Verwaltungsrecht

Erfolglose Popularklage gegen Regelungen zur Vergabe von Überhang- und Ausgleichsmandaten bei der bayerischen Landtagswahl

Aktenzeichen  Vf. 14-VII-19

Datum:
1.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 265
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 14 Abs. 1 S. 1, S. 6
BayLWG Art. 42, Art. 44 Abs. 2

 

Leitsatz

1. In Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV kommt zum Ausdruck, dass der Verfassungsgeber Überhang- und Ausgleichsmandate als grundsätzlich mit dem von der Bayerischen Verfassung vorgegebenen Wahlsystem kompatibel erachtet. (Rn. 47 – 51)
2. Art. 44 Abs. 2 LWG, der das Entstehen von Überhang- und Ausgleichsmandaten näher regelt, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Zuteilung von Landtagsmandaten auf der Grundlage sehr unterschiedlicher Stimmenzahlen erfolgen kann. (Rn. 39 – 54)
3. Dass dem Grundsatz der Wahlgleichheit mit anderen Gestaltungsmöglichkeiten offensichtlich besser Rechnung getragen werden könnte, lässt sich nicht feststellen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, Überlegungen zur Perfektionierung des Landeswahlrechts wie ein Normgeber anzustellen. (Rn. 54)

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

I.
Gegenstand der Popularklage ist Art. 44 Abs. 2 des Gesetzes über Landtagswahl, Volksbegehren, Volksentscheid und Volksbefragung (Landeswahlgesetz – LWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 2002 (GVBl S. 277, ber. S. 620, BayRS 111-1-I), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 24. Juli 2019 (GVBl S. 342) geändert worden ist. Diese Vorschrift enthält Regelungen zur Vergabe von Überhang- und Ausgleichsmandaten bei der Wahl zum Bayerischen Landtag.
Die angegriffene Norm und die damit im Zusammenhang stehenden Regelungen haben folgenden Wortlaut:
Art. 42
Feststellung des Wahlergebnisses für den Wahlkreis
(2) 1Für die Sitzeverteilung wird die Gesamtzahl der auf den Wahlkreis treffenden Sitze, vervielfacht mit der Zahl der Stimmen, die für einen Wahlkreisvorschlag insgesamt abgegeben worden sind, durch die Gesamtzahl der für alle Wahlkreisvorschläge insgesamt abgegebenen Stimmen geteilt. 2Jeder Wahlkreisvorschlag erhält zunächst so viele Sitze, wie ganze Zahlen auf ihn entfallen. 3Die weiteren zu vergebenden Sitze werden den Wahlkreisvorschlägen in der Reihenfolge der höchsten Zahlenbruchteile, die sich bei der Berechnung nach Satz 1 ergeben, zugeteilt.
Art. 44
Wahl der Abgeordneten aus den Wahlkreislisten
(1) Jeder Wahlkreisvorschlag erhält zur Verteilung an die Wahlkreisbewerber so viele Sitze zugeteilt, als der Unterschied zwischen den nach Art. 42 Abs. 2 ermittelten Sitzen und den nach Art. 43 gewählten Stimmkreisbewerbern des betreffenden Wahlkreisvorschlags ergibt.
(2) 1In den Stimmkreisen errungene Sitze verbleiben dem Wahlkreisvorschlag auch dann, wenn sie die nach Art. 42 Abs. 2 ermittelte Zahl der Sitze übersteigen (Überhangmandate). 2Die Zahl der auf den Wahlkreis treffenden Sitze (Art. 21 Abs. 2) wird so lange erhöht, bis sich bei ihrer Verteilung nach Art. 42 Abs. 2 für diesen Wahlvorschlag die Zahl der für ihn in den Stimmkreisen errungenen Sitze ergibt.
II.
Die Antragsteller rügen, die in Art. 44 Abs. 2 Satz 2 LWG vorgesehene gesonderte Ermittlung von Ausgleichsmandaten für jeden Wahlkreis verstoße gegen den in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV normierten Grundsatz der Gleichheit der Wahl.
1. Sie tragen vor, die Anwendung des Art. 44 Abs. 2 LWG habe bei der Landtags wahl 2018 dazu geführt, dass der Erfolgswert der abgegebenen Stimmen sowie die Repräsentation der Parteien und die regionale Vertretung der Bevölkerung im Bayerischen Landtag „drastisch verzerrt“ worden seien. Zur Begründung nehmen sie Bezug auf eine von ihnen gefertigte, u. a. nach Wahlkreisen und Parteien gegliederte Erfolgswertberechnung für diese Landtagswahl. Abgesehen vom Wahlkreis Unterfranken seien in allen anderen Wahlkreisen unterschiedlich viele Überhang- und Ausgleichsmandate entstanden, sodass der Landtag statt der gesetzlich vorgesehenen 180 Sitze aktuell 205 Sitze habe.
Im Durchschnitt seien für ein Mandat 60.418 Stimmen erforderlich gewesen, wobei die Zahl zwischen den Bezirken jedoch erheblich differiert habe. Während in Unterfranken pro Mandat 69.632 Stimmen hätten gewonnen werden müssen, seien in Niederbayern dafür 55.798 Stimmen ausreichend gewesen; dies führe zu einer Bandbreite des Erfolgswerts einer Stimme zwischen 87% in Unterfranken und 108% in Niederbayern. Die Abweichung nehme zu, wenn der jeweilige Erfolgswert im Hinblick auf eine bestimmte Partei in einzelnen Bezirken gesondert betrachtet werde. Bündnis 90/Die Grünen hätten in Unterfranken 78.362 Stimmen für ein Mandat gewinnen müssen, in Schwaben hingegen nur 53.920 Stimmen. Der SPD hätten in Niederbayern 40.780 Stimmen für ein Landtagsmandat genügt, während sie dafür in Unterfranken 72.950 Stimmen habe gewinnen müssen. Die FDP habe in der Oberpfalz mit 43.912 Stimmen einen Sitz errungen; in Schwaben habe sie dafür 88.310 Stimmen gebraucht, also mehr als das Doppelte. Noch extremer falle der Erfolgswertunterschied bei einem Vergleich zwischen unterschiedlichen Parteien in unterschiedlichen Wahlkreisen aus: Den 88.310 Stimmen, die die FDP in Schwaben benötigt habe, stünden 40.780 Stimmen gegenüber, die der SPD in Niederbayern für ein Mandat gereicht hätten.
