Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag gegen Abschiebungsanordnung – Kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  B 4 E 16.9

Datum:
8.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60a Abs. 2
GG GG Art. 6

 

Leitsatz

Eine Abschiebung kann dann rechtlich unmöglich sein, wenn es durch die Abschiebung unmöglich gemacht oder jedenfalls in unzumutbarer Weise erschwert wird, eine ausländerrechtliche Rechtsposition im Bundesgebiet zu verfolgen (ebenso VGH München BeckRS 2010, 09905). Dies kann bei einem offenbar vorliegenden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Fall sein, den geltend zu machen eine Abschiebung zumindest erschwert (VG München BeckRS 2010, 36187). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin …, Nürnberg wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung, seine für den 08.01.2016 vorgesehene Abschiebung auszusetzen.
Der Antragsteller, geboren am … 1994, reiste am 16.12.2014 ins Bundesgebiet ein und stellte am 03.03.2015 einen Asylantrag. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.04.2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen und auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Die Behörde forderte ihn weiter zur Ausreise auf und drohte ihm widrigenfalls die Abschiebung in den Kosovo an. Der Bescheid ist seit 30.04.2015 vollziehbar.
Am 08.07.2015 stellte der Antragsteller bei der Ausländerbehörde Schwandorf, deren Bezirk er zugewiesen war, einen Duldungsantrag. Er brachte dazu vor, seine Lebensgefährtin, die ukrainische Staatsangehörige …, die aus einer früheren Beziehung bereits zwei 2009 und 2010 geborene Kinder habe, erwarte von ihm ein Kind. Sie und ihre Kinder seien im Besitz von Aufenthaltsgestattungen, weil sie am 19.02.2015 Asylanträge gestellt hätten, über die noch nicht entschieden sei. Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde am 13.07.2015 ab. Spätestens ab 23.07.2015 hielt sich der Antragsteller nicht mehr in Schwandorf, sondern bei seiner Lebensgefährtin in … auf, ohne die für ihn zuständige Ausländerbehörde davon in Kenntnis zu setzen.
Am 29.09.2015 erkannte der Antragsteller gegenüber einem Notar in … die Vaterschaft an. Die Kindsmutter stimmte zu. Außerdem erklärten beide vor dem Notar, die elterliche Sorge gemeinsam übernehmen zu wollen. Am 17.11.2015 lehnte das Landratsamt Schwandorf einen erneut gestellten Duldungsantrag mit der Begründung ab, der Antragsteller sei seit 23.07.2015 unbekannten Aufenthalts gewesen und habe sich damit der Abschiebung entzogen.
Nachdem der Antragsteller sich am 07.12.2015 beim Bundesamt in Zirndorf gemeldet hatte, wurde er am 09.12.2015 zum Aufenthalt im Bezirk der Ankunfts- und Rückführungseinrichtung in Bamberg verpflichtet. Mit Beschluss vom 22.12.2015 ordnete das Amtsgericht Bamberg mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens 19.01.2016 an. Daraufhin wurde der Antragsteller in die Einrichtung für Abschiebungshaft in Mühldorf am Inn verbracht.
Am 29.12.2015 stellte seine Prozessbevollmächtigte einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung macht der Antragsteller in einem handschriftlich verfassten Schreiben geltend, er wolle in Deutschland sicherer und glücklicher leben als im Kosovo. Seine muslimische Herkunftsfamilie akzeptiere nicht, dass er eine Beziehung zu einer christlichen Frau aus der Ukraine unterhalte, die von ihm ein Kind erwarte. Außerdem habe er im Kosovo keine Arbeit gehabt und mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern in einer Drei – Zimmer-Wohnung leben müssen.
Mit Bescheid vom 30.12.2015 befristete die Regierung von Oberfranken-Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) die Wirkungen seiner Abschiebung, die auf den 08.01.2016 festgesetzt wurde, für die Dauer von 30 Monaten bis zum 08.07.2018.
