Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis

Aktenzeichen  Au 1 E 17.1292

Datum:
1.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6, § 61 Abs. 2
VwGO VwGO § 88, § 123
AufenthG AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1
BeschV BeschV § 32 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1 § 61 Abs. 2 AsylG ist eine dem Grundsatz nach eng auszulegende Ausnahmevorschrift, bei der nur in Ausnahmefällen die Entscheidungsmöglichkeiten auf eine einzige beschränkt sind. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ausländerbehörde darf bei der Entscheidung über die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis berücksichtigen, dass das BAMF den Asylantrag abgelehnt hat und dass die Identität ungeklärt ist. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben äthiopischer Staatsangehöriger, begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm einstweilen den Beginn einer Berufsausbildung zu gestatten.
Er reiste im Mai 2015 in die Bundesrepublik ein und beantragte am 13. Januar 2016 die Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei gab er an, über keinerlei Ausweisdokumente zu verfügen. Mit Bescheid vom 19. Mai 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab. Über die hiergegen erhobene Klage (Au 1 K 17.33129) wurde noch nicht entschieden.
Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin im August 2017 einen Berufsausbildungsvertrag für eine Ausbildung als Fliesen-, Platten- und Mosaikleger vor. Mit Schreiben vom 17. August 2017 teilte die Antragsgegnerin ihm mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf unselbständige Beschäftigung im Rahmen der Ausbildung abzulehnen. Seine Bleibeperspektive werde als gering eingeschätzt. Ferner gelte seine Identität bis dato als gänzlich ungeklärt.
Mit Schreiben vom 25. August 2017 begehrt der Antragsteller deswegen einstweiligen Rechtsschutz. Er trägt vor, die Antragsgegnerin habe ihr Ermessen im vorliegenden Fall fehlerhaft ausgeübt. Er habe alles getan, was in seiner Macht stehe, um die Voraussetzungen für die Erteilung der Ausbildungsgenehmigung zu erfüllen. Er habe auch in allen Phasen des Asylverfahrens mitgewirkt. Er habe seinen Betreuer der Jugendhilfeeinrichtung beauftragt, die äthiopische Botschaft telefonisch und schriftlich zu kontaktieren. Telefonisch habe die Botschaft mitgeteilt, dass der Antragsteller nur mit persönlichem Erscheinen in Äthiopien einen Pass beantragen könne. Er bemühe sich auch weiterhin, über Freunde und Bekannte sowie die äthiopische Botschaft den Nachweis zu bekommen, dass er seine Identität richtig angegeben habe.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, ihm eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach § 61 AsylG zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie meint, der Antrag sei bereits unzulässig, weil er auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sei. Er sei aber in jedem Fall unbegründet. Der Antragsteller habe den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht. Er könne sein Begehren nicht mit Erfolg darauf stützen, dass das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden wäre. Er müsse vielmehr die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und damit eine Ermessensreduzierung auf Null darlegen. In der Ermessensentscheidung sei der Aspekt der ungeklärten Staatsangehörigkeit und Identität zu berücksichtigen. Der Antragsteller habe seit seiner Einreise keine Dokumente, Unterlagen, Belege oder ähnliches vorgelegt, um seinen gesetzlichen Verpflichtungen insoweit zu entsprechen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach § 61 AsylG zu erteilen, war gemäß § 88 VwGO i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Erlaubnis zur – zumindest vorübergehenden – Aufnahme der Ausbildung zum Fliesenleger bei der Firma * zum 1. September 2017 begehrt wird. Das Antragsbegehren ergibt sich aus dem gesamten Vortrag des Antragstellers, insbesondere auch aus der Antragsbegründung. Aus dieser ergibt sich eindeutig, dass das Ziel des Antragstellers die einstweilige Genehmigung der genannten Ausbildung ist.
2. Jedenfalls ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Es liegt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung bereits kein Anordnungsanspruch vor.
a) Grundlage der begehrten Erlaubnis oder Gestattung kann, da sich der Antragsteller noch im laufenden Asylverfahren befindet, nur § 61 Abs. 2 AsylG sein. Danach kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Die Vorschrift regelt insofern eine Ausnahme und benennt die Voraussetzungen, unter denen einem Asylbewerber abweichend vom generellen Erwerbstätigkeitsverbot nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Aufnahme einer Beschäftigung im Sinne einer nichtselbstständigen Arbeit erlaubt werden kann. Das Regelungssystem begründet also ein gesetzliches Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 – 10 C 16.1790 – juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2017, § 4 AufenthG Rn. 53).
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm liegen vor. Der Antragsteller ist Asylbewerber und hält sich seit mehr als drei Monaten gestattet im Bundesgebiet auf. Bei der von ihm angestrebten Berufsausbildung handelt es sich zudem um eine zustimmungsfreie Beschäftigung (vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV).
b) Die Entscheidung über die Erlaubnis liegt jedoch im Ermessen der Behörde („kann“). Damit könnte sich ein zwingender Anspruch des Antragstellers nur dann ergeben, wenn das Ermessen im konkreten Einzelfall auf Null reduziert wäre. Eine solche Reduzierung des Ermessens auf Null kommt in den Fällen in Betracht, in denen die Entscheidung deshalb alternativlos ist, weil sich keine andere Entscheidung mit dem Zweck der Ermächtigung begründen ließe (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 40 Rn. 71).
Hiervon ist vorliegend nach Auffassung des Gerichts nicht auszugehen. Die Vorschrift des § 61 Abs. 2 AsylG eröffnet der Behörde mehrere Entscheidungsalternativen, die auch im Fall des Antragstellers nicht auf nur eine reduziert sind. Ein Asylbewerber hat also bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich keinen Anspruch auf die Erlaubnis, sondern lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Im Rahmen der Ermessensentscheidung muss das private Interesse des Asylbewerbers an der Aufnahme einer Beschäftigung gegen die öffentlichen Interessen abgewogen werden, die einer Beschäftigungsaufnahme durch den Ausländer entgegenstehen. Die öffentlichen Interessen müssen dabei aus den Vorgaben des Aufenthalts- und Asylrechts abgeleitet werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2017, § 61 AsylG Rn. 19 und 20).
Es ist nicht erkennbar, was im Fall des Antragstellers der Ausländerbehörde diesen vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessenspielraum nehmen könnte. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein Asylbewerber auch nach Ende der Wohnverpflichtung einem Erwerbstätigkeitsverbot unterliegt, da es ihm an einem Aufenthaltstitel fehlt, der ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erlauben würde (Hailbronner, a.a.O., Rn. 8). Bei § 61 Abs. 2 AsylG handelt es sich somit dem Grundsatz nach um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, bei der nur in Ausnahmefällen die Entscheidungsmöglichkeiten auf eine einzige beschränkt sind. Auch aus der systematischen Einordnung dieser Vorschrift lässt sich nichts erkennen, was für die Annahme sprechen könnte, das Ermessen wäre regelmäßig auf Null reduziert. In gleicher Weise kann dem Wortlaut der Vorschrift eine solche einengende Anwendung nicht entnommen werden.
Die – angekündigte – Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin ist nach alldem nicht zu beanstanden.
(1) Insbesondere darf die Antragsgegnerin die Tatsache, dass der Asylantrag des Antragstellers vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wurde, bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Es entspricht migrationspolitischen öffentlichen Belangen, die Verwurzelung bei Personen ohne oder mit geringer Bleibeperspektive zu verhindern. Daher ist es auch zulässig, die Verfestigung eines Aufenthalts bei Asylbewerbern nicht zu unterstützen, solange ihr endgültiges Bleiberecht nicht feststeht. Um Fehlanreize zu vermeiden, sind solche Erwägungen zulässigerweise in die Entscheidung nach § 61 Abs. 2 AsylG miteinzubeziehen (VG Augsburg, B.v. 9.5.2017 – Au 1 K 17.75 Rn. 23; U.v. 13.6.2017 – Au 1 K 17.101; Neundorf in Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.2.2017, § 61 Rn. 12), sofern die Entscheidung nicht allein mit der monatlich aktualisierten Entscheidungsstatistik des Bundesamts und den sich daraus ergebenden Anerkennungsquoten begründet wird (vgl. VG München, U.v. 5.4.2017 – M 9 K 17.254 – juris Rn. 37).
(2) Schließlich darf die Antragsgegnerin im Ermessens Weg auch berücksichtigen, dass die Identität des Antragstellers nach wie vor ungeklärt ist (VG Augsburg, U.v. 12.7.2017 – Au 6 K 17.535 – juris Rn. 32). Alle Daten zu seiner Person beruhen auf seinen eigenen Angaben; objektive Beweise hierfür liegen nicht vor. Er ist nicht nur ohne Pass und damit unter Verstoß gegen die nach § 3 AufenthG grundsätzlich für alle Ausländer im Bundesgebiet geltende Passpflicht eingereist, sondern er hat auch bis heute keinen Pass oder sonst ein Identitätsdokument vorgelegt.
Zutreffend weist der Antragsteller zwar darauf hin, dass einem Asylbewerber im laufenden Asylverfahren grundsätzlich nicht zuzumuten ist, bei seiner Botschaft einen Pass zu beantragen. Im konkreten Fall hat die Ausländerbehörde dies vom Antragsteller jedoch auch nicht verlangt.
Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG sind Ausländer im Fall des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Dies gilt bereits im laufenden Asylverfahren, anderenfalls liefe die Regelung des § 15 AsylG leer (VG Augsburg, U.v. 12.7.2017 – Au 6 K 17.535 – juris Rn. 32f.). Die Antragsgegnerin verlangt vom Antragsteller vorliegend lediglich einen Nachweis bezüglich seiner Identität und Staatsangehörigkeit. Dafür kämen z.B. auch eine Geburtsurkunde, Schulzeugnisse oder ähnliche Dokumente in Betracht. Erbringt der Antragsteller die entsprechenden Nachweise nicht, darf die Ausländerbehörde seine ungeklärte Identität bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.
Der zuletzt vom Antragsteller vorgelegte „Tätigkeitsbericht“ der Kinder- und Jugendhilfe (…) vom 4. August 2017 reicht nicht aus, eine ausreichende Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung des Sachverhalts zu belegen. Dies zeigt vielmehr deutlich, dass der Antragsteller sich erstmals im August 2017 darum bemüht hat, überhaupt Schritte einzuleiten, um in den Besitz von Identitätsdokumenten zu gelangen. Zuvor sind keinerlei Aktivitäten belegt. Der bloße einmalige Anruf eines Dritten bei der Heimatvertretung stellt in keiner Weise eine ausreichende Erfüllung von Mitwirkungspflichten dar. Vielmehr wurde über einen langen Zeitraum hinweg nicht einmal ein schriftlicher Antrag in der gebotenen Form bei der Heimatvertretung gestellt. Auch hat es der Kläger zu keinem Zeitpunkt versucht, sich Dokumente aus seinem Heimatland nachschicken zu lassen. Dies wäre ihm zumutbar gewesen. Er hat dort acht Jahre lang die Schule besucht. In Äthiopien leben nach seinen eigenen Angaben im Asylverfahren noch mehrere Verwandte von ihm. An diese hätte er sich wenden können, um Unterlagen zu erhalten, die seine Identität belegen. Zuletzt wäre es ihm wohl auch zumutbar gewesen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, die entsprechenden Schritte einzuleiten. All dies hat der Antragsteller unterlassen. Er hat letztlich zu keinem Zeitpunkt überhaupt Kontakt mit Personen oder Institutionen in seinem Heimatstaat aufgenommen, um irgendwelche Nachweise darüber zu erhalten, wer er ist.
(3) Auch die übrigen in der Antragsschrift vorgetragenen Gesichtspunkte, die für die Erteilung der Genehmigung sprechen würden, so z.B. die Integrationsleistungen und guten Deutschkenntnisse des Antragstellers, sind zwar von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, führen aber nicht dazu, dass den privaten Interessen des Antragstellers hier zwingend Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt werden muss.
Mangels Vorliegens eines Anordnungsanspruchs kommt es auf die Frage, ob der Antrag auch aus dem Grund erfolglos bleibt, weil er auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, nicht mehr entscheidungserheblich an.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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