Aktenzeichen M 25 S 16.33050
Leitsatz
1 Für anerkannte Flüchtlinge stehen in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder karitative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen (ebenso OVG NRW BeckRS 2016, 52155). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 In Italien ist international Schutzberechtigten der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem eröffnet, insbesondere ist eine kostenfreie Notversorgung sowie die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung gesichert (ebenso OVG NRW BeckRS 2016, 52155). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Abschiebungsanordnung nach von § 71 Abs. 4 Hs. 2 iVm § 34a AsylG kann nicht ergehen, wenn der Asylbewerber in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union abgeschoben werden soll, weil ihm dort bereits internationaler Schutz gewährt wurde. In diesen Fällen soll nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 35 AsylG eine Abschiebungsandrohung ergehen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der nach eigenen Angaben 59-jährige Antragsteller, ein nach eigenen Angaben tansanischer Staatsangehöriger wendet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. August 2016, mit dem sein Asylfolgeantrag vom April 2015 als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Italien angedroht wurde.
Der Antragsteller erhielt mit Bescheid vom 30. Januar 2012 in Italien den Status eines Flüchtlings zuerkannt und besitzt einen bis zum 23. Februar 2017 gültigen italienischen Aufenthaltstitel (Behördenakte, Blatt 101 des Erstverfahrens).
Im März 2014 reiste er aus Italien kommend erstmals ins Bundesgebiet ein und beantragte am 3. April 2014 Asyl (Behördenakte, Blatt 4 des Erstverfahrens). Im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 3. April 2014 (Behördenakte, Blatt 26 des Erstverfahrens) gab der Antragsteller an, in keinen anderen Staat überstellt werden zu wollen. Die Antragsgegnerin stellte mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 3. Juli 2014 fest, dass dem Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Behördenakte, Blatt 102 des Erstverfahrens). Der Bescheid wurde damit begründet, dass der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat, nämlich Italien, eingereist sei und er sich somit nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen könne. Im Januar 2015 kehrte der Antragsteller nach Italien zurück, reiste jedoch bereits Ende Februar 2015 erneut ins Bundesgebiet ein (Behördenakte, Blatt 123 des Folgeverfahrens).
Am … April 2015 stellte der Antragsteller schriftlich einen Asylfolgeantrag, den er im Wesentlichen damit begründete, bei seinem ersten Asylantrag nicht zur Anhörung geladen worden zu sein. Die Lebensumstände in Italien seien sehr schlecht. Er sei schwer krank und benötige medizinische Behandlungen/psychologische Betreuung. Details über seinen Gesundheitszustand seien den beigefügten Unterlagen zu entnehmen. Beigelegt wurden u.a. elf Arztbriefe aus dem Zeitraum vom … März 2014 bis zum … Dezember 2014 vor (Behördenakte, Blatt 19 des Folgeverfahrens).
Mit Schriftsatz vom 16. November 2015 beantragte die nunmehrige Prozessbevollmächtigte, im Wege des isolierten Wiederaufgreifensantrags festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Italiens bestehen und legte psychologische bzw. ärztliche Befunde vom … August 2015 und vom … August 2015 vor. Die im Hinblick auf die HIV-Infektion erforderliche spezialisierte Versorgung und dauerhafte antivirale Therapie sei in Italien nicht gewährleistet. Bei der bereits erfolgten Rückkehr nach Italien sei keine Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Antragstellers genommen worden. Er sei sich selbst überlassen und an ein Heim für Obdachlose verwiesen worden. Die tatsächliche Inanspruchnahme des italienischen Gesundheitssystems sei dem Antragsteller verwehrt, was nicht zuletzt an der bürokratischen Gleichgültigkeit liege, auf die er als besonders schutzbedürftiger (in physischer und psychischer Hinsicht) Ausländer getroffen sei und wieder treffen werde. Bei bloßer Überstellung nach Italien ohne vorherige Abklärung sei in Italien keinesfalls gewährleistet, dass der Antragsteller nahtlos in das Gesundheitssystem und die notwendige ärztliche Betreuung in Italien aufgenommen werde. Der internationale Schutzstatus des Antragstellers in Italien stehe der Annahme eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 5 Aufenthaltsgesetz nicht entgegen.
Bei seiner persönlichen Befragung am … April 2016 gab der Antragsteller unter anderem an, er sei an HIV erkrankt und leide unter PTBS. Er legte Bestätigungen bzw. ärztliche Schreiben vom … Dezember 2012, vom … April 2014, vom … August 2014, vom … September 2014, vom … August 2015, vom … Oktober 2015 und vom … April 2016 vor.
Mit Bescheid vom 22. August 2016 lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Italien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, abgeschoben (Nr. 3). Nach Tansania dürfe der Antragsteller nicht abgeschoben werden (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5).
Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Antrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig sei. Nach § 71 Abs. 1 AsylG sei ein Folgeverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen. Dies sei nicht der Fall. Der Antragsteller könne aufgrund des in Italien gewährten internationalen Schutzes keine weitere Schutzgewährung verlangen. Auch ein erneuter Asylantrag wäre gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wiederum als unzulässig abzulehnen. Es liege keine geänderte Sach- oder Rechtslage vor, und es seien auch keine anderen Wiederaufgreifensgründe ersichtlich.
Die Antragsgegnerin verneinte auch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Die persönlichen Umstände des Antragstellers, bedingt durch seine Erkrankungen kommt, könnten zwar die Möglichkeit zum Schaffen eines erforderlichen Existenzminimums aus eigener Kraft beeinträchtigen. Dennoch sei zu berücksichtigen, dass anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen Unterstützung bekommen könnten. Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 3 EMRK könne sich ergeben, wenn selbst die Aufnahme in karitative Einrichtungen zur Sicherung eines Mindestmaßes an Existenzminimum des Antragstellers unmöglich gewesen wäre. Dies sei jedoch aus dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen.
Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Gesundheitsfürsorge sei in Italien grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, gewährleistet. Flüchtlinge, Asylbewerber und Personen, die unter humanitären Schutz stünden, seien in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Caritas biete Sammeladressen für Personen an, die keinen festen Wohnsitz hätten, diesen jedoch für alle bürokratischen und Verwaltungsangelegenheiten benötigten. Ärztliche Versorgung sei im Allgemeinen auch gewährleistet, soweit es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatisierten Erkrankten gehe. Der Antragsteller habe Atteste vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass er an HIV leide und lebenslang auf eine hochwertige, medikamentöse Therapie sowie engmaschige Kontrolluntersuchungen unter anderem wegen einer wahrscheinlichen posttraumatischen Störung angewiesen sei. Den Attesten sei zu entnehmen, dass der aktuelle Gesundheitszustand stabil sei und keine weiteren operativen Eingriffe erforderlich seien. Aufgrund des Vorliegens einer funktionierenden gesundheitlichen Versorgung in Italien sowie des sichergestellten Zugangs von Flüchtlingen dazu könne nicht von einer extremen individuellen Gefahr aufgrund der Verschlechterung des Gesundheitszustands ausgegangen werden, die dem Antragsteller aufgrund einer Abschiebung nach Italien drohe.
Der Bescheid wurde als Einschreiben am … August 2016 zur Post gegeben.
Mit seiner Klage vom 31. August 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid erheben, mit dem Antrag, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse hinsichtlich Italiens vorliegen (M 25 K 16.50672) und gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Die Abschiebungsandrohung sei rechtswidrig, weil es hierfür keine Ermächtigungsgrundlage gebe. Die Abschiebungsandrohung könne nicht auf § 34 Abs. 1 AsylG gestützt werden, weil diese Vorschrift aufgrund der Regelung des § 71 Abs. 4 Halbsatz 2 AsylG durch die speziellere Norm des § 34a AsylG verdrängt sei. § 34a AsylG sehe jedoch eine Abschiebungsandrohung nicht vor. Vielmehr ordne das Bundesamt die Abschiebung an, sobald feststehe, dass sie durchgeführt werden könne. Dies bedinge für das Bundesamt eine erweiterte Prüfungspflicht, nämlich die Prüfung auch inländischer Abschiebungsverbote im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG. Dies sei offensichtlich nicht geschehen. Auf die Klage- und Antragsbegründung im Übrigen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 26. August 2016 und vom 20. September 2016 legte die Antragsgegnerin die Behördenakten des Asylerst- und des Folgeverfahrens des Antragstellers vor.
Am 16. September 2016 wurde das Verfahren mit der Bitte um Übernahme an die entscheidende Kammer abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakten, auch des Hauptsacheverfahrens M 25 K 16.33043, die beigezogenen Akten M 26 K 16.50672 und M 26 S 16.50673 sowie die vorgelegten Behördenakten.
II.
Gründe:
Der Antrag hat keinen Erfolg, weil unbegründet ist.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 1 erfolgte Ablehnung des Antrags als unzulässig (vgl. zur zulässigen isolierten Anfechtungsklage OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16.A – BeckRS 2016, 52155, Rn. 18) und die in Nr. 3 des Bescheids angedrohte Abschiebung nach Italien ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 75 Abs. 1 AsylG).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben, überwiegt nicht das öffentliche Vollzugsinteresse.
Für die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsakts überwiegt. Bei dieser gerichtlichen Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen. Hat der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt fehlerhaft ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Wird der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, weil die angegriffene Verfügung als rechtmäßig zu beurteilen ist, ist der Antrag in aller Regel unbegründet. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, so verbleibt es bei der Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden öffentlichen bzw. privaten Interessen.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung. Hiernach spricht nach der Änderung des Aufenthalts – und Asylgesetzes Art. 5 und 6 des Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016, das am 6. August 2016 in Kraft getreten ist, mehr dafür, dass der Antragsteller in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weshalb dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorzug zu geben ist.
2.1. Die Klage in der Hauptsache gegen die Ablehnung des Antrags als unzulässig in Nr. 1 des Bescheids wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig zu Recht erfolgt ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
Die Antragsgegnerin hat ihre Unzulässigkeitsentscheidung zu Recht auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG gestützt. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Dies ist vorliegend der Fall.
Der Antragsteller hat nach unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Asylantrags mit bestandskräftigem Bescheid vom … Juli 2014 am … April 2015 erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) gestellt. Ein weiteres Asylverfahren ist nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Denn die Sach- und Rechtslage hat sich in Bezug auf den Prüfungsgegenstand des § 13 Abs. 2 AsylG seit dem unanfechtbaren Abschluss des Asylerstverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland im Juli 2015 nicht zugunsten des Antragstellers geändert hat. Der Antragsteller wurde bereits im Jahr 2012 als Flüchtling in Italien anerkannt.
2.2. Die Antragsgegnerin hat ebenfalls zu Recht das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach §§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz hinsichtlich Italiens verneint. Dem Antragsteller droht in Italien weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK noch eine sonstige konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz. Auf die diesbezüglichen zutreffenden und umfassenden Ausführungen der Antragsgegnerin wird Bezug genommen.
Im Übrigen gilt, dass sich die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge in Italien nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen. Es ist davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien grundsätzlich italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und erforderlichenfalls staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe karitativer Organisationen erhalten. Von Ausländern, die als Flüchtlinge anerkannt worden sind, wird grundsätzlich erwartet, dass sie wie italienische Staatsangehörige auch selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Das ist nicht menschenrechtswidrig.
Der Antragsteller wird in Italien auch nicht unverschuldet von Obdachlosigkeit bedroht sein. Zwar ist die Versorgung von anerkannten Flüchtlingen mit Wohnraum in Italien von Ort zu Ort unterschiedlich. Die Situation hat sich jedoch insgesamt verbessert. Nach der Auskunftslage kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass für anerkannte Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder karitative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen (OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16.A – BeckRS 2016, 52155).
Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung (OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16.A – BeckRS 2016, 52155, Rn. 61 m.N.).
Individuelle, in der Person des Antragstellers liegende besondere Gründe, die auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. auf eine konkrete Gefahr im Sinne von Art. 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz schließen lassen, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf gesundheitliche Gründe berufen. Der 59-jährige Antragsteller leidet nach seinen Angaben und den vorgelegten Bescheinigungen, zuletzt vom … April 2016, an einer „chronischen, behandlungspflichtigen Erkrankung“ und an „Folgeerkrankungen, die ebenfalls eine professionelle medizinische Betreuung notwendig“ machen. Nach einer anderen Bescheinigung vom … August 2015 besteht beim Antragsteller seit 2007 eine HIV-Infektion. Eine Bescheinigung vom … April 2014 diagnostiziert beim Antragsteller Angst, eine depressive Störung und eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Bezüglich seiner analen Beschwerden hat sich der Antragsteller den Attesten zufolge bereits zweimal eine Operation unterzogen. Außerdem wurde eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.
Das Gericht geht jedoch davon aus, dass diese auch in Italien verbreiteten Erkrankungen dort behandelbar sind und der Antragsteller Zugang zur dortigen medizinischen Versorgung hat. In Italien ist auch international Schutzberechtigten der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem eröffnet. Insbesondere sind eine kostenfreie Notversorgung sowie die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung gesichert. (vgl. zu den Nachweisen OVG Münster, U.v. 24.8.2016, a.a.O., Rn 62).
Ist die medizinische Versorgung gewährleistet, scheidet nicht nur die Annahme einer Verletzung des Art. 3 EMRK aus. Ferner kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen gegeben ist, die nach § 60 Abs. 7 Satz 2 Aufenthaltsgesetz das Vorliegen lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine solche Verschlechterung ergibt sich aus den vorgelegten Bescheinigungen nicht.
2.3. Auch die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheids erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung ist § 71 Abs. 4 Halbs. 1 AsylG i.V.m. §§ 34, 35 AsylG entsprechend. Danach erlässt das Bundesamt eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG – wie vorliegend – nicht gegeben sind und droht die Abschiebung in den Staat an, indem der Ausländer vor Verfolgung sicher ist – vorliegend nach Italien.
Der Umstand, dass es sich vorliegend um einen Folgeantrag handelt, und der Erstantrag – mangels damals noch nicht vorhandener gesetzlicher Grundlage – nicht auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt wurde, ändert nach Auffassung des Gerichts nichts daran, dass § 71 Abs. 4 Halbs. 1 AsylG einschlägig ist, und führt entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten nicht zur Anwendung von § 71 Abs. 4 Halbsatz 2 AsylG i.V.m. § 34a AsylG.
Die Voraussetzungen von § 71 Abs. 4 Halbs. 2 AsylG liegen nicht vor. Dafür müsste es sich um eine Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) handeln. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn der Antragsteller soll abgeschoben werden, weil ihm ein Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationalen Schutz gewährt hat. Für diese Fälle ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als speziellere Vorschrift einschlägig, und aus § 35 AsylG ergibt sich, dass in diesem Fall eine Abschiebungsandrohung ergehen soll.
§ 29 Abs. 1 Nr. 3 regelt die Unzulässigkeit von Asylanträgen, wenn ein anderer Staat bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen und dieser Staat als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. § 35 AsylG nimmt auf diese Vorschrift nicht Bezug. Hierbei dürfte es sich um den Anwendungsfall von § 71 Abs. 4 Halbs. 2 AsylG handeln.
Die Antragsgegnerin hat sich jedoch – zu Recht – darauf gestützt, dass der Antragsteller in Italien bereits als Flüchtling anerkannt ist und gerade nicht auf seine Einreise aus einem sicheren Drittstaat.
2.4. Dass die Antragsgegnerin ihre Abschiebungsandrohung auf §§ 71 Abs. 4, 34a Abs. 1 Satz 4, 26a AsylG gestützt hat, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG sieht den Erlass einer Abschiebungsandrohung in den jeweiligen Staat an, wenn eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen kann.
Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, anstelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2010 – 8 C 12.09 – juris Rn. 19).
2.5. Die Benennung von Italien als Zielstaat der Ablehnung entspricht §§ 71 Abs. 4 Halbs. 1, 35 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.