Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Überstellung im Dublin-Verfahren (Belgien)

Aktenzeichen  M 9 E 20.50488

Datum:
1.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23321
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 6 Abs. 1
VwGO § 123

 

Leitsatz

Das Vorliegen einer ein Abschiebungshindernis begründenden tatsächlich bestehenden Familieneinheit ist im Verfahren nach § 123 VwGO vom Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich mit einem Antrag nach § 123 VwGO gegen ihre Abschiebung nach Belgien im Vollzug eines Dublin-III Bescheids vom 20.Mai 2020, die heute auf dem Landweg um 14 Uhr stattfindet.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.Juli 2020, auf den verwiesen wird, wurde die Klage abgewiesen (M 9 K 20.50338). Der Bevollmächtigte hat dagegen mündliche Verhandlung beantragt.
Die Antragsteller, Mutter und drei Kinder, stammen aus der Ukraine, wurden nach Durchführung eines Asylverfahrens am 26.März 2019 gemeinsam mit dem Vater/Ehemann in die Ukraine überstellt und reisten am 20.Januar 2020 nach Aktenlage ohne den Ehemann/Vater wieder in das Bundesgebiet ein. Im gesamten Verwaltung- und Gerichtsverfahren haben die Antragsteller den Ehemann/Vater nicht erwähnt.
Nach den wegen Eilbedürftigkeit telefonisch eingeholten Stellungnahmen des Bevollmächtigten und des BAMF befand sich der Ehemann/Vater Safwan T. zunächst in Abschiebhaft. Ein Einreisedatum ist nicht aktenkundig (AZR, BAMF-Akten, Auskunft des Bevollmaächtigten). Am 13.Juli 2020 beantragte er Asyl (Folgeantrag) und sein Bevollmächtigter kündigte die Vorlage weiterer neuer Beweismittel bei der Anhörung an; der Ehemann/Vater sei Jordanier und habe kein Aufenthaltsrecht mehr in der Ukraine. Mit weiterem Schreiben vom 18.8.2020 an das BAMF beantragte der Bevollmächtigte Fristverlängerung für mehrere Wochen. Über den Antrag hat das BaMF noch nicht entschieden, ausweislich der dortigen Akten sei auch offen, ob es sich um ein Dublin-III-Verfahren handle. Im dortigen Verfahren habe der Ehemann/Vater seine Familie, die Antragsteller dieses Verfahrens, nicht erwähnt. Er wohne in … (Auskunft des Bundesamts aus den Akten). Die Antragsteller selbst wohnen in München.
Der Bevollmächtigte beantragte am 1.September gem. § 123 VwGO:
Die Beklagte wird verpflichtet, an die zuständige Ausländerbehörde im Sinne des § 71 Abs. 5 AsylG mitzuteilen, dass die Abschiebeandrohung des BAMF vom 20.5.2020 nicht vollziehbar ist Es bestehe ein inländisches Vollstreckungshindernis, das als Duldungsgrund im Rahmen von§ 34a AsylG zu prüfen sei. Der Ehemann/Vater sei noch im offenen Asylverfahren. Die Bundesrepublik sei für diesen nach der Dublin-III-VO wegen des Grundsatzes der Familieneinheit zuständig.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten auch im Klageverfahren und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.
Die Antragsteller haben vorliegend keinen Anordnungsanspruch, d.h einen materiellrechtlichen Anspruch auf Verbleib im Bundesgebiet glaubhaft gemacht, § 123 VwGO iVm § 920 ZPO. Gegen den Bescheid des Bundesamts, insbesondere die Abschiebeandrohung nach Belgien bestehen keine rechtlichen Bedenken. Auf den Gerichtsbescheid vom 13.Juli 2020 und den Bescheid des Bundesamts vom 20 Mai 2020 wird verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG. Ergänzend gilt folgendes:
Die Abschiebeanordnung nach Belgien ist vollziehbar. Die Antragsteller haben keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt und die Überstellungsfrist ist nicht abgelaufen.
Die Familieneinheit wurde nicht schlüssig dargelegt und damit auch nicht glaubhaft gemacht. In den Akten der Antragsteller und in denen des Ehemanns/Vaters befindet sich kein Hinweis auf eine gemeinsame Einreise oder den Bestand einer familiären Lebensgemeinschaft im In- oder Ausland. Die Antragsteller wohnen in München, der Ehemann/Vater in einiger Entfernung in Asbach, davor wohl in Kempten. Niemand hat den Wunsch nach einer gemeinsamen Unterbringung als Familie (aktenkundig) geäussert, obwohl sich der Ehemann/Vater in Abschiebehaft befand. Dieser hat seinen Asylantrag erst mehrere Wochen nach seiner Familie gestellt und nichts inhaltlich Relevantes vorgetragen, aus dem sich der Wunsch nach einer Zusammenführung mit seiner Familie ergibt. Im Gegenteil gab er an, dass er kein Aufenthaltsrecht mehr in der Ukraine habe; dies wertet das Gericht als ein Indiz dafür, dass die familiäre oder eheliche Gemeinschaft mit den Antragstellern nicht mehr besteht.
Nach dieser Sachlage ist bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht schlüssig und nachvollziehbar, dass eine Familieneinheit besteht. Damit fehlt es auch an der im Verfahren nach § 123 VwGO erforderlichen Glaubhaftmachung. Eine Zuständigkeit der Bundesrepublik nach Art. 10 oder Art.11 Dublin-III VO ist nicht erkennbar. Sofern sich der Ehemann/Vater im Dublin-III-Verfahren befindet, ist die Familieneinheit auch in Belgien problemlos herzustellen.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.Der Beschluss ist unanfechtbar.


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