Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Ablehnung des Asylantrags als unzulässiger Zweitantrag

Aktenzeichen  M 21 S 17.45996

Datum:
4.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 26a, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 36 Abs. 4, § 71a
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 34
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 8
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Das Bundesamt kommt seiner Amtsermittlungspflicht im Zweitantragsverfahrens (§ 71a AsylG) zum erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat hinreichend nach, wenn es sich die erforderlichen Informationen von diesem Staat gem. Art. 34 Dublin III-VO übermitteln lässt. Weitergehende Ermittlungen setzen substantiierte Einwände des Asylbewerbers voraus. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dass das in Deutschland geborene Kind derzeit (noch) in Deutschland lebt, begründet kein vom Bundesamt zu berücksichtigendes Vollstreckungshindernis. Dieser inlandsbezogene Umstand ist nicht durch das Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens, sondern von der Ausländerbehörde vor der Abschiebung zu prüfen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 15. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. Juni 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
In der Behördenakte finden sich Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für die Mitgliedstaaten Griechenland und Österreich. Bei seiner Anhörung am 14. September 2016 erklärte der Antragsteller, er habe in Griechenland und in Österreich bereits internationalen Schutz beantragt. In Griechenland habe er keinen Bescheid erhalten. In Österreich habe er eine Anhörung gehabt, habe aber das Ergebnis nicht abgewartet, da er nach Deutschland weiterreisen wollte.
Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 VO (EU) Nr. 604/2013 wandte sich das Ministry of Migration Policy der Hellenischen Republik mit Schreiben vom 22. Mai 2017 an das Bundesamt und erklärte, der Antragsteller habe am 25. Januar 2012 dort Asyl beantragt. Dies sei am 29. März 2012 abgelehnt worden. Der Antragsteller habe daraufhin am 23. Juli 2012 Klage erhoben, die am 26. Mai 2016 abgewiesen worden sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juli 2017 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Nigeria wurde angedroht. Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des AufenthG auf 18 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG, da der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe. Wiederaufgreifensgründe habe der Antragsteller weder dargelegt noch seien sie sonst ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Antragsteller am 19. Juli 2017 durch seine Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17.45994), mit der er beantragt, den Bescheid vom 5. Juli 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Asylantrag einzustellen.
Zugleich beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führt er aus, er habe ein in Deutschland geborenes Kind, das bei seiner Mutter in Berlin lebe. Er habe niemals einen Asylbescheid in Griechenland erhalten. Es sei falsch, dass er dort gegen eine Ablehnung Klage erhoben habe.
Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten vorgelegt. Eine Äußerung erfolgte weder zum Klagenoch zum Eilverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Zwar ist die Zulässigkeit der zugleich erhobenen Klage in der sich aus den angekündigten Anträgen ergebenden Gestalt fraglich. Insbesondere erschließt sich dem Gericht nicht, warum der Antragsteller die Antragsgegnerin zur Einstellung des Asylverfahrens verpflichtet wissen will. Allerdings ist zumindest der Anfechtungsantrag statthaft, so dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Abschiebungsandrohung zulässig erscheint.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Gemäß §§ 71a Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrages, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Dies ist hier im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) nicht der Fall.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
§ 71a AsylG setzt damit den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 22ff; BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 – juris Rn. 24ff). Hierbei muss der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen; bloße Mutmaßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N.). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
Dies ist vorliegend der Fall. Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 VO (EU) Nr. 604/2013 hat der Mitgliedstaat Griechenland die erbetenen Informationen, einschließlich eingelegter Rechtsbehelfe und deren Ausgang, übermittelt. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Amtsermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der Einwand des Antragstellers, er habe niemals ein Schreiben griechischer Behörden erhalten, ist demgegenüber zu wenig substantiiert, um weitere Ermittlungen des Bundesamt zu veranlassen, zumal nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Informationen vollumfänglich unzutreffend gewesen seien.
Damit ist der Antrag zu Recht als unzulässig abgelehnt worden.
Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin:
Ein Abschiebungsverbot folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, dass das in Deutschland geborene Kind des Antragstellers derzeit (noch) in Deutschland lebt. Zwar darf ein Ausländer nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus der Systematik als auch der Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet aus Art. 8 EMRK, ziehen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG nach sich. Die Trennung der Familie stellt damit ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis dar, das nicht durch das Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens, sondern allein durch die Ausländerbehörde vor der Abschiebung zu prüfen ist (vgl. HessVGH, B. v. 15.2.2006 – 7 TG 106/06 –, NVwZ -RR 2006, 826).
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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