Verwaltungsrecht

Erfolgreiche Beschwerde. Einstweilige Gestattung des Vaters der Antragstellerin, als pflegerische Betreuungsperson am Präsenzunterricht teilzunehmen bis geeignete Pflegekräfte für die Schule gefunden sind.

Aktenzeichen  7 CE 21.2431

Datum:
20.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41438
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1
BayEUG Art. 23 Abs. 2 S. 1, Art. 36 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Kann die Teilnahme am Präsenzunterricht ausschließlich dadurch gewährleistet werden, dass die notwendige pflegerische Betreuung einer Schülerin oder eines Schülers auch in der Schule sichergestellt ist, ist der Pflegekraft die Teilnahme am Unterricht zu gestatten. (Rn. 21)
2. Findet sich trotz intensiver Suche nachweisbar keine geeignete Pflegekraft, ist in dieser Zeit ausnahmsweise dem pflegenden Elternteil die Teilnahme am Unterricht zu gestatten. (Rn. 21)
3. Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen ist die Ablehnung eines entsprechenden Antrags allenfalls ausnahmsweise bei Vorliegen außergewöhnlicher Gründe gerechtfertigt. (Rn. 21)

Verfahrensgang

M 3 E 21.4175 2021-09-06 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 6. September 2021 wird der Antragsgegner verpflichtet, es dem Vater der Antragstellerin einstweilen zu gestatten, als pflegerische Betreuungsperson am Präsenzunterricht der Antragstellerin teilzunehmen bis geeignete Pflegekräfte für die Schule gefunden sind, vorerst längstens bis zum Ende des Schuljahres 2021/2022.
II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Antragsgegner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die begehrte Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Aus dem Anspruch der Antragstellerin auf Teilnahme am Präsenzunterricht folgt zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, dass es dem Vater der Antragstellerin vorübergehend ermöglicht werden muss, diese ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt solange zum Unterricht in die 1. Klasse der Verbandsgrundschule M … begleiten zu können, bis die häusliche Krankenpflege in der Schule von Pflegekräften gewährleistet werden kann, vorerst jedoch längstens bis zum Ende des Schuljahres 2021/2022 (nachfolgend I.). Am Vorliegen des erforderlichen Anordnungsgrunds hat der Senat mit dem Verwaltungsgericht keine Zweifel (nachfolgend II.).
I. Entgegen der Ansicht von Verwaltungsgericht und Antragsgegner hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf Teilnahme am Präsenzunterricht in Begleitung eines Elternteils glaubhaft gemacht.
1. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – (juris) folgt aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG ein Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat, ihre Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit auch in der Gemeinschaft durch schulische Bildung zu unterstützen und zu fördern (Recht auf schulische Bildung). Das Recht auf schulische Bildung umfasst danach u.a. ein Recht auf gleichen Zugang zu staatlichen Bildungsangeboten im Rahmen des vorhandenen Schulsystems sowie ein Abwehrrecht gegen Maßnahmen, die das Bildungsangebot einer Schule einschränken. Schülerinnen und Schüler kommen, wenn sie am Unterricht teilnehmen, nicht nur der Schulpflicht nach, sondern üben zugleich ihr nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG geschütztes Recht aus, ihre Persönlichkeit mithilfe schulischer Bildung frei zu entfalten. Wird diese spezifische schulische Erfahrungsmöglichkeit durch staatliche Maßnahmen eingeschränkt, liegt darin – wie bei Beeinträchtigungen anderer Grundrechte auch – ein Eingriff, gegen den sich Schüler wenden können (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 62). Dieses im Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit der Kinder nach Art. 2 Abs. 1 GG verankerte, mit dem Bildungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG korrespondierende und in verschiedenen Dimensionen grundrechtlich gewährleistete Recht auf schulische Bildung steht u.a. im Einklang mit der völkerrechtlichen Gewährleistung eines „Rechts auf Bildung“ (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 66 ff.). In teilhaberechtlicher Hinsicht gewährleistet das Völkerrecht einen Zugang zu bestehenden Bildungseinrichtungen ohne Diskriminierung. Eine Diskriminierung behinderter Menschen beim Zugang zur Schule verbietet demnach Art. 24 Abs. 2 Buchst. a und b des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – BRK -, wobei nach Art. 24 Abs. 2 Buchst. c BRK angemessene Vorkehrungen zu treffen sind, um behinderten Menschen den Zugang zur Schule zu ermöglichen (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 69).
Das Recht auf schulische Bildung in seiner teilhaberechtlichen Funktion ist verletzt, wenn die Zugangsvoraussetzungen willkürlich oder diskriminierend angewendet werden (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 60 m.w.N.). Schülerinnen und Schüler können sich auch gegen staatliche Maßnahmen wenden, die ihnen die an ihrer Schule eröffneten Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihres Rechts auf schulische Bildung einschränken, ohne dass diese Maßnahmen das in Ausgestaltung von Art. 7 Abs. 1 GG geschaffene Schulsystem als solches betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 a.a.O. Rn. 61).
2. Damit der grundrechtlich geschützte Anspruch der Antragstellerin auf Teilnahme am Präsenzunterricht auch faktisch gewährleistet werden kann, ist es für einen vorübergehenden Zeitraum zwingend erforderlich, ihrem Vater zu gestatten, die Antragstellerin während des Präsenzunterrichts zu begleiten, damit ihre pflegerische Betreuung in der Schule sichergestellt werden kann.
a) Die am 12. Juli 2015 geborene Antragstellerin ist unstreitig schulpflichtig (vgl. Art. 35 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG). Nach Art. 36 Abs. 1 Nr. 1 BayEUG wird die Schulpflicht im Fall der Antragstellerin erfüllt durch den Besuch der für sie zuständigen Sprengelgrundschule (vgl. § 2 Abs. 1 GrSO).
b) Die Antragstellerin begehrt den Zugang zum Präsenzunterricht der für sie zuständigen Grundschule. Einen Leistungsanspruch auf eine bestimmte Gestaltung staatlicher Schulen macht sie nicht geltend (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 53 ff.).
Die Antragstellerin kann in einer Regelschule beschult werden. Die an einer genetischen Erkrankung leidende Antragstellerin ist zwar auf durchgehende künstliche Beatmung angewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass sie deswegen aus gesundheitlichen Gründen nicht schulbesuchsfähig ist und ihr daher Hausunterricht i.S.d. Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG zu erteilen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Von der Schulbesuchsfähigkeit der Antragstellerin gehen erkennbar auch die Vertreter des Antragsgegners aus, da sie anlässlich des Erörterungstermins am 8. Dezember 2021 erklärt haben, man habe die zuständige Ordnungsbehörde darüber informiert, dass die Antragstellerin derzeit die Schule nicht besuche, obwohl ein entsprechender Verhinderungsgrund nicht nachgewiesen sei.
b) Ohne die Begleitung einer geeigneten Pflegekraft ist der Antragstellerin die Teilnahme am Präsenzunterricht der 1. Grundschulklasse nicht möglich.
Die Erkrankung der Antragstellerin ist dem Antragsgegner spätestens seit dem Antrag der Antragstellerin vom 5. Juli 2021 an die Verbandsgrundschule M … bekannt (vgl. hierzu auch die Antwort der Schule vom 14.6.2021). Die Erkrankung der Antragstellerin ist dem Grunde nach nicht streitig zwischen den Beteiligten.
Entgegen der in ihrem Antrag vom 5. Juli 2021 verwendeten Formulierung ist bereits diesem zu entnehmen, dass die Antragstellerin keine „Schulbegleitung“ im herkömmlichen Sinn, etwa wegen sonderpädagogischen Förderbedarfs benötigt, sondern ihre Beatmungsbedürftigkeit durchgehend pflegerische Betreuung erforderlich macht. Zudem wurden die pflegerische Betreuungsbedürftigkeit der Antragstellerin und die Problematik fehlender Pflegekräfte am 26. Juli 2021 mit Vertretern des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus erörtert (vgl. das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Schreiben des Ministeriums an die Bevollmächtigte der Antragstellerin vom 21. Juli 2021). Die Sachlage ist dem Antragsgegner somit bekannt.
Dass es sich dabei um eine pflegerische Betreuung in Form der häuslichen Krankenpflege i.S.v. § 37 SGB V handelt, ergibt sich spätestens aus den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen des Sozialgerichts M … vom 16. und 18. Juni 2021. Die Notwendigkeit der ständigen Interventionsbereitschaft einer geeigneten Pflegeperson ist dabei im Schreiben des Sozialgerichts vom 16. Juni 2021 explizit erwähnt. Eine ständige Interventionsbereitschaft über 24 Stunden hinweg wird zudem durch die im Beschwerdeverfahren von der Antragstellerin vorgelegte Folgeverordnung über häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 1. März bis 31. Dezember 2021 der Kinder- und Jugendärzte Dr. R … und Dr. K … vom 19. Februar 2021 bestätigt. Nach dem ebenfalls im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Attest von Dr. R … vom 25. Oktober 2021 ist eine durchgehende Beatmung der Antragstellerin mit >60% Sauerstoff notwendig. Aufgrund der hohen Sekretproduktion seien Kanülenobstruktionen häufig und müssten schnell erkannt und behoben werden. Ein kurzfristiger Ausfall der Sauerstoffversorgung führe nach wenigen Sekunden zu einer Hypoxie. Die Antragstellerin habe nach 10 Sekunden blaue Lippen, nach 30 Sekunden Erstickungssymptome. Da lebensbedrohliche Situationen jederzeit auftreten könnten, sei eine ununterbrochene Interventionsbereitschaft des Pflegers notwendig. Diese Angaben werden im Wesentlichen bestätigt durch die ebenfalls im Beschwerdeverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Integrierten Sozialpädiatrischen Zentrums der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von H. Kinderspital vom 17. Juli 2019. Der Senat hat daher keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Angaben zur Schwere der Erkrankung und der Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin. Die vorgelegten Unterlagen der behandelnden Ärzte lassen darüber hinaus den Schluss zu, dass die pflegerische Betreuungsbedürftigkeit der Antragstellerin über den 1. Januar 2022 hinaus fortbestehen wird. Dass es fachliche Anforderungen an die jeweilige Pflegekraft gibt (vgl. hierzu die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Aussagen einiger kontaktierter Pflegedienste) und die Pflegekräfte die persönliche Eignung für die fachgerechte Pflege mitbringen müssen (vgl. Schreiben des Sozialgerichts vom 16.6.2021), hat der Antragsgegner nicht in Frage gestellt.
c) Entgegen der Ansicht des Antragsgegners wurde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sehr wohl glaubhaft gemacht, dass derzeit keine Pflegekraft gefunden werden kann, die die notwendige pflegerische Betreuung der Antragstellerin während des Präsenzunterrichts sicherstellen kann.
aa) Den im Verfahren vorgelegten zahlreichen E-Mails und Schreiben ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass sich die Eltern vergeblich um eine Pflegekraft für die Betreuung der Antragstellerin bemüht haben. Entgegen der Einschätzung des Antragsgegners war die Suche dabei nicht auf eine 24-Stunden-Pflege beschränkt. Den vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass gezielt nach Pflegekräften gesucht wurde, die die erforderliche Schulbegleitung sicherstellen können. Auch wurden die von den Vertretern des Antragsgegners anlässlich der Besprechung am 26. Juli 2021 genannten Pflegedienste kontaktiert. Hinsichtlich der Pflegedienste „Manuela Götz“, „Bambuki“ sowie „Brambring-Jaschke“ wurden entsprechende E-Mails vorgelegt. Dem Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin an das Verwaltungsgericht vom 27. August 2021 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass auch die übrigen vom Ministerium genannten Pflegedienste „Münchner Kindl“ sowie „Anna Kroliki“ kontaktiert wurden und sich die Eltern der Antragstellerin frühzeitig, d.h. deutlich vor Schulbeginn mit diesen und anderen Pflegediensten in Verbindung gesetzt haben. Darüber hinaus hat der Vater der Antragstellerin mit Schreiben vom 27. August 2021 bestätigt, dass er sich seit längerer Zeit bemüht hat, die für die Antragstellerin erforderlichen Pflegekräfte und insbesondere die erforderliche „Schulbegleitung“ zu finden.
Dass es schwierig ist, geeignete Pflegekräfte für die Antragstellerin zu finden, zeigen auch die mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 vorgelegten Unterlagen der T … Krankenkasse (im Folgenden: Krankenkasse). Aus diesen ergibt sich, dass sich die Krankenkasse ernsthaft um geeignete Pflegekräfte für die Antragstellerin – erforderlich wären mindestens vier pro Tag – bemüht. Auch dem zwischen der Antragstellerin und der Krankenkasse vor dem Sozialgericht M … geschlossenen Vergleich vom 18. Juni 2021, dessen Regelungen mit Schreiben der Krankenkasse vom 27. September 2021 bis 31. Dezember 2021 verlängert wurden, liegt erkennbar die vergebliche Suche nach geeigneten Pflegekräften für die Antragstellerin zugrunde. Für die vom Antragsgegner im Schreiben vom 14. Dezember 2021 geäußerte Spekulation, der Abschluss bzw. die Verlängerung des Vergleichs könne von anderen Gründen bestimmt worden sein, gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte. Gegen die Richtigkeit dieser Mutmaßung spricht nicht nur der im Schreiben der Krankenkasse vom 27. September 2021 enthaltene Hinweis, dass die vereinbarten Regelungen nur so lange und in dem Umfang gelten, wie es der Antragstellerin und der Krankenkasse nicht gelungen ist, einen Sachleistungserbringer für die häusliche Krankenpflege zu etablieren. Der Antragsgegner weist bei seiner diesbezüglichen Begründung selbst darauf hin, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit von Pflegekräften betreut wurde.
Nach alledem sieht der Senat keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Angaben der Antragstellerin zu zweifeln. Soweit in den mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 vorgelegten Unterlagen vereinzelt Äußerungen von Pflegediensten zu finden sind, die Anforderungen der Familie im Hinblick auf die Pflege der Antragstellerin seien sehr hoch, lässt sich die Richtigkeit und vor allem die Berechtigung derartiger Aussagen im vorliegenden Verfahren nicht verifizieren. Im Übrigen ist das in den zahlreichen Absagen zum Ausdruck kommende Problem fehlender Pflegekräfte für Kinder bekannt. So finden sich in der Presse seit längerem Berichte, die belegen, dass sich die Suche nach Pflegekräften für Kinder auch schon vor Corona schwierig gestaltet hat (vgl. beispielsweise NDR v. 11.2.2020 „Immer mehr Intensivstationen überlastet“, https://www…de/Nachrichten/Niedersachsen/immer-mehr-Intensivstationen-ueberlastet-,Intensivpflege106.html). Laut einem aktuellen Bericht von BR24 vom 18. November 2021 betrifft der Pflegenotstand in Bayern auch die Jüngsten („Personalmangel: Kinder-Intensivstationen am Limit“, https://www…de/nachrichten/bayern/personalmangel-in-bayern-kinder-intensivstationen-am-limit,Sp1ePv6). Die dortigen Schilderungen von Vertretern des Klinikums Großhadern und des Deutschen Herzzentrums in München lassen den berechtigten Schluss zu, dass die Situation im Bereich der ambulanten Pflege – zumal in Zeiten von SARS-CoV-2-Infektionen auch bei Kindern sowie in Anbetracht außerordentlich vieler kindlicher RS-Atemwegsinfekte – nicht besser ist.
bb) Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners hätte sich die Suche nach einer Pflegekraft nicht einfacher gestaltet, wenn eine gesonderte ärztliche Verordnung über eine „Schulbegleitung“ der Antragstellerin eingeholt worden wäre.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in Schulen, unter den dort genannten Voraussetzungen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege durch geeignete Pflegekräfte. Entsprechend sieht § 1 Abs. 2 Satz 2 der auf § 92 Abs. 1 Nr. 6, § 37 Abs. 6 bis 8 SGB V beruhenden Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege – Häusliche Krankenpflege-Richtlinie – einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch an sonstigen geeigneten Orten vor, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält. Orte im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Schulen sein (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 Häusliche Krankenpflege-Richtlinie). Hinter dieser „vorsichtigen Erweiterung des Haushaltsbegriffs“ steht die Absicht, „Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung“ zu vermeiden, was „notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte“ verlangt (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 104). Häusliche Krankenpflege i.S.d. § 37 SGB V umfasst somit auch die Krankenpflege der Antragstellerin in der Schule. Diese wird daher von der vorliegenden (Folge) Verordnung vom 19. Februar 2021 umfasst. Eine darüberhinausgehende gesonderte Verordnung bedarf es somit nicht.
d) Aus der Pflicht des Antragsgegners, die Antragstellerin zu beschulen, folgt in ihrem Fall, dass ihr in tatsächlicher Hinsicht ein gleichberechtigter Zugang zum Präsenzunterricht ihrer Sprengelschule ermöglicht werden muss.
aa) Mit dem Antragsgegner geht der Senat zwar davon aus, dass es nicht Aufgabe der Schule ist, die pflegerische Betreuung der Antragstellerin dort sicherzustellen. Die Suche nach geeigneten Pflegekräften für die Antragstellerin ist unstreitig Aufgabe der Krankenversicherung bzw. der Eltern.
bb) Kann die Teilnahme am Präsenzunterricht jedoch ausschließlich dadurch gewährleistet werden, dass die pflegerische Betreuung auch in der Schule sichergestellt ist, ist der Pflegekraft die Teilnahme am Unterricht zu gewähren. Findet sich trotz intensiver Suche nachweisbar keine geeignete Pflegekraft, ist in dieser Zeit ausnahmsweise dem pflegenden Elternteil die Teilnahme am Unterricht zu gestatten. Da der pflegebedürftigen Schülerin bzw. dem pflegebedürftigen Schüler ansonsten die Teilnahme am Präsenzunterricht faktisch unmöglich gemacht wird, ist die Ablehnung eines entsprechenden Antrags daher allenfalls ausnahmsweise bei Vorliegen außergewöhnlicher Gründe gerechtfertigt. Diese können beispielsweise dann vorliegen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch störendes Verhalten des Elternteils der Unterricht beeinträchtigt werden kann oder die Suche nach geeigneten Pflegkräften nachweisbar nicht betrieben wird.
cc) Die vom Antragsgegner für die Ablehnung des Antrags vom 5. Juli 2021 angeführten Gründe rechtfertigen dessen Ablehnung nicht.
(1) Der Antragsgegner hat im Verfahren immer wieder – zuletzt noch einmal mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 – darauf verwiesen, ein Recht auf Teilnahme am Unterricht könne aus dem elterlichen Erziehungsrecht nicht abgeleitet werden, denn infolge des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags, der die allgemeine Schulpflicht begründe, hätten die Eltern es hinzunehmen, dass der Staat als Bildungs- und Erziehungsträger im Umfang des schulischen Wirkungsfelds an ihre Stelle tritt. Eine Teilnahme am Unterricht, welche zugleich ermögliche, das Verhalten des eigenen Kindes, der anderen Schülerinnen und Schüler als auch die Berufsausübung der Lehrkraft zu beobachten, könne nur auf gesetzlicher Grundlage gewährt werden. Der Landesgesetzgeber sehe gerade kein Hospitations- oder sonstiges Zugangsrecht für Erziehungsberechtigte an bayerischen Schulen vor. Bereits im Verwaltungsverfahren war u.a. damit argumentiert worden, Schule und Unterricht seien keine öffentlich zugänglichen Veranstaltungen, auch Erziehungsberechtigte hätten keinen Anspruch auf Anwesenheit in der Schule und erst Recht nicht im Unterricht, Schule im allgemeinen und der Unterricht im Besonderen stellten abseits der Vermittlung von Wissen einen Schon- und Freiraum für Kinder dar, in dem sie sich frei von der Einflussnahme der Eltern zeigen, Eindrücke sammeln und insbesondere Beziehungen zu anderen aufnehmen könnten; kein Kind dürfe dauerhaft auf eine Abhängigkeit von einem Elternteil oder beiden Eltern zurückgeworfen sein.
Alle diese Argumente haben zwar ihre Berechtigung, wenn es darum geht, den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vor dem Bestreben von Eltern zu sichern, einen unbegrenzten Einfluss auch auf die schulischen Belange ihrer Kinder zu haben. Den Antrag der Antragstellerin mit derartigen Argumenten abzulehnen, geht jedoch an der Sache vorbei. Der Antragsgegner lässt bei dieser Argumentation völlig außer Betracht, dass vorliegend nicht ein Anspruch der Eltern auf Teilnahme am Unterricht inmitten steht. Mit ihrem Begehren, einem Elternteil die Anwesenheit während des Präsenzunterrichts zu gestatten, verfolgt die Antragstellerin ausschließlich ihren teilhaberechtliche Anspruch, ihr für einen vorrübergehenden Zeitraum durch die Anwesenheit eines Elternteils die Teilnahme am Präsenzunterricht überhaupt zu ermöglichen. Anhaltspunkte dafür, dass es im vorliegenden Verfahren in Wahrheit um das Informationsbedürfnis der Eltern der Antragstellerin, eine damit verbundenen Kontrolle der im Unterricht tätigen Lehrer und/oder um ein entwicklungsbeeinträchtigendes Verhalten gegenüber ihrer Tochter gehen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Gegenteil spricht alles dafür, dass die Eltern der Antragstellerin ihr mit dem vorliegenden Verfahren gerade durch die Teilnahme am Präsenzunterricht eine realistische Chance einräumen wollen, sich außerhalb des häuslichen Umfelds in der Schule im Beisein anderer Mitschülerinnen und Mitschüler entfalten zu können.
(2) Nicht durchgreifend ist auch der Hinweis des Antragsgegners, Nr. 3.3 der „Gemeinsamen Empfehlungen des Verbandes der bayerischen Bezirke und des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über den Einsatz von Schulbegleitern an Regelschulen bei der Beschulung von Schülern/innen mit Behinderung i.S.d. § 54 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1 SGB XII“ (im Folgenden: Gemeinsame Empfehlung) vom 18. April 2012 sei zu entnehmen, dass nahe Verwandte als Schulbegleiter grundsätzlich nicht in Frage kämen. Nicht nur, dass die Gemeinsame Empfehlung durch die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ in begründeten Einzelfällen erkennbar Ausnahmen zulässt, gehören medizinisch-pflegerische Maßnahmen nach Nr. 4.6 der Empfehlung bereits nicht zum Aufgabenprofil eines Schulbegleiters. Unabhängig davon ist bei der Antragstellerin keine „Schulbegleitung“ im Sinne der Empfehlung erforderlich.
(3) Auch die vom Antragsgegner angeführten datenschutzrechtlichen Bedenken rechtfertigen es nicht, der Antragstellerin die Anwesenheit eines Elternteils während des Präsenzunterrichts zu verweigern. Weder ist davon auszugehen, dass dem anwesenden Elternteil Einblick in schriftliche Schulunterlagen gewährt wird, noch ist es sehr wahrscheinlich, dass im Rahmen des mündlichen Unterrichtsgeschehens personenbezogene Daten seitens der Schule übermittelt werden; ggf. hat die Schule dafür Sorge zu tragen, dass dies nicht geschieht. Auch ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass im Einzelfall die Voraussetzungen der Art. 4 ff. BayDSG vorliegen. Darüber hinaus steht es der Schule frei, den pflegenden Elternteil zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Denn etwaige datenschutzrechtliche Probleme stellen sich gleichermaßen, wenn eine Schulbegleitung aus sonstigen Gründen erforderlich wird. Nach Anlage 2 der Gemeinsamen Empfehlung müssen Schulbegleiter eine Verschwiegenheitserklärung abgeben. Es erschließt sich dem Senat nicht, warum die Anwesenheit eines zur pflegerischen Betreuung erforderlichen Elternteils anders zu beurteilen sein sollte, als eine Schulbegleitung im Sinne der Gemeinsamen Empfehlung.
(4) Der Einwand, Mitschülerinnen und Mitschüler könnten sich durch die Anwesenheit des Vaters der Antragstellerin beobachtet oder gestört fühlen, verfängt ebenfalls nicht. Auch insoweit ist bereits nicht ersichtlich, inwiefern sich im Schulalltag überhaupt ein Unterschied zu Fällen sonstiger Schulbegleitung ergeben kann. Aufgrund der Schilderungen über die Begleitung der Antragstellerin in den Kindergarten geht der Senat zudem davon aus, dass sich der Vater während des Präsenzunterrichts – über notwendige krankenpflegerische Maßnahmen hinaus – völlig im Hintergrund halten wird. Es ist daher nichts dafür ersichtlich, dass allein durch die Anwesenheit des Elternteils das Miteinander im Klassenzimmer oder gar der Schulfriede gestört werden könnten. Sollten Mitschülerinnen oder Mitschüler der Antragstellerin etwaige Befindlichkeiten äußern, wäre es nach Ansicht des Senats Aufgabe der Lehrer, dem nachzugehen und entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten.
(5) Dem Anspruch der Antragstellerin auf eine Teilnahme am Präsenzunterricht kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Suche nach einer Pflegekraft sei nicht intensiv genug bzw. zu wenig lösungsorientiert geführt worden, insbesondere müsse die Antragstellerin ihre Krankenversicherung als Sachleistungsträger entsprechend gerichtlich in die Pflicht nehmen, ihr schnellstmöglich geeignete Pflegekräfte zu stellen. Hierbei bleibt bereits offen, welchen Erfolg ein gerichtliches Vorgehen gegen die Krankenkasse überhaupt haben könnte, wenn sich der Sachleistungsanspruch aus dem Gesetz ergibt, dieser zwischen der Antragstellerin und der Krankenkasse nicht streitig ist und Pflegekräfte gegenwärtig erkennbar nicht zur Verfügung stehen. Der erneut im Schriftsatz des Antragsgegners vom 14. Dezember 2021 geäußerte Hinweis, die Antragstellerin sei nach Kenntnis des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus die einzige Schülerin, die seit Beginn des Schuljahres 2021/2022 nicht am Präsenzunterricht teilnehmen könne, weil es an einer fachlich qualifizierten Pflegekraft fehle, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn es bleibt bereits offen, wie viele Fälle es von Kindern mit vergleichbarer Behandlungs- und Betreuungsbedürftigkeit an staatlichen Regelschulen in Bayern gibt. Nach Aussagen einiger kontaktierter Pflegedienste findet eine Betreuung von beatmeten Kindern oft stationär, beispielsweise in Wohngruppen statt, in denen dann auch die Beschulung erfolgt. Der mehrfach vom Antragsgegner unterschwellig geäußerte Vorwurf, den Eltern der Antragstellerin sei an einer Unterstützung bei der Suche nach Pflegekräften nicht wirklich gelegen, wird nicht dadurch untermauert, dass sie dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus keine Vollmacht erteilt haben, damit dieses das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege um Hilfestellung bei der Suche nach einer „Schulbegleitung“ – ggf. auch um Intervention gegenüber der Krankenkasse – bitten kann. Unabhängig davon, dass unklar bleibt, welche Möglichkeiten das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege überhaupt hätte, auf die Krankenversicherung der Antragstellerin einzuwirken, sind die mit Schreiben der Bevollmächtigten vom 9. Dezember 2021 vorgetragenen Gründe, warum die Eltern eine derartige Hilfestellung derzeit nicht befürworten, nachvollziehbar.
Tatsache ist, dass die Betreuung der Antragstellerin in der Schule derzeit nicht durch geeignete Pflegekräfte sichergestellt ist und die Antragstellerin daher nur dann am Präsenzunterricht teilnehmen kann, wenn ihrem Vater vorübergehend die Anwesenheit ermöglicht wird.
II. An der Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsgrunds hat der Senat mit dem Verwaltungsgericht keine Zweifel. Der sechsjährigen Antragstellerin ist es bislang faktisch verwehrt, den Präsenzunterricht der 1. Grundschulklasse ihrer Sprengelschule zu besuchen. Sie hat daher bereits jetzt nahezu ein halbes Schuljahr verloren.
Es kann offenbleiben, ob die mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 14. Dezember 2021 mit den Äußerungen des Vaters im Erörterungstermin sowie der Befreiung des Bruders vom Präsenzunterricht begründeten Zweifel am Vorliegen des Anordnungsgrunds nicht im Widerspruch dazu stehen, dass es der Antragstellerin aufgrund der Ablehnung ihres Antrags vom 5. Juli 2021 – über den Zeitraum vom 14. bis 17. September 2021 hinaus – verwehrt war, tatsächlich am Präsenzunterricht der 1. Grundschulklasse teilzunehmen. Dass die Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund der gegenwärtigen Pandemie besonders gefährdet ist, lässt die Dringlichkeit der Entscheidung und damit den Anordnungsgrund nicht entfallen. Nach Nr. 13.1 Satz 1 des Rahmenhygieneplans Schulen (i.d.F. vom 11.11.2021; im Folgenden Rahmenhygieneplan) sollen auch Schülerinnen und Schüler mit Grunderkrankungen ihrer Schulpflicht grundsätzlich im Unterricht in der Schule nachkommen. Dabei muss ihrem Gesundheitsschutz nach Nr. 13.1 Satz 2 und 3 des Rahmenhygieneplans höchster Stellenwert beigemessen und ggf. durch besondere Hygienemaßnahmen Rechnung getragen werden. Die Befreiung von der Präsenzpflicht ist – auch bei Kindern mit schweren Erkrankungen – immer ultima ratio (vgl. Nr. 13.3 Satz 3 des Rahmenhygieneplans).
Nach Auskunft der Vertreter des Antragsgegners im Erörterungstermin hat die erziehungsberechtigte Mutter der Antragstellerin bislang den für eine Befreiung vom Präsenzunterricht nach Nr. 13.2 Satz 1 bzw. Nr. 13.3 des Rahmenhygieneplans notwendigen Antrag nicht gestellt. Da die Befreiung von der Präsenzpflicht auch bei Schülerinnen und Schülern, von denen in der Schule bekannt ist, dass eine entsprechende – auch schwere – Vorerkrankung vorliegt, ausschließlich auf Wunsch der Betroffenen erfolgt (vgl. Nr. 13.2 Satz 4, Nr. 13.3 Satz 1 des Rahmenhygieneplans), ist damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass die Antragstellerin – auch im Hinblick auf das seit kurzem vorhandene Impfangebot – am Präsenzunterricht teilnehmen kann.
III. Nach alledem ist der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Vater einstweilen die Anwesenheit während des Präsenzunterrichts der Antragstellerin solange zu ermöglichen, bis die pflegerische Betreuung der Antragstellerin durch geeignete Pflegekräfte sichergestellt ist, vorerst jedoch längstens bis zum Ende des Schuljahrs 2021/2022.
1. Die mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung faktisch verbundene Vorwegnahme der Hauptsache muss im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ausnahmsweise hingenommen werden, weil der Antragstellerin anderenfalls ein nachträglich nicht mehr wiedergutzumachender und unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. dazu allgemein BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74; BVerwG vom 13.08.1999 BVerwGE 109, 258/261 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a und 87). Ein solcher Nachteil liegt hier darin, dass ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache den geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin auf tatsächliche Teilnahme an einem Präsenzunterricht in der für sie altersmäßig richtigen Klassenstufe irreversibel zunichtemachen würde. Die Antragstellerin kann daher nicht darauf verwiesen werden, der streitgegenständliche Anspruch müsse und könne in einem Hauptsacheverfahren durchgesetzt werden. Solange sie schulbesuchsfähig ist, kann sie auch nicht ohne weiteres auf sonstige Beschulungsmöglichkeiten verwiesen werden. Ein Abwarten würde dazu führen, dass die Hauptsache durch bloßen Zeitablauf zu ihren Lasten vorweggenommen würde (vgl. Happ in Eyermann a.a.O. Rn. 66a).
2. Der Senat geht davon aus, dass sowohl die Krankenkasse als auch die Eltern der Antragstellerin ein gesteigertes und ernsthaftes Interesse daran haben, bis spätestens zum Ende des Schuljahres 2021/2022 Pflegekräfte zumindest für die Zeiten des Präsenzunterrichts der Antragstellerin zu finden. Fortlaufende und engmaschige Bemühungen sollten dabei sowohl von der Krankenkasse als auch den Eltern zu dokumentiert werden.
Aufgrund des bereits jetzt eingetretenen Zeitverlusts ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass sich der Vater durchgängig in unmittelbaren Nähe der Antragstellerin und damit im Klassenzimmer aufhalten muss. Sollte wider Erwarten die weitere Betreuung durch einen Elternteil auch im Schuljahr 2022/2023 erforderlich werden, wäre durch ein fachärztliches Attest einer Kinderklinik nachzuweisen, dass die permanente Anwesenheit im gleichen Raum wie die Antragstellerin medizinisch zwingend erforderlich ist.
Der Senat geht davon aus, dass den Eltern eine angemessene Vorlaufzeit für den Schulbesuch der Antragstellerin zuzugestehen ist und im Falle der Verhinderung des Vaters dem anderen Elternteil oder einem Verwandten die Teilnahme am Präsenzunterricht zusammen mit der Antragstellerin ermöglicht werden muss.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 (vgl. NVwZ-Beilage 2013, 57).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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