Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage wegen Dienstzeitverlängerung

Aktenzeichen  M 21a K 18.6308

Datum:
25.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37239
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 58, § 74
BBG § 51, § 53

 

Leitsatz

1. Eine Unrichtigkeit nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist nur dann anzunehmen, wenn der Rechtsbehelfsbelehrung unrichtige oder irreführende Zusätze hinzugefügt worden sind (Rn. 20). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Klagebefugnis für einen möglichen Anspruch auf das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nach § 53 BBG fehlt, wenn der Kläger  die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 BBG überschritten hat (Rn. 21). (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Begriff des “dienstlichen Interesses” im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 BBG ist durch das Organisationsrecht des Dienstherrn maßgeblich vorgeprägt und die hieraus resultierenden verwaltungspolitischen Entscheidungen unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (Rn. 24). (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein dienstliches Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn das Hinausschieben des Ruhestandseintritts nach der Einschätzung des Dienstherrn aus konkreten, besonderen Gründen für eine sachgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung notwendig oder sinnvoll erscheint (Rn. 25). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2019 entschieden werden, obwohl außer dem Klägerbevollmächtigten kein weiterer Beteiligter erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
1. Die Klage ist unzulässig, da sie nicht rechtzeitig erhoben wurde.
Gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Verpflichtungsklage, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt wurde, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom 9. November 2018 wurde dem Kläger ausweislich Postzustellungsurkunde am 19. November 2018 persönlich zugestellt, vgl. § 41 Abs. 1 und 5 VwVfG i.V.m. § 3 VwZG. Die Klagefrist begann gemäß § 57 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am 20. November 2018 und endete nach § 187 Abs. 2 BGB am 19. Dezember 2018. Folglich ist die am 22. Dezember 2018 erhobene Klage verfristet und somit unzulässig.
2. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Klagefrist nicht abgelaufen ist, da wegen unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung:gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Jahres- und keine Monatsfrist einzuhalten sei (2.1), verhilft dies zu keiner anderen Entscheidung, da die Klage aus anderen Gründen unzulässig (2.2) und im Übrigen unbegründet ist (2.3).
2.1 Zwar bleibt zunächst festzuhalten, dass ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung:des Widerspruchsbescheids die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Vorstand, zu richten sei, obgleich die Bundesrepublik Deutschland durch die D1. P. AG und erst diese durch den Vorstand vertreten wird, § 1 Abs. 1, 38 PostPersRG i.V.m. § 1 Abs. 2 Postumwandlungsgesetz. Dies führt allerdings nicht zur “Unrichtigkeit” im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da dennoch die Formerfordernisse des § 58 Abs. 1 VwGO eingehalten wurden. Denn der Kläger wurde mit der Rechtsbehelfsbelehrung:über den Rechtsbehelf, das zuständige Gericht, dessen Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten nach § 58 Abs. 1 VwGO, die eine Rechtsbehelfsbelehrung:enthalten muss (und bei deren Fehlen eine Unrichtigkeit anzunehmen wäre) ist folglich nicht ersichtlich.
Über dies hinaus wäre eine Unrichtigkeit nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur dann anzunehmen, wenn der Rechtsbehelfsbelehrung:unrichtige oder irreführende Zusätze hinzugefügt worden wären (Kimmel in BeckOK VwGO, 50. Aufl. 2019, § 58 Rn. 21). Dies ist vorliegend nicht der Fall. So handelt es sich bei der fehlenden Erwähnung der D2. P. AG in der “Vertretungskette” zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vorstand der D2. P. AG schon nicht um einen zusätzlichen bzw. obligatorischen Hinweis, sondern schlicht um eine – wie oben ausgeführt, irrelevante – Auslassung. Überdies führt dies die Beteiligten nicht in die Irre, da ausdrücklich dargelegt ist, gegen wen die Klage (richtigerweise) zu richten ist, nämlich die Bundesrepublik Deutschland. Der Sinn und Zweck einer Rechtsbehelfsbelehrung:, nämlich dass niemand der Einlegung eines Rechtsbehelfs verlustig gehen soll, bleibt folglich unbeeinträchtigt (vgl. hierzu auch Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 58 Rn. 1), weswegen die gemachten Angaben nicht zu einer Unrichtigkeit nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO führen.
2.2 Unabhängig hiervon ist die Klage bereits deswegen unzulässig, da dem Kläger die erforderliche Klagebefugnis fehlt. Im Rahmen einer Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 HS. 1 Alt. 1 1 VwGO, die vorliegend statthaft ist, muss zumindest die Möglichkeit eines Anspruchs auf das klägerische Begehr bestehen. Ein möglicher Anspruch auf das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nach § 53 BBG scheitert hieran, da der Kläger mittlerweile die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 BBG überschritten hat. Denn nach dem diesbezüglichen Ernennungsverbot des § 51 Abs. 4 Satz 1 BBG darf, wer die Regelaltersgrenze oder eine gesetzlich bestimmte besondere Altersgrenze erreicht hat, nicht zum Beamten ernannt werden. Da der Kläger während des rechtshängigen Klageverfahrens mit Ablauf des 30. April 2019 in den Ruhestand eingetreten ist und somit bei einem Hinausschieben des Eintritts in Ruhestand nach § 53 BBG eine (erneute) Ernennung nach § 10 BBG erforderlich wäre, scheitert die Klage schon an der Möglichkeit eines Anspruchs.
2.3 Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nach § 53 BBG. Hiernach kann nach Abs. 1 der Eintritt in den Ruhestand auf Antrag des Beamten bis zu drei Jahre hinausgeschoben werden, wenn dies im dienstlichen Interesse liegt (Nr. 1) und die Arbeitszeit mindestens die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt (Nr. 2).
Der Begriff des “dienstlichen Interesses” im Sinne des § 53 Abs. 1 BBG, der im vorliegenden Fall alleinig relevanten Tatbestandsvoraussetzung, bezeichnet das Interesse des Dienstherrn an einer sachgerechten und reibungslosen Aufgabenerfüllung (NdsOVG, B.v. 28.12.2018 – 5 ME 178/18 – juris Rn. 3). Bei dem Merkmal des “dienstlichen Interesses” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (VG Ansbach, B.v. 8.10.2012 – AN 1 E 12. 01475 – juris Rn. 57 m.w.N.), der als solcher grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ohne dass dem Dienstherrn insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt (BayVGH, B.v. 25.9.2008 – 3 AE 08.2500 – juris Rn. 17). Allerdings hat das Gericht dabei zu respektieren, dass das Bestehen dienstlicher Interessen in erheblichem Maße von vorausgegangenen organisatorischen und personellen Entscheidungen des Dienstherrn abhängt und sich nach dem gesetzlichen Auftrag der Dienststelle und den dort vorhandenen personalwirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten richtet (NdsOVG, B.v. 31.7.2019 – 5 ME 127/19 – juris Rn. 3). Der Begriff des “dienstlichen Interesses” im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 BBG ist also durch das Organisationsrecht des Dienstherrn maßgeblich vorgeprägt (Lemhöfer in Plog/Wiedow, BBG, Stand: Juli 2019, § 53 BBG Rn. 0.5), und die hieraus resultierenden verwaltungspolitischen Entscheidungen unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Priorität zu bestimmen und ihre Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 2 C 21.03 – juris Rn. 10). Dementsprechend ist die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidungen auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von diesem in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden ist (OVG NRW, B.v. 28.10.2013 – 6 B 1181/13 – juris Rn. 4).
