Verwaltungsrecht

Erfolgloses Ablehnungsgesuch gegen Mitglieder des Spruchausschusses im Flurbereinigungsverfahren

Aktenzeichen  13 S 19.14

Datum:
5.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2230
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AGFlurbG Art. 20 Abs. 4
ZPO § 42, § 43
BayVwVfG Art. 13 Abs. 2
FlurbG § 84, § 85, § 138 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Da eine unzutreffende Rechtsauffassung oder ein Verfahrensfehler keinen Ablehnungsgrund darstellen, ist die Äußerung einer irrigen Rechtsauffassung grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Verfahrensfehler rechtfertigen eine Ablehnung nur dann, wenn der Anschein besteht, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung oder auf Willkür beruht oder ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze des Verfahrensrechts vorliegt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen den Leitenden Baudirektor G … wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens F. Gegen die in diesem Verfahren am 15. September 2004 festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung und gegen den am 26. März 2008 beschlossenen Flurbereinigungsplan sowie eine Änderung des Flurbereinigungsplans erhob er bzw. seine Rechtsvorgängerin jeweils Widerspruch und Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht. Mit Vergleich vom 5. Mai 2015 wurden diese Verfahren (13 A 14.1223, 13 A 14.1239, 13 A 14.1242) beendet. Mit weiteren Klagen vom 30. Dezember 2016 hat der Antragsteller die Unterlassung von Fällungen von Grenzbäumen im Bereich der Flurstücke 182 und 227 sowie eine Entschädigung für den Aufwand der Fällung und Beseitigung beantragt (13 A 15.2639, 13 A 16.2639). Beide Verfahren wurden nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen jeweils mit Beschluss vom 15. März 2018 eingestellt. Eine weitere Klage wegen Vermessung wurde am 23. Februar 2018 erhoben und ruht seit 5. Dezember 2018 (13 A 18.488). Mit einer weiteren Klage vom 20. Dezember 2018 verlangt der Kläger, die Teilnehmergemeinschaft F. (TG) zu verpflichten, die Fällung von Grenzbäumen im Bereich der Flurstücke 182 und 227 bis zum Eintritt der Rechtskraft der Änderung des Flurbereinigungsplans und des Klageverfahrens 13 A 18.488 zu unterlassen (13 A 18.2656).
Mit Vorstandsbeschlüssen vom 19. Februar 2018 und 28. Mai 2018 änderte die TG den Flurbereinigungsplan. Die Änderung wurde am 9. Juli 2018 den Beteiligten bekanntgegeben und am 25. Juli 2018 erfolgte der Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG. Der Antragsteller hat gegen diese Änderung Widerspruch erhoben. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Amt für Ländliche Entwicklung O. (ALE) mitgeteilt, dass weder er noch sein Mandant den Termin zur Verhandlung vor dem Spruchausschuss am 12. Dezember 2018 wahrnehmen. Aufgrund der Voreingenommenheit der beamteten Mitglieder des Spruchausschusses bestehe keine Aussicht auf ein faires Verfahren. Die fehlende Beiladung im Widerspruchsverfahren des Teilnehmers S. und die fehlende Erforderlichkeit des Ausbaus des Wegs zeigten, dass keine sachgerechte Entscheidung zu erwarten sei. Es werde eine Waldflurbereinigung durchgeführt, weil Wege geschaffen würden, die vorher nicht vorhanden gewesen seien. Neben der Entschädigung des Baumbestands fehle es weiter an der Ablösung des Baumbestands auf Flurstück 219/2. Der Antragsteller sehe aufgrund der nachträglichen Änderungen des Flurbereinigungsplans keine Grundlage, an dem geschlossenen Vergleich festzuhalten, was gerade auch im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren des Teilnehmers S. gelte, an dem er widerrechtlich nicht beteiligt worden sei, obwohl seine Betroffenheit für den Spruchausschuss offensichtlich gewesen sei. Neben dieser den Antragsteller belastenden Entscheidung seien auch die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Verrohrung im Flurstück 219 und die Untätigkeit der TG nicht geeignet, dass der Antragsteller eine sachgerechte Entscheidung des Spruchausschusses erwarten könne.
Die abgelehnten beamteten Mitglieder des Spruchausschusses haben sich zu dem Ablehnungsgesuch dienstlich geäußert. Die Äußerungen wurden dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit der Gelegenheit, sich hierzu zu äußern, zugeleitet, wovon mit Schriftsatz 22. Januar 2019 Gebrauch gemacht wurde.
II.
Das Ablehnungsgesuch ist zulässig.
Nach Art. 20 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes (AGFlurbG) ist zur Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen Mitglieder des Spruchausschusses das Flurbereinigungsgericht zuständig (zum historischen Hintergrund dieser Bestimmung vgl. Mayr in Linke/Mayr, AGFlurbG, 2012, Art. 20 Rn. 7). Nach Art. 20 Abs. 4 Satz 1 AGFlurbG gelten für die Ablehnung die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Demnach muss der abgelehnte Richter (hier: die abgelehnten Spruchausschuss-Mitglieder) grundsätzlich namentlich genannt werden. Unzulässig ist ein Ablehnungsantrag daher dann, wenn das abgelehnte Spruchausschuss-Mitglied nicht namentlich genannt wird (BayVGH, B.v. 6.7.2006 – 13 S 06.1205 – BeckRS 2006, 28279; Mayr in Linke/Mayr, a.a.O. Art. 20 Rn. 12; vgl. allgemein BVerfG, B.v. 22.2.1960 – 2 BvR 36/60 – BVerfGE 11, 1 = juris; Vollkommer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 42 Rn. 3). Da der Antragsteller die Spruchausschuss-Mitglieder in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2019 namentlich benannt hat, sind die Ablehnungsgesuche jeweils zulässig.
Das Ablehnungsgesuch ist jedoch unbegründet.
Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis hat, der Richter – bzw. vorliegend das Mitglied des Spruchausschusses – werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon „der böse Schein“ der Parteilichkeit, d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, B.v. 5.10.1977 – 2 BvL 10/75 – BVerfGE 46, 34/41; vgl. Mayr in Linke/Mayr, a.a.O. Art. 20 Rn. 10).
Soweit sich der Antragsteller auf Entscheidungen und ein Verhalten der TG beruft, fehlt schon jeder sachliche Zusammenhang mit dem Verhalten der Mitglieder des Spruchausschusses. Auch hinsichtlich des Vorbringens zur Duldung und Unterstützung einer „Waldflurbereinigung“ durch den Spruchausschuss entgegen der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens ist unter dem Gesichtspunkt, dass eine unzutreffende Rechtsauffassung oder ein Verfahrensfehler keinen Ablehnungsgrund darstellen (Mayr in Linke/Mayr, a.a.O. Art. 20 Rn. 12), kein Ablehnungsgrund ersichtlich. Dabei ist auch in sachlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar, woraus sich die Unzulässigkeit der Einbeziehung von Waldgrundstücken ergeben soll, da nach § 7 Abs. 2 FlurbG zum Flurbereinigungsgebiet alle in ihm liegenden Grundstücke gehören, soweit sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden. Nach § 84 FlurbG sind auch Waldgrundstücke ländlicher Grundbesitz im Sinne des Flurbereinigungsgesetzes und gelten für ihre Einbeziehung nach § 85 FlurbG bestimmte Sondervorschriften.
Soweit sich der Antragsteller auf eine unterbliebene Beiladung im Widerspruchsverfahren des Teilnehmers S. beruft, ist auch dies nicht geeignet, eine Befangenheit zu begründen. Eine unzutreffende Rechtsauffassung oder ein Verfahrensfehler stellen keinen Ablehnungsgrund dar (Mayr in Linke/Mayr, a.a.O. Art. 20 Rn. 12). Die Äußerung einer irrigen Rechtsauffassung ist grundsätzlich kein Ablehnungsgrund (BVerwG, B.v. 29.5.1991 – 4 B 71.91 – NJW 1992, 1186/1187 = juris; BayVGH, B.v. 26.8.2010 – 13 S 10.1729 – juris). Verfahrensfehler rechtfertigen eine Ablehnung nur dann, wenn der Anschein besteht, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung oder auf Willkür beruht (BayVGH, B.v. 16.1.2007 – 13 A 05.988 – juris Rn. 10) oder ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze des Verfahrensrechts vorliegt (BayVerfGH, E.v. 16.5.2006 – Vf. 98-VI-05 – BayVBl 2007, 269 = juris). Für derartige Verfahrensfehler bestehen nach dem Vortrag des Antragstellers und der dienstlichen Äußerung keine Anhaltspunkte. Nach letzterer sei es in dem Widerspruchsverfahren des Teilnehmers S. nach Rücknahme seines Widerspruchs bezüglich der Abmarkung des Wegs Flurstück 182 nurmehr um den Ausbaustandard gegangen, weshalb der Antragsteller nicht in seinen Rechten betroffen gewesen sei. Diese Handhabung der Hinzuziehung bzw. Nichthinzuziehung des Antragstellers im Widerspruchsverfahren des Teilnehmers S. nach Art. 13 Abs. 2 BayVwVfG erscheint nachvollziehbar und stellt sich damit nicht als willkürlich dar. Selbst wenn sie in der Sache fehlerhaft gewesen sein sollte, hätte der Antragsteller gegen das Unterbleiben seiner Hinzuziehung eigenständige Rechtsbehelfe erheben können (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 13 Rn. 38, 51a) und begründet seine Nichthinzuziehung in dem damaligen Verfahren keine Befangenheit der Spruchausschussmitglieder in seinem nunmehr beim Spruchausschuss anhängigen Widerspruchsverfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO).


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