Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung nach Härtegesichtspunkten

Aktenzeichen  M 3 E 15.3939

Datum:
16.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 I 2
HZV § 25
BayHZG BayHZG Art. 5 III 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik (Bachelor) und zum Studium des Maschinenbaus (Bachelor), jeweils erstes Fachsemester, im Wintersemester 2015/2016 an der Hochschule M. (im Folgenden: die Hochschule) innerhalb der festgesetzten Kapazität unter Berufung auf Härtefallgesichtspunkte sowie außerhalb der festgesetzten Kapazität.
Mit Bescheiden vom 14. August 2015 lehnte die Hochschule sowohl für den Studiengang Luft- und Raumfahrttechnik als auch für den Studiengang Maschinenbau die Bewerbung des Antragstellers um einen Studienplatz ab.
Mit Schriftsatz vom … September 2015, bei Gericht eingegangen am 9. September 2015, beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München,
die Hochschule M. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig zum Studium Luft- und Raumfahrttechnik und Maschinenbau (Bachelor) im ersten Semester, beginnend mit dem Wintersemester 2015/2016 zuzulassen.
Zur Begründung führte der Antragsteller im Wesentlichen aus, aufgrund schwieriger Familienverhältnisse (geschiedene Eltern) sei es für ihn nicht möglich, ein Studium in einer anderen Stadt aufzunehmen. Zu seinen Eltern habe er kaum Kontakt, zu seiner Mutter gar nicht. Er wohne zur Zeit in der Wohnung seiner aus Deutschland ausgewanderten Großmutter, die ihm die Wohnung kündigen würde, falls er nicht studieren sollte. Er sei quasi selbstständig aufgewachsen und habe kaum eine andere Option als dieses Studium. Finanziell sei er auf die geringen Mittel seines Vaters angewiesen. Er habe sehr großes Interesse an den beiden Studiengängen. Bereits im Wintersemester 2013/2014 habe er sich für den gewünschten Studiengang beworben und lediglich eine Ablehnung erhalten. Art. 2 Abs. 1 GG garantiere die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die bei ihm eingeschränkt werde. Einen Antrag auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität habe er bei der Hochschule bereits gestellt, diese habe ihn jedoch an das Verwaltungsgericht verwiesen. Er gehe davon aus, dass die Hochschule ihre Aufnahmekapazität noch nicht ausgeschöpft habe.
Im Hinblick auf den Antrag des Antragstellers auf vorläufige Zulassung zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik beantragte der Antragsgegner, vertreten durch die Hochschule, mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2015,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Hochschule habe nach der Zulassungszahlsatzung für den Bachelorstudiengang Luft- und Raumfahrttechnik eine Kapazität von 110 Studienanfängern für das erste Fachsemester im Wintersemester 2015/2016 festgelegt. Bis zum 22. Oktober 2015 hätten sich 120 Studierende im Bachelorstudiengang immatrikuliert, so dass die festgesetzte Zulassungszahl überschritten sei. Die Kapazitätsberechnung für die Lehreinheit Maschinenbau, Fahrzeug- und Flugzeugtechnik wurde vorgelegt.
Mit Schreiben vom 17. November 2015 wies das Gericht den Antragsteller darauf hin, dass für die Auswahl nach Härtefallgesichtspunkten grundsätzlich zusammen mit dem Zulassungsantrag ein gesonderter Antrag bei der Hochschule zu stellen sei. Das Gericht forderte den Antragsteller auf darzulegen, dass er einen vorherigen Härtefallantrag bei der Hochschule gestellt habe. Zum Antrag des Antragstellers auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität wies das Gericht den Antragsteller darauf hin, dass die Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bei der Hochschule gesondert beantragt werden müsse. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 7. Dezember 2015 glaubhaft zu machen, dass er vor Antragstellung bei Gericht einen Antrag auf Zuweisung eines außerkapazitären Studienplatzes bei der Hochschule gestellt habe. Eine Reaktion des Antragstellers hierauf erfolgte nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Für den Antrag auf Zulassung zu den beiden gewünschten Studiengängen unter Härtefallgesichtspunkten fehlt mangels eines vorherigen Härtefallantrags bei der Hochschule das Rechtsschutzbedürfnis.
