Verwaltungsrecht

Erreichbarkeit als Vorraussetzung einer vorläufigen Besitzeinweisung im Flurbereinigungsverfahren

Aktenzeichen  13 AS 17.246

Datum:
11.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG FlurbG § 44 Abs. 3 S. 3, § 65 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 2 S. 3, § 110 S. 1, § 115 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 135 Abs. 1 S. 1, § 138 Abs. 1 S. 2
VwGO VwGO § 58 Abs. 1, § 70 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1
BayGO BayGO Art. 27 Abs. 2
GG GG Art. 19 Abs. 4
BGB BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine vorläufige Besitzeinweisung in einem Teilgebiet erfordert die ausreichende Erreichbarkeit des Teilgebiets und der Flächen im Teilgebiet, was auch im Widerspruch geltend gemacht werden kann. (Rn. 32)
2. Gegenüber der vorläufigen Besitzeinweisung in ein Teilgebiet im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens besteht auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn dadurch der ursprünglich im Konsens herbeigeführte tatsächlich bestehende Zustand fortgeführt wird. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts durch öffentliche Bekanntmachung genügt es grundsätzlich, wenn der zur Einsicht ausgelegte Verwaltungsakt die Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Die Rechtsbehelfsbelehrung muss nicht öffentlich bekannt gemacht werden, sofern nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 46662).  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 9. Dezember 2016 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 15 Euro festgesetzt. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
In der Hauptsache wendet sich der Antragsteller mit seiner Klage im Verfahren 13 A 17.243 gegen die vom Amt für Ländliche Entwicklung O. (ALE) erlassene vorläufige Besitzeinweisung für den Teilbereich der Genossenschaftswälder vom 7. Oktober 2016 im Flurbereinigungsverfahren K., das von der damaligen Direktion für Ländliche Entwicklung B. (DLE) am 19. Januar 2004 nach §§ 1, 4 und 37 FlurbG angeordnet worden war.
Der Antragsteller ist Mitglied einer Waldgenossenschaft, die im Zuge des Flurbereinigungsverfahrens K. aufgrund ihres unter anderem auch vom Antragsteller unterzeichneten Antrags vom 1. Mai 2006 mit Wirksamwerden des Flurbereinigungsplans aufgelöst werden soll. Deren gemeinschaftlicher Besitz soll im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens unter den bisherigen Waldgenossen aufgeteilt werden.
Am 26. Juli 2011 fand eine Teilnehmerversammlung der Waldgenossen statt, bei der die nach einer Wertermittlung für den Waldbestand gebildeten wertgleichen Anteile unter den bisherigen 36 Waldgenossen verlost wurden. Der Antrag des stellvertretenden Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft (TG) „Die Waldgenossenschaft möge ihre Mitglieder gegenseitig in den sofortigen Besitz über die neuen Zuteilungen einweisen“ wurde einstimmig angenommen. Der Antragsteller war in dieser Versammlung durch einen Bevollmächtigten vertreten und bekam das Los 7 bestehend aus den neu zu bildenden Flurstücken 1031/2, 1030/1 und 1099/1 zugelost.
Am 7. Oktober 2016 erließ das ALE auf Antrag der TG die streitgegenständliche vorläufige Besitzeinweisung für den Teilbereich der Genossenschaftswälder, mit der die Beteiligten zum 1. Dezember 2016 in den Besitz der neuen Waldgrundstücke eingewiesen wurden, und deren sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Die Voraussetzungen nach § 65 Abs. 1 und 2 FlurbG lägen vor. Die TG habe die Grenzen der neuen Grundstücke in die Örtlichkeit übertragen, die endgültigen Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke lägen vor, das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten stehe fest und die Ergebnisse der Wertermittlung seien festgestellt. Die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung erweise sich im Interesse der Gesamtheit der Teilnehmer als sinnvoll und zweckmäßig. Die zur Neueinteilung der Flurstücke notwendigen Baumaßnahmen seien im Wesentlichen abgeschlossen, die Teilnehmer könnten ihre neuen Grundstücke ohne wesentliche zeitliche Verzögerung bewirtschaften und die Vorteile der Neueinteilung könnten bereits jetzt ohne weiteres Zuwarten genutzt werden. Zur Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde ausgeführt, diese werde angeordnet, damit die durch die Herstellung der gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen entstandenen vorübergehenden Wirtschaftserschwernisse möglichst rasch behoben würden und die Vorteile der neuen Grundstückseinteilung und des neuen Wegenetzes den Eigentümern möglichst rasch und uneingeschränkt zugutekämen.