2. Der Grundsatz der Wahlgleichheit sei nicht nur innerhalb der Wahlkreise zu beachten, der Erfolgswert einer Stimme müsse vielmehr landesweit vergleichbar sein. Die Grundidee des bayerischen Wahlsystems, durch die Festlegung der auf die Wahlkreise entfallenden Mandate entsprechend der Bevölkerungszahl eine gleiche regionale Repräsentanz im Landtag sicherzustellen, werde durch die Ermittlung von Überhang- und Ausgleichsmandaten je Wahlbezirk konterkariert. Die gleichmäßige regionale Repräsentanz im Landtag sei damit nicht mehr gewährleistet. Wahlkreise mit vielen Überhängen seien im Landtag überrepräsentiert, solche ohne Überhänge unterrepräsentiert.
Da diese Operation für jeden Wahlkreis einzeln, also siebenmal, und nicht für ganz Bayern unternommen werde, seien Verzerrungen des landesweiten Erfolgswerts der Stimmen unvermeidlich, die sich aufsummierten. Angesichts der Vielzahl der im Landtag vertretenen Parteien und des unterschiedlichen Wahlverhaltens in den Bezirken gebe es keine Gewähr dafür, dass sich diese regionalen Verzerrungen im Gesamtergebnis nivellierten. Das Problem sei mit dem vergleichbar, das sich aufgrund veränderten Wahlverhaltens bei der früher üblichen siebenfachen Anwendung des d`Hondt`schen Höchstzahlverfahrens zur Mandatszuteilung ergeben habe. Dieses Verfahren habe der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. April 1992 beanstandet, weil es zu einer Zusammensetzung des Landtags habe führen können, die dem Proporz landesweit nicht mehr gerecht geworden sei.
Bei der jüngsten Landtagswahl hätten die beiden Regierungsparteien – am meisten die Freien Wähler – sowie die SPD von zufällig überdurchschnittlichen Erfolgswerten profitiert. Die Stimmen für alle anderen Oppositionsparteien wiesen unterdurchschnittliche Erfolgswerte auf. Das Landeswahlrecht sehe keinen Mechanismus vor (und könne dies auch gar nicht), der die zufälligen Verzerrungen aus der Verteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten auf Wahlkreisebene bei der Gesamtmandatsverteilung wieder ausgleichen könnte. Erst recht sei kein Mechanismus vorhanden oder denkbar, der verhindere, dass solche Verzerrungen Auswirkungen auf mögliche Mehrheitsbildungen im Landtag hätten. Art. 42 Abs. 2 (richtig: Abs. 5) LWG stelle lediglich sicher, dass eine Partei, auf die mehr als die Hälfte der Gesamtstimmen von die 5%-Hürde überschreitenden Wahlvorschlägen entfalle, auch die Hälfte der Mandate erhalte. Die Erfolgsungleichheit habe einen mandatsrelevanten Umfang erreicht. Somit vermöge der geltende Art. 44 Abs. 2 LWG das Gebot eines möglichst gleichen Erfolgswerts der Stimmen im gesamten Freistaat nicht zu gewährleisten.
Dieser Eingriff in das Recht auf Wahlgleichheit sei auch nicht gerechtfertigt. Zwar schreibe Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BV die Wahl in Wahlkreisen vor, die den Regierungsbezirken entsprächen. Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV sehe zudem die Möglichkeit vor, dass die in Art. 13 Abs. 1 BV auf 180 festgelegte Zahl der Landtagsabgeordneten durch die Zuteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten erhöht werde. Nicht verfassungsrechtlich vorgeschrieben werde hingegen, dass überhaupt Überhang- und Ausgleichsmandate zu vergeben seien oder dass eine solche Vergabe je Wahlkreis vorzunehmen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass ein anderes Verfahren der Zuteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten als in Art. 44 Abs. 2 LWG, das die Erfolgsgleichheit der Stimmen besser gewährleiste, die Bindung zwischen Wählern und Abgeordneten in einem Maß beeinträchtigen könnte, das das Festhalten an diesem Eingriff in die Wahlgleichheit rechtfertigen könnte. Der Verfassungsgrundsatz der Wahl in selbstständigen Wahlkreisen werde durch die übrigen, in der Verfassung festgeschriebenen Vorgaben (Aufstellung selbstständiger Listen usw.) ausreichend gewahrt. In einer Entscheidung vom 18. Dezember 1975 lasse der Verfassungsgerichtshof sogar erkennen, dass die Wahlgleichheit ein solches Gewicht besitze, vermittelt etwa durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass sie bei drastischen tatsächlichen Veränderungen auch ein Gebot zur Verfassungsänderung auslösen könne.
III.
1. Der Bayerische Landtag hält die Popularklage für unbegründet.
Die angegriffene Bestimmung zur Zumessung von Ausgleichsmandaten bezogen auf den jeweiligen Wahlkreis, die seit 1973 bestehe und sich bewährt habe, sei verfassungsgemäß. Durch die getrennte Wahl in sieben Wahlkreisen könne systembedingt nicht ausgeschlossen werden, dass es im Vergleich der Wahlkreise untereinander durch Überhang- und Ausgleichsmandate zu einer unterschiedlichen Erhöhung der dort regulär zu wählenden Abgeordneten kommen könne. Die Bayerische Verfassung verlange keinen Regionalproporz bezogen auf die Einwohnerzahl in den Wahlkreisen, der auch bei der Entstehung von Überhang- und Ausgleichsmandaten in einzelnen Wahlkreisen etwa durch Zusatzmandate für die übrigen Wahlkreise gewahrt werden müsste. Denn die Abgeordneten seien gemäß Art. 13 BV Vertreter des gesamten bayerischen Volkes, nicht lediglich einer Region; sie trügen Verantwortung für das ganze Land.
2. Nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung ist bereits die Zulässigkeit der Popularklage zweifelhaft; jedenfalls sei diese aber unbegründet.
a) Die Begründung der Popularklage stütze sich auf Einwände gegen die Gültigkeit der Landtagswahl 2018, für deren Überprüfung nach Art. 33 BV, Art. 51 bis 53 LWG zunächst der Landtag und erforderlichenfalls gemäß Art. 63 BV, Art. 2 Nr. 3 und Art. 48 VfGHG der Verfassungsgerichtshof zuständig seien. Dieses Verfahren diene dem Schutz des objektiven Wahlrechts und der verfassungsmäßigen Zusammensetzung des Parlaments. Die Antragsteller hätten außerhalb des ausdrücklich normierten und im Interesse der Rechtssicherheit auch fristgebundenen Wahlprüfungsverfahrens Popularklage erhoben, ohne die von ihnen behauptete Verfassungswidrigkeit bereits im Rahmen von Wahlbeanstandungen gegen die zurückliegende Landtagswahl geltend gemacht zu haben.
Zudem richte sich die Popularklage gegen eine Regelung, die bereits seit 1973 bestehe und auch schon bei der Landtagswahl 2008 mit damals vier Überhangsowie drei Ausgleichsmandaten zur Anwendung gekommen sei.
b) Art. 44 Abs. 2 LWG sei verfassungsgemäß.
aa) Das verfassungsrechtliche Gebot der Wahl in Wahlkreisen (Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BV) bedeute, dass die einzelnen Abschnitte des Wahlvorgangs, nämlich Bewerberaufstellung, Stimmabgabe und Auswertung der abgegebenen Stimmen sowie Zuteilung der Abgeordnetensitze, grundsätzlich in den Wahlkreisen vorzunehmen seien. Entsprechend diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben sehe das Landeswahlgesetz die Verteilung der Sitze (einschließlich eventueller Überhang- und Ausgleichsmandate) jeweils gesondert für jeden Wahlkreis vor (vgl. Art. 42 und 44 LWG). Durch die getrennte Wahl in sieben Wahlkreisen könne systembedingt nicht ausgeschlossen werden, dass es im Vergleich der Wahlkreise untereinander durch Überhang- und Ausgleichsmandate zu einer unterschiedlichen Erhöhung der dort regulär zu wählenden Abgeordneten komme. Dass eine solche Proporzabweichung verfassungsrechtlich hinnehmbar sei, habe der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2019 Vf. 74-III-18 zur Gültigkeit der Landtagswahl 2018 bereits festgestellt.
bb) Die Bayerische Verfassung verlange nicht, dass ein an der Einwohnerzahl der Wahlkreise orientierter Regionalproporz auch bei der Entstehung von Überhang- und Ausgleichsmandaten in einzelnen Wahlkreisen etwa durch Zusatzmandate für die übrigen Wahlkreise gewahrt werden müsste. Der Landtag sei kein als „Ausschuss der Regionen“ oder als „Regionalkammer“ zu qualifizierendes Gremium, sondern ein Parlament für ganz Bayern. Die Abgeordneten seien Vertreter des bayerischen Volkes (Art. 13 BV), nicht lediglich einer Region, und trügen Verantwortung für das ganze Land.
cc) Auch aus dem Gebot der Erfolgswertgleichheit der Stimmen ergebe sich keine Notwendigkeit, einen wahlkreisübergreifenden Ausgleich zu gewähren. Jede Stimme werde mit gleichem Gewicht bewertet, d. h. fließe mit gleichem Gewicht in die Ergebnisfeststellung mit ein. Das werde nicht dadurch infrage gestellt, dass das Wahlsystem die Entstehung von Überhang- und Ausgleichsmandaten in den einzelnen Wahlkreisen zulasse und damit in einem solchen Wahlkreis weniger Stimmen für ein Mandat erforderlich sein könnten als in Wahlkreisen, in denen sich die Zahl der zu vergebenden Sitze nicht durch Überhang- und Ausgleichsmandate erhöhe. Für solche Mandate gälten in allen Wahlkreisen die gleichen Bedingungen; inwieweit sie entstünden, sei eine Folge des tatsächlichen Wahlverhaltens. Im Übrigen sei dieses System der getrennten Ermittlung von Überhang- und Ausgleichsmandaten in der Bayerischen Verfassung ausdrücklich legitimiert.
Eine Wahl in Wahlkreisen führe unabhängig von der Entstehung von Überhang- und Ausgleichsmandaten dazu, dass für die Erringung der einzelnen Mandate eine unterschiedliche Anzahl von Stimmen erforderlich sein könne, ohne dass dies zu einer Verletzung der Wahlrechtsgleichheit führe. Je geringer die Wahlbeteiligung sei, desto weniger Stimmen würden zur Erringung eines Mandats benötigt. Auch bei der Wahl der Stimmkreisbewerber könne die Zahl der für die Erringung eines Direktmandats notwendigen Stimmen sehr unterschiedlich sein. Dies sei einerseits durch das Erfordernis der relativen Mehrheit bedingt. Andererseits würden die Direktmandate auch aufgrund der unterschiedlichen Größe der Stimmkreise – zulässig sei eine Abweichung von bis zu 25% nach oben oder unten von der durchschnittlichen Einwohnerzahl – mit einer zum Teil stark abweichenden Stimmenzahl gewählt.
dd) Die von den Antragstellern im Hinblick auf die Repräsentation der Parteien bei der Gesamtzusammensetzung des Landtags gerügte „Verzerrung“ führe ebenfalls nicht zum Erfolg der Popularklage. Bei einer nach der Verfassung vorgegebenen Wahl in (selbstständigen) Wahlkreisen könne es keine mathematisch exakte Abbildung des landesweiten Gesamtstimmenergebnisses geben. Eine bloße Änderung im bestehenden Wahlsystem würde nicht genügen, um unter Wahrung des Regionalproporzes einen strikt an dem landesweiten Gesamtstimmenergebnis errechneten Verhältnisproporz sicherzustellen. Erforderlich wäre hierzu vielmehr eine vollständige oder jedenfalls teilweise Abkehr von einer wahlkreisbezogenen Ergebnisermittlung. Damit würden grundlegende Entscheidungen der Bayerischen Verfassung über das Wahlsystem infrage gestellt. Die Ausnahmeklausel des Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV beziehe sich nach dem erklärten Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers auf Überhang- und Ausgleichsmandate, die in den Wahlkreisen entstünden oder sich aus der Mehrheitssicherungsklausel des Art. 42 Abs. 5 LWG ergäben. Die Ermöglichung weiterer zusätzlicher Mandate zur Wahrung des Regionalproporzes oder eines strikten landesweiten Verhältnisproporzes aller an der Sitzverteilung teilnehmenden Parteien und mit ihnen die Inkaufnahme einer noch weitergehenden möglichen Überschreitung der Gesamtzahl der Mandate sei mit Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV nicht beabsichtigt gewesen.
IV.
Die Popularklage ist zulässig.
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen. Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Vorschriften des bayerischen Landesrechts (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Zu diesen gehört die Regelung des Art. 44 Abs. 2 LWG, gegen die sich die vorliegende Popularklage richtet.
Zwar nehmen Ausführungen zur Landtagswahl 2018 in der Begründung der Popularklage breiten Raum ein. Dem Begehren der Antragsteller kommt jedoch entgegen der Auffassung der Staatsregierung nicht die Qualität eines Antrags auf Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Gültigkeit der Landtagswahl nach Art. 33 Satz 2, Art. 63 BV, Art. 48 VfGHG zu, dem zunächst eine von diesen initiierte Wahlprüfung durch den Landtag gemäß Art. 33 Satz 1 BV, Art. 51 ff. LWG hätte vorausgehen müssen (vgl. VerfGH vom 11.11.2019 – Vf. 46-III-19 – juris Rn. 32 f.). Die Antragsteller greifen vielmehr vor dem Hintergrund der Landtagswahl 2018 unmittelbar eine Rechtsnorm des Landeswahlgesetzes an. Ihre Darlegungen und Berechnungen insbesondere zum Erfolgswert der abgegebenen Stimmen bei der letzten Landtagswahl dienen der näheren Begründung der von ihnen erhobenen Rügen; dies ändert nichts daran, dass ihr Begehren darauf zielt, Art. 44 Abs. 2 LWG unabhängig von einer konkreten Wahl der Normenkontrolle zu unterziehen.
2. Die Popularklage ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung unzulässig (vgl. VerfGH vom 23.11.2016 VerfGHE 69, 324 Rn. 58 f. m. w. N.). Zwar hat sich der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2019 (BayVBl 2020, 86 Rn. 62 ff.) mit der unterschiedlichen Verteilung der bei der Landtagswahl 2018 angefallenen Überhang- und Ausgleichsmandate auf die einzelnen Wahlkreise befasst und in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, Art. 44 Abs. 2 LWG bewirke keine unzulässige Missachtung des Regionalproporzes; die geltende Rechtslage sei daher nicht zu beanstanden. Diese Einschätzung erfolgte jedoch in einem auf eine konkrete Wahl bezogenen Wahlprüfungsverfahren durch die gemäß Art. 2 Nr. 3, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VfGHG hierzu berufenen Richter und kann eine grundsätzliche Überprüfung im Rahmen des vorliegenden Normenkontrollverfahrens durch die dafür nach Art. 2 Nr. 7, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VfGHG zuständige Spruchgruppe nicht ersetzen.
3. Die Antragsteller haben gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG hinreichend substanziiert dargelegt, aus welchen Gründen Art. 44 Abs. 2 LWG nach ihrer Auffassung gegen den in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV normierten Grundsatz der Gleichheit der Wahl verstößt. Sie begründen dies vor allem damit, dass den Wählerstimmen bei der Ermittlung des Wahlergebnisses ein unterschiedliches Gewicht beigemessen werde, wenn es zu einem Anwendungsfall der angegriffenen Vorschrift komme. Der Verfassungsgrundsatz der Wahlgleichheit stellt ein Grundrecht im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV dar, auf das eine Popularklage gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 15.2.1996 VerfGHE 49, 12/16; vom 10.6.2013 VerfGHE 66, 61/65).
4. Die Antragsteller bringen darüber hinaus zum Ausdruck, dass der Grundsatz der Wahlgleichheit gegebenenfalls auch ein Gebot zur Verfassungsänderung auslösen könne. Sie sprechen damit das Verhältnis zwischen den verschiedenen in der Bayerischen Verfassung geregelten Wahlrechtsprinzipien und -anforderungen an, deren Anwendung auf eine Wahl in der Gesamtschau zu Zielkonflikten führen kann. Im Blick haben sie dabei vor allem die Auswirkungen des Gebots der Wahl in Wahlkreisen (Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BV) auf die Wahlgleichheit. Die Regelung der Bayerischen Verfassung zur Wahl in Wahlkreisen ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Popularklage. Insbesondere machen die Antragsteller nicht geltend, dass dieses Gebot gegen die demokratischen Grundgedanken der Verfassung im Sinn des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV verstieße und es sich daher um „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ handeln könnte (vgl. VerfGH vom 18.7.2006 VerfGHE 59, 125/127 f. m. w. N.; vom 21.11.2016 VerfGHE 69, 290 Rn. 116 ff. m. w. N.).
V.
Die Popularklage ist unbegründet.
1. Die Wahl zum Bayerischen Landtag wird durch die im Folgenden dargestellten grundlegenden Strukturen geprägt (vgl. auch VerfGH vom 26.3.2018 – Vf. 15-VII- 16 – juris Rn. 7 ff.; VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 30 ff.):
a) Sie erfolgt gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach einem verbesserten Verhältniswahlrecht durch alle wahlberechtigten Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Wahlkreisen und Stimmkreisen. Jeder der sieben Regierungsbezirke bildet einen selbstständigen Wahlkreis (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BV), innerhalb dessen einzelne Stimmkreise, grundsätzlich die Landkreise und kreisfreien Gemeinden, gebildet werden (Art. 14 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 BV). Die Aufteilung der – vorbehaltlich der Zuteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten – insgesamt 180 Abgeordnetenmandate (Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV) auf die Wahlkreise wird proportional zur deutschen Wohnbevölkerung vorgenommen (Art. 21 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LWG), sodass auf die einzelnen Regierungsbezirke je nach Größe zwischen 16 und 61 Mandate entfallen (Art. 21 Abs. 2 LWG).
In den insgesamt 91 Stimmkreisen – je nach Wahlkreisgröße zwischen acht und 31 in den Regierungsbezirken – wird mit der Erststimme der Wählerinnen und Wähler (im Folgenden: Wähler) je eine Stimmkreisabgeordnete oder ein Stimmkreisabgeordneter (im Folgenden: Abgeordneter) im Weg der relativen Mehrheitswahl direkt in den Landtag gewählt (Art. 21 Abs. 3, Art. 43 LWG). Die übrigen (regulär insgesamt 89) Abgeordneten werden mit der Zweitstimme der Wähler aus den Wahlkreislisten der einzelnen Wahlkreisvorschläge der Parteien und Wählergruppen gewählt (Art. 21 Abs. 4 LWG). Die Zweitstimme wird – anders als etwa bei den Bundestagswahlen – grundsätzlich nicht an eine der Wahlkreislisten als solche, sondern an eine bestimmte Person aus den dort aufgeführten Wahlkreisbewerberinnen und -bewerbern (im Folgenden: Bewerber) vergeben (Art. 38 LWG); es handelt sich um sog. begrenzt offene bzw. bewegliche anstatt starrer Listen. Nur wenn anstelle einer besonderen sich bewerbenden Person lediglich eine bestimmte Partei oder Wählergruppe angekreuzt wird oder auch mehrere Bewerber innerhalb einer Liste angekreuzt werden, wird die Stimme der betreffenden Wahlkreisliste zugerechnet (Art. 40 Abs. 2 LWG).
b) Für die Verteilung der Sitze im Landtag auf die einzelnen Parteien und Wählergruppen werden gesondert für jeden Wahlkreis die dort für die Stimmkreisbewerber und die Wahlkreisbewerber (und ggf. Wahlkreislisten) abgegebenen Stimmen zusammengezählt; die verhältnismäßige Vergabe der auf den betroffenen Wahlkreis entfallenden Sitze auf die verschiedenen Parteien und Wählergruppen insgesamt erfolgt auf der Grundlage der jeweiligen Gesamtstimmenzahlen gemäß dem Sitzzuteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer (Art. 42 Abs. 1 und 2 LWG). Jede Partei oder Wählergruppe erhält über die Wahlkreisliste eine der Differenz zwischen den ihr im Wahlkreis insgesamt zustehenden Sitzen und den erzielten Direktmandaten entsprechende Anzahl von Sitzen (Listenmandate) zugeteilt (Art. 44 Abs. 1 LWG).
Abgesehen vom Sonderfall der Fünf-Prozent-Hürde gemäß Art. 14 Abs. 4 BV bleiben die in den Stimmkreisen errungenen Direktmandate stets erhalten, was zu Überhang- und Ausgleichsmandaten führen kann (Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV, Art. 44 Abs. 2 LWG). Dabei wird die Zahl der insgesamt auf den Wahlkreis treffenden Sitze so lange erhöht, bis sich bei ihrer Verteilung für den betroffenen Wahlkreisvorschlag die Zahl der von den Bewerbern dieses Vorschlags in den Stimmkreisen errungenen Sitze ergibt.
Die interne Verteilung über die Direktmandate hinaus gewonnener Listenmandate an die sich bewerbenden Personen einer Partei oder Wählergruppe richtet sich nach der Zahl der (Erst- und Zweit-)Stimmen, die die Kandidatinnen und Kandidaten (im Folgenden: Kandidaten) am Wahltag von den Wählern erhalten haben, nicht nach deren Reihenfolge auf den jeweiligen Wahlkreislisten (Art. 45 Abs. 1 LWG).
c) Mit der Verankerung des „verbesserten Verhältniswahlrechts“ für die Landtagswahl in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV gibt die Bayerische Verfassung, anders etwa als das Grundgesetz, ein bestimmtes Wahlsystem vor. Die Verhältniswahl, für die sich der Verfassungsgeber grundsätzlich entschieden hat, zielt ihrem Wesen nach darauf ab, die politische Zusammensetzung der Wählerschaft im Parlament möglichst genau abzubilden. Die Abgeordnetenmandate werden nach dem zahlenmäßigen Verhältnis der für die verschiedenen Wahlvorschläge abgegebenen gültigen Stimmen aufgeteilt. Die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine „Verbesserung“ des Verhältniswahlrechts bezieht sich nicht auf eine Perfektionierung des verhältniswahlrechtlichen Leitgedankens, sondern auf Ergänzungen und Modifikationen dieses Gedankens durch von anderen Erwägungen getragene Gestaltungsformen (Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 14 Rn. 12). Das „verbesserte Verhältniswahlrecht“ ist gekennzeichnet durch die Einteilung des Wahlgebiets in Wahlkreise (Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BV), die Mehrheitswahl eigener Bewerber in einer Höchstzahl an Stimmkreisen mit der Möglichkeit von Überhang- und Ausgleichsmandaten (Art. 14 Abs. 1 Sätze 1, 3 bis 6 BV) und die Sperrklausel von 5% der insgesamt im Land abgegebenen gültigen Stimmen (Art. 14 Abs. 4 BV) (VerfGH vom 18.2.1992 VerfGHE 45, 12/18; vom 4.10.2012 VerfGHE 65, 189/202; VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 41).
Durch das in Art. 21 Abs. 3, Art. 43, 44 Abs. 1 LWG näher geregelte mehrheitswahlrechtliche Element der Landtagswahl wird der Grundcharakter der Verhältniswahl nicht infrage gestellt (VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 42; Möstl, a. a. O., Art. 14 Rn. 16). Denn zum einen kommen bei der Mandatsverteilung zur Zahl der direkt gewonnenen Sitze nur so viele Listenmandate hinzu, bis die Gesamtzahl der auf den Wahlkreisvorschlag entfallenden Sitze erreicht ist. Zum anderen werden etwa auftretende Überhangmandate ausgeglichen (Art. 44 Abs. 2 LWG).
2. Überhang- und Ausgleichsmandate werden in Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV ausdrücklich angesprochen. Diese Regelung wurde durch das „Verfassungsreformgesetz – Reform von Landtag und Staatsregierung“ vom 20. Februar 1998 (GVBl S. 39) neu in die Bayerische Verfassung aufgenommen. Sie gestattet die durch Überhang- und Ausgleichsmandate bedingte Überschreitung der durch dasselbe verfassungsändernde Gesetz auf 180 reduzierten und nunmehr in Art. 13 Abs. 1 BV verfassungsrechtlich fixierten Zahl von Abgeordneten. Das bedeutet nicht, dass Überhang- und Ausgleichsmandate von der Verfassung damit zwingend vorgeschrieben würden; sie werden lediglich zugelassen, wenn sie sich in Anwendung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 bis 5 BV ergeben (LTDrs. 13/9366 S. 6).
Mit dem Verhältnis des Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV zu höherrangigem Bundesrecht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2019 (BayVBl 2020, 86 Rn. 36 ff.) bereits ausführlich befasst. In diesem Zusammenhang ist der Homogenitätsgrundsatz gemäß Art. 28 Abs. 1 GG von Bedeutung, wonach die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates im Sinn des Grundgesetzes entsprechen und das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben muss, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Durch das Homogenitätsgebot werden damit die Wahlrechtsgrundsätze, nicht aber das Wahlsystem als solches vorgegeben, zumal das Grundgesetz für die Bundestagswahl keine entsprechende Festlegung enthält. Der Landesgesetzgeber ist frei, sich – unabhängig vom derzeit einfachgesetzlich (§ 1 Abs. 1 BWahlG) geltenden personalisierten Verhältniswahlsystem des Bundes – für eine Mehrheits- oder Verhältniswahl zu entscheiden oder beide Wahlsysteme, wie dies nicht nur auf Bundesebene, sondern auch im Freistaat Bayern der Fall ist, miteinander zu verbinden. Der weite Entscheidungsspielraum, den das Grundgesetz dem Landesgesetzgeber bei der Gestaltung des Wahlrechts einräumt, ist aber nicht unbeschränkt. Der Landesgesetzgeber ist vielmehr verpflichtet, das Wahlsystem, für das er sich entscheidet, ungeachtet verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten; er darf keine strukturwidrigen Elemente einführen (VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 44 m. w. N.).
Anhaltspunkte dafür, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV, der Überhang- und Ausgleichsmandate ohne detaillierte Vorgaben lediglich ermöglicht, im Widerspruch zu Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG stehen könnte, sind jedoch nicht erkennbar. Insoweit ist insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verweisen, das bereits mehrfach entschieden hat, dass das Anfallen von Überhangmandaten im System der mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl seinem Grundsatz nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 47 unter Hinweis u. a. auf BVerfG vom 10.4.1997 BVerfGE 95, 335/357 ff.). Entsprechendes gilt für die Zulässigkeit und Erforderlichkeit von Ausgleichsmandaten (VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 48 ff.; BVerfG vom 25.7.2012 BVerfGE 131, 316 ff.).
3. Art. 44 Abs. 2 LWG, der das Entstehen von Überhang- und Ausgleichsmandaten einfachgesetzlich näher regelt, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit.
a) Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV bestimmt, dass die Abgeordneten in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach einem verbesserten Verhältniswahlrecht von allen wahlberechtigten Staatsbürgern in Wahlkreisen und Stimmkreisen gewählt werden. Der Grundsatz der Wahlgleichheit besagt, dass alle Wähler möglichst in formal gleicher Weise wählen können und mit ihrer Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben; die Stimme eines jeden Wahlberechtigten muss also grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben. Außerdem gewährleistet der Grundsatz der Wahlgleichheit die Chancengleichheit der Wahlbewerber. Er umfasst den gesamten Wahlvorgang einschließlich der Zuteilung der Mandate auf der Grundlage der gültigen Wählerstimmen. Er unterscheidet sich wegen seines Zusammenhangs mit dem Demokratieprinzip vom allgemeinen Gleichheitssatz durch seinen formalen Charakter (VerfGH vom 4.10.2012 VerfGHE 65, 189/201 f.).
aa) Konkreten Inhalt erhält die Wahlgleichheit erst in Zusammenhang mit einem bestimmten Wahlsystem (VerfGHE 65, 189/202), in Bayern also dem in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV niedergelegten und auf der Grundlage des Regelungsauftrags in Art. 14 Abs. 5 BV einfachrechtlich näher ausgestalteten verbesserten Verhältniswahlrecht. Dieses bildet die Grundlage für die Wahl der Abgeordneten, deren Zahl von 180 durch Art. 13 Abs. 1 BV vorgegeben ist. Das Wesen einer reinen Verhältniswahl besteht darin, dass die Stimmen jeder Partei oder Wählergruppe zusammengerechnet und die zu vergebenden Sitze nach dem zahlenmäßigen Verhältnis der erzielten Gesamtstimmen zwischen ihnen aufgeteilt werden. Demgegenüber ist das verbesserte Verhältniswahlrecht – wie bereits dargelegt – zum einen durch die Einteilung des Wahlgebiets in Wahlkreise, die aus den Regierungsbezirken gebildet sind (Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BV), gekennzeichnet, zum anderen durch die Mehrheitswahl eigener Bewerber in einer Höchstzahl an Stimmkreisen mit der Möglichkeit von Überhang- und Ausgleichsmandaten (Art. 14 Abs. 1 Sätze 1, 3 bis 6 BV), ferner durch eine – mit höherrangigem Verfassungsrecht vereinbare (VerfGH vom 18.7.2006 VerfGHE 59, 125; vom 10.5.2010 VerfGHE 63, 51/58) – Sperrklausel von 5% der insgesamt im Land abgegebenen gültigen Stimmen (Art. 14 Abs. 4 BV).
Trotz der Entscheidung des Verfassungsgebers für eine regionalisierte Wahl in Wahlkreisen bildet grundsätzlich das landesweite Wahlergebnis die maßgebliche Bezugsgröße für die Proportionalität von Abgeordnetenmandaten und Stimmen. Denn der Landtag ist ein einheitliches Verfassungsorgan des gesamten Freistaates Bayern. Er besteht aus den Abgeordneten des ganzen bayerischen Volkes (Art. 13 Abs. 1 BV). Die Verteilung der Abgeordnetenmandate muss deshalb möglichst genau die Kräfteverhältnisse der im Landtag vertretenen Parteien entsprechend der Zahl der für sie landesweit abgegebenen gültigen Stimmen widerspiegeln (vgl. VerfGH vom 24.4.1992 VerfGHE 45, 54/63 f.; VerfGHE 65, 189/203 f.).
bb) Der Grundsatz der Wahlgleichheit unterliegt zwar keinem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus seinem formalen Charakter, dass dem Gesetzgeber bei der ihm durch Art. 14 Abs. 5 BV aufgegebenen näheren Ausgestaltung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen bleibt. Solche Differenzierungen bedürfen zu ihrer Rechtfertigung besonderer, zwingender Gründe, also solcher Gründe, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann (VerfGHE 59, 125/129; 65, 189/206; BVerfG vom 10.4.1997 BVerfGE 95, 408/418; vom 31.1.2012 BVerfGE 130, 212/227 f. m. w. N.). Stehen dem Wahlgesetzgeber verschiedene, mit dem Prinzip der verbesserten Verhältniswahl vereinbare Gestaltungsmöglichkeiten offen, so hat er derjenigen den Vorzug zu geben, die bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Wahl dem Grundsatz der Wahlgleichheit möglichst weitgehend Rechnung trägt (VerfGHE 28, 222/238; 45, 54/63; 65, 189/206).
b) Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Verletzung der Wahlgleichheit durch den mit der Popularklage angegriffenen Art. 44 Abs. 2 LWG nicht feststellen.
aa) Wie die Antragsteller am Beispiel der Landtagswahl 2018 darlegen, kann die Anwendung der für die Feststellung des Wahlergebnisses geltenden Regelungen des Landeswahlgesetzes (Art. 39 ff. LWG) dazu führen, dass die Zuteilung von Landtagsmandaten auf der Grundlage sehr unterschiedlicher Stimmenzahlen erfolgt. Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass bei dieser Wahl im Durchschnitt für ein Mandat 60.418 Stimmen erforderlich, bei der Mandatszuteilung im Einzelfall hinsichtlich der jeweils nötigen Stimmenzahlen aber starke Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten zu verzeichnen waren. Demnach standen beispielsweise den 88.310 Stimmen, die die FDP in Schwaben für einen Sitz benötigte, 40.780 Stimmen gegenüber, die der SPD in Niederbayern für ein Mandat reichten. Diese Auswirkungen tangieren den Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV), da sich als Folge Unterschiede im Gewicht und in der Wirkungsweise der Wählerstimmen ergeben können, je nachdem, in welchem Wahlkreis und für welche Partei sie abgegeben wurden.
Ein maßgeblicher Grund für die von den Antragstellern beanstandeten Effekte liegt in dem von ihnen angegriffenen Art. 44 Abs. 2 LWG, der die Modalitäten für das Entstehen von Überhang- und Ausgleichsmandaten regelt. Überhangmandate können sich nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 LWG ergeben, weil in den Stimmkreisen errungene Direktmandate erhalten bleiben, auch wenn sie die Zahl der einer Partei im Wahlkreis gemäß den Grundsätzen der Verhältniswahl (Art. 42 Abs. 2 LWG) zustehenden Sitzzahl übersteigen. Hinzu kommen gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 2 LWG Ausgleichsmandate für die Mitbewerber, wobei dem betroffenen Wahlkreis im Rahmen einer Fiktion so viele Sitze zugeordnet werden, bis der Proporz zwischen den Wahlbewerbern den Anforderungen der Verhältniswahl entspricht. Dies hat zum einen zur Folge, dass Wahlkreise, in denen Überhang- und Ausgleichsmandate anfallen, im Vergleich zu Wahlkreisen, in denen dies nicht oder in geringerem Umfang der Fall ist, mit – bezogen auf die Wahlberechtigten – verhältnismäßig mehr Abgeordneten im Landtag vertreten sind. Da sich die im Wahlkreis abgegebenen Stimmen damit rechnerisch auf mehr Abgeordnete verteilen, werden diesen die Mandate zum anderen aufgrund einer im Verhältnis zu anderen Wahlkreisen geringeren Stimmenanzahl zugeteilt.
bb) Zwar verpflichtet die Bayerische Verfassung nicht zur Gewährung von Überhang- und Ausgleichsmandaten (vgl. oben 2.), sie eröffnet jedoch ausdrücklich eine entsprechende Möglichkeit. In Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV kommt zum Ausdruck, dass der Verfassungsgeber das Entstehen von Überhang- und Ausgleichsmandaten als grundsätzlich mit dem von der Bayerischen Verfassung vorgegebenen Wahlsystem kompatibel erachtet (VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 64). Der Landesgesetzgeber kann sich daher für die Einführung solcher Mandate im Landeswahlgesetz entscheiden. Allerdings darf er bei der Ausgestaltung einer diesbezüglichen Regelung (vgl. Art. 14 Abs. 5 BV) nicht nur einseitig den Aspekt des Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV in den Blick nehmen, sondern muss auch den übrigen verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 BV Rechnung tragen. Der Grundsatz der Wahlgleichheit gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV stellt eine dieser Anforderungen dar, zu der jedoch weitere, teilweise in Konkurrenz hierzu stehende Vorgaben hinzutreten, die für Unterschiede bei den für ein Mandat nötigen Stimmenzahlen (mit) ursächlich sein können.
(1) Wie die Antragsteller zutreffend darlegen, gehört dazu vor allem die in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BV vorgesehene Wahl in Wahlkreisen, die den Regierungsbezirken entsprechen; ihr kommt im System der verbesserten Verhältniswahl die Bedeutung einer Einteilung in sieben selbstständige Wahlkörper zu. Dies hat zur Folge, dass die einzelnen Abschnitte des Wahlvorgangs, nämlich Bewerberaufstellung, Stimmabgabe und Auswertung der abgegebenen Stimmen sowie Zuteilung der Abgeordnetensitze, grundsätzlich getrennt in den Wahlkreisen vorzunehmen sind. Das in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BV zum Ausdruck kommende Anliegen besteht darin, eine engere Bindung zwischen Wählern und Abgeordneten zu schaffen und allzu große, unübersichtliche Landeslisten zu vermeiden. Dadurch soll gleichzeitig die persönliche Entscheidung des Wählers für „seinen“ Abgeordneten erleichtert werden (VerfGHE 45, 54/63 f.; 65, 189/202 f.).
Die getrennte Wahl in sieben selbstständigen Wahlkreisen ist zwangsläufig mit Einbußen an Proportionalität verbunden (VerfGHE 65, 189/203) und trägt wesentlich zu der von den Antragstellern beanstandeten regionalen „Verzerrung“ (vgl. oben aa)) bei. Sie ist jedoch Folge des von der Bayerischen Verfassung vorgegebenen Wahlsystems ohne überregionale Stimmenverrechnung, gegen das sich im Übrigen unter dem Blickpunkt der Wahlrechtsgleichheit grundsätzliche Einwände nicht erheben lassen (vgl. BVerfG vom 11.10.1972 BVerfGE 34, 81/99).
(2) Abweichungen von einer strikten Proportionalität ergeben sich auch aus den Regelungen der Bayerischen Verfassung für die Einteilung der Stimmkreise. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BV bilden grundsätzlich jeder Landkreis und jede kreisfreie Gemeinde einen Stimmkreis. Hiervon abweichend sind gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 4 BV räumlich zusammenhängende Stimmkreise zu bilden, soweit es der Grundsatz der Wahlgleichheit erfordert. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gebietet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV keine arithmetisch gleiche Einteilung der Stimmkreise. Zwischen dem Grundsatz der Wahlgleichheit und dem Grundsatz der Deckungsgleichheit besteht ein Spannungsverhältnis, das durch Abwägung der beiden Prinzipien zu lösen ist (VerfGH vom 10.10.2001 VerfGHE 54, 109/160; vom 20.12.2001 VerfGHE 54, 181/196 f.; VerfGHE 65, 189/211 f.). Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LWG bestimmt, dass die Einwohnerzahl eines Stimmkreises von der durchschnittlichen Einwohnerzahl der Stimmkreise im jeweiligen Wahlkreis nicht um mehr als 15% nach oben oder unten abweichen soll; beträgt die Abweichung mehr als 25%, ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen. Diese einfachgesetzliche Festlegung von Soll- und Höchstgrenzen, die Abweichungen von bis zu 50% bei der Einwohnerzahl und in der Folge auch im Hinblick auf die Zahl der Wahlberechtigten in den Stimmkreisen toleriert, wurde vom Verfassungsgerichtshof bereits überprüft und für verfassungsgemäß erachtet (VerfGHE 54, 109/137 ff.; 65, 189/212 f.).
(3) Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Freiheit der Wahl können sich bei spielsweise Auswirkungen auf die Proportionalität der Sitzverteilung ergeben. Zwar ist dieser Grundsatz in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV nicht ausdrücklich aufgeführt. Gleichwohl ist er als Wahlrechtsprinzip, dem im demokratischen Staatswesen sogar besonderes Gewicht zukommt, in der Bayerischen Verfassung geschützt (VerfGH vom 24.11.1966 VerfGHE 19, 105/110; vom 10.3.2020 – Vf. 56-III-19 – juris Rn. 39). Eine Wahlpflicht ist dem bayerischen Staatsrecht in diesem Zusammenhang fremd (Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 14 Rn. 21; Wollenschläger in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 14 Rn. 43; Holzner, Verfassung des Freistaates Bayern, 2014, Art. 14 Rn. 71; vgl. VerfGH vom 30.5.1968 VerfGHE 21, 110/120 zur Abstimmung bei Volksentscheiden; vom 21.12.2015 VerfGHE 68, 316 Rn. 33 zur Abstimmung bei Bürgerentscheiden). Es kann sich daher eine unterschiedliche Wahlbeteiligung in den Wahl- und Stimmkreisen ergeben, die ebenfalls dazu beiträgt, dass die Wählerstimmen im Vergleich unterschiedliche Erfolgswerte aufweisen und die Genauigkeit der verhältnismäßigen Repräsentation beeinträchtigt wird (VerfGHE 65, 189/205; vgl. auch BVerfGE 131, 316/341, 352).
cc) Insbesondere in Art. 14 BV hat der Verfassungsgeber somit eine Reihe von Anforderungen für die Gestaltung der Landtagswahl geregelt. Da diese teilweise in Konkurrenz zueinander stehen, ist eine – isoliert betrachtet – optimale Umsetzung jeder einzelnen Vorgabe faktisch unmöglich. Konkurrierende verfassungsrechtliche Voraussetzungen können daher auch Abweichungen vom verhältniswahlrechtlichen Grundsatz verzerrungsfreien Parteienproporzes und voller Erfolgswertgleichheit rechtfertigen. Der verhältniswahlrechtliche Wahlgleichheitssatz wird hierbei indes nicht völlig verdrängt, sondern behält bei der näheren Ausgestaltung des verfassungsrechtlich vorgezeichneten „verbesserten“ Verhältniswahlrechts seine regulative und begrenzende Funktion. Das bedeutet, dass der Wahlgesetzgeber – sofern verschiedene Gestaltungsmöglichkeit zur Verfügung stehen – derjenigen den Vorzug zu geben hat, die bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Wahl dem Grundsatz der Wahlgleichheit möglichst weitgehend Rechnung trägt. Schließlich können einer die Erfolgswertgleichheit beeinträchtigenden „Verbesserung“ des Verhältniswahlrechts auch absolute Grenzen gesetzt sein. Der Gesetzgeber ist gehalten, das in der Verfassung verankerte Wahlsystem und den Grundsatz der gleichen Wahl möglichst in Übereinstimmung zu halten (Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 14 Rn. 13, 24; VerfGHE 28, 222/238 f.; 45, 54/63; 65, 189/206).
Es ist nicht erkennbar, dass diese Grenzen durch Art. 44 Abs. 2 LWG überschritten würden. Mit der Zulassung von Überhangmandaten (Satz 1) trägt der Gesetzgeber dem mehrheitswahlrechtlichen Element des von der Bayerischen Verfassung in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV vorgegebenen Wahlsystems Rechnung. Dass er dabei die grundsätzliche Konzeption als Verhältniswahlrecht nicht aus dem Auge verloren hat, zeigt sich in der Zuweisung von Ausgleichsmandaten (Satz 2). Die von den Antragstellern gerügten regionalen Disparitäten sind insbesondere Folge der in Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BV vorgegebenen Wahl in Wahlkreisen. Sie führen unter dem Gesichtspunkt der Wahlgleichheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV), die eines von mehreren Elementen in einer Reihe verfassungsrechtlicher Maßgaben für die Landtagswahl darstellt, nicht dazu, dass Art. 44 Abs. 2 LWG verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre.
Die Antragsteller vertreten zwar die Auffassung, dass ein „anderes Verfahren“ der Zuteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten als das in Art. 44 Abs. 2 LWG vorgesehene der Wahlgleichheit besser gerecht werden könnte. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Modalitäten sich insoweit aufdrängen könnten, die sich zugleich in das Gesamtsystem der von der Bayerischen Verfassung normierten Anforderungen an die Landtagswahl einfügen und nicht ihrerseits neue Fragen im Hinblick auf die geltenden (weiteren) Wahlprinzipien aufwerfen würden (VerfGH BayVBl 2020, 86 Rn. 64). Insbesondere ist ein Reststimmenausgleich über die Wahlkreise hinaus auf der Grundlage des geltenden Verfassungsrechts nicht zulässig. Weitere von den Antragstellern angedeutete Gestaltungsmöglichkeiten, wie die Zulassung von wahlkreisübergreifenden Listenverbindungen oder eine Bildung der Sitzkontingente nach der Zahl der an der Wahl in den einzelnen Wahlkreisen tatsächlich teilnehmenden Personen, könnten zudem mit dem seinerseits unter dem Aspekt des Grundsatzes der Wahlgleichheit verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Effekt des negativen Stimmgewichts verbunden sein (vgl. VerfGHE 65, 189/205; BVerfG vom 3.7.2008 BVerfGE 121, 266 ff.; BVerfGE 131, 316 ff.). Anhand der insoweit sehr kursorischen Darlegungen der Antragsteller lässt sich somit nicht feststellen, dass dem Grundsatz der Wahlgleichheit mit anderen Gestaltungsmöglichkeiten offensichtlich besser Rechnung getragen werden könnte. Es ist im Übrigen nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, Überlegungen zur Perfektionierung des Landeswahlrechts wie ein Normgeber anzustellen. Hierzu sind allein der parlamentarische Gesetzgeber, dessen auch im Bereich des Wahlrechts grundsätzlich bestehendes Gestaltungsermessen zu respektieren ist, und gegebenenfalls der Verfassungsgeber berufen. Dem Verfassungsgerichtshof obliegt allein die Beanstandung von Verfassungsverletzungen; solche Verstöße werden durch die Popularklage jedoch nicht aufgezeigt.
VI.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).


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