Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zuerkennung von Tätigkeitsbegriffen (TIV-ID)

Aktenzeichen  1 WB 2/21

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:281021B1WB2.21.0
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat

Leitsatz

1. Die Zuerkennung eines Tätigkeitsbegriffs stellt eine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens nach der Wehrbeschwerdeordnung sein kann (Fortführung der Rechtsprechung zum Personalbegriff, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2010 – 1 WB 56.09 – Buchholz 449 § 82 SG Nr. 6).
2. Die Einrichtung, Ausgestaltung und Fortentwicklung eines Tätigkeitsinformationssystems zur Erfassung dienstlich relevanter Befähigungen liegt im organisatorischen und personalwirtschaftlichen Ermessen des Dienstherrn.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin begehrt die dienstliche Anerkennung von Qualifikationen.
2
Die 1970 geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2025. Sie ist Angehörige der … und war von Juli 2013 bis August 2019 als … bei der … eingesetzt. Seit 1. September 2019 ist sie als Mitglied des … vom Dienst freigestellt und seit 1. Dezember 2020 auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim … versetzt.
3
Mit Schreiben vom 22. Februar 2018 beantragte die Antragstellerin unter Vorlage entsprechender Unterlagen die “Zuerkennung (…) zivilberuflich anerkannter Qualifikationen”, die sie im Zeitraum von 2011 bis 2017 vor dem Hintergrund ihrer dienstlichen Verwendungen berufsbegleitend erworben habe. Im Einzelnen handelt es sich um folgende zehn Qualifikationen:
1. Qualitätsmanagementbeauftragter gemäß dem Curriculum “Ärztliches Qualitätsmanagement” der Bundesärztekammer, Landesärztekammer …,
2. Qualitätsauditor/in im Sozial- und Gesundheitswesen, Kolping Akademie in …,
3. Bildungscontrolling und Evaluation, AKAD Wissenschaftliche Hochschule in …,
4. Qualitätsmanager TÜV, Fernschule Weber – Institut· für Fernunterricht …,
5. Betrieblicher Datenschutzbeauftragter gemäß § 4f BDSG, Sachverständiger … in …,
6. Geprüfte Personalmanagerin, Deutsche Akademie für Management, …,
7. Teil IV der Meisterprüfung, Prüfung nach der Ausbildereignungsverordnung vom 21. Januar 2009 (Bundesgesetzblatt I S. 88), Industrie- und Handelskammer, …,
8. Risk Manager, TÜV SÜD Akademie, …,
9. Diplomierter Bildungsmanager, KMU Akademie & Management AG, …,
10. Personalrisikomanagement, Zentrum für Weiterbildung und Wissenstransfer – Universität …
4
Mit Bescheid vom 25. Juli 2018 lehnte der Inspekteur des … der Bundeswehr diesen Antrag ab. Bei sämtlichen Qualifikationen seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Tätigkeitsbegriffs bzw. einer Qualifikation im Tätigkeitsinformationsverfahren nicht gegeben. Entweder erfülle die Antragstellerin nicht die für die Zuerkennung erforderlichen Voraussetzungen oder eine entsprechende TIV-ID sei im Informationsverfahren nicht hinterlegt und es fehle der dienstliche Bedarf an einer entsprechenden Neuaufnahme.
5
Die von der Antragstellerin hiergegen erhobene Beschwerde vom 10. September 2018 wies der Generalinspekteur der Bundeswehr mit Bescheid vom 11. März 2019 aus im Wesentlichen denselben Gründen zurück. Bei den angegebenen zehn Qualifikationen sei in acht Fällen keine korrespondierende TIV-ID im System vorhanden. In den beiden anderen Fällen lägen die persönlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht vor.
6
Die hiergegen erhobene weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 17. April 2019 wies das Bundesministerium der Verteidigung mit Bescheid vom 1. Juli 2020 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es einer Anerkennung nicht bedürfe, weil die von der Antragstellerin aufgeführten zivilberuflichen Qualifikationen bereits durch die jeweilige Ausbildungseinrichtung mit dem erfolgreichen Abschluss der dortigen Prüfungen und in der Regel mit der Aushändigung einer Urkunde attestiert worden seien; eine nochmalige Zuerkennung durch die dienstlichen Vorgesetzten komme nicht in Betracht. Die Beschwerde habe aber auch keinen Erfolg, soweit es der Antragstellerin um die Zuerkennung der entsprechenden militärischen Tätigkeitsbegriffe oder Qualifikationen mittels TIV-ID (früher: Personalbegriffe) gehe. Bei acht der zivil erworbenen Qualifikationen sei die Beschwerde bereits unzulässig, weil die Antragstellerin ihr Begehren nicht hinreichend konkretisiert habe. Ein militärischer Tätigkeitsbegriff oder eine Qualifikation könne nur zuerkannt werden, wenn diese im Tätigkeitsinformationsverfahren mit einer Identifizierungsnummer hinterlegt seien und der Soldat die dort beschriebenen Merkmale erfülle. Eine diesbezügliche Prüfung sei nur möglich, wenn der Soldat einen bestimmten militärischen Tätigkeitsbegriff oder eine Qualifikation mittels TIV-ID konkret bezeichne, was spätestens im Beschwerdeverfahren erfolgen müsse. Das gelte insbesondere, wenn bereits kein dem Wortlaut der zivilen Qualifikation entsprechender militärischer Tätigkeitsbegriff oder Qualifikation existiere. Für die zwei weiteren Qualifikationen existierten zwar TIV-ID. Bei der Qualifikation Qualitätsmanagementbeauftragter (TIV-ID 8051045) handele es sich jedoch um eine Weiterbildung im Werdegang “Arzt im Gebiet Allgemeinmedizin”, was auf die Antragstellerin nicht zutreffe. Die Qualifikation Teil IV der Meisterprüfung entspreche zwar verbal dem Tätigkeitsbegriff Ausbildungs- und Lehrfeldwebel Streitkräfte (TIV-ID 1001660). Nach ihrer Dienstpostenbeschreibung sei die Antragstellerin jedoch weder mit Ausbildertätigkeiten betraut noch verfüge sie über ein entsprechendes Training, was die Zuerkennung dieser militärischen Qualifikation ausschließe.
7
Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 5. August 2020 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 23. Dezember 2020 dem Senat vorgelegt.
8
Zur Begründung führt die Antragstellerin insbesondere aus:
Die angefochtenen Bescheide verkürzten ihr Begehren, wenn dieses so ausgelegt werde, dass es sich nur auf die Zuerkennung bestimmter Tätigkeitsbegriffe oder Qualifikationen mit TIV-ID richte. Ihr Antrag beschränke sich nicht darauf, in einem bestimmten derzeit betriebenen Datenverarbeitungsprogramm mit bestimmten Begrifflichkeiten erfasst zu werden. Es gehe ihr um die Anerkennung ihrer aus dienstlichem Anlass erworbenen zivilberuflichen Qualifikationen. Ob sich diese bei künftigen Verwendungsentscheidungen als eignungsrelevant erwiesen, hänge nicht davon ab, ob zum Zeitpunkt