2018 – 6 B 62.18, beck-online Rn. 2). Folglich obliegt es dem Prüfling für den Fall, dass er Fehler, die den prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Prüfer betreffen, rügt, diese substantiiert zu benennen. Die mit der Bewertung befassten Prüfer können nur dann ihre Bewertung überdenken, wenn der Prüfling sich seinerseits zuerst mit der Bewertung bzw. deren Begründung auseinandersetzt und seine Einwände hiergegen vorbringt. Denknotwendig setzt die Einleitung eines eigenständigen Überdenkungsverfahrens seitens des Prüflings die Erhebung substantiierter Einwände gegen die Leistungsbewertung voraus.
2.2.
Der Kläger hat vorliegend weder im Verwaltungsverfahren noch bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens substantiierte Einwände gegen die prüfungsspezifische Beurteilung erhoben. Dies wäre ihm nach erfolgter Akteneinsicht entgegen seiner Auffassung möglich gewesen, insbesondere da die Leistungsbewertung ausreichend begründet wurde.
Soweit der Kläger geltend macht, die Begründung der Bewertung sei defizitär und ermögliche ihm keine substantiierten Einwände, kann das Gericht dem nicht folgen. Die in den beiden Korrekturen der Projektarbeit enthaltenen Anmerkungen in Verbindung mit der abschließenden Stellungnahme, die sich der Prüfungsausschuss zu Eigen gemacht hat, genügen dem Begründungserfordernis.
Wie das Gericht bereits eingehend in seinem Urteil vom 31. Oktober 2018 (Az.: W 6 K 17.861) dargelegt hat, sind die zuständigen Prüfer, welche die Entscheidung über die Leistungsbewertung des Prüflings treffen, die berufenen Mitglieder des Prüfungsausschusses, wie sie in der jeweiligen Prüfungsausschusssitzung dann zusammenkommen. Es entspricht den Vorgaben der einschlägigen Prüfungsordnung, dass die Projektarbeit des Klägers zunächst von zwei Mitgliedern des Prüfungsausschusses korrigiert wurde. Denn nach § 22 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen der Beklagten vom 2. Oktober 2009, zuletzt geändert am 3. Dezember 2013 (nachfolgend: FPO) können zwei Mitglieder des Prüfungsausschusses mit der Bewertung nicht mündlich zu erbringender Leistungen beauftragt werden. Diese Beauftragung entbindet indes nicht die restlichen Mitglieder des Prüfungsausschusses davon, eine selbstständige Einzelbewertung der Prüfungsleistung vorzunehmen. Schon der Wortlaut des § 22 Abs. 3 Satz 1 FPO macht dies deutlich, wonach die Beauftragung von zwei Mitgliedern des Prüfungsausschusses der Vorbereitung der Beschlussfassung nach § 22 Abs. 1 FPO dient. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FPO ist jede Prüfungsleistung von jedem Mitglied des Prüfungsausschusses selbstständig zu bewerten. Gemäß Satz 2 der Vorschrift werden Beschlüsse über die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen, der Prüfung insgesamt sowie über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung vom Prüfungsausschuss gefasst. Nach Satz 3 der Vorschrift dienen bei der gemeinsamen Feststellung der Ergebnisse die Einzelbewertungen der Prüfungsausschussmitglieder als Grundlage. Diese Auslegung der Prüfungsordnung wird schließlich durch § 22 Abs. 3 Satz 4 FPO bestätigt, wonach im Fall der Beauftragung von zwei Mitgliedern des Prüfungsausschusses die übrigen Mitglieder an deren Bewertung nicht gebunden sind. Nachdem der Prüfungsausschuss das Ergebnis der vorbereitenden Korrekturen übernommen hat und ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 9. Mai 2017 die Noten dem Prüfungsausschuss vorgestellt und einstimmig beschlossen wurden, ist davon auszugehen, dass die Prüfer sich (auch) die vorbereitende Dokumentation und damit auch die Korrekturanmerkungen zu Eigen machen. Nachdem die beauftragten Mitglieder von Gesetzes wegen gehalten sind, sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen schriftlich festzuhalten, erscheint es in Anbetracht des Sinn und Zwecks der Beauftragung – nämlich Arbeitsteilung und damit Entlastung für die ehrenamtlichen Prüfungsausschussmitglieder – sachgerecht, bei den hier gegebenen vorbereitenden Korrekturen und deren schriftlicher Dokumentation dem Prüfungsausschuss die Möglichkeit einzuräumen, bei einer Übereinstimmung mit den vorbereiteten Korrekturanmerkungen diese zu übernehmen. Nachdem davon auszugehen ist, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses nicht nur die erforderlichen Fachkenntnisse in der Materie haben (vgl. § 2 Abs. 1 FPO i.V.m. § 40 Abs. 1 BBiG), sondern in der Regel auch erfahrene Prüfer sein werden (§ 2 Abs. 3 FPO i.V.m. § 40 Abs. 3 Satz 1 BBiG: Bestellung für eine einheitliche Periode, längstens fünf Jahre), erscheint diese Vorgehensweise unbedenklich. Ungeachtet der Vorbereitung durch die beauftragten Mitglieder bleibt es in der Verantwortung eines jeden Prüfers, die Prüfungsleistung zur Kenntnis zu nehmen und selbstständig zu bewerten, § 22 Abs. 1 Satz 1 FPO. Lediglich bei einem Abweichen der (Leistungs-)Bewertung und damit im Ergebnis der Bepunktung wird es zwingend erforderlich sein, dass die Gründe hierfür schriftlich und damit im Sitzungsprotokoll festgehalten werden, da der Prüfling ansonsten keine Möglichkeit hätte, gegen diesen Teil der Bewertungen vorzugehen.
Die maßgebenden Gründe, die zur abschließenden Bewertung geführt haben, sind zwar kurz, aber verständlich und nachvollziehbar dargelegt. Es ist erkennbar, welche Defizite in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten bemängelt werden (vgl. Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2007, Rn. 631 ff. m.w.N. aus der Rspr.). Die Form und die inhaltliche Ausgestaltung der wertenden Äußerungen und schriftlichen Randbemerkungen des Prüfers sind nicht an bestimmte Regeln gebunden oder sonst standardisiert. Die Randbemerkungen und der abschließende Bewertungsvermerk sind grundsätzlich als eine einheitliche Begründung der Bewertung zu verstehen und insgesamt zu würdigen, wenn es darum geht, ob die Begründung Mängel aufweist (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 607). Anhand dieser Maßstäbe ist ein Begründungsdefizit nicht erkennbar.
Insbesondere fällt auf, dass der Kläger in der inhaltlich-materiellen Beurteilung seiner Arbeit von 80 maximal erreichbaren Punkten im Ergebnis 29 Punkte, d.h. ein gutes Drittel erreicht hat. Bereits aus der einzelnen Punkte-Unteraufteilung in den einzelnen Teilbereichen, wie sie sich aus den Bewertungsbögen ergibt, wird ersichtlich, in welchem Bereich Mängel gesehen wurden. Dies kann bereits als erste Schwerpunktsetzung gesehen werden, welche unter Auswertung der beiden abschließenden schriftlichen Stellungnahmen der Korrektoren zur Projektarbeit in Verbindung mit den einzelnen Randbemerkungen nachvollziehbar deutliche inhaltliche Schwächen aufzeigt. Insbesondere aus den abschließenden Stellungnahmen (z.B.: Projektarbeit/Zielsetzung nicht nachvollziehbar; sehr viele allgemeingültige Formulierungen/Definitionen (Aneinanderreihung) ohne hinreichenden Kontext zum Projetthema; BWL-Analyse mangelhaft: Kriterien Nutzwertanalyse falsch; Gewichtung fragwürdig; Maßstab für Vergleich „Fremdfinanzierung“, „Leasing“ wäre die Effektivverzinsung gewesen; keine Angabe mit welchem Steuersatz gearbeitet wurde; Zusammenfassung „ergebnisoffen“ etc.) gehen die Mängel zwar schlagwortartig, aber klar und eindeutig hervor. Es ist nicht etwa der Umfang der Begründung maßgeblich, sondern es kommt darauf an, ob sie inhaltlich die (negative) Bewertung rechtfertigen kann oder aber ein Bewertungsdefizit erkennen lässt. Kurze und verständliche Begründungen sind oft besser geeignet als umfangreiche, ausufernde Darlegungen. Selbst die schlichte Bezeichnung eines Lösungsansatzes als „falsch“ kann nach den Umständen des Einzelfalles ausreichen (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 710). Weshalb es dem Kläger vor diesem Hintergrund nicht möglich gewesen sein sollte, sich substantiiert mit den einzelnen aufgezeigten Mängeln auseinanderzusetzen, erschließt sich nicht. Soweit als einzelnes im Detail die variierenden Schriftgrößen klägerseits als zu Unrecht kritisiert angesehen wurden, hat die Beklagte dem entgegengehalten, dass sich dies auf das Deckblatt beziehe, wofür es keine Vorgaben gäbe. Dem ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten.
