Verwaltungsrecht

Erschließungsbeitrag für die Verlängerung einer Straße

Aktenzeichen  6 ZB 18.1416

Datum:
25.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7206
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5a
BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 1, § 132 Nr. 4, § 133 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Abweichend vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise kann aus Rechtsgründen ein einheitlich erscheinender Straßenzug in zwei jeweils selbständig zu betrachtende Erschließungsanlagen zerfallen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine schon endgültig hergestellte Anbaustraße nachträglich verlängert oder fortgeführt wird. War der gesamte Straßenzug hingegen bereits angelegt und zur verkehrsmäßigen Erschließung der Anliegergrundstücke benutzbar, aber nur auf einer Teilstrecke fertiggestellt, scheidet eine rechtliche Verselbständigung aus (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 110431). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Frage nach der Ausdehnung einer Erschließungsanlage kommt es nicht auf die Planung „auf dem Papier“ an, sondern darauf, was „in der Natur“ vorhanden ist (natürliche Betrachtungsweise). Auch die Frage, ob die in der Natur vorhandene Anlage endgültig hergestellt ist, richtet sich nicht nach gemeindlichen Willenserklärungen, sondern danach, ob die Anlage objektiv dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm, dem auch formlos möglichen konkreten Bauprogramm und schließlich in bautechnischer Hinsicht dem satzungsmäßigen Ausbauprogramm entspricht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 16.659 2018-02-21 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 21. Februar 2018 – B 4 K 16.659 – (berichtigt durch Beschluss vom 6.6.2018) wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 57.352,78 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen für die erstmalige endgültige Herstellung des J.-P.-Wegs (erste und zweite Verlängerung). Diese insgesamt etwa 455 m lange Straße wurde von der beklagten Gemeinde in drei Etappen gebaut: Bereits 1985 wurde der nördliche, etwa 274 m lange Teil fertiggestellt und nach Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet. Das zweite, in südlicher Richtung anschließende, etwa 74 m lange Teilstück (erste Verlängerung) wurde 1994 bis 1996 gebaut, wobei der Gehweg eine bituminöse Tragschicht, aber noch keine Deckschicht erhielt. Das dritte nach Süden fortgeführte Teilstück (zweite Verlängerung) von etwa 94 m Länge stellte die Beklagte in den Jahren 2010 und 2011 her. Im Zuge dieser Baumaßnahme ließ sie zudem die Asphaltdeckschicht auf dem Gehweg der ersten Verlängerung aufbringen. Die letzte Rechnung ging bei ihr am 30. Oktober 2015 ein.
Die Beklagte zog den Kläger auf der Grundlage von Art. 5a Abs. 1 KAG (in der bis 31.3.2016 geltenden Fassung – KAG a.F.) in Verbindung mit §§ 127 ff. BauGB und ihrer Erschließungsbeitragssatzung (EBS) vom 18. Dezember 1990 für die – an der ersten Verlängerung gelegenen – Grundstücke FlNr. 191 (Teilflächen) und FlNr. 192 mit drei Bescheiden vom 24. März 2016 zu Erschließungsbeiträgen für die erstmalige endgültige Herstellung des J.-P.-Wegs (erste und zweite Verlängerung) in Höhe von insgesamt 57.352,78 Euro heran (17.957,80 Euro für FlNr. 192; 30.183,17 Euro für eine 1.323 m2 große Teilfläche der FlNr. 191 und 9.211,81 Euro für eine 1.938 m2 große Teilfläche der FlNr. 191).
Das Verwaltungsgericht hat die Klagen für unbegründet erachtet und mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Erschließungsbeitragsforderungen seien nicht (festsetzungs-)verjährt. Die maßgebliche Erschließungsanlage werde durch die beiden Verlängerungsstrecken des J.-P.-Wegs gebildet (ab km 0,274 bis zum Ausbauende bei km 0,455). Da der Gemeinderat der Beklagten am 11. April 1994 beschlossen habe, die (erste) Verlängerung nicht endgültig herzustellen, sondern erst nach dessen Fortführung nach Süden insgesamt fertig zu stellen, sei die erste Verlängerung noch nicht die gewollte Anlage gewesen. Die sachlichen Beitragspflichten für diese Anlage seien mit ihrer endgültigen Herstellung entsprechend der Merkmalsregelung in § 8 EBS und dem Eingang der letzten Rechnung am 30. Oktober 2015 entstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers sei es vor den letzten Bauarbeiten sichtbar gewesen, dass der Gehweg an der ersten Teilstrecke noch nicht entsprechend § 8 Abs. 2 EBS endgültig hergestellt gewesen sei. Darauf komme es aber letztlich nicht an. Da die beiden Verlängerungsstrecken „die Erschließungsanlage“ bilden würden, sei maßgeblich auf die Erfüllung aller Herstellungsmerkmale auch auf der zweiten Verlängerung abzustellen. Dies sei in technischer Hinsicht nicht vor Oktober/November 2010 der Fall gewesen. Das Verhalten der Beklagten, den Gehweg an der ersten Verlängerungsstrecke zunächst nicht fertigzustellen, sei auch nicht treuwidrig.
2. Die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 und 5 VwGO, die der Kläger innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gegen das erstinstanzliche Urteil geltend gemacht hat, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Die Zweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 3). Das ist nicht der Fall.
(1) Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der J.-P.-Weg als die für die klägerischen Grundstücke maßgebliche Erschließungsanlage (Anbaustraße i.S.v. ursprünglich Art. 5a Abs. 1 KAG in der bis 31.3.2016 geltenden Fassung und § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB; nunmehr Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG) sowohl die erste als auch die zweite Verlängerung umfasst.
(a) Wie weit eine Straße als einzelne Erschließungsanlage reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder dem zeitlichen Ablauf von Planung und Bauausführung auszurichten, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung (ständige Rechtsprechung; etwa BayVGH, U.v. 30.11.2016 – 6 B 15.1835 – juris Rn. 23; B.v. 2.3.2017 – 6 ZB 16.1888 – juris Rn. 9). Maßgebend ist das Erscheinungsbild, d.h. die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten, also nach Durchführung der Herstellungsmaßnahme, einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (BayVGH, B.v. 3.6.2013 – 6 CS 13.641 – juris Rn. 9; B.v. 24.7.2013 – 6 BV 11.1818 – juris Rn. 13).
Abweichend vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise kann aus Rechtsgründen ein einheitlich erscheinender Straßenzug in zwei jeweils selbständig zu betrachtende Erschließungsanlagen zerfallen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine schon endgültig hergestellte Anbaustraße nachträglich verlängert oder fortgeführt wird. Dann stellt das nachträglich angelegte Teilstück eine selbstständige Erschließungsanlage dar, auch wenn zu diesem späteren Zeitpunkt eine – grundsätzlich gebotene – natürliche Betrachtungsweise einen einheitlichen Straßenverlauf des vorhandenen und des neu hergestellten Straßenteilstücks ergibt. Diese Ausnahme betrifft allerdings nur solche Fälle, in denen eine endgültig hergestellte Anbaustraße nachträglich um eine zuvor nicht angelegte Teilstrecke verlängert wird (BayVGH, B.v. 19.10.2017 – 6 B 17.189 – BayVBl 2018, 487 Rn. 19); war der gesamte Straßenzug hingegen bereits angelegt und zur verkehrsmäßigen Erschließung der Anliegergrundstücke benutzbar, aber nur auf einer Teilstrecke fertiggestellt, scheidet eine rechtliche Verselbständigung aus (vgl. BayVGH, U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.2125 – juris Rn. 20).
(b) Gemessen an diesen Vorgaben zerfallen die 1994/1996 angelegte erste und die 2010/2011 gebaute zweite Verlängerung des bei natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen J.-P.-Wegs entgegen der Ansicht des Klägers nicht aus Rechtsgründen in zwei jeweils eigenständige Erschließungsanlagen. Das ergibt sich allerdings nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, aus dem Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 11. April 1994, wonach die erste Verlängerung noch nicht gleich, sondern erst zusammen mit der (geplanten) Fortführung in Richtung Süden endgültig fertiggestellt werden sollte, um beide dann einheitlich abzurechnen. Für die Frage nach der Ausdehnung einer Erschließungsanlage kommt es nicht auf die Planung „auf dem Papier“ an, sondern darauf, was „in der Natur“ vorhanden ist (natürliche Betrachtungsweise). Auch die Frage, ob die in der Natur vorhandene Anlage endgültig hergestellt ist (Art. 5a KAG i.V.m. § 133 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz1 BauGB), richtet sich nicht nach gemeindlichen Willenserklärungen, sondern danach, ob die Anlage objektiv dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (für Beleuchtung und Entwässerung), dem auch formlos möglichen konkreten Bauprogramm (für die flächenmäßigen Teileinrichtungen) und schließlich in bautechnischer Hinsicht dem satzungsmäßigen Ausbauprogramm (den Herstellungsmerkmalen) entspricht. Für beide Fragen gibt der Gemeinderatsbeschluss weder unmittelbar noch mittelbar etwas her. Insbesondere zielt er nicht auf die Änderung eines der genannten (Bau-)Programme, die den Maßstab für die endgültige Herstellung bilden.
Die erste Verlängerung kann jedoch deshalb keine eigenständige Erschließungsanlage darstellen, weil sie, wie das Verwaltungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend festgestellt hat, bei ihrer Anlegung in den Jahren 1994 bis 1996 – objektiv – noch nicht endgültig hergestellt worden war, sondern die endgültige Herstellung erst zusammen mit dem Bau der zweiten Verlängerung in den Jahren 2010/2011 abgeschlossen wurde und es deshalb beim Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise bleibt. Denn der Gehweg entsprach nicht dem satzungsmäßigen Ausbauprogramm der Beklagten, sondern war bis zum abschließenden Ausbau nur provisorisch angelegt.
Nach § 8 Abs. 2 EBS sind Bürgersteige endgültig hergestellt, wenn sie – unter anderem – eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphaltbelag oder eine ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise aufweisen. Diese Merkmalsregelung beruht auf der Ermächtigung des Art. 5a KAG in Verbindung mit § 132 Nr. 4 BauGB und ist inhaltlich nicht zu beanstanden (vgl. Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 5 Rn. 23). Die Gehwegdecke aus einem dieser Materialien muss vollständig sein, um die endgültige Herstellung zu bewirken. Dazu gehört bei der hier in Rede stehenden Asphaltdecke auch ihr Abschluss durch die Deckschicht. An dieser abschließenden Schicht fehlte es zunächst, wie das Verwaltungsgericht vom Kläger insoweit unbestritten festgestellt hat. Sie wurde erst im Zuge der Bauarbeiten an der zweiten Verlängerung auf die Tragschicht aufgebracht. Ob die beitragserhebende Gemeinde oder die beitragspflichtigen Anlieger – subjektiv – den ursprünglichen Ausbauzustand mit der bloßen Tragschicht als endgültig angesehen haben, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, dass er es, gemessen an den satzungsmäßigen Herstellungsmerkmalen, objektiv nicht war. Es handelte sich erschließungsbeitragsrechtlich um ein Provisorium, für das damals keine Beiträge hätten erhoben werden dürfen.
Aus der vom Kläger angeführten Rechtsprechung zum Bestimmtheitserfordernis und den daraus folgenden Grenzen für die Auslegung der in Rede stehenden satzungsmäßigen Merkmalsregelung (BVerwG, U.v. 15.5.2013 – 9 C 3.12 – NVwZ 2013, 346; so auch BayVGH, B.v. 18.8.2017 – 6 ZB 17.840 – juris Rn. 7) ergibt sich keine andere Beurteilung. Es steht nicht in Rede, unbestimmte technische Ausbaustandards über das – allein auf „ähnliche Decken“ zu beziehende – Merkmal der „neuzeitlichen Bauweise“ in die Satzung mit der Folge hineinzulesen, dass die Merkmalsregelung für die Beitragspflichtigen intransparent wird und zu einer unangemessenen Risikoverlagerung zu ihren Lasten führt. Vielmehr wird die erforderliche Bauweise durch den hier maßgeblichen Begriff „Asphaltbelag“ abschließend bezeichnet. Dieser Belag muss allerdings vollständig aufgebracht sein, also mit der Deckschicht. Dass diese fehlte, war im Übrigen aufgrund einer verbliebenen Kante am Gehsteig zu erkennen.
(c) Der Beitragserhebung kann auch nicht entgegengehalten werden, die Beklagte habe durch den Gemeinderatsbeschluss vom 11. April 1994 die endgültige Herstellung verzögert. Das Erschließungsbeitragsrecht macht der erhebungsberechtigten Gemeinde grundsätzlich keine zeitlichen Vorgaben, innerhalb welcher Zeitspanne sie die regelmäßig in ihrer Verantwortung liegenden Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten herbeizuführen hat, um den Beitrag anschließend festsetzen zu können (BayVGH, U.v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 – BayVBl 2014, 241 Rn. 21; B.v. 24.11.2015 – 6 ZB 15.1402 – juris Rn. 10). Eine Ausnahme bildet die nunmehr in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b bb Spiegelstrich 1 KAG geregelte Ausschlussfrist, die mit Eintritt der Vorteilