Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung mangels Verletzung des rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 18.32718

Datum:
3.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7351
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Wendet sich das Zulassungsvorbringen im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, wird kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Art. 103 Abs. 1 GG gibt den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 18.30317 2018-08-22 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sichert den Beteiligten im gerichtlichen Verfahren ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist aber nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe des Verfahrens vorgebracht worden sind. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfG, B.v. 30.6.2015 – 2 BvR 433/15 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 31.8.2018 – 9 ZB 18.3220 – juris Rn. 6).
Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung das Vorbringen des Klägers zu seiner mehrmaligen Befragung durch Abgesandte des internationalen Gerichtshofs und zur fehlenden Hilfe durch die Polizei in seiner Komplexität überhaupt nicht bewertet. Damit wendet sich das Zulassungsvorbringen im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, womit jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2018 – 9 ZB 16.36738 – juris Rn. 6 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils diesen Vortrag des Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Es hat diese Umstände aber – anders als der Kläger – dahin gewürdigt, dass nicht nachvollziehbar sei, dass der Kläger so lange Zeit nach Ende des Bürgerkriegs noch von ehemaligen Mitgliedern der Rebellen getötet werden solle und sich im Jahre 2016 nicht an die Polizei habe wenden können. Hieraus ergibt sich kein Gehörsverstoß. Denn der Gehörsanspruch verpflichtet das Gericht weder dazu, die Beweiswürdigung des Klägers zugrunde zu legen, noch kann aus einer von der Ansicht eines Beteiligten abweichenden Beweiswürdigung des Gerichts auf einen Gehörsverstoß geschlossen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2018 – 9 ZB 18.32734 – juris Rn. 8 m.w.N.).
2. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ergibt sich auch aus dem Zulassungsvorbringen nicht, das Verwaltungsgericht wäre im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes verpflichtet gewesen, die Angaben des Klägers hinsichtlich seiner Zeugenaussagen, der Verurteilung des RUF Rebellen und die Tatsache, dass er dadurch in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sei, durch eine Beweiserhebung zu verifizieren. Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16). Insbesondere gibt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2018 – 9 ZB 16.30193 – juris Rn. 15 m.w.N.). Aufklärungspflichten, die über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, sich zu dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zu äußern, sind, auch wenn sie im einfachen Prozessrecht verankert sind, nicht von der Schutzwirkung des Rechts auf Gehör umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 9 ZB 18.32680 – juris Rn. 16). Einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger nicht gestellt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretender Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6 m.w.N.). Dass sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen, wird im Zulassungsantrag nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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