Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung mangels Begründung beim Verwaltungsgericht

Aktenzeichen  5 ZB 19.33539

Datum:
28.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27581
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 4 S. 2, S. 4
VwGO § 60 Abs. 1, § 124a Abs. 4 S. 5

 

Leitsatz

1. Aus dem klaren Wortlaut der Norm und dem Zusammenspiel von § 78 Abs. 4 Satz 2 und 4 AsylG ergibt sich, dass neben dem Antrag auch die Begründung des Antrags (ggf. in mehreren Schriftsätzen)nur beim Verwaltungsgericht dargelegt werden kann. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wegen der klaren gesetzlichen Regelung kann § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO auch für den Fall einer nachgereichten Begründung nicht ergänzend herangezogen werden; dies muss auch dann gelten, wenn der Antrag einschließlich der Akten bereits dem Oberverwaltungsgericht vorgelegt wurde. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 18.31207 2019-07-22 VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil innerhalb der Antragsfrist keine Zulassungsgründe dargelegt wurden (§ 78 Abs. 4 AsylG).
Der Kläger hat zwar innerhalb der Monatsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht Augsburg gestellt, jedoch innerhalb dieser Frist keine Begründung beim Verwaltungsgericht Augsburg eingereicht. Vielmehr hat er die Zulassungsbegründung vom 7. Oktober 2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gerichtet, wo sie am selben Tag einging. Auf Anfrage des Senats vom 8. Oktober 2019, ob die Zulassungsbegründung innerhalb der Monatsfrist auch beim Verwaltungsgericht Augsburg eingereicht wurde, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist. Am selben Tag sandte er die Zulassungsbegründung per Telefax an das Verwaltungsgericht Augsburg.
Nach § 78 Abs. 4 AsylG ist die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen (Satz 1). Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen (Satz 2). In dem Antrag sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (Satz 4). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger innerhalb der Monatsfrist die Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylG beantragt. Die Darlegung der Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 AsylG erfolgte jedoch trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrungim Urteil des Verwaltungsgerichts innerhalb der Begründungsfrist von einem Monat ausschließlich gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof. Die mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2019 beim Verwaltungsgericht Augsburg eingereichte Begründung erfolgte außerhalb der Monatsfrist, da den Klägerbevollmächtigten das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Juli 2019 am 5. September 2019 zugestellt wurde.
Aus dem klaren Wortlaut der Norm und dem Zusammenspiel von § 78 Abs. 4 Satz 2 und 4 AsylG ergibt sich, dass neben dem Antrag auch die Begründung des Antrags nur beim Verwaltungsgericht dargelegt werden kann (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit unterschiedlicher Rechtsmittelbegründungsregelungen BVerfG, Kammer-B.v. 3.3.2003 – 1 BvR 310/03 – NVwZ 2003, 728 = BayVBl 2003, 538). Zwar sind der Antrag und die Darlegung im rechtlichen Sinn zu verstehen, so dass auch mehrere Schriftsätze mit Antrag und Darlegung jedenfalls dem Grunde nach innerhalb der Antragsfrist genügen (BayVGH, B.v. 19.6.2017 – 20 ZB 17.30609 – juris; Berlit in GK-AsylG, Stand Oktober 2017, § 78 Rn. 530; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 78 Rn. 221). Eine Auslegung des § 78 Abs. 4 Satz 2 und 4 AsylG des Inhalts, dass auch eine an das Oberverwaltungsgericht gerichtete Begründung des Zulassungsantrags die Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG wahrt, widerspräche jedoch dem eindeutigen Wortlaut der Norm, wonach der beim Verwaltungsgericht zu stellende Antrag (ggf. in mehreren Schriftsätzen) die geltend gemachten Zulassungsgründe enthalten muss (BayVGH, B.v. 19.2.2018 – 13a ZB 17.31921 – juris; OVG NW, B.v. 30.1.2018 – 13 A 4/18.A – juris; B.v. 16.11.2017 – 13 A 2517/17.A – juris; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 78 AsylG Rn. 34; Berlit a.a.O., § 78 Rn. 530; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 78 AsylG Rn. 14; Marx, a.a.O., § 78 Rn. 226; Seeger in BeckOK, Ausländerrecht, Stand 1.8.2019, § 78 AsylG Rn. 12). Wegen der klaren gesetzlichen Regelung kann § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO auch für den Fall einer nachgereichten Begründung nicht ergänzend herangezogen werden (a.A. BayVGH, B.v. 2.1.2018 – 11 ZB 17.31646 – juris und B.v. 2.1.2018 – 11 ZB 17.31693 – juris); dies muss auch dann gelten, wenn der Antrag einschließlich der Akten bereits dem Oberverwaltungsgericht vorgelegt wurde (a.A. OVG Hamburg, B.v. 1.7.2009 – 5 Bf 47/09.AZ – juris).
Es kann hier offen bleiben, ob und unter welchen Umständen das Oberverwaltungsgericht in solchen Fällen gehalten oder verpflichtet ist, einen bei ihm innerhalb noch offener Frist eingegangenen Begründungsschriftsatz an das zuständige Verwaltungsgericht weiterzuleiten. Denn da hier der Begründungsschriftsatz vom 7. Oktober 2017 erst an diesem Tag um 19:04 Uhr per Telefax bei der Poststelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs einging, war eine Weiterleitung des Begründungsschriftsatzes an das zuständige Verwaltungsgericht im normalen Geschäftsgang (nach richterlicher Verfügung) zur Wahrung der Frist nicht mehr möglich. Es war ausgeschlossen, dass der Begründungsschriftsatz im normalen Geschäftsgang, d.h. auf dem Postweg, noch innerhalb der Begründungsfrist, die am Montag den 7. Oktober 2019 um 24:00 Uhr endete, beim Verwaltungsgericht hätte eingehen können.
Dem Kläger kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO nicht gewährt werden. Die Bevollmächtigten des Klägers waren nicht ohne Verschulden gehindert, die Begründungsfrist einzuhalten und den Begründungsschriftsatz rechtzeitig an das Verwaltungsgericht zu übermitteln. Sie können sich hier nicht damit exkulpieren, dass ein wissenschaftlicher Mitarbeiter mit bestandenem zweiten juristischen Staatsexamen die Zulassungsbegründung mit Adressierung entworfen und/oder gefertigt hat, zumal sie selbst einräumen, dass der Fehler dem Unterzeichner des Begründungsschriftsatzes nicht aufgefallen ist. Die Adressierung eines fristwahrenden Schriftsatzes, zumal wenn dieser am letzten Tag der Frist eingereicht wird, ist durch die bevollmächtigten Rechtsanwälte selbst zu prüfen. Das Verschulden seiner Bevollmächtigten muss der Kläger sich zurechnen lassen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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