Verwaltungsrecht

Erfolgloser Abänderungsantrag bzgl. einer Eilentscheidung

Aktenzeichen  M 9 S7 18.52389

Datum:
31.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18923
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 7 S. 2
MuSchG § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ein Abschiebungshindernis wegen Reiseunfähigkeit ist bei einer Schwangerschaft oder Niederkunft der abzuschiebenden Ausländerin anzunehmen, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht oder erst kurze Zeit zurückliegt, was aus den gesetzlichen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes folgt, wonach die Schutzfristen sechs Wochen vor der Entbindung beginnen und acht Wochen nach der Entbindung enden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Mit Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 25. Juli 2018 wird beantragt,
den Beschluss vom 10. Juli 2018 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen.
Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, der von vorn herein kein gesetzliches Vollstreckungshindernis darstellt, mit dem sich eine Abschiebung aufhalten ließe (BayVGH, B.v. 15.9.2015 – 15 ZB 15.50138 – juris), hat keinen Erfolg. Der zulässige – zwar wäre der Antrag wörtlich genommen bereits unzulässig, weil auch im Fall des § 80 Abs. 7 VwGO der Antrag neben der Abänderung auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu richten ist und nicht auf eine Feststellung, jedoch legt das Gericht den Antrag zweckentsprechend aus – Antrag ist unbegründet. Eine Abänderung des Beschlusses vom 10. Juli 2018 (Az. M 9 S 17.52576), auf den Bezug genommen wird, kommt weder aufgrund der Begründung des Abänderungsantrags noch von Amts wegen in Betracht. Veränderte oder nicht geltend gemachte Umstände, die zu einem anderen Ergebnis führen würden, liegen nicht vor.
Mit dem Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 25. Juli 2018, auf den Bezug genommen wird, wird geltend gemacht, dass mit der Antragsschrift für den Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO die „Original-Geburtsurkunden von … und …“ übersandt würden. Weiter werde ein Auszug aus dem Mutterpass der Lebensgefährtin des Antragstellers übersandt, aus dem hervorgehe, dass die Lebensgefährtin erneut schwanger und der berechnete Entbindungstermin am … Dezember 2018 sei. Außerdem werde mitgeteilt, dass, soweit das Gericht Zweifel an der Identität des Antragstellers habe, dieser jederzeit mit der Durchführung eines Vaterschaftstests einverstanden sei.
Sämtliche vorgebrachten Umstände stellen entweder bereits keine veränderten Umstände dar oder führen aus sonstigen Gründen nicht zu einem anderen Ergebnis.
1. Der Verweis auf die in Deutschland aufhältigen behaupteten beiden Kinder des Antragstellers und die Vorlage der italienischen Geburtsurkunden stellt genaugenommen bereits keinen veränderten Umstand dar, jedenfalls ändert er am Ergebnis des Ausgangsbeschlusses vom 10. Juli 2018 (Az. M 9 S 17.52576) nichts.
Zunächst stimmt es erstens nicht, dass, wie in der Antragsschrift der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 25. Juli 2018 behauptet, nun die Original-Geburtsurkunden der beiden Kinder vorgelegt werden. Es handelt sich auch bei den diesem Schreiben beigefügten Unterlagen nicht um Originale, sondern lediglich um einfache Kopien, weder beurkundet noch beglaubigt o.ä.
Unabhängig davon werfen zweitens die jetzt vorgelegten Kopien mehr Fragen auf als sie beantworten, insbesondere sind die beiden vorgelegten Kopien im äußeren Erscheinungsbild nicht einheitlich; auf der mit der neuen Antragsschrift vom 25. Juli 2018 vorgelegten Kopie betreffend … befindet sich beispielsweise rechts oben ein Stempel, der auf der mit demselben Schreiben vorgelegten Kopie betreffend … fehlt.
Wiederum unabhängig davon würde drittens auch die Vorlage originaler italienischer Geburtsurkunden (in Wirklichkeit handelt es sich bei den vorgelegten Unterlagen wohl um Registerauszüge) ohne Legalisation grundsätzlich nichts helfen, denn weder die Antragsgegnerin noch das Gericht noch übrigens auch die Antragstellerbevollmächtigte sind in der Lage, die Echtheit von Urkunden aus einem anderen Staat zu erkennen. Zur Anerkennung im inländischen Rechtsverkehr bedarf eine ausländische öffentliche Urkunde grundsätzlich der Legalisation. Den Anforderungen genügen würde vielmehr erst die Vorlage legalisierter Geburtsurkunden oder Registerauszüge, wobei im Falle italienischer Dokumente eine Apostille jedenfalls genügen würde. Ob im Falle Italiens auf Grund des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über den Verzicht auf die Legalisation von Urkunden vom 7. Juni 1969 (BGBl. 1974 II, S. 1069) in einem Gerichtsverfahren wie dem vorliegenden auch auf eine Apostille verzichtet werden könnte oder gar müsste, braucht hier nicht entschieden zu werden, denn jedenfalls müssten die italienischen Original-Dokumente vorgelegt werden, die – wie hier – bloße Vorlage von Kopien reicht in keinem Fall aus.
2. Ebenso wenig ändert die Schwangerschaft der vom Antragsteller geltend gemachten Lebensgefährtin etwas am Ergebnis des Beschlusses vom 10. Juli 2018 (Az. M 9 S 17.52576). Zwar stellt dieser Umstand tatsächlich ein neues Vorbringen dar, jedoch eines, das aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führt.
Unter Zugrundelegung der für die Lebensgefährtin des Antragstellers gemachten Angaben ist die geltend gemachte Schwangerschaft nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot zu Gunsten des Antragstellers zu begründen.
Das folgt zunächst daraus, dass daraus derzeit nicht einmal für die Lebensgefährtin selbst ein Abschiebungsverbot folgen würde. Die Angaben der Antragstellerbevollmächtigten zu Grunde gelegt, wird die Geburt nämlich voraussichtlich am … Dezember 2018 sein (vgl. die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte auszugsweise Kopie des Mutterpasses, wobei die Vorlage von wie hier nur zwei kopierten Seiten aus einem Mutterpass ohnehin zur Glaubhaftmachung nicht genügt, vgl. VG München, B.v. 28.7.2016 – M 6 S 16.50275 – juris Rn. 22). Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit dann anzunehmen, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht oder erst kurze Zeit zurückliegt. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften des mit Gesetz vom 23. Mai 2017, BGBl I 1228, neu beschlossenen und zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Gesetzes zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz – MuSchG). In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) und endet acht Wochen nach der Entbindung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 MuschG, vgl. zu Verlängerungstatbeständen § 3 Abs. 2 Satz 2 MuschG). Da diese Fristen hier im Entscheidungszeitpunkt bei Weitem noch nicht tangiert sind, kommt auch ein Abschiebungsverbot nicht in Betracht. Da somit bereits bei der geltend gemachten Lebensgefährtin selbst kein Abschiebungsverbot vorliegt, kann folgerichtig beim Antragsteller erst recht kein Abschiebungsverbot vorliegen.
Unabhängig davon steht nicht fest, dass der Antragsteller der Vater des Kindes ist, mit dem die geltend gemachte Lebensgefährtin derzeit schwanger ist.
Ob der Antragsteller mit der Durchführung eines Vaterschaftstests „jederzeit einverstanden“ ist, ist sowohl für die geltend gemachte Abstammung der beiden bereits geborenen Kinder als auch des Kindes, mit dem die geltend gemachte Lebensgefährtin derzeit schwanger ist, ohne Belang. In der Mitteilung, dass der Antragsteller mit einem Vaterschaftstest oder, wie zu ergänzen ist, mit einem Abstammungsgutachten einverstanden ist, liegt keine Glaubhaftmachung der behaupteten Umstände. Diese läge ggf. in der Vorlage eines Vaterschaftstests oder eines Abstammungsgutachtens durch den Antragsteller.
Nach alledem wird der Antrag abgelehnt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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