Rein ergänzend ist zu erwähnen, dass die aus Sicht des Gerichts bereits ausreichende Begründung der Leistungsbewertung zusätzlich in der Begründung des Widerspruchsbescheids ergänzt wurde. Dies wäre vorliegend zulässig gewesen, da sogar eine fehlende oder unvollständige Begründung nachgeholt bzw. nachgebessert werden kann, so dass ein etwaiger Rechtsfehler – wenn die nachgeholte Begründung fehlerfrei ist und die Benotung trägt – damit behoben ist (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Dies kann während des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens, des Widerspruchverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz geschehen (§ 45 Abs. 2 VwVfG; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 712). Hätte ein Begründungsdefizit vorgelegen – wovon das Gericht nicht ausgeht – so hätte spätestens mit der Begründung des Widerspruchsbescheids, in welcher sich der Prüfungsausschuss erneut mit der Bewertung des Klägers befasste, eine ergänzte Begründung vorgelegen. In der Begründung des Widerspruchsbescheids werden die formellen sowie inhaltlichen Mängel der Projektarbeit des Klägers erneut aufgelistet und deren Mangelhaftigkeit ergänzend vertieft. Diesen Ausführungen im Widerspruchsbescheid ist der Kläger im gerichtlichen Verfahren ebenfalls nicht entgegengetreten.
2.3.
Nachdem der Kläger keine substantiierten Einwände gegen die prüfungsspezifischen Bewertungen bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vorgebracht hatte, war die Durchführung eines Überdenkungsverfahrens nicht veranlasst.
Bei Einwänden des Prüflings gegen prüfungsspezifische Wertungen soll ein Überdenkungsverfahren stattfinden. Dieses eröffnet dem Prüfling die Möglichkeit, dass seine prüfungsspezifische Wertungen betreffenden Einwendungen, z.B. der Prüfer habe den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben unterschätzt oder die Überzeugungskraft seiner Argumente zu gering bewertet, durch den bzw. die jeweiligen Prüfer überdacht werden (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 783). Dieser Anspruch des Prüflings besteht bei berufsbezogenen Prüfungen zusätzlich zum Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und erfüllt als verwaltungsinternes Kontrollinstrument eine notwendige Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 – 6 B 19.12 – beck-online, Rn. 5 m.w.N.).
Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen (Einzel-)Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser – möglicherweise veränderten – Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (stRspr, zuletzt BVerwG, B.v. 3.8.2018 – 6 B 62.18, beck-online, m.w.N.).
Nach dem bereits Gesagten ist demnach festzuhalten, dass die Einleitung eines Überdenkungsverfahrens seitens des Prüflings die Erhebung substantiierter Einwände gegen die Leistungsbewertung voraussetzt, d. h. gegen die mit einem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum verbundene Einordnung der erbrachten Leistungen in ein Bewertungssystem. Der Prüfling muss wirkungsvolle Hinweise geben, d. h. die Einwände müssen konkret und nachvollziehbar begründet werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 5.10.2009 – 6 PKH 6/09 – juris Rn. 5; B.v. 18.12.2008 – 6 B 70/08 u.a. – juris Rn. 7; B.v. 8.11.2005 – 6 B 45/05 – juris Rn. 10; U.v. 24.2.1993 – 6 C 32/92 – juris Rn. 19).
Auf die beantragte Akteneinsicht nach Einlegung des Widerspruchs gegen den Notenbescheid vom 10. Mai 2017 hat der Klägerbevollmächtigte die Behördenakte sowie die Projektarbeit mit Korrekturanmerkungen in Kopie erhalten. Nachdem aus der Gesamtschau der Korrekturanmerkungen zusammen mit den abschließenden Stellungnahmen eine hinreichende Bewertungsbegründung hervorgeht (s.o. 2.2.), lag es nun am Prüfling bzw. dessen Bevollmächtigten, hiergegen substantiierte Einwände zu erheben. Dies ist jedoch unterblieben und erfolgte auch nicht bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens. Wie bereits weiter oben ausgeführt (vgl. 2.1.), sind substantiierte Einwände den prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum betreffend die Voraussetzung dafür, dass ein Überdenkungsverfahren stattfinden kann. Der klägerischen Behauptung, ein Überdenkungsverfahren sei aus vom Kläger nicht zu verschuldenden Umständen unterblieben, kann daher nicht gefolgt werden. Mangels beurteilungsrelevanter Rügen war ein Überdenkungsverfahren bereits nicht erforderlich. Insofern bedurfte es auch keiner Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens nach § 94 VwGO (BVerwG, U.v. 24.2.1993, a.a.O.).
2.4.
Nachdem eine ausreichende Begründung der Leistungsbewertung vorliegt, hätte es dem Kläger oblegen, unter Bezugnahme auf die jeweiligen Korrekturanmerkungen bzw. die festgestellten Defizite auf die entsprechenden Stellen seiner Projektarbeit zu verweisen und aufzuzeigen, dass diese jeweilige Beurteilung nicht zutreffend ist bzw. weshalb sie fehlgeht. Dennoch ist dies bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nicht erfolgt. Nachdem auch sonstige Verfahrens- bzw. Bewertungsfehler nicht ersichtlich sind, ist die Leistungsbewertung des Klägers rechtmäßig zustande gekommen, sodass der Kläger keinen Anspruch auf Neubewertung hat.
3.
Mangels Erfolgs der Klage muss über den Antrag, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, nicht entschieden werden.
4.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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