Die beantragte einstweilige Anordnung setzt nach dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus, dass zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner ein „streitiges Rechtsverhältnis“ besteht. Von einem streitigen Rechtsverhältnis kann erst dann ausgegangen werden, wenn aus einem Antrag und seiner Ablehnung eine bestimmte Rechtsbeziehung entstanden ist, um deren Bestand und Inhalt gestritten werden kann. Hat der Antragsteller sein Anliegen noch nicht einmal zuvor bei dem Antragsgegner selbst vorgetragen, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag an das Gericht (vgl. VGH BW, B. v. 9.7.1990 – NC 9 S 58/90 – juris Rn. 2 zum Antrag auf vorläufige Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität).
Vorliegend hat der Antragsteller auch auf das Hinweisschreiben des Gerichts nicht dargetan, dass er neben seinem Zulassungsantrag auch einen vorherigen Härtefallantrag beim Antragsgegner gestellt hätte; hierzu ist auch anderweitig nichts ersichtlich. Vorgelegt wurden lediglich die Bescheide der Hochschule vom 14. August 2015 über die Teilnahme und Ablehnung des Antragstellers in den Auswahlverfahren der beiden Studiengänge.
Die Studienplätze im Studiengang Luft- und Raumfahrttechnik (Bachelor) und im Studiengang Maschinenbau (Bachelor) an der Hochschule werden gemäß Art. 5 des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes (BayHZG) vom 9. Mai 2007 (GVBl S. 2007, 300), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2015 (GVBl S. 301), i. V. m. § 1 der Satzung über Zulassungszahlen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München im Wintersemester 2015/2016 und im Sommersemester 2016 vom 29. Juni 2015 in einem örtlichen Auswahlverfahren vergeben. Bei einem örtlichen Auswahlverfahren sind gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayHZG von den für einen Studiengang festgesetzten Zulassungszahlen 2 v. H. der zur Verfügung stehenden Studienplätze als Vorabquote abzuziehen für Bewerber, für die die Ablehnung des Zulassungsantrags eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Nach § 25 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. März 2015 (GVBl S. 74) finden die Vorschriften des Abschnitts 1 bei einem an der Hochschule durchzuführenden örtlichen Auswahlverfahren entsprechende Anwendung. Demnach sind im örtlichen Auswahlverfahren gemäß § 25 i. V. m. § 3 Abs. 5 Satz 2 HZV Anträge, die ergänzend zum Zulassungsantrag gestellt werden können, grundsätzlich mit dem Zulassungsantrag und somit gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HZV bis zum 15. Juli bei der Hochschule zu stellen. Hierzu zählt auch ein Antrag nach § 25 i. V. m. § 15 Satz 1 HZV; danach werden auf Antrag die Studienplätze der Härtequote an Bewerber vergeben, für die es eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, wenn sie für den genannten Studiengang keine Zulassung erhielten.
Mangels vorherigen Antrags beim Antragsgegner ist der diesbezüglich Antrag nach § 123 VwGO unzulässig und daher abzulehnen.
Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch in der Sache der Antrag keinen Erfolg hätte, da die vom Antragsteller vorgetragenen sozialen und familiären Umstände die Anforderungen des § 25 i. V. m. § 15 Satz 2 HZV nicht erfüllen. Eine außergewöhnliche Härte liegt nach dieser Vorschrift vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums oder einen sofortigen Studienortwechsel zwingend erfordern. Die Zulassung aus Härtegründen hat rechtlich die Bedeutung einer Befreiung von den generellen Auswahlmaßstäben; sie ist nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die die Anwendung dieser Maßstäbe unzumutbar erscheinen lassen. Die in der eigenen Person des Bewerbers liegenden Gründe müssen deshalb so schwer wiegen, dass eine Verzögerung des Studienbeginns auch nur um ein Semester unzumutbar wäre (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2011 – 7 CE 11.10068 – juris Rn. 11). Die vom Antragsteller vorgetragenen Erschwernisse reichen an diese Schwelle nicht heran.
Für den Antrag auf Zulassung zu den beiden gewünschten Studiengängen außerhalb der festgesetzten Kapazität fehlt mangels eines vorherigen entsprechenden Antrags bei der Hochschule das Rechtsschutzbedürfnis.
Wie oben bereits ausgeführt, besteht für einen Antrag nach § 123 VwGO bei Gericht kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller sein Anliegen noch nicht einmal zuvor bei dem Antragsgegner selbst vorgetragen hat. Dies gilt auch für den Antrag auf einstweilige Anordnung mit dem Ziel der außerkapazitären Zulassung zum Studium. Nur durch einen vorherigen Antrag bei der Hochschule ist sichergestellt, dass die Hochschule rechtzeitig Gelegenheit erhält, die Möglichkeit des Vorhandenseins von weiteren Studienplätzen überhaupt zu prüfen und hierzu Stellung zu nehmen (VGH BW, B. v. 9.7.1990 – NC 9 S 58/90 – juris Rn. 2). Auf die Frage, ob der Antragsgegner rechtlich die Möglichkeit hätte, auf einen solchen Antrag hin von den festgesetzten Zulassungszahlen abzuweichen, kommt es (entgegen OVG Münster, B. v. 27.1.2010 – 13 C 410/09 – NVwZ-RR 2010, 437) angesichts des klaren Wortlauts von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht an; überdies ist nicht ersichtlich, warum der Antragsgegner nicht in der Lage sein sollte, bei etwaiger Aufdeckung von Fehlern bei der Kapazitätsermittlung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eine Korrektur der Zulassungszahlsatzung vorzunehmen und weitere Zulassungen auszusprechen.
Der Antragsteller hat zwar vorgetragen, einen vorherigen Antrag auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität bei der Hochschule gestellt zu haben. Er hat dies jedoch auch auf Hinweis des Gerichts nicht glaubhaft gemacht (zur Erfordernis der Glaubhaftigkeit auch in Bezug auf die Prozessvoraussetzungen vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 123 Rn. 26). Für einen vorherigen außerkapazitären Zulassungsantrag bei der Hochschule ist auch sonst nichts ersichtlich; insbesondere liegen keine diesbezüglichen Bescheide der Hochschule vor.
Dem Antragserfordernis ist nicht schon dadurch genügt, dass der Antragsteller die Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität beantragt hat. Der Anspruch auf außerkapazitäre Zulassung, der auf dem grundrechtlich begründeten Anspruch auf Hochschulzugang beruht, ist selbstständig und unabhängig von einem innerhalb des regulären Verfahrens gestellten Zulassungsantrag zu beurteilen. Zwar verfolgen beide Ansprüche dasselbe Ziel, die Zulassung zum Studium, jedoch sind die Begründungen für beide Ansprüche gänzlich unterschiedlich und stehen in keinem inneren sachlichen Zusammenhang (BayVGH, B. v. 8.5.2013 – 7 CE 13.10048 – juris Rn. 8 ff. unter Bezugnahme auf BayVGH, B. v. 8.8.2006 – 7 CE 06.10020 u. a. – juris Rn. 7). Nur ein Zulassungsantrag, der einen erkennbaren Bezug zur Behauptung mangelnder Kapazitätsausschöpfung hat, kann vom Antragsgegner zum Anlass einer Prüfung dieser Frage genommen und beschieden werden (VGH BW, B. v. 9.7.1990 – NC 9 S 58/90 – juris Rn. 2).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 Nrn. 1.1.1, 1.5, 18.1.


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