Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag – Abschiebungsandrohung nach Albanien

Aktenzeichen  M 2 S 17.49136

Datum:
9.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 36 Abs. 3, § 71 Abs. 1, § 71 Abs. 4
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1, § 51 Abs. 2, § 51 Abs. 3

 

Leitsatz

Die Lebensbedingungen in Albanien sind grundsätzlich nicht derart als schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSd Art. 3 EMRK aufweisen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger. Ein erster – im Jahr 2015 gestellter – Asylantrag wurde am 29.7.2015 unanfechtbar abgelehnt. Am 2. Oktober 2017 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Zur Begründung trug er vor, dass er wegen seiner Ehefrau nach Deutschland gekommen sei, die Probleme mit ihrem Bein habe und schwanger sei.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Oktober 2017, zugestellt am 23.10.2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens als unzulässig ab (Nr. 1). Weiterhin lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 15.7.2015 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ab (Nr. 2).
Am 2. November 2017 erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt, den Bescheid vom 19. Oktober 2017 aufzuheben, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Diese Klage, über die noch nicht entschieden ist, wird unter dem Aktenzeichen M 2 K 17.49135 geführt.
Weiterhin beantragt der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Antragsbegründung nimmt er Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Hauptsacheverfahren M 2 K 17.49135 sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zulässig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vollziehung des streitbefangenen Bescheids i.S.d. § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG) bestehen. Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig einer rechtlichen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit standhält, weil die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens des Antragstellers nicht vorliegen.
Gegenstand des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 und 4 AsylG gegen eine Abschiebungsandrohung nach Ablehnung des Asylantrages als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die von Gesetzes wegen gegebene sofortige Vollziehbarkeit (§ 75 Abs. 1 AsylG).
Da der Antragsteller bereits ein erfolgloses Asylverfahren geführt hat, richtet sich der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 AsylG (Folgeantrag).
Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass diese einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166). Prüfungsgegenstand ist dabei die Entscheidung, den früheren Bescheid nicht abzuändern, weil die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nicht gegeben sind und weil auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Voraussetzung einer nach § 71 Abs. 4 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG und § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung ist, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG hinsichtlich der Durchführung eines Folgeverfahrens und auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG).
Das Bundesamt ist zur Überzeugung des Gerichts voraussichtlich zutreffend davon ausgegangen, dass der Folgeantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist, da die Zulässigkeitsanforderungen der § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen und Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht gegeben sind. Das Gericht nimmt insoweit auf die Begründung des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes festzustellen:
Die Beachtlichkeit eines Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wegen nachträglicher Änderung der Sachlage zu Gunsten des Asylbewerbers kann nur bejaht werden, wenn dieser eine solche Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zu Grunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert vorträgt (vgl. BVerfG vom 11.5.1993, DVBl 1994, 38) und die Änderung geeignet ist, sich möglicherweise zu Gunsten des Betroffenen auszuwirken. Das Gericht ist dabei nicht befugt, andere als die vom Asylbewerber selbst geltend gemachten Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Antrags zu Grunde zu legen (BVerwG vom 30.8.1988, EZAR 212 Nr. 6, BVerwG vom 21.4.1982, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11). Die Voraussetzungen des § 71a Abs. 1, Abs. 4 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vorliegend nicht gegeben. Der Antragsteller hat seinen Folgeantrag mit keinerlei konkretem, auf seine individuelle Situation bezogenem Vortrag unterlegt. Er verwies lediglich auf seine Ehefrau, wegen der er nach Deutschland gereist sei. Eine nachträgliche Änderung der Sachlage zu Gunsten des Antragstellers ist damit weder vorgetragen noch erkennbar.
Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich für den Antragstellerin in Albanien weder mit Blick auf die dortige allgemeine wirtschaftliche, soziale und humanitäre Situation noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine im Rahmen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Abschiebungsschutz relevante Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung ergeben wird.
Allein wegen der Lebensbedingungen in Albanien vermag sich der Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse ist nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten, sodass auch nur dann die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff.).
Das Gericht geht insbesondere im Lichte des aktuellen Berichts des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 20. Oktober 2017 nicht davon aus, dass dem Antragsteller in Albanien eine Existenzgrundlage gänzlich fehlen wird und er dort im Sinne eines außergewöhnlichen Einzelfalls eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten muss. Die Lebensbedingungen sind in Albanien grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRGK aufweisen (vgl. aktuell z.B. VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375). Dies gilt auch im Fall des Antragstellers. Er ist gesund und in der Lage, durch eigene Arbeit in Albanien eine zumindest existenzsichernde Grundversorgung auf bescheidenem, landesangemessenem Niveau für sich zu erzielen. Der albanische Staat gewährt bedürftigen Staatsangehörigen im Inland zudem Sozialhilfe und Sozialdienstleistungen, falls kein oder nur ein geringes Einkommen vorhanden ist (vgl. Auswärtiges Amt, aaO S. 13). Damit ist auch für den Antragsteller in jedem Fall die Grundversorgung ausreichend gesichert. Dazu kommt, dass in Albanien Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, subventioniert wird (vgl. Auswärtiges Amt, aaO S. 13). Das Gericht verkennt nicht, dass sich das Leben in Albanien für den Antragsteller durchaus als schwierig und hart erweisen kann. Die asylrechtlich sehr hohen Voraussetzungen, unter denen eine wirtschaftlich schlechte Lage im besonderen Einzelfall ausnahmsweise zu einem nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot führen kann, sind jedoch im Fall der Antragstellerin zur Überzeugung des Gerichts offenkundig nicht erfüllt.
Die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegen auch weder aufgrund der nach Angaben des Antragstellers bestehenden Erkrankungen seiner Ehefrau (Probleme mit dem Bein bzw. der Hüfte), noch aufgrund der Schwangerschaft seiner Ehefrau vor.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot kann sich zwar auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn sich die Erkrankung im Heimatstaat erheblich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind und so im Fall der Rückkehr alsbald eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung mit der Folge einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben zu befürchten wäre. Eine eigene Erkrankung, die eine zielstaatsbezogene Gefahren für Leib und Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG begründen würde, hat der Antragsteller jedoch nicht geltend gemacht. Eine etwaige Erkrankung seiner Ehefrau und auch deren Schwangerschaft erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG jedoch nicht.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben