Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  M 21 S 17.46344

Datum:
25.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Selbst bei Wahrunterstellung des Sachvortrags müsste sich der Antragsteller auf internen Schutz verweisen lassen, da er den angeblichen Repressionen durch den Dorf-Chief und seine Männer durch einen Wechsel des Wohnortes innerhalb Ghanas hätte entgehen können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt D. S.-B-, T. strasse 34, 8. M. wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste im November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. November 2014 bei dem Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 12. Oktober 2016 brachte er zur Begründung seines Asylbegehrens vor, seine Großmutter sei eine Hexe gewesen und habe ihm die Rituale beigebracht, um die Götter herbeizuschwören. Eines Tages habe der Dorf-Chef erfahren, dass seine Großmutter anderen Menschen diese Magie beibringe und habe die Großmutter, den Kläger und dessen Cousin zu sich bestellt. Der Vater des Klägers habe nicht mitkommen können, weil er Probleme mit dem Bein gehabt habe. Der Onkel habe Angst gehabt und sie deswegen verlassen. An diesem Tag seien die Großmutter des Klägers und drei weitere Personen getötet worden. Der Kläger habe dies mit dem Mobiltelefon gefilmt. Dem Kläger und den übrigen Anwesenden sei mitgeteilt worden, dass sie in der Nacht getötet würden. Es sei ihnen gelungen, aus dem Haus des Dorfchefs zu fliehen. Der Vater des Klägers habe ihnen Geld gegeben und sie seien dann mit dem Bus in den Niger und von da aus nach Libyen geflohen.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Ghana angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, der Antragsteller mache keine glaubhafte asylrechtlich relevante Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure geltend. Selbst bei Wahrunterstellung seines Sachvortrages müsse sich der Antragsteller auf internen Schutz verweisen lassen. Er hätte angeblichen Repressionen durch den Dorf-Chief und seinen Männern, wenn diese wirklich als existenziell wahrgenommen worden seien, durch einen Wechsel des Wohnortes innerhalb Ghanas entgehen können. Bei Würdigung des gesamten Vorbringens seien dem Sachverhalt keine glaubhaften oder greifbaren Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass sich der Antragsteller aufgrund einer hier beachtlichen Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes aufhalte. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht ersichtlich. Der Antragsteller habe insbesondere das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Posttraumatischen Belastungsstörung nicht ausreichend dargetan.
Der Antragsteller hat am 27. Juli 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17.46343), mit der er beantragt, den Bescheid vom 24. Juli 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Gleichzeitig beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sowie dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt D. S.-B., T. Straße 34, 8. M. zu gewähren.
Eine angekündigte Begründung erfolgte nicht.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 28. Juli 2017 die Akten vorgelegt und sich weder zu der Klage noch zu dem Eilantrag geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Die gerichtliche Überprüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat im Hinblick auf den nach Art .19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu erfolgen (BVerfG, B. v. 19.6.1990 – 2 BvR 369/90 – juris Rn. 20). Die Anforderungen entsprechen insofern denjenigen der Ablehnung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet (BVerfG, B. v. 19.6.1990 a.a.O. – juris Rn. 21).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft (einschließlich der Voraussetzungen für subsidiären Schutz) offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, B. v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3).
Entsprechend diesem Maßstab begegnet die Entscheidung des Bundesamts keinen ernstlichen Zweifeln. Das Gericht folgt insoweit den Gründen des angefochtenen Bescheids und nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Neuer Vortrag oder die Vorlage neuer Atteste ist durch den Antragsteller nicht erfolgt.
Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist damit nicht zu beanstanden.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt D. S.-B., T. Straße 34, 8. M., ist nach den vorstehenden Ausführungen für den Eilantrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO, §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO) ebenfalls abzulehnen, zumal die angekündigte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers ebenfalls nicht vorgelegt worden ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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