Mit Telefax vom 07.01.2016 hat der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte beantragen lassen,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers auszusetzen.
Zugleich hat er beantragt,
ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin … beizuordnen.
Zur Begründung führt er aus, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung. Sein Duldungsanspruch ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 GG. Denn seine Lebensgefährtin erwarte ein Kind von ihm, das voraussichtlich am 19.01.2016 zur Welt kommen werde. Seine Abschiebung hätte die vorübergehende, möglicherweise sogar endgültige Trennung von ihr und seinem Kind zur Folge, für das er die Vaterschaft anerkannt und eine Erklärung über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge abgegeben habe. Mit seiner zeitnahen Rückkehr nach Deutschland sei nicht zu rechnen. Denn seine Lebensgefährtin sei Asylbewerberin mit einer Aufenthaltsgestattung bis 19.05.2016 und habe damit derzeit keinen Aufenthaltsstatus, der ihn zum Nachzug berechtige. Es sei nicht absehbar, wann und mit welchem Ergebnis über ihren Asylantrag entschieden werde oder ob sie aufgrund ihrer Depressionen und der psychischen Probleme ihres Sohnes ein Aufenthaltsrecht beanspruchen könne. Eine Rückkehr in die Ukraine zusammen mit ihrem muslimischen Mann scheide genauso aus wie eine gemeinsame Ausreise mit ihren Kindern und dem Antragsteller in den Kosovo. Denn dann müsse sie ihren Asylantrag zurücknehmen und laufe Gefahr, im Kosovo schutzlos gestellt zu sein und ärztlich nicht behandelt werden zu können.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 08.01.2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er macht geltend, der Asylfolgeantrag des Antragstellers stehe seiner Abschiebung nicht (mehr) entgegen. Denn das BAMF habe der Ausländerbehörde am 08.01.2016 gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG mitgeteilt, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde. Der Antragsteller habe zwar Atteste betreffend den Gesundheitszustand seiner Lebensgefährtin und ihres Sohnes vorgelegt, jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass deshalb seine Anwesenheit und Betreuung erforderlich sei. Außerdem sei im Hinblick auf deren Asylverfahren nicht von einem dauerhaften, sondern lediglich von einem vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet auszugehen. Zudem könne der Antragsteller eine Befristung der vom Antragsgegner verfügten Einreisesperre beantragen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auch auf die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen, verwiesen.
II.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren haben keinen Erfolg.
1.
Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die mit dem Antrag nach § 123 VwGO beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den in der nachfolgenden Nummer 2 dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
2.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller, dessen Ausreisefrist abgelaufen ist, hat keinen Anspruch auf eine Duldung glaubhaft gemacht. Deshalb liegt wegen der ggf. drohenden Abschiebung zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vor.
(a) Gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG darf die Abschiebung eines Folgeantragstellers erst nach Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden. Deshalb kann ein Folgeantragsteller, bevor die Mitteilung des BAMF an die Ausländerbehörde ergangen ist, eine Duldung beanspruchen (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 71 AsylVfG Rn. 15).
Da das BAMF am 08.01.2016 den Antragsgegner schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden wird, hat der Antragsteller wegen der Stellung eines Folgeantrages keinen Duldungsanspruch mehr. Das Bundesamt hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung internationalen Schutzes (vgl. §§ 13 Abs. 2, 1 Abs. 1, 3 ff. AsylVfG) zu Recht verneint. An der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel. Das Bundesamt geht zu Recht davon aus, dass bereits die Anforderungen des § 51 Abs. 1 VwVfG nicht erfüllt sind.
(b) Gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Die Abschiebung ist weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich.
Rechtlich unmöglich kann eine Abschiebung dann sein, wenn es durch die Abschiebung unmöglich gemacht oder jedenfalls in unzumutbarer Weise erschwert wird, eine ausländerrechtliche Rechtsposition im Bundesgebiet zu verfolgen (BayVGH, Beschluss vom 25.01.2010, Az. 10 CE 09.2762, juris Rdnr. 10).
(aa) Ein Anordnungsanspruch könnte deshalb dann bestehen, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hätte, dass er einen offenbaren Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, den geltend zu machen die Abschiebung zumindest erschwert (vgl. VG München, Beschluss vom 24.8.2010, Az. M 10 S 10.3263 und 3264, juris Rdnr. 35).
Ein solcher offenbarer Anspruch ist für den Antragsteller vorliegend jedoch weder glaubhaft gemacht noch ansonsten ersichtlich.
Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe der §§ 22 bis 26 AufenthG erteilt werden, es sei denn es liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor (§ 10 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 1. Halbsatz AufenthG) vor. Der Antragsteller hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Außerdem liegen auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG im Ermessenswege schon deshalb nicht vor, weil der Antragsteller ohne das für den angestrebten Daueraufenthalt erforderliche Visum eingereist ist und damit die in § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelte allgemeine Erteilungsvoraussetzung, die zu erfüllen ihm zumutbar ist, nicht vorliegt.
(bb) Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz für den Antragsteller kommt aber auch nicht mit Blick auf die aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen von Art. 6 GG hinsichtlich des Verhältnisses eines ungeborenen Kindes zu seinem nichtehelichen Vater in Betracht, weil die engen Voraussetzungen, unter denen sich auf dieser Grundlage ein Duldungsanspruch ergibt, nicht vorliegen.
Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass für das ungeborene Kind oder die Mutter eine Gefahrenlage besteht (Risikoschwangerschaft), dass er die werdende Mutter bislang schon unterstützt hat und dass sie gerade auf seine Hilfe angewiesen ist (vgl. dazu OVG Magdeburg, B. v. 10.12.2014 – 2 M 127/14 – juris Rn.6). Außerdem hat er zwar die Vaterschaft anerkannt und eine Sorgerechtserklärung abgegeben, jedoch nicht deutlich gemacht, wie er in Zukunft in einer tatsächlich gelebten familiären Verbundenheit elterliche Verantwortung übernehmen will. Insbesondere hat er nicht dargetan, wie er ohne bisher je gearbeitet zu haben, zum Lebensunterhalt der Familie beitragen will. Weiter kommt dann eine Duldung für den Ausländer in Betracht, wenn es dem Ausländer und seiner Partnerin nicht zuzumuten ist, das Bundesgebiet zu verlassen und ein familiäres Zusammenleben im Heimatland des Ausländers oder seiner Partnerin zu führen. Die Gewährung von Abschiebungsschutz in diesen Fällen setzt aber weiter voraus, dass die Schwangere, über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügt (OVG Magdeburg, a. a. O.). Diese Voraussetzungen liegen bei der Lebensgefährtin des Antragstellers jedoch nicht vor: sie befindet sich vielmehr in einem Asylverfahren mit ungewissem Ausgang. Letztendlich ist mit der erzwungenen Rückkehr ins Kosovo zwar eine zeitweilige Trennung von seiner Lebensgefährtin und ihrem gemeinsamen Kind verbunden; es ist ihm jedoch zuzumuten, in seinem Heimatland, wo seine Eltern und Geschwister leben, den Ausgang des Asylverfahrens seiner Partnerin abzuwarten. Erfordern zwingende Gründe seine Anwesenheit in Deutschland kann er während dieser Zeit gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG eine kurzfristige Betretenserlaubnis beanspruchen. Wenn das Asylverfahren für seine Lebensgefährtin und ihre Kinder positiv ausgegangen ist, kann er vom Kosovo aus die Verkürzung seines Einreise- und Ausreiseverbotes gemäß § 11 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG beantragen und im Rahmen eines Visumverfahrens die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen für den von ihm angestrebten Daueraufenthalt im Bundesgebiet nachweisen.
3.
Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
4.
Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffern 8.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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