Die vorläufige Besitzeinweisung wurde im amtlichen Mitteilungsblatt der Stadt P. in der 162. Ausgabe vom 4. November 2016 dadurch bekannt gemacht, dass darauf hingewiesen wurde, dass die vorläufige Besitzeinweisung des ALE vom „01.12.2016“ und die Karte zur vorläufigen Besitzeinweisung in der Verwaltung der Stadt P. vom 14. November 2016 mit 28. November 2016 ausgelegt würden und dort während der Dienststunden eingesehen werden könnten. Im Betreff wurde angegeben: „Vorläufige Besitzeinweisung des Amtes für Ländliche Entwicklung vom 01.12.2016“. Eine Rechtsbehelfsbelehrung:war der vorläufigen Besitzeinweisung vom 7. Oktober 2016 beigefügt, in der öffentlichen Bekanntmachung aber nicht enthalten.
Der Antragsteller erhob gegen die vorläufige Besitzeinweisung mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 an das ALE Widerspruch und beantragte, den angeordneten Sofortvollzug auszusetzen. Zur Begründung führte er aus, zutreffend sei, dass die Waldgrundstücke abgegrenzt und die Ergebnisse der Wertermittlung festgestellt seien. Unzutreffend sei, dass sich die Anordnung als zweckmäßig erweise, auch treffe es nicht zu, dass die zur Neueinteilung der Flurstücke notwendigen Baumaßnahmen im Wesentlichen abgeschlossen seien und die Teilnehmer ohne wesentliche Verzögerungen ihre Grundstücke bewirtschaften könnten. Bereits mit Schreiben vom 15. Mai 2012 habe er mitgeteilt, dass er zwar an seinem Grundstück „vorbeifahren“ könne, aufgrund der Böschung aber nicht in das Grundstück komme, so dass eine Bewirtschaftung nicht möglich sei. Die bei einem Ortstermin angedachte Lösung durch eine Überfahrt über das Flurstück 834 habe sich weder als praxistauglich erwiesen noch stelle sie eine Zugänglichmachung des Grundstücks für eine funktionsgerechte Nutzung dar. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung wies er darauf hin, dass die diesbezügliche Argumentation für eine normale Flurbereinigung zutreffe, nicht aber für die Aufteilung einer Waldgenossenschaft.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2017 hat der Vorsitzende des Vorstands der TG dem Antragsteller mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 9. Dezember 2016 am 13. Dezember 2016 beim ALE eingegangen sei. Der von ihm eingelegte Widerspruch gegen die Besitzeinweisung sei nicht zulässig, da er nachfristig vorgebracht sei. Die Widerspruchsfrist habe einen Monat nach dem ersten Tag der öffentlichen Bekanntmachung und damit, da die Bekanntmachung im Mitteilungsblatt am 4. November 2016 erfolgt sei, am 5. Dezember 2016 geendet. Im Übrigen wäre der Widerspruch aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Ein Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan wegen mangelnder Erschließung könne erst nach der Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans erfolgen. Die Einwände des Antragstellers würden jedoch bei der Neuverteilung berücksichtigt und das Flurstück voraussichtlich 2019 durch einen noch auszuweisenden Weg im Süden erschlossen werden. Es werde im Übrigen nicht näher dargelegt, warum die vorübergehende Lösung der Überfahrt über Flurstück 834 nicht mehr praxistauglich sei.
In seinem Schreiben vom 27. Januar 2017, mit dem er sowohl Klage (13 A 17.243) als auch den vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erhoben hat, führt der Antragsteller aus, dass die Bekanntmachung im Mitteilungsblatt der Stadt P. nicht hinreichend konkretisiert sei, insbesondere gehe aus ihr nicht hervor, dass es sich um Waldflächen der Waldgenossenschaft handle. Ferner mangle es an einer Rechtsbehelfsbelehrung:, weshalb bei der Berechnung der Widerspruchsfrist nicht auf den 4. Dezember 2016 abgestellt werden könne. In die vollständige Bekanntmachung habe erstmals am 14. November 2016 bei der Stadt P. Einsicht genommen werden können, wo auch die Rechtsbehelfsbelehrung:abgedruckt gewesen sei. Daher sei hinsichtlich der Widerspruchsfrist auf diesen Termin abzustellen, weshalb der Widerspruch vom 9. Dezember 2016 fristgerecht sei. Im Übrigen verwies er inhaltlich auf sein Widerspruchsschreiben vom 9. Dezember 2016.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 9. Dezember 2016 wiederherzustellen.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2017 beantragt der Antragsgegner, 
den Antrag abzuweisen.
Unter Darlegung des Sachverhalts wird ausgeführt, die Waldgenossen hätten 2011 beschlossen, sich gegenseitig in den Besitz der neuen Grundstücke einzuweisen. Dennoch habe es die TG für zweckmäßig erachtet, eine vorläufige Besitzeinweisung beim ALE zu beantragen, die im Oktober 2016 erlassen worden sei. Der Widerspruch des Antragstellers sei unzulässig, er habe der Waldaufteilung in der erfolgten Form ausdrücklich zugestimmt. Unter anderem wurde in Kopie eine Niederschrift über die Verhandlung zur Neugestaltung des Grundbesitzes nach § 57 FlurbG vom 2. November 2011 vorgelegt, in der der Antragsteller der Aufteilung des gemeinschaftlichen Grundbesitzes der Waldgenossenschaft zustimmte und erklärte, er sei mit der zugelosten Waldabfindung einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung gerichtete Antrag des Antragstellers nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig und begründet.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dies ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO dann nicht der Fall, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. Hat die Behörde wie in der angefochtenen vorläufigen Besitzeinweisung den sofortigen Vollzug angeordnet, so kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mit der Schaffung des § 80 Abs. 5 VwGO hat der Gesetzgeber dem Anspruch des Bürgers auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle im Sinn von Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung getragen. Ohne den Suspensiveffekt verwaltungsprozessualer Rechtsbehelfe würde Verwaltungsrechtsschutz wegen der notwendigen Verfahrensdauer häufig hinfällig werden (BVerfG, B.v. 19.10.1977 – 2 BvR 42/76 – BVerfGE 46, 166 = juris Rn. 33). Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im Verwaltungsprozess aber nicht schlechthin. Das Gericht trifft vielmehr eine summarische Entscheidung durch Abwägung der gegensätzlichen berechtigten Interessen. Dabei ist auch auf den voraussichtlichen Erfolg des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs in der Weise abzustellen, als zu prüfen ist, ob der Widerspruch nach dem Vortrag des Antragstellers wahrscheinlich erfolgreich sein wird oder nicht (BVerfG, B.v. 25.7.1996 – 1 BvR 638/96 – NVwZ 1997, 479 = juris; B.v. 17.5.2004 – 2 BvR 821/04 – NJW 2004, 2297/2298 = juris Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 80 Rn. 158). Erweist sich nämlich, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht angegriffen wird, muss in der Regel das Interesse des Betroffenen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückstehen (BVerfG, B.v. 11.2.1982 – 2 BvR 77/82 – BayVBl 1982, 276; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 74). Wenn der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens offen ist, weil der bisher ermittelte Sachverhalt keine hinreichend tragfähige Entscheidungsgrundlage bietet und für die weitere Sachverhaltsaufklärung eine im Eilverfahren weder übliche noch tunliche Beweisaufnahme erforderlich wäre, ergeht die Entscheidung aufgrund einer reinen Interessenabwägung (Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 80 Rn. 77 m.w.N.).
Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtete Eilantrag ist zulässig (1.). Es kann offen bleiben, ob die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht (2.), da der Widerspruch des Antragstellers nach summarischer Prüfung voraussichtlich zulässig und begründet ist und damit der Antrag begründet ist (3.).
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Ihm fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Grundsätzlich setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. BVerfG, U.v. 19.10.1982 – 1 BvL 34/80, 1 BvL 55/80 – BVerfGE 61, 126 = juris Rn. 26). Eine beantragte gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Position des Klägers bzw. Antragstellers in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht konkret zu verbessern, da die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht die Verpflichtung des Gerichts zu einer Sachentscheidung einschließt, wenn der Bürger des beantragten Rechtsschutzes nicht (mehr) bedarf, so dass sich die (weitere) Inanspruchnahme des Gerichts als unnütz erweist (BVerwG, B.v. 16.10.1989 – 7 B 108.89 – NVwZ 1990, 360 = juris Rn. 9). Dadurch sollen gerichtliche Verfahren unterbunden werden, in denen der Rechtsschutzsuchende eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.O., vor §§ 40-53 Rn. 11, 16). Insoweit setzt auch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ein Rechtsschutzbedüfnis voraus (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 136; Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 80 Rn. 66).
