Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsandrohung wegen des Verweises auf internen Schutz im Süden Malis

Aktenzeichen  M 21 S 17.40084

Datum:
2.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Der Antragsteller muss sich nach der aktuellen Auskunftslage auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller, der nach eigenen Angaben in Spanien auf einem Gemüsemarkt schwarzgearbeitet hat, in der Lage war, sich nach Europa durchzuschlagen, auch bei einer Rückkehr nach Mali durch den Einsatz seiner Arbeitskraft ein hinreichendes Auskommen für sich erzielen kann. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Segou geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Bambara.
Er stellte am 29. Juli 2015 bei der Außenstelle des Bundesamt für … (kurz: Bundesamt) in München einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 13. Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, bis zur Ausreise in Bamako gelebt zu haben. Sein Heimatland habe er 2012 verlassen und sei am 31. August 2015 in das Bundesgebiet eingereist. In Spanien habe er auf einem Gemüsemarkt schwarzgearbeitet. Seine Eltern seien bereits verstorben. Er habe keine weiteren Verwandten im Heimatland. In Mali habe er ein unentgeltliches Praktikum gemacht. Seine wirtschaftliche Situation im Heimatland sei schlecht gewesen. Er habe Mali verlassen, als seine Eltern von Terroristen, die im Norden von Timbuktu gewesen seien, umgebracht worden seien. Er habe in ein anderes Land gehen wollen, wo es ihm besser gehe. In dem Dorf zwischen Timbuktu und Gao, wo sie gelebt hätten, habe es viele Terroristen gegeben, die sie ständig angegriffen hätten. Auch die Freunde seines Vaters seien aus dem Ort weggegangen. Deswegen habe er Mali verlassen. Seine Eltern seien im März 2012 umgebracht worden, als der Antragsteller gerade die Schafe gehütet habe. Weil er den Beschluss gefasst gehabt habe, weg zu gehen, habe er nicht in Bamako bleiben können.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, selbst bei Wahrunterstellung knüpfe die vorgetragene Bedrohung nicht an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an. Die vorgetragene Bedrohung sei als kriegerische Gefahr zu werten, welche alle in diesem Landesteil lebenden Menschen gleichsam betroffen habe. Dem Antragsteller stehe nach wie vor eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zur Verfügung. So sei etwa eine Rückkehr nach Bamako zumutbar. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 15. Mai 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 2. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm den subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 17.40082) ist noch nicht entschieden.
Am 15. Mai 2017 ließ der Antragsteller zudem beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 15. Mai 2017 im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei zu Unrecht als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Zu Unrecht werde behauptet, den Darstellungen des Antragstellers sei weder wörtlich noch inhaltlich eine politisch motivierte Verfolgung zu entnehmen. Er sei nicht offensichtlich lediglich einer kriegerischen Gefahr entflohen. Der Anschlag, bei dem seine Eltern ums Leben gekommen seien, habe Menschen gegolten, die wie er nicht die politische Ideologie der Rebellen teilten. Er hätte zu befürchten, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Er sei ein junger, mittelloser Mann ohne Berufserfahrung und familiären Rückhalt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Da der Antragsteller nach eigenen Angaben in Spanien auf einem Gemüsemarkt schwarzgearbeitet hat und er in der Lage war, sich nach Europa durchzuschlagen, ist hinreichend gesichert davon auszugehen, dass er auch bei einer Rückkehr nach Mali durch den Einsatz seiner Arbeitskraft ein hinreichendes Auskommen für sich erzielen kann.
Abgesehen von der Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens muss sich der Antragsteller auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Im Vergleich zum Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN über die Lage in Mali im Juni 2017 haben sich die politische und die Sicherheitslage dort zum Zeitpunkt Ende September 2017 verschlechtert. Die UN berichten allerdings in diesem Zusammenhang von einer Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen den bewaffneten Signatarkräften in Nordmali, wachsender Unsicherheit im Zentrum des Landes und steigender politischer Unruhe im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsprozess, der zu einer verspäteten Umsetzung des Abkommens geführt habe. Für die Region Kidal wird von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. Asymmetrische Angriffe gegen internationale Kräfte seien insbesondere in den Regionen Gao, Kidal und Timbuktu zu verzeichnen. Die Sicherheit von Zivilisten habe sich in den Gegenden um Ménaka und Mopti verschlechtert.
Dementsprechend wird vom Außenministerium der Vereinigten Staaten festgehalten, für Teile des Nordens und des Zentrums des Landes werde insbesondere von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche, extremistische Organisationen berichtet. Die Truppen der Regierung und der Französischen Republik hätten jedoch dort verschiedene Terrorgruppen bekämpft. Angriffe durch bewaffnete Gruppen, welche die Vereinbarung von 2015 unterzeichnet hatten, seien im Berichtszeitraum 2016 sporadisch und örtlich begrenzt gewesen. Terroristische Gruppen hätten ihre Aktivitäten (nur) im Norden und zentralen Teilen des Landes fortgesetzt. Die Regierung habe nicht genügend Ressourcen gehabt, um diese Fälle im Norden (allein) zu verfolgen und zu untersuchen.
Auch Amnesty International berichtet Stand 19. Mai 2017, die Instabilität habe in Mali vom Norden auf das Landesinnere übergegriffen. Es habe immer mehr bewaffnete Gruppierungen gegeben, die Anschläge verübten. Die Stadt Kidal im Norden des Landes sei von bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. In Gao und Ménaka sei die Versorgung mit humanitärer Hilfe durch Entführungen seitens bewaffneter Gruppen behindert worden.
Bei dieser Lage muss sich der Antragsteller hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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