Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines Asylsuchenden aus Sierra Leone

Aktenzeichen  9 ZB 21.31292

Datum:
10.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28473
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Zur Darlegung des Berufungszulassungsgrundes der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. VGH München BeckRS 2021, 1645). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 14 K 19.30809 2021-07-09 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist Staatsangehöriger Sierra Leones und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. Juli 2021 die Klage abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2021 – 9 ZB 21.30109 – juris Rn. 4). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die Frage, „wie vom Kläger genannte Fluchtgründe zu bewerten sind, oder lediglich als quasi ‚unbedeutende‘ private Streitigkeiten“, zeigt schon keine verallgemeinerungsfähige Tragweite auf, sondern beschränkt sich auf die konkrete Situation des Klägers im Einzelfall. Im Übrigen übt der Kläger damit im Gewand einer Grundsatzrüge lediglich Kritik an der Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts, was jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2020 – 9 ZB 20.31812 – juris Rn. 5).
Die weitere Frage, „ob Abschiebungen nach Sierra Leone aufgrund der Corona-Pandemie menschenrechtlich zu vertreten sind, mit EMRK und GG in Einklang zu bringen sind, ob also nach Sierra Leone abgeschoben werden kann“, ist nicht klärungsbedürftig. Das Verwaltungsgericht hat unter Würdigung aktueller Erkenntnismittel ausgeführt, dass der Kläger nicht gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwerster Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre und er zu keinem besonders gefährdeten Personenkreis zählt. Unabhängig davon, dass sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen lässt, dass die aufgeworfene Fragestellung überhaupt verallgemeinernd, zumindest im Hinblick auf Umstände bzw. Merkmale, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden und nicht nur nach Würdigung der konkreten Verhältnisse im Einzelfall beurteilt werden kann, fehlt es an einer Tatsachenfrage von verallgemeinerungsfähiger Tragweite auch deshalb, weil das weltweite Pandemiegeschehen weiterhin von einer großen Dynamik gekennzeichnet ist, die eine verlässliche Einschätzung seiner mittelfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in einzelnen Ländern, wie etwa Sierra Leone, (noch) nicht erlaubt (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 21.30431 – juris Rn. 9).
In Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat sich der Kläger nicht damit auseinandergesetzt, dass das Verwaltungsgericht ihn nicht über das allgemeine Risiko hinaus als gefährdet angesehen hat, und auch nicht dargetan, dass sich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG trotz des Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wegen einer vorliegenden Extremgefahr, wegen der er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde, für ihn nicht auswirkt. Aktuelle Entwicklungen, die einer Abschiebung entgegenstehen, wären im Übrigen im Rahmen der Abschiebung von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG; vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 21.30431 – juris Rn. 10 f.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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