Vorliegend entsprechen zwar die Besitzverhältnisse, die mit der streitgegenständlichen vorläufigen Besitzeinweisung zum 1. Dezember 2016 herbeigeführt wurden, den Verhältnissen, die seit dem Jahr 2011 mit Zustimmung der Mitglieder der Waldgenossenschaft und auch des Antragstellers tatsächlich bestehen. Allerdings würde dieser auf Grundlage der freiwilligen Kooperation der Mitglieder der Waldgenossenschaft beruhende Zustand mit der vorläufigen Besitzeinweisung flurbereinigungsrechtlich verfestigt und perpetuiert. Insoweit kann dem Antragsteller mit seinem Vortrag, die ihm zugelosten Grundstücke seien nicht erreichbar bzw. nicht hinreichend erschlossen, nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegenüber der vorläufigen Besitzeinweisung bzw. für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgesprochen werden.
2. Die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bedarf zu ihrer formellen Rechtmäßigkeit gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erforderlich hierfür ist eine auf den konkreten Fall abstellende und nicht lediglich formelhafte Begründung (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 84). Das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat zum einen die Funktion, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch die Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehbarkeitsanordnung veranlasst haben, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abschätzen zu können. Zum anderen kommt der Begründungspflicht gegenüber der Behörde eine Warnfunktion dahingehend zu, dass dieser der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen geführt und sie veranlasst wird, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG als gesetzlicher Regelfall vorgesehenen aufschiebenden Wirkung erfordert. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist. Nicht ausreichend sind dagegen nur formelhafte, nicht auf den konkreten Einzelfall abstellende Begründungen.
Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die in der vorläufigen Besitzeinweisung vom 7. Oktober 2016 gegebene Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit im vorliegenden Fall diesen Anforderungen gerecht wird. Die Begründung lässt keinerlei Bezug zum hier nur auf einen Teil des Flurbereinigungsgebiets beschränkten Teilbereich erkennen und könnte in dieser Form für das gesamte Gebiet gegeben werden. Auch ist aufgrund ihrer Abstraktheit keinerlei innere Verbindung mit der hier betroffenen Aufteilung des Grundbesitzes der Waldgenossenschaft erkennbar, auf deren Bereich die vorläufige Besitzeinweisung aber laut Betreff und Karte (ausnahmsweise) beschränkt ist. Letztendlich können die Bedenken gegen die formelle Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit dahinstehen, da die vorläufige Besitzeinweisung auch inhaltlich rechtlichen Bedenken begegnet, die nach summarischer Prüfung voraussichtlich zum Erfolg des Widerspruchs führen.
3. Der vom Antragsteller mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 erhobene Widerspruch hat nach summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg, so dass er einen Anspruch auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hat, da die vom Gericht vorzunehmende Abwägung der jeweiligen Interessen unter Berücksichtigung der summarisch überprüften Erfolgsaussichten des Widerspruchs ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses gegenüber dem Vollzugsinteresse ergibt (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
3.1 Der Widerspruch des Antragstellers ist entgegen der im Schreiben des Vorsitzenden des Vorstands der TG vom 13. Januar 2017 geäußerten Ansicht nicht bereits wegen Versäumung der Widerspruchfrist unzulässig. Die nach § 65 Abs. 2 Satz 3 FlurbG erforderliche öffentliche Bekanntmachung der vorläufigen Besitzeinweisung erfolgte nach § 110 Satz 1, § 135 Abs. 1 Satz 1 FlurbG i.V.m. Art. 27 Abs. 2 GO durch die Bekanntmachung der Stadt P. in ihrem amtlichen Mitteilungsblatt vom 4. November 2016 und der anschließenden Auslegung des Bescheids samt Karte in der Zeit vom 14. bis zum 28. November 2016 (vgl. Mayr in Linke/Mayr, BayAGFlurbG, 2012, Art. 9 Rn. 5).
Nach § 115 Abs. 1 FlurbG beginnt die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem ersten Tag der Bekanntmachung. Nach § 115 Abs. 2 Satz 1 FlurbG gelten für die Berechnung der Fristen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Da das Ereignis der Auslegung ab dem 14. November 2016 für den Anfang der Frist maßgebend ist, wird dieser Tag nach § 187 Abs. 1 BGB bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet (BayVGH, U.v. 18.5.1979 – 13 A 957/79 – RzF 8 zu § 115; Wingerter in Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 115 Rn. 3). Danach endete die Widerspruchsfrist am 14. Dezember 2016 (§ 188 Abs. 1 und 2 BGB) und wurde diese mit dem Eingang des Widerspruchsschreibens bei dem ALE O. am 13. Dezember 2016 gewahrt.
