Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes – Asylverfahren, Afghanistan

Aktenzeichen  13a ZB 18.33212

Datum:
8.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30407
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 86 Abs. 3

 

Leitsatz

Der Kläger verfehlt schon die Darlegungsanforderungen, als er sich im Zulassungsantrag nicht mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Hinwendung zum Christentum, zur Situation der Hazara und zur Sicherheitslage sowie zur humanitären Lage auseinandersetzt und lediglich auf diverse Erkenntnismittel verweist, ohne konkret aufzuzeigen, welche in diesen enthaltenen Angaben im Einzelnen von welchen Annahmen im Urteil des Verwaltungsgerichts abweichen sollen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 17.31460 2018-10-23 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 23. Oktober 2018 hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylG sind nicht gegeben.
Der Kläger hat seinen Zulassungsantrag zunächst damit begründet, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Folgende Fragen seien zu klären:
1. „Ist im Hinblick auf die in Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen und die sich stetig verschlechternde Sicherheitslage von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen?
2. Ist dieser innerstaatliche bewaffnete Konflikt gekennzeichnet durch willkürliche Gewalt, welche ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson schon durch ihre Anwesenheit in Afghanistan grundsätzlich, auch unabhängig von der individuellen Herkunftsregion, einer ernsthaften und individuellen Bedrohung von Leib und Leben ausgesetzt ist?
3. Ist die vom Kläger vorgetragene Gruppenverfolgung des Volksstammes der Hazara, insbesondere auch in Verbindung mit der bei den Hazara üblichen schiitischen Religionszugehörigkeit, in Afghanistan mit hinreichender Sicherheit auszuschließen?
4. Kann diese Gruppenverfolgung der Hazara insbesondere auch in der Region Sare-Pol mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden?
5. Besteht für Personen, die aus Deutschland nach Afghanistan und dort insbesondere auch in großstädtisch und urban geprägte Gebiete wie beispielsweise Kabul, zurückkehren, eine besondere Gefährdung, insbesondere, weil sie schon optisch und aufgrund fehlender Netzwerke als Rückkehrer erkennbar sind, und weil sie darüber hinaus dem Verdacht ausgesetzt sind, ihr Land und ihre religiöse Pflicht verraten zu haben oder für die Taliban gearbeitet zu haben oder als westliche Spione angesehen werden oder als besonders vermögend gelten?
6. Sind rückkehrende Personen, die keine verlässliche Unterstützung durch bestehende, in Afghanistan übliche Netzwerke haben, angesichts der schlechten humanitären Bedingungen akut in ihrem Überleben gefährdet?
7. Kann allein der formale Glaubenswechsel zum Christentum und die durch die Taufe bewirkte Mitgliedschaft in der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Falle einer Rückkehr zu Repressionen seitens des Afghanischen Staates oder auch nichtstaatlicher Akteure wie etwa der Taliban führen?
8. Droht einem lediglich formal zum Christentum konvertierten afghanischen Staatsbürger im Fall der Rückkehr nach Afghanistan dort eine staatliche Repression, auch für den Fall, dass das erkennende Gericht nicht die notwendige Überzeugung gewinnen konnte, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht?
9. Sind Apostaten, auch wenn sie ihre Religion nicht aktiv ausüben und/oder lediglich ein formaler Glaubenswechsel erfolgt ist, von Strafe oder sonstiger staatlicher Verfolgung oder durch Verfolgung nichtstaatlicher Akteure bedroht?
10. Sind Apostaten, auch wenn sie ihren Glauben nicht aktiv ausüben und/oder lediglich ein formaler Glaubensübertritt erfolgt ist, in bestimmten Lebensbereichen benachteiligt?“
Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich seit dem Abzug der ISAF-Schutztruppen im Jahr 2014 kontinuierlich und dramatisch verschlechtert. Es gebe in Afghanistan keine sicheren Provinzen. In 20 Provinzen des Landes werde gekämpft. Auch in den Großstädten sei die Sicherheitslage nicht als stabil zu bezeichnen. Der UNHCR habe in seinen Anmerkungen vom Dezember 2016 festgestellt, dass ganz Afghanistan von einem innerstaatlichen Konflikt im Sinn von Art. 15c der Qualifikationsrichtlinie betroffen sei. Seit dem Verfassen der Richtlinien vom April 2016 habe sich die Sicherheitslage nochmals deutlich und rapide verschlechtert. Dies zeige auch der Anschlag auf die Deutsche Botschaft in einem der am besten gesicherten Bereiche Kabuls am 31. Mai 2017. Zur Sicherheitslage werde insbesondere auf den Global Peace Index 2017, den Afghanistan-Bericht des US-Special Inspector General For Afghanistan Reconstruction (SIGAR) vom 30. Juli 2017, Pro Asyl News vom 5. Januar 2018, den Perspektivbericht der Bundesregierung zu Afghanistan vom 7. März 2018 und die Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 5. Februar 2017 verwiesen. Unter Bezugnahme auf Stahlmann (Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff.) wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht verkenne die Situation der Rückkehrer. Auch die Einschätzung bezüglich der Lage der Hazara begegne Bedenken. Insoweit werde auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 2. September 2016 („Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara“) Bezug genommen. Die in der Verfassung vorgesehen Religionsfreiheit existiere nur auf dem Papier, denn Christen muslimischer Herkunft würden weder anerkannt noch geschützt. Die Abkehr vom Islam komme einem schweren Verbrechen gleich.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 13a ZB 19.30070 – juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 4; B.v. 13.8.2013 – 13a ZB 12.30470 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Hiervon ausgehend hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Der Kläger verfehlt insoweit die Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, als er sich im Zulassungsantrag nicht mit den fundierten Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Hinwendung des Klägers zum Christentum (UA S. 10 f.), zur Situation der Hazara (UA S. 9 f.) und zur Sicherheitslage sowie zur humanitären Lage (UA S. 12 ff., 14 ff., 23 ff.) auseinandersetzt. Er verweist vielmehr lediglich auf diverse Erkenntnismittel, ohne konkret aufzuzeigen, welche in diesen enthaltenen Angaben im Einzelnen von welchen Annahmen im Urteil des Verwaltungsgerichts abweichen sollen. Insbesondere muss, wenn das Verwaltungsgericht Feststellungen zu einer Tatsachenfrage mit von ihm benannten Erkenntnisquellen begründet hat, zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fallbezogene Auseinandersetzung mit diesen Erkenntnisquellen erfolgen (BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 13a ZB 18.30490 – juris Rn. 6 m.w.N.). Ebenso wenig genügt der Verweis auf Erkenntnismittel und sonstige Unterlagen, ohne dass der Kläger konkret darlegt, inwieweit welche darin enthaltenen Angaben zu einer Neubewertung der Gefahrendichte nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führen sollen (u.a. auch quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos, vgl. dazu BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487 – juris Rn. 24; B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris Rn. 7; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 – juris Rn. 23; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360 – juris Rn. 33).
Unabhängig vom Fehlen der Darlegungsvoraussetzungen sind die Fragen Nummer 1 bis 6 betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage auch nicht klärungsbedürftig. Es ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer Gefahrenlage auszugehen ist, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817 – juris Rn. 46 ff., 35 ff.; U.v. 6.2.2020 – 13a B 19.33510 – juris Rn. 17 ff.; in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. auch: BayVGH, U.v. 28.11.2019 – 13a B 19.33361 – juris Rn. 17 ff.; U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.31153 – juris Rn. 31 ff., 57 ff.; U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33359 – juris Rn. 17 ff.; U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33508 – juris Rn. 18 ff. U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 14 ff.). Auf ein stützendes Netzwerk in Afghanistan oder einen vorherigen Aufenthalt im Heimatland kommt es nicht an; ausreichend ist vielmehr, dass eine Verständigung in einer der Landessprachen möglich ist (BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817 – juris Rn. 47; U.v. 6.2.2020 – 13a B 19.33510 – juris Rn. 18, 26; U.v. 28.11.2019 – 13a B 19.33361 – juris Rn. 18, 26; U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.31153 – juris Rn. 32; U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33359 – juris Rn. 17, 25; U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33508 – juris Rn. 19, 27). Die genannte Rechtsprechung gilt weiter für Personen mit schiitischer Religionszugehörigkeit, deren Bevölkerungsanteil auf 10 – 15% (BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung v. 29.6.2018, S. 269, mit Einfügungen v. 4.6.2019 S. 312) geschätzt wird (BayVGH, U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33508 – juris Rn. 32; vgl. auch NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 56, 94). Ferner findet diese Rechtsprechung auch auf die Volksgruppe der Hazara Anwendung (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen; B.v. 20.5.2019 – 13a ZB 18.30106 – juris Rn. 6; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 6; vgl. auch: NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 126 ff.; VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 349 ff.; U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 494; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris Rn. 515, 524 f.). Die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara stellt auch keinen individuellen gefahrerhöhenden Umstand dar (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2019 – 13a ZB 18.30106 – juris Rn. 6; U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 36; vgl. auch VGH BW U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 233 ff.; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris Rn. 261 ff.). Der Verwaltungsgerichtshof setzt sich in den oben genannten Urteilen vom 6. Juli und 6. Februar 2020 (13a B 18.32817; 13a B 19.33510 – juris) explizit mit aktuellen Erkenntnismitteln wie etwa dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2. September 2019, den UNAMA-Berichten vom 27. April und 22. Februar 2020 bzw. vom 17. Oktober 2019, dem EASO-Bericht vom 1. Juni 2019, dem Länderinformationsblatt Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 13. November 2019, den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 und dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2019 auseinander und hat diese bei seiner Bewertung der Sicherheitslage und der humanitären Lage berücksichtigt. Auch aus dem UNAMA-Bericht vom 27. Juli 2020 (UNAMA, Afghanistan Midyear Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January – 30 June 2020) ergibt sich kein erneuter Überprüfungsbedarf. Im ersten Halbjahr 2020 sind die zivilen Opferzahlen mit insgesamt 3.458 Getöteten und Verletzten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13 v.H. zurückgegangen und haben den niedrigsten Stand für ein erstes Halbjahr seit 2012 erreicht. Bei einer proportionalen Hochrechnung dieser Opferzahlen für 2020 insgesamt (6.916 zivile Opfer) und einer zugunsten des Klägers konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von nur etwa 27 Mio. Menschen ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von 1:3.904. Dieses Risiko bleibt deutlich unter 1:800 und damit unverändert weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 – juris Rn. 22 f.). Auch aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16. Juli 2020 (Stand: Juni 2020) ergibt sich nichts anderes.
Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu, soweit es um die Folgen eines (nur formalen) Übertritts zum Christentum bzw. einer Apostasie (Fragen Nr. 7 bis 10) geht. Das Verwaltungsgericht ist im angegriffenen Urteil zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Kläger vorgetragene Verfolgungsgeschichte unglaubwürdig sei (UA S. 8 f.) und er sein Heimatland unverfolgt verlassen habe. Auch sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben Teil der religiösen Identität des Klägers sei (UA S. 10 f.). Da sich der Kläger mit diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Vortrag einer Konversion zum Christentum nicht hinreichend fallbezogen auseinandersetzt, erfüllt der Zulassungsantrag auch insoweit bereits die Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht. Soweit der Kläger mit seinen Fragen im Kern auf eine Gefährdung in Afghanistan aufgrund einer allein formalen Konversion durch den Akt der Taufe (vgl. die vorgelegte Taufurkunde des Klägers v. 15. Juli 2018) – ohne dass diese auf einem ernst gemeinten, der inneren Überzeugung folgenden Glaubenswechsel beruht – abzielt, so wird bereits nicht hinreichend dargelegt, wie die Taliban oder andere Extremisten in Afghanistan davon erfahren sollten, dass der Kläger sich in Deutschland in einer evangelisch-lutherischen Kirche formal hat taufen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5). Zudem fehlt es den klägerseitigen Fragen zu den Konsequenzen einer nur formalen Taufe in Afghanistan an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit. Das Verwaltungsgericht hat – wie ausgeführt – darauf abgestellt, dass das formale Bekenntnis des Klägers zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruhe. Die aufgeworfenen Fragen könnten in einem Berufungsverfahren daher nur dann entscheidungserheblich sein, wenn allein der formale Akt des Übertritts zum christlichen Glauben – vorliegend also die durch die Taufe des Klägers bewirkte Mitgliedschaft in der evangelischen Landeskirche Bayern – zu Repressionen bei Rückkehr nach Afghanistan führen könnte, ohne dass der christliche Glaube nach einer Rückkehr ins Heimatland gelebt würde. Hinreichende Darlegungen in Form konkreter Erkenntnismittel, dass dem Kläger insoweit eine relevante Gefährdung drohen könnte, nennt der Zulassungsantrag jedoch nicht (vgl. OVG NW, B.v. 1.3.2019 – 6 A 1882/18.A – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris Rn. 20/22; B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 f.), sondern beschränkt sich darauf, dass die Religionsfreiheit in Afghanistan nur „auf dem Papier“ bestehe. Soweit der Kläger vorliegend auch und gerade rügen sollte, dass das Verwaltungsgericht in seinem Fall rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen eines Schutzstatus verneint habe, ist darauf hinzuweisen, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG darstellen.
