Verwaltungsrecht

Erledigung der Verpflichtung zur Einhaltung der Schulpflicht nach Teilentzug des Sorgerechts

Aktenzeichen  AN 2 K 16.02414

Datum:
25.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29020
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 74, Art. 76
BayVwVfG Art. 43, Art. 51
FamFG § 40

 

Leitsatz

1. Für eine Erledigung des Verwaltungsakts ist bei einer bloßen Veränderung der Sach- und Rechtslage Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt nach seinem Sinn und Zweck nach Eintritt der Veränderung keine Geltung mehr beansprucht, also gegenstandslos geworden ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch nach Entzug des Rechts zur Regelung der schulischen Angelegenheiten besteht weiterhin die Pflicht der Erziehungsberechtigten, im Rahmen ihrer im Übrigen bestehenden Personensorge gemäß Art. 76 Abs. 2 BayEUG für einen Schulbesuch ihres Kindes Sorge zu tragen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Änderung des Klageantrags ist, soweit überhaupt eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO vorliegt und keine stets zulässige Änderung des Klageantrags nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO anzunehmen ist, jedenfalls zulässig, da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung sein Einverständnis mit der Klageänderung erklärt hat, vgl. § 91 Abs. 1 VwGO.
Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Die Frage, ob sich die in Ziffer 1.2 des Bescheides vom 14. März 2013 bestimmte Pflicht der Klägerin, für einen Schulbesuch ihres Sohnes zu sorgen, erledigt hat und damit gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG keine Wirkung mehr entfaltet, stellt ein zwischen den Beteiligten streitiges Rechtsverhältnis dar. Die Klägerin hat insoweit auch ein Feststellungsinteresse, da sie ein rechtliches Interesse hat, dass festgestellt wird, ob die Verpflichtung nach Ziffer 1.2 des Bescheides weiterhin besteht und gegebenenfalls im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da sich Ziffer 1.2 des Bescheids vom 14. März 2014 nicht mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts … vom 30. März 2015 erledigt hat und damit weiterhin gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG wirksam ist. Ein Verwaltungsakt erledigt sich, wenn er auf Grund einer Entwicklung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse keine Regelungswirkung mehr entfaltet. Eine Erledigung auf Grund einer Änderung der Sach- und Rechtslage ist dabei lediglich ausnahmsweise anzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3/11 – juris Rn. 19; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 43 Rn. 41, 42a; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209). Grundsätzlich lässt eine Änderung der Sach- und Rechtslage die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes unberührt (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3/11 – juris Rn. 25).
Eine Erledigung des Verwaltungsaktes kann bei höchstpersönlichen Regelungen angenommen werden, wenn der Verpflichtete wegfällt (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwvfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 210). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Zwar kann angenommen werden, dass die Pflicht der Klägerin, gerade als Sorgeberechtigte für den Schulbesuch ihres Sohnes Sorge zu tragen, eine entsprechende höchstpersönliche Pflicht ist. Allerdings hatte die Klägerin auch nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts …vom 30. März 2015 das Sorgerecht zumindest teilweise inne, so dass sie auch weiter Sorgeberechtigte nach dem bürgerlichen Recht war und als solche grundsätzlich verpflichtet werden konnte. Ein vollständiger Wegfall des Bezugssubjekts des Verwaltungsakts ist daher nicht anzunehmen.
Im Übrigen ist für eine Erledigung bei einer bloßen Veränderung der Sach- und Rechtslage Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt nach seinem Sinn und Zweck nach Eintritt der Veränderung keine Geltung mehr beansprucht, also gegenstandslos geworden ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3/11 – juris Rn. 24). Ziffer 1.2 des Bescheides vom 14. März 2013 ist durch den Beschluss des Amtsgerichts … vom 30. März 2015 nicht gegenstandslos geworden. Ziffer 1.2. des Bescheides vom 14. März 2013 verpflichtet die Klägerin als Sorgeberechtigte, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Sohn am Unterricht der Schule teilnimmt und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besucht. Insoweit vollzieht der Bescheid Art. 76 Satz 2 BayEUG, der diese Pflicht den Erziehungsberechtigten auferlegt. Erziehungsberechtigter ist gemäß Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BayEUG, wem nach dem bürgerlichen Recht die Sorge für die Person des minderjährigen Schülers obliegt. Die Klägerin hatte aber auch nach Eintritt der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Beschlusses das Sorgerecht nach dem bürgerlichen Recht für ihren Sohn. Der Beschluss hat ihr nicht das Sorgerecht insgesamt entzogen, sondern nur das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten, das Recht zu Aufenthaltsbestimmung, soweit es die Durchführung des Schulbesuchs betrifft und das Recht, Hilfen zur Erziehung zu beantragen. Die Klägerin ist somit, auch nachdem der Beschluss des Amtsgerichts rechtskräftig geworden ist, weiterhin nach bürgerlichem Recht sorgeberechtigt gewesen. Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BayEUG bestimmt nicht, dass Erziehungsberechtigter im Sinne des Art. 76 Abs. 2 BayEUG derjenige ist, dem nach bürgerlichem Recht das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten zusteht. Ihre öffentlichrechtlichen Pflichten nach dem BayEUG verliert die Klägerin daher nicht zwangsläufig, wenn ihr das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten entzogen wird. Die Erfüllung ihrer Pflicht nach Art. 76 Abs. 2 BayEUG ist der Klägerin nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts auch nicht unmöglich geworden, da ihr die Pflicht, für den Schulbesuch ihres Sohnes Sorge zu tragen, durch den Beschluss gerade nicht entzogen worden ist. Vielmehr wird der Klägerin im Tenor des Beschlusses diese Pflicht ausdrücklich auferlegt. Auch nachdem der Klägerin das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten entzogen wurde, bleibt ihre Pflicht, im Rahmen ihrer im Übrigen bestehenden Personensorge gemäß Art. 76 Abs. 2 BayEUG für einen Schulbesuch ihres Sohnes Sorge zu tragen, unberührt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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