Soweit der Antragsteller ein Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung:in der Bekanntmachung im amtlichen Mitteilungsblatt rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass es bei der Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch öffentliche Bekanntmachung grundsätzlich genügt, wenn der zur Einsicht ausgelegte Verwaltungsakt die nach § 58 Abs. 1 VwGO erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung:enthält, so dass diese nicht öffentlich bekanntgemacht werden muss, sofern nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist (vgl. BVerwG, B.v. 24.9.1987 – 4 B 93.87 – NVwZ 1988, 364 zu § 18a FStrG; Kopp/Schenke, a.a.O., § 58 Rn. 6).
3.2 Der Widerspruch wird voraussichtlich trotz der relativ beschränkten Rügemöglichkeiten eines von einer vorläufigen Besitzeinweisung betroffenen Teilnehmers (vgl. hierzu Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 20) in der Sache Erfolg haben.
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG können die Beteiligten in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in der Örtlichkeit übertragen worden sind und endgültige Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht. Nach § 65 Abs. 1 Satz 3 FlurbG kann die vorläufige Besitzeinweisung auf Teile des Flurbereinigungsgebietes beschränkt werden. Eine Teilbesitzeinweisung erfordert die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG nur für ihren Teilbereich (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 14).
Vorliegend dürfte die vorgenommene Beschränkung „für den Teilbereich der Genossenschaftswälder“ nicht von der Rechtsgrundlage des § 65 Abs. 1 Satz 3 FlurbG gedeckt sein. Schon der Wortlaut „Teile des Flurbereinigungsgebietes“ deutet darauf hin, dass es sich um geographisch abgrenzbare Teile handeln muss, in denen wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG eine vorläufige Besitzeinweisung ergehen kann, obwohl für das gesamte Flurbereinigungsgebiet noch nicht alle erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Nach der Karte zur vorläufigen Besitzeinweisung umfassen die Genossenschaftswälder aber gerade keine in sich geschlossenen und geographisch klar abgrenzbaren Teilbereiche, sondern liegen verteilt im gesamten Flurbereinigungsgebiet und umfassen einzelne Flurstücke bis hin zu größeren Ansammlungen von Flurstücken. Im Hinblick darauf, dass die vorläufige Besitzeinweisung keine bloße Zwischenregelung, sondern eine teilweise Vorwegnahme des endgültigen Stands des Flurbereinigungsplans darstellt (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 11), ist auch erforderlich, dass die Erschließung der neuen Flächen gesichert ist, also auch die hierfür erforderlichen Baumaßnahmen abgeschlossen sind. Es müssen das jeweilige Teilgebiet und innerhalb des Teilgebiets die jeweiligen Flächen erreichbar sein. Nach Karte zur vorläufigen Besitzeinweisung sind wohl noch nicht alle dort eingezeichneten Wege gebaut. Insoweit stellt sich auch die Frage, ob der entlang der nordwestlichen Grenze der dem Antragsteller zugelosten Waldgrundstücke eingezeichnete Weg bereits existiert. Zwar wurde nach dem Vortrag des Antragsgegners vor der Neuordnung im Gemeinschaftswald im Jahr 2010 ein Wegebauprogramm durchgeführt, um für die neuen Waldparzellen die erforderliche Erschließung zu schaffen und eine Bewirtschaftung des aufgeteilten Genossenschaftswalds zu ermöglichen. Andererseits räumt der Vorsitzende des Vorstands der TG im Schreiben vom 13. Januar 2017 ein, die Einwände des Antragstellers träfen zu und würden bei der Neuverteilung berücksichtigt und das Flurstück voraussichtlich 2019 durch einen noch auszuweisenden Weg im Süden erschlossen werden. Daher ist es zweifelhaft, ob die erforderliche Erschließung gegeben ist und die Voraussetzungen für eine vorläufige Besitzeinweisung für das Teilgebiet der Genossenschaftswälder vorliegen. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da die vorläufige Besitzeinweisung weiteren und in der Sache durchgreifenden Bedenken begegnet.
Bei der Prüfung der besonderen Voraussetzungen für die im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde liegende vorläufige Besitzeinweisung ist im Übrigen regelmäßig nicht näher zu untersuchen, ob die zugedachten Abfindungen wertgleich sind, weil insoweit dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden darf (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.2010 – 9 B 41.10 – juris Rn. 4 m.w.N; BayVGH, B.v. 8.6.2011 – 13 AS 11.1027 – juris Rn. 12). Mit einem Widerspruch gegen die vorläufige Besitzeinweisung können Beteiligte also nicht vorab die Wertgleichheit der Abfindung rügen, sondern nur, eine auch nur vorübergehende Nutzung ihrer Abfindung bis zur Planausführung (§§ 61, 63 FlurbG) sei unzumutbar. Dies wäre nur der Fall, wenn entweder ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung besteht oder unzumutbar in die Struktur des Betriebs eingegriffen worden ist (BVerwG, B.v. 12.11.2010 – 9 B 41.10 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 8.6.2011 – 13 AS 11.1027 – juris Rn. 12; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 20 m.w.N.).
In der Sache rügt der Antragsteller eine fehlende oder aus seiner Sicht unzureichende Erschließung des ihm zugelosten Waldgrundstücks und damit eine Verletzung des § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG. Im Hinblick auf das Erfordernis einer offensichtlichen Unzumutbarkeit der auch nur vorübergehenden Nutzung des mit einer Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG vorläufig zugewiesenen Grundstücks vermag der Antragsteller mit diesem Einwand vorliegend voraussichtlich auch durchzudringen.
Inhaltlich ist der Antragsgegner dem Vorbringen des Antragstellers nicht entgegengetreten. Im Schreiben vom 13. Januar 2017 hat der Vorsitzende des Vorstands der TG mitgeteilt, die Einwände des Antragstellers würden bei der Neuverteilung berücksichtigt und das Flurstück voraussichtlich 2019 durch einen noch auszuweisenden Weg im Süden erschlossen werden. Insoweit geht die TG davon aus, dass die Einwände zutreffen und damit die dem Antragsteller zugelosten Waldflächen nicht über eine für die Bewirtschaftung ausreichende Erschließung verfügen. Soweit angemerkt wird, es werde vom Antragsteller im Übrigen nicht näher dargelegt, warum die vorübergehende Lösung der Überfahrt über Flurstück 834 nicht mehr praxistauglich sei, ist für das erkennende Gericht derzeit nicht erkennbar, inwieweit der Antragsteller rechtlich gesichert befugt ist, über dieses wohl nicht in seinem Eigentum stehende Grundstück zu den Waldgrundstücken zu fahren.
Damit kann der Antragsteller die Verletzung des in § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG zwingend vorgeschriebenen Gestaltungsgrundsatzes (vgl. BayVGH, U.v. 31.7.2007 – 13 A 06.1737 – RdL 3009, 296; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 44 Rn. 60), auf dessen Einhaltung er einen Anspruch hat, auch gegenüber einer vorläufigen Besitzeinweisung geltend machen, wenn er in ein Grundstück eingewiesen werden soll, das entgegen § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG nicht durch Wege zugänglich gemacht ist, die eine ortsübliche Benutzung ermöglichen. Insoweit ist das Grundstück nicht nutzbar und damit eine auch nur vorübergehende Inbesitznahme bis zur Planausführung unzumutbar.
Die vorläufige Besitzeinweisung begegnet schließlich auch hinsichtlich des ausgeübten Ermessens Bedenken. Der Erlass einer vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG steht im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde, wobei bei der vorzunehmenden Abwägung vor allem das objektive Interesse der Mehrheit der Teilnehmer maßgebend ist (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 15). Jedenfalls muss für den Erlass einer vorläufigen Besitzeinweisung ein sich aus ihrem Zweck ergebendes Bedürfnis bestehen, sie also zur Erreichung des Zwecks erforderlich sein. Insoweit ist lediglich vorgetragen, die Waldgenossen hätten 2011 beschlossen, sich gegenseitig in den Besitz der neuen Grundstücke einzuweisen. Dennoch habe es die TG für zweckmäßig erachtet, eine vorläufige Besitzeinweisung beim ALE zu beantragen. Eine Begründung, warum bei dieser Sachlage neben der einvernehmlichen Inbesitznahme der 36 Waldgrundstücke durch die Mitglieder der Waldgenossenschaft ein Bedürfnis für eine vorläufige Besitzeinweisung besteht, enthält aber weder der Bescheid noch der Vortrag des Antragsgegners im Rahmen dieses Verfahrens. Insoweit fehlt es daher an der Erforderlichkeit der vorläufigen Besitzeinweisung und ist ihr Erlass ermessensfehlerhaft.
4. Dementsprechend war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 147 Abs. 1, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.


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