Ein dienstliches Interesse liegt folglich insbesondere dann vor, wenn das Hinausschieben des Ruhestandseintritts nach der Einschätzung des Dienstherrn aus konkreten, besonderen Gründen für eine sachgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung notwendig oder sinnvoll erscheint. Dies ist gegeben, wenn die Bearbeitung der dem betreffenden Beamten übertragenen (komplexen und schwierigen) Aufgaben gerade durch diesen auch noch zu einem zeitlich nach seinem regulären Eintritt in den Ruhestand gelegenen Zeitpunkt geboten erscheint, etwa, weil ein von ihm (mit-)betreutes Projekt erst zeitlich nach der für ihn geltenden Regelaltersgrenze abgeschlossen werden kann. Im Einzelfall mag sich ein dienstliches Interesse auch daraus ergeben, dass der längere Verbleib des betroffenen Beamten in seiner Behörde deshalb notwendig oder sinnvoll erscheint, weil eine effektive Einarbeitung eines Nachfolgers dies in zeitlicher Hinsicht verlangt. Ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand wird zudem dann im dienstlichen Interesse liegen können, wenn noch kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung steht und die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben durch die Behörde ausnahmsweise einstweilen nur durch eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Beamten sichergestellt werden kann (vgl. auch: OVG RhPf.,B.v. 17.7.2017 – 2 B 11273/17 – juris Rn. 13).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorliegen eines dienstlichen Interesses am Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand zu verneinen, weil die diesbezüglichen Erwägungen der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 25. September 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2018 rechtlich nicht zu beanstanden sind. Die Beklagte verneint das Vorliegen eines dienstlichen Interesses aus fünf eigenständig tragenden Gründen:
– Der Kläger übe keine spezielle Tätigkeit aus, die nur von ihm ausgeübt werden könne oder von keinem anderen Mitarbeiter übernommen werden könne.
– Bei der D2. P. AG sei davon auszugehen, dass in allen Bereichen Überhangkräfte vorhanden seien, die auch auf durch Ruhestand freiwerdende Posten vorrangig einzusetzen sind.
– Auch in der Niederlassung … befinde sich eine Anzahl von Kräften im Überhang, die auch zum Teil bei anderen Behörden beschäftigt seien.
– Bei der D2. P. AG werde derzeit im Rahmen des engagierten Ruhestands Beamten, allein aus wirtschaftlichen Erwägungen, ab dem vollendeten 55. Lebensjahr angeboten, in den engagierten Vorruhestand zu gehen, um die Anzahl der Beamten im Unternehmen zu reduzieren. Aus diesem Grund habe das Unternehmen einen beträchtlichen finanziellen Betrag bereitgestellt.
– Es sei dem Unternehmen nicht zuzumuten, Beamte über den konkreten Bedarf hinaus zu beschäftigen. Es könne auch keine Verlängerung der Lebensarbeitszeit des Klägers geben, damit er zu einer anderen Behörde abgeordnet werden könne.
Diese Gründe sind rechtlich nicht weiter zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte, dass der Kläger wegen seines Alters oder seiner Beamteneigenschaft in willkürlicher Weise diskriminiert werde, sind – bis auf seine pauschalen Behauptungen – nicht ersichtlich. Im Übrigen widerspricht der Kläger seinem eigenen Vortrag, dass er unverzichtbar sei, schon damit, dass er vortrug, dass sein neuer Zimmerkollege nach einem halben Jahr Einarbeitungszeit bereits – wenn auch “notdürftig” – die Aufgaben des Klägers weiterführen könne. Des Weiteren hat die Beklagte nachvollziehbar und unbestritten vorgetragen, dass der Kläger keine Tätigkeit ausübt, die nur von ihm persönlich ausgeübt werden kann. Da aus ihrer Sicht weitere Beschäftigte vorhanden sind, die – unproblematisch – die Tätigkeit des Klägers übernehmen können, ist sie im Rahmen ihres Organisationsermessens ermächtigt, diese Entscheidung zu treffen.
Zuletzt sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder aus den Umständen ersichtlich, die das Ermessen der Behörde nach § 53 Abs. 1 BBG (“kann”) auf Null reduzieren, so dass dem anwaltlich gestellten Antrag auf Erteilung des begehrten Verwaltungsaktes auf Hinausschieben des Eintritts des Ruhestands unter keinem denkbaren Gesichtspunkt entsprochen werden kann. Auch ein Anspruch auf Neuverbescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO besteht nicht, da keine gerichtlich überprüfbaren Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO vorliegen.
Nach alledem war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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