Weiter rügt der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Verwaltungsgericht habe unter Bezugnahme auf die Angaben in der Tazkira und des Vormunds erhebliche Zweifel hinsichtlich seines Alters geäußert. Allerdings sei diese Frage nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, so dass er keine Gelegenheit gehabt habe, sich zu den Zweifeln des Gerichts zu äußern. Zudem gehe das Verwaltungsgericht fehlerhaft davon aus, dass er Familienangehörige in Afghanistan habe. Dabei werde sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung außer Acht gelassen, dass sich diese inzwischen im Iran befänden. Damit sei sein Vortrag nicht zur Kenntnis genommen worden.
Hiervon ausgehend ist vorliegend kein Gehörsverstoß gegeben, der zur Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) führen könnte. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305/310). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Das ist hier nicht der Fall.
Soweit der Kläger rügt, dass er sich zu den Zweifeln des Gerichts hinsichtlich seines Alters nicht habe äußern können, trägt er schon selbst nicht vor, dass er mit einem Vortrag nicht gehört worden wäre. Vielmehr wendet er sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, sein Vorbringen zur Vorverfolgung sei nicht glaubwürdig, unter anderem auch, weil erhebliche Zweifel an seinen Altersangaben bestünden (UA S. 8). Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger eine Vorverfolgung nicht glaubhaft vorgetragen habe, beruht allerdings nicht allein auf den unterschiedlichen Altersangaben, sondern auch auf den widersprüchlichen Schilderungen zum Verschwinden des Vaters, zum Ohnmachtsanfall der Mutter, zur Warnung an die Familie und zum Aufenthaltsort der Mutter (UA S. 8 f.). Vor allem aber stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht nur darauf, dass der Kläger sein Heimatland nicht vorverfolgt verlassen habe, denn es verweist den Kläger selbständig tragend auf eine interne Fluchtalternative (UA S. 12 ff.). Unabhängig davon ist die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts dem sachlichen Recht zuzurechnen und rechtfertigt von vornherein nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG (BVerwG, B.v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris Rn. 13 zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Grundsätzlich begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts, insbesondere keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren; denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Prozessstoffs ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung bzw. Urteilsfindung (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.2019 – 6 B 120.18 – juris Rn. 9; B.v. 15.7.2016 – 5 P 4.16 – juris Rn. 3). Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (BVerwG, B.v. 14.8.2018 – 7 B 8.18 – juris Rn. 8; B.v. 9.3.2007 – 1 B 171.06 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 1 ZB 18.32333 – juris Rn. 3). Das Gericht kann deshalb zu Lasten des Asylbewerbers berücksichtigen, dass dieser unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht seine guten Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung nicht in schlüssiger Form vorträgt. Fehlt es an einem solchen Sachvortrag, ist das Gericht nicht aufgrund der Fürsorgepflicht zur Aufklärung verpflichtet, sondern kann verfahrensfehlerfrei nicht nur von einer weiteren Sachaufklärung, sondern regelmäßig auch von einem entsprechenden Hinweis nach § 86 Abs. 3 VwGO absehen (BVerwG, B. v. 15.8.2003 – 1 B 107.03 u.a. – juris Rn. 5; B.v. 28.12.1999 – 9 B 467.99 – juris Rn. 2). Aus den asylspezifischen Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungstiefe nach § 86 Abs. 1 VwGO bei tatsächlichen oder vermeintlichen Widersprüchen im Sachvortrag des Asylbewerbers folgen keine weitergehenden Anforderungen an die gerichtliche Hinweispflicht. Dass es im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht, ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht des besonderen Hinweises durch das Gericht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.5.2019 – 13a ZB 18.30106 – juris Rn. 10).
Auch die Rüge, sein Vortrag sei insoweit nicht zur Kenntnis genommen worden, als er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, dass sich seine Familienangehörigen inzwischen im Iran befänden, führt nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Es ist zwar zutreffend, dass in den Entscheidungsgründen unter Bezugnahme auf die Angaben des Klägers beim Bundesamt Familienangehörige in Afghanistan erwähnt werden (UA S. 25). Selbst wenn damit der Vortrag, „niemand sei mehr in Afghanistan“ (SP S. 3), aber nicht zur Kenntnis genommen worden sein sollte, war der Aufenthaltsort der Angehörigen für das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Zum einen hat es sich nur darauf gestützt, dass der Kläger „zumindest finanzielle Hilfe erlangen kann“. Hierzu müssen sich die Angehörigen nicht in Afghanistan aufhalten. Zum anderen aber hat das Verwaltungsgericht auf eine familiäre Unterstützung generell nicht tragend abgestellt. In erster Linie ist es nämlich davon ausgegangen, dass der Kläger in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt „selbst sicherzustellen“ (UA S. 25). Lediglich ergänzend hat es auf die Möglichkeit finanzieller Hilfen durch Familienangehörige hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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