Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wegen Einreise aus sicherem Drittstaat

Aktenzeichen  M 17 E 16.30774

Datum:
20.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a, § 71 Abs. 1
GG GG Art. 16a Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der am …. Januar 1975 geborene Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger und gehört zur Volksgruppe der ….
Er beantragte erstmals am 1. März 2012 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung des Asylantrags trug der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … März 2012 vor, er habe in Serbien nicht mehr leben können, da er dort kein Geld habe. Er habe bis vor zwei oder drei Jahren normal gearbeitet, dann habe er auf der Straße gelebt. Deshalb sei er nach Österreich gegangen. Mit dem Geld, das er dort erhalten habe, habe er nach seiner Rückkehr in Serbien ein Haus kaufen wollen. Das hätten aber Nachbarn nicht zugelassen, außerdem sei das Haus schon an Serben verkauft worden. Er habe sich bei einer Organisation für … darüber beschwert, die ihm aber auch nicht habe helfen können. Er habe versucht, sein Geld von dem Immobilienbüro zurückzubekommen, aber auch ein Gericht habe entschieden, dass er keine Berechtigung habe, das Geld zurückzuerhalten. Im Januar 2012 sei sein Antrag auf Sozialhilfe abgelehnt worden. Seine Kinder hätten in ein Heim gehen sollen, weil er nichts habe. Außerdem würden die … in Serbien schlecht behandelt. Seine Kinder seien in ihrem Heimatort in der Schule geschlagen worden, in eine andere Stadt könnten sie nicht gehen, weil sie kein Geld hätten.
Mit Bescheid vom 28. März 2012 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Es stellte des Weiteren fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen. Die Abschiebung nach Serbien wurde angedroht, dem Antragsteller wurde eine Frist zur Ausreise von einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides gesetzt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. April 2012 (Au 6 S 12.30134 – juris) wurde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt und mit Beschluss vom 30. April 2012 das Klageverfahren (Au 6 K 12.30133) nach Klagerücknahme eingestellt.
Am 7. Mai 2015 beantragte der Antragsteller erneut seine Anerkennung als Asylberechtigter. Hierzu gab er schriftlich am …. Mai 2015 an, am … bzw. … Mai 2015 erneut nach Deutschland eingereist zu sein und wegen Armut und wegen Krankheit sein Heimatland verlassen zu haben. Er habe Probleme mit der Wirbelsäule, der Lunge und sei nervenkrank. Am … September 2015 ging beim Bundesamt ein Schreiben der Tochter des Antragstellers ein (Bl. 43 f. der Behördenakte – BA), in denen die Diskriminierung von … und einzelne Vorfälle geschildert werden, wonach die Familie des Antragstellers schlecht behandelt worden sei. Der Antragsteller habe ein Haus gekauft und dieses bezahlt, sei aber von der örtlichen Bevölkerung am Einzug gehindert worden. Die Polizei habe nichts unternommen und das Gericht seine Klage eingestellt. Wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit zum Volke der … finde er keine Arbeit. Auch seine Kinder würden deswegen in der Schule diskriminiert. Sein Sohn sei von einer Gruppe rassistischer Serben angegriffen und dabei schwer verletzt worden. Aus Angst habe er danach nicht mehr die Schule besuchen können. Darüber hinaus wären seine Verlobte und er gezwungen gewesen, Sozialhilfe zu beantragen, die ihnen aber verweigert worden sei und woraufhin man ihnen die Kinder habe wegnehmen und in Heimen unterbringen wollen.
Mit Bescheid vom 5. April 2016, zugestellt am 7. April 2016, lehnte die Antragsgegnerin die Anträge auf Durchführung weiterer Asylverfahren (Nr. 1) sowie auf Abänderung des Bescheides vom 28. März 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, ansonsten wurde die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Eine Änderung der Sachlage sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Bis auf das Argument hinsichtlich der Krankheiten seien sämtliche vorgebrachten Fluchtgründe bereits im Asylerstverfahren vorgetragen und geltend gemacht worden. Nach den Angaben des Antragstellers sei bereits 2001 ein Fleck auf seiner Lunge festgestellt worden. Das Lungenleiden sei weder innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis des neuen Umstandes im Rahmen eines neuen Asylverfahrens geltend gemacht worden noch sei ersichtlich aus welchen Gründen die Erkrankung nicht bereits im Asylerstverfahren vorgebracht worden sei.
Am 13. April 2016 erhob der Antragsteller zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (M 17 K 16.30773) und beantragte gleichzeitig, die Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von einer Mitteilung an die Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 5 AsylVfG abzusehen sowie hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, bisher keine Atteste habe vorlegen können, da er zunächst keinen Anspruch auf ärztliche Versorgung in der Unterkunft gehabt habe. Anschließend sei er in acht verschiedenen Unterkünften untergebracht worden. Dort habe er auch nur Anspruch auf Versorgung durch den Arzt gehabt, der in der Unterkunft zuständig gewesen sei. Das Attest, das er hätte vorlegen sollen, habe er nicht vorlegen können, da das Landratsamt die Kosten hierfür nicht übernommen habe, solange er keinen festen Wohnsitz habe vorweisen können. Er habe ein Attest aus Serbien und gebe dies nun zu den Unterlagen. Außerdem sei der Kläger der Polizei als Informant hinsichtlich der Mafia behilflich gewesen. Deshalb habe er in Serbien Probleme, da Betroffene ihn suchen würden. Vor 7-8 Monaten sei er in … von diesen Personen entdeckt worden. Der Antragsteller legte einen Überweisungsschein an einen Kinderpsychologen sowie einen handschriftlichen Befundbericht eines Facharztes für Anästhesie vom … März 2016 vor, wonach bei einer Tochter des Antragstellers ein fieberhafter Infekt und eine posttraumatische Belastungsstörung vorlägen.
Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 14. April 2016 (M 17 E 16.30716) die Anträge der Verlobten und der Kinder des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen (M 17 K 16.30715) gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab.
Die Antragsgegnerin übersandte mit Schreiben vom 15. April 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag, die Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von einer Mitteilung an die Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 5 AsylG abzusehen, ist unzulässig.
Nach § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO, also dann, wenn – wie hier – vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist. Grundlage für eine Abschiebung des Antragstellers ist die im Bescheid vom 5. April 2016 ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Gegen diesen belastenden Verwaltungsakt ist richtige Klageart die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO, so dass im vorläufigen Rechtsschutz ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet.
2.1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
2.2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag, so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Der vorliegende Eilantrag könnte deshalb nur dann Erfolg haben, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hätte, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Verfahrens, das zur Anerkennung des Antragstellers als Asylberechtigter bzw. zur Feststellung des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft oder eines Abschiebungsverbots nach § 4 AsylG, § 60 AufenthG führen wird, überwiegend wahrscheinlich gegeben sind. Dabei legt das Gericht den eingeschränkten Prüfungsmaßstab des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG (i. V. m. § 71 Abs. 4 AsylG) zugrunde, wonach die Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ausgesetzt werden darf.
Derartige ernstliche Zweifel bestehen hier nicht. Die Antragsgegnerin hat zu Recht die erneute Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt, da der Antragsteller die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens i. S. v. § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 4 AsylG, § 60 AufenthG nicht glaubhaft machen konnte.
Insoweit wird vollumfänglich auf die im Bescheid der Antragsgegnerin getätigten Ausführungen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
2.2.1. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) scheidet schon deswegen aus, weil der Antragsteller auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 2 AsylG eingereist ist.
2.2.2. Im Übrigen ist das Heimatland des Antragstellers, Serbien, ein sicherer Herkunftsstaat (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG und Anlage II zu § 29a AsylG). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – juris Rn. 65). Gegen die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat bestehen aber weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung der deutschen Verwaltungsgerichte, der sich das Gericht anschließt (vgl. VG Regensburg, B.v. 24.2.2015 – RN 6 S 15.30120 – juris Rn. 18; VG Bayreuth, B.v. 13.2.2015 – B 3 S 15.30041 – juris Rn. 17; VG Berlin U.v. 28.01.2015 – 7 K 546.15 A – juris Rn. 19-32; B. v. 9.12.2014, 7 L 603.14 A – juris; VG Hamburg B.v. 6.3.2015 – 5 AE 270/15 – juris Rn. 4; VG Gelsenkirchen, B.v. 29.1.2015 – 19a L 94/15.A; VG Oldenburg B.v. 9.4.2015 – 7 B 1548/15 – juris Rn. 22; VG Aachen, B.v. 3.2.2015 – 9 L 680/14.A – juris Rn. 9; a. A. VG Münster, Beschl. v. 27.11.2014, 4 L 867/14.A – juris sowie Bader in InfAuslR, 2015, 69 ff.).
Der Antragsteller hat die durch § 29a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Laut Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 23. November 2015 (S. 8ff.) gibt es keinerlei Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber …. Die meisten Minderheitenvertreter bezeichneten ihre eigene Situation vielmehr als grundsätzlich zufriedenstellend.
2.2.3. Soweit sich der Antragsteller unsubstantiiert auf wirtschaftliche Schwierigkeiten beruft, vermag dies schon mangels Anknüpfung an die dort genannten Merkmale keine Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG zu begründen. Im Übrigen war dieses Vorbringen auch bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens.
2.2.4. Dass der Antragsteller von Mitgliedern der Mafia aufgrund seiner Tätigkeit als Informant der Polizei bedroht werde, erscheint bereits unglaubwürdig, da der Antragsteller diesen Umstand erstmals in der Antragsbegründung vage, detailarm und unsubstantiiert schilderte. Selbst als wahr unterstellt, ist nicht ersichtlich, dass die Bedrohungen die flüchtlingsrelevante Schwelle überschreiten. Das Vorbringen lässt bereits keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Der Antragsteller trägt vielmehr vor, Opfer kriminellen Handelns geworden zu sein, ein verfolgungsrelevanter Bezug ist nicht erkennbar. Zudem erfordert § 3 c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der serbischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass nach dem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014 (im Folgenden: Lagebericht) eingeräumt wird, dass die Polizei nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe (insbesondere auf Minderheiten) vorgeht und die Polizei Übergriffe in manchen Fällen nur zögerlich verfolgt (Lagebericht, S. 11). Nach dem Bericht ist jedoch auch davon auszugehen, dass Anzeigen (auch von Minderheiten) wegen Körperverletzung zu Gerichtsprozessen führen. Für ein im System angelegtes Vollzugsdefizit staatlicher Schutzgewährung sieht das Gericht jedenfalls keine Anhaltspunkte. Der Antragsteller kann darüber hinaus in einen anderen Teil Serbiens ausweichen, wenn er an seinem Herkunftsort weitere Übergriffe befürchtet.
2.2.5. Auch bei Annahme einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG durch einen nichtstaatlichen Akteur kommt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. der entsprechenden Anwendung des § 3 c Nr. 3 AsylG die Gewährung subsidiären Schutzes nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung, dass der Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, fehlt (siehe 2.2.4.).
2.2.6. Die nunmehr erstmals geltend gemachten Erkrankungen des Antragstellers stellen kein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst zwar nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann aber gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u.a – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56).
Diese Rechtsprechung hat nunmehr auch in § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG seinen Niederschlag gefunden, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vorliegt bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Demnach kann hier von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden:
Abgesehen davon, dass keine Atteste o.ä. vorgelegt wurden, die den Mindestanforderungen des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15) genügen (vgl. § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG), ist laut Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 23. November 2015 (S. 15ff.) die medizinische Versorgung in Serbien grundsätzlich gewährleistet. Im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems genießen Angehörige von Minderheiten die gleichen Rechte wie die serbische Mehrheitsbevölkerung. Im Gegenteil werden Angehörige der …-Minderheit, sofern sie wegen ihrer traditionellen Lebensweise keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben, grundsätzlich kostenfrei und ohne finanzielle Eigenbeteiligung behandelt.
2.2.7. Eine etwaige Geltendmachung der Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen aufgrund einer bestehenden Ehe bzw. eines etwaigen Familienverbands (Art. 6 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) wäre kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ein im Rahmen von § 60a AufenthG zu prüfendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, für das sich der Antragsteller auf einen Antrag auf Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde verweisen lassen muss (vgl. NdsOVG, U.v. 18.5.2010 – 11 LB 186/08 – juris Rn. 47; OVG Berlin-Bbg. B.v. 30.4.2013 – OVG 12 S 25.13 – juris unter Hinweis auf § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; BVerwG, U.v. 25.9.1997 – 1 C 6/97 – juris).
3. Demnach ist weder die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 71 Abs. 4, 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erneut erlassene (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG) Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung noch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf dreißig Monate (§ 11 AufenthG) zu beanstanden.
4. Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
5. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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