der Entwicklung eines bestimmten Datenverarbeitungsprogramms hierfür ein Bedarf gesehen werde. Der Standpunkt, nur solche Qualifikationen anerkennen zu wollen, für die zu einem zurückliegenden Zeitpunkt ein Bedarf in Form eines Tätigkeitsbegriffs bejaht worden sei, finde im geltenden Recht keine Stütze. Im Gegenteil erkenne die Bundeswehr inzwischen in großem Umfang zivilberuflich erworbene Qualifikationen als eignungsrelevant an. Die Bescheide räumten ein, dass die unter Nr. 1 genannte Ausbildung inhaltlich der TIV-ID 8051045 entspreche; auch wenn die Ausbildung üblicherweise für den höheren Dienst vorgesehen sei, ändere dies nichts daran, dass sie diese für ihre ausgeübte Tätigkeit absolviert und mit Erfolg bestanden habe. Soweit hinsichtlich der Qualifikationen Nr. 2 und 10 bisher keine gesonderten TIV-ID festgelegt seien, belege dies allenfalls einen fehlenden Nachvollzug der Weiterentwicklung der zivilberuflichen Landschaft; die Ausbildungen seien im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit im Qualitätsmanagement dienstlich veranlasst gewesen und somit auch eignungsrelevant für die Wahrnehmung entsprechender Dienstposten. Soweit hinsichtlich der Qualifikationen Nr. 3, 4, 6 und 9 eingewandt werde, dass es sich trotz förmlicher Zertifikate und Abschlusszeugnisse nicht um rechtlich geschützte Berufsabschlüsse handele, sei dies kein Hindernis für eine Eintragung als “sonstiger Abschluss”. Hinsichtlich der Qualifikation Nr. 5 räumten die Bescheide ein, dass die Ausbildung inhaltlich der TIV-ID 1120030 entspreche. Die Verweigerung der Dokumentation stütze sich nicht auf das Fehlen der Ausbildung, sondern eine bisher fehlende Tätigkeit als Administrativer Datenschutzbeauftragter in Hauptfunktion. Ziel der Dokumentation von Qualifikationen sei jedoch kein Tätigkeitsnachweis, sondern der Nachweis fachlicher Befähigung. Ebenso sei durch die Qualifikation Nr. 7 die Ausbilder-Befähigung (Teil IV der Meisterprüfung) nachgewiesen, was der TIV-ID 1001660 entspreche. Es sei widersprüchlich, sie darauf zu verweisen, dass sie die Möglichkeit habe, die Zuerkennung einer ATN zu beantragen, wenn sie künftig auf einem Dienstposten als Ausbildungs- und Lehrfeldwebel verwendet werde. Eine dahingehende Verwendungsplanung setze voraus, dass Informationen darüber erfasst seien, dass sie bereits entsprechende Qualifikationen mitbringe. Soweit hinsichtlich der Qualifikation Nr. 8 darauf verwiesen werde, dass die entsprechende TIV-ID den Laufbahnen des gehobenen und höheren Dienstes vorbehalten sei, zementiere dies die Trennung der Laufbahnen.
9
Die Antragstellerin beantragt,
das Bundesministerium der Verteidigung zur Anerkennung der zehn im Antrag vom 22. Februar 2018 beschriebenen und dokumentierten Qualifikationen zu verpflichten,
hilfsweise, das Bundesministerium der Verteidigung zur Neubescheidung nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats zu verpflichten.
10
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte der Antragstellerin haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

12
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
13
1. Der Antrag ist nur zum Teil zulässig.
14
a) Soweit es der Antragstellerin um die Anerkennung (als solche) geht, dass sie die zehn von ihr bezeichneten und durch Urkunden, Zeugnisse, Zertifikate und Bescheinigungen nachgewiesenen Qualifikationen erworben hat, ist der Antrag unzulässig. Der Erwerb dieser Qualifikationen ist von Seiten des Bundesministeriums der Verteidigung unbestritten und auch in seiner – potentiellen – dienstlichen Bedeutung gewürdigt, sodass für eine dahingehende Feststellung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
15
Die Antragstellerin hat die Qualifikationen im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Verwendung berufsbegleitend erworben. Aus den Akten ist ersichtlich, dass sie zu einem Teil der Ausbildungen – insoweit unmittelbar im dienstlichen Interesse – kommandiert wurde. Ihre Personalgrundakte weist entsprechende Lehrgangszeugnisse und -nachweise aus und dokumentiert auch im Übrigen die außerdienstlich erworbenen Qualifikationen. Die Qualifikationen sind auch in das SASPF-System der Bundeswehr eingepflegt und werden auf dem Personalstammblatt für die Antragstellerin ausgewiesen. Schließlich führen die planmäßigen dienstlichen Beurteilungen aus dem Zeitraum von 2011 bis 2017 sämtliche dienstlichen und nicht-dienstlichen berufsbegleitenden Weiterbildungen der Antragstellerin jeweils im Abschnitt 2 (Beschreibung der im Beurteilungszeitraum ausgeführten Aufgaben/Tätigkeiten) auf. Die von ihr erworbenen Qualifikationen sind damit in der Personalakte, die für die Sammlung aller Unterlagen bestimmt ist, die die Soldatin betreffen und mit ihrem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen (§ 29 Satz 1 SG i.V.m. § 106 Abs. 1 Satz 4 BBG), ebenso wie in den dienstlichen Beurteilungen, die die wesentliche Grundlage für Personalentscheidungen bilden (Nr. 101 ZDv A-1340/50), ordnungsgemäß erfasst. Der Antragstellerin ist es unbenommen, die so dokumentierten Befähigungen in jedem einschlägigen dienstlichen Zusammenhang (wie zum Beispiel einer Bewerbung oder einem Personalentwicklungsgespräch) als Eignungsmerkmal im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG herauszustellen.
16
b) Der Antrag ist zulässig, soweit es der Antragstellerin um die formalisierte Anerkennung durch die – vorhandenen oder zu schaffenden – personellen Ordnungsmittel geht, über die die von den Soldaten erworbenen Befähigungen Eingang in die personalwirtschaftlichen Verfahren finden, mit denen die Bundeswehr ihre Ausbildungs- und Verwendungsplanung bis hin zur konkreten Dienstpostenbesetzung steuert.
17
Nach der Rechtsprechung des Senats ist für Streitigkeiten um die Zuerkennung eines soldatenrechtlichen – mit einer bestimmten Ausbildungs- und Tätigkeitsbezeichnung (ATB) und Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer (ATN) verbundenen – Personalbegriffs, der nach der früheren Vorschriftenlage das zentrale personalorganisatorische Ordnungsmittel im Organisationsverbund der Bereiche Personal, Organisation und Ausbildung bildete, der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2010 – 1 WB 56.09 – Buchholz 449 § 82 SG Nr. 6 = juris Rn. 18 ff. ). Die Vergabe eines Personalbegriffs bzw. einer ATB/ATN stellt eine anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) dar, weil diese für die Verwendungsbreite des Soldaten von grundlegender Bedeutung sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. März 1995 – 1 WB 87.94 – Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 4 = juris Rn. 4 und vom 21. Juli 2010 – 1 WB 56.09 – Rn. 24).
18
Diese Rechtsprechung ist auf die personellen Ordnungsmittel des Tätigkeitsbegriffs und der Qualifikation im Sinne der Zentralen Dienstvorschrift A-1370/2 (Personelle Ordnungsmittel im Tätigkeitsinformationsverfahren) übertragbar, die diejenige Funktion erfüllen, die zuvor dem Ordnungsmittel des Personalbegriffs zukam. Das von der Bundeswehr aktuell eingesetzte Tätigkeitsinformationsverfahren (TIV) stellt hierzu allen Nutzern verbindliche Informationen über die in der Bundeswehr genutzten Tätigkeitsbegriffe und Qualifikationen (sowie die hier nicht gegenständlichen Dienststellungen und Sammelfachtätigkeiten) zur Verfügung, um diese zentral und für alle Prozesse in den Hauptprozessen Personal, Organisation und Individualausbildung verfügbar und nutzbar zu machen (Nr. 101, 103 und 601 ZDv A-1370/2). Dabei wird durch einen zuerkannten Tätigkeitsbegriff bzw. eine zuerkannte Qualifikation bescheinigt, dass eine Person grundsätzlich eine bestimmte Befähigung zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit oder Dienststellung besitzt (Nr. 304 und 305 ZDv A-1370/2); die zugeordnete Identifizierungsnummer (TIV-ID) entspricht der früheren ATN. In Verbindung mit der verbindlichen Steuerung durch das Tätigkeitsinformationsverfahren kommt der Zuerkennung – ebenso wie im negativen Sinne der Nicht-Zuerkennung – eines Tätigkeitsbegriffs bzw. einer Qualifikation mit TIV-ID eine künftige Verwendungsentscheidung wesentlich vorprägende Bedeutung zu.
19
2. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet. Der ablehnende Bescheid des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vom 25. Juli 2018 und die Beschwerdebescheide des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 11. März 2019 und des Bundesministeriums der Verteidigung vom 1. Juli 2020 sind rechtmäßig. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr auf der Grundlage der geltenden Vorschriftenlage ein formeller Tätigkeitsbegriff oder eine formelle Qualifikation im Tätigkeitsinformationssystem der Bundeswehr zuerkannt wird oder dass das Tätigkeitsinformationssystem dahingehend ergänzt oder fortentwickelt wird, dass es eine derartige Zuerkennung zulässt. Sie hat deshalb auch keinen Anspruch auf eine Neubescheidung ihres Antrags.
20
a) Die angefochtenen Bescheide haben die Zuerkennung eines Tätigkeitsbegriffs oder einer Qualifikation im Tätigkeitsinformationssystem der Bundeswehr auf der Grundlage des aktuell geltenden Katalogs von Befähigungen mit TIV-ID zu Recht abgelehnt.
21
aa) Die Zuerkennung eines Tätigkeitsbegriffs oder einer Qualifikation ist nicht normativ geregelt, sondern erfolgt auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften, hier insbesondere der Zentralen Dienstvorschrift A-1370/2 und der in Nr. 305 ZDv 1370/2 in Bezug genommenen, auf die aktuellen Ordnungsmittel entsprechend anzuwendenden “Hinweise und Begriffsbestimmungen zur Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer” (VMBl. 2001, S. 114). Gemäß Nr. 5.2 Abs. 2 dieser Hinweise wird ein Personalbegriff bzw. hier entsprechend: ein Tätigkeitsbegriff oder eine Qualifikation zuerkannt, wenn der Soldat nachgewiesen hat, dass er die für die Ausübung einer bestimmten militärischen Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Eignung besitzt sowie die weiteren im Tätigkeitsbild festgelegten Anforderungen erfüllt.
22
Außenwirkung gegenüber dem einzelnen Soldaten erlangen Verwaltungsvorschriften mittelbar über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG; eine an Verwaltungsvorschriften orientierte ständige Verwaltungspraxis verpflichtet zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle (stRspr, vgl. bes. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2008 – 1 WB 19.07 – Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 Rn. 23). Die Antragstellerin hat deshalb Anspruch auf eine Behandlung ihres Anerkennungsbegehrens entsprechend den gleichmäßig vollzogenen Verwaltungsvorschriften.
23
bb) Soweit für drei der geltend gemachten Qualifikationen (Nr. 1, 5 und 7) eine konkret bezeichnete TIV-ID im Streit steht, erfüllt die Antragstellerin nach den vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegten Unterlagen nicht die Voraussetzungen für deren Zuerkennung. Eine Zuerkennung der TIV-ID 8051045 (Zusatz-Weiterbildung Ärztliches Qualitätsmanagement) für die Fortbildung im Qualitätsmanagement kommt für die Antragstellerin als Sanitätsfeldwebel nicht in Betracht, weil diese TIV-ID nur für Soldaten der Ausbildungshöhe Stabsoffizier und fachlich nur für Ärzte und Fachärzte vorgesehen ist. Die TIV-ID 1120030 (Administrativer Datenschutzbeauftragter Bundeswehr) kann für die erfolgreiche Teilnahme am Fernkurs Betrieblicher Datenschutzbeauftragter nicht zuerkannt werden, weil diese TIV-ID im Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr wegen der besonderen Anforderungen des Datenschutzes in der Bundeswehr nur aufgrund eines dienstlichen Trainings für Personal, das mit Aufgaben des Datenschutzes betraut ist, vergeben wird. Ähnlich ausgestaltet ist die Zuerkennung der TIV-ID 1001660 (Ausbildungs- und Lehrfeldwebel Streitkräfte), die auf der Grundlage zweier (alternativer) dienstlicher Lehrgänge an Soldaten vergeben wird, die Dienstposteninhaber in Lehrverwendung oder für eine solche Verwendung vorgesehen sind; die Antragstellerin hat weder einen dieser Lehrgänge absolviert noch nimmt sie eine Lehrverwendung wahr oder ist sie für eine solche Verwendung vorgesehen.
24
Auch hinsichtlich der übrigen sieben Qualifikationen kann nicht festgestellt werden, dass der Antragstellerin die Zuerkennung einer TIV-ID zu Unrecht verweigert wurde. Der Antragstellerin kann zwar nicht vorgehalten werden, dass sie insoweit keine konkrete TIV-ID bezeichnet hat, auf die sich ihr Antrag auf Zuerkennung bezieht; es ist Aufgabe der zuständigen Stelle, bei Vorlage eines Qualifikationsnachweises von Amts wegen zu prüfen, ob und in welcher Form eine formale dienstliche Anerkennung in Betracht kommt. Wird jedoch, wie bereits in dem Ausgangsbescheid des Inspekteurs des Sanitätsdienstes geschehen, im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen die Zuerkennung einer TIV-ID nach geltender Vorschriftenlage nicht in Betracht kommt, so fällt es der Antragstellerin zu, ihrerseits substantiiert eine fehlerhafte, insbesondere gleichheitswidrige (Art. 3 Abs. 1 GG) Anwendung der Vorschriften darzulegen. Daran fehlt es hier, denn die Kritik der Antragstellerin richtet sich hier – wie auch hinsichtlich der drei konkret bezeichneten TIV-ID – im Kern gegen die aktuelle Ausgestaltung des Tätigkeitsinformationssystems, dessen Änderung sie begehrt.
25
b) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass das Tätigkeitsinformationssystem der Bundeswehr dahingehend ergänzt oder fortentwickelt wird, dass es für die von ihr erworbenen Qualifikationen die Zuerkennung eines formellen Tätigkeitsbegriffs oder einer formellen Qualifikation mit TIV-ID eröffnet. Die Ausgestaltung des Tätigkeitsinformationssystems unterliegt einem grundsätzlich weiten personalwirtschaftlichen und organisatorischen Ermessen des Dienstherrn, das gerichtlich nur auf sachfremde Erwägungen überprüfbar ist. Solche sachfremden Erwägungen sind hier nicht ersichtlich.
26
Nach ständiger Rechtsprechung fällt die Entscheidung darüber, welchen “Zuschnitt” ein Dienstposten haben soll, welche Zuständigkeiten ihm im Einzelnen zugewiesen sind und welche Fachkenntnisse zur Erfüllung der Aufgaben auf dem Dienstposten erforderlich sind, in das Organisationsermessen des Dienstherrn, das hinsichtlich der Maßgaben militärischer Zweckmäßigkeit nicht, im Übrigen nur auf sachfremde Erwägungen gerichtlich überprüfbar ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 – 1 WB 39.07 – BVerwGE 133, 1 Rn. 42 und 21. Juli 2021 – 1 WB 4.21 – juris Rn. 27 sowie entsprechend für das Beamtenrecht Urteile vom 16. Oktober 2008 – 2 A 9.07 – BVerwGE 132, 110 Rn. 54 und vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 – BVerwGE 141, 361 Rn. 18). Diese Grundsätze gelten auch für das personalwirtschaftliche Ermessen bei der Ausgestaltung des Tätigkeitsinformationssystems, weil die dienstpostenbezogene und die personenbezogene Bedeutung (Überschriften zu Abschnitte 3.1 und 3.2 der ZDv A-1370/2) der Tätigkeitsbegriffe und Qualifikationen in ihrer Nutzung funktionell untrennbar miteinander zusammenhängen.
27
Tätigkeitsbegriffen (für die aktuell nur eingeschränkte Verwendung von Qualifikationen vgl. Fußnote 11 zu Abschnitt 3 der ZDv A-1370/2) kommt – soweit hier von Interesse – eine doppelte Bedeutung zu. Sie dienen zum einen der Beschreibung von Dienstposten und dokumentieren das damit verbundene grundlegende Anforderungsprofil (Nr. 301 Satz 1 ZDv A-1370/2). Zum anderen wird in der Personalbearbeitung durch einen zuerkannten Tätigkeitsbegriff bescheinigt, dass eine Person eine bestimmte Befähigung zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit oder Dienststellung besitzt (Nr. 304 Satz 1 ZDv A-1370/2). Auf diese Weise ermöglichen Tätigkeitsbegriffe im Rahmen der Personalbearbeitung einen Abgleich zwischen dem organisatorischen Soll (grundsätzliche Anforderungen des Dienstpostens) mit dem personellen Ist (individuelle Qualifikation) (Nr. 303 Satz 1 ZDv A-1370/2).
28
Werden die grundlegenden Anforderungen für die Besetzung von Dienstposten in der Bundeswehr damit durch Tätigkeitsbegriffe (früher ATN/ATB) beschrieben, so besteht ein legitimes personalwirtschaftliches Interesse daran, die entsprechenden Befähigungen in dem der Personalbearbeitung dienenden Tätigkeitsinformationssystem abzubilden. Damit verbunden ist naturgemäß eine Ausrichtung am dienstlichen Bedarf, aber auch eine gewisse Typisierung und Schematisierung der erfassten Qualifikationen. Denn die Tätigkeitsbegriffe sollen nicht ein vollständiges Profil des einzelnen Soldaten in seiner Individualität entwerfen, sondern dabei helfen, die Personal- und Verwendungsplanung bis hin zur konkreten Dienstpostenbesetzung für den gesamten Personalkörper der Bundeswehr und damit für eine unbestimmte Vielzahl von Soldaten zu steuern.
29
Dem personalwirtschaftlichen Ermessen unterliegen deshalb auch die Entscheidungen darüber, mit welcher Vergröberung oder Variationsbreite die jeweiligen Fähigkeiten erfasst werden sollen, welches Befähigungsniveau gefordert wird, in welchen Werdegängen bestimmte Befähigungen zum Einsatz kommen sollen oder welche Ausbildungseinrichtungen und -formen anerkannt werden. Gleiches gilt für die Fortentwicklung und Anpassung des Tätigkeitsinformationssystems, für das in Abschnitt 4 der ZDv A-1370/2 ein institutionalisiertes Verfahren zur Neuaufnahme und zur Aktualisierung von Tätigkeitsbegriffen und Qualifikationen vorgesehen ist. Auch insoweit liegt es in der Verantwortung und im Ermessen des Dienstherrn, die durch das Tätigkeitsinformationsverfahren gestützte Personalführung nach Maßgabe militärischer Zweckmäßigkeit zu organisieren.
30
Soweit danach eine individuell erworbene Qualifikation im Tätigkeitsinformationssystem nicht erfasst wird und der Dienstherr auch keinen Anlass zur Einführung eines neuen Tätigkeitsbegriffs sieht, steht die Antragstellerin nicht anders oder schlechter als andere Soldaten. Insoweit verbleibt es für sie wie für alle Soldaten bei den individualisierenden Formen der Personalführung, wie etwa dem Personalentwicklungsgespräch.


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