Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung in asylrechtlicher Streitigkeit

Aktenzeichen  9 ZB 17.30528

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27388
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.30459 2017-03-29 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones. Er begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 29. März 2017 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und es liegt auch kein Verfahrensmangel (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) vor.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2019 – 9 ZB 19.32756 – juris Rn. 3). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Das Zulassungsvorbringen stellt bereits keine konkrete Frage. Soweit diesem sinngemäß die Frage entnommen werden kann, ob männliche sierra-leonische Staatsangehörige bei einer Weigerung, sich einer der für Sierra Leone typischen Geheimbünde anzuschließen, landesweit mit Gefahren für Leib und Leben oder Freiheit rechnen müssen, ist dies nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat anhand der Ausführungen des Klägers, dass Mitglieder einer Geheimgesellschaft ihn insgesamt dreimal aufgesucht hätten, um ihn zum Beitritt zu bewegen, eine Verfolgungshandlung verneint. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht auf die aktuelle Auskunftslage Bezug genommen. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander, insbesondere wird auch nicht dargelegt, dass sich angesichts der Situation in Sierra Leone die tatsächlichen Verhältnisse anders darstellen, als vom Verwaltungsgericht angenommen (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 9 ZB 19.31596 – juris Rn. 4).
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) wegen der Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 16. Juni 2017 gestellten Beweisantrags liegt nicht vor.
Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht einen Beweisantrag zur Wahrscheinlichkeit asylrechtsrelevanter Repressalien bei einer Weigerung, sich einem der für Sierra Leone typischen Geheimbünde anzuschließen, die Verfolgungsgefahr auch bei Aufenthalt in einer der größeren Städte Sierra Leones weiterhin bestehe, gestellt. Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag mit mehreren selbständig tragenden Begründungen abgelehnt. Es hat darauf abgestellt, dass nicht dargelegt sei, inwieweit die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse bringen würde als die, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden, insbesondere die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9. Januar 2017, dass das Vorbringen des Klägers bereits keine zureichenden Anhaltspunkte dafür ergeben habe, dass Repressalien zu befürchten habe, dass keine zureichenden Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Kläger in Freetown nicht vor einer etwaigen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure sicher wäre und dass es sich bei der Frage, ob asylrechtsrelevante Repressalien vorlägen um eine vom Gericht zu beantwortende Wertungs- und Rechtsfrage handle. Danach ist der Beweisantrag jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger keine ausreichende Verfolgungshandlung vorgetragen hat. Beweisanträge sind jedoch auch nur zu berücksichtigen, soweit sie entscheidungserheblich sind (vgl. BVerfG, B.v. 1.8.2017 – 2 BvR 3068/14 – juris Rn. 68). Im Übrigen wird im Zulassungsvorbringen auch nicht ausreichend dargelegt, weshalb die vom Verwaltungsgericht herangezogene Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9. Januar 2017, gerade auch in Bezug auf den Kläger, der nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts kein ausreichendes Verfolgungsschicksal vorgetragen hat, nicht ausreichend sein sollte (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 9 ZB 190.31596 – juris Rn. 5). Das Zulassungsvorbringen zeigt zudem nicht auf, dass das Verwaltungsgericht die Einholung weiterer Auskünfte ermessensfehlerhaft abgelehnt hat (vgl. zu den Anforderungen: BayVGH, B.v. 22.7.2019 – 8 ZB 19.31614 – juris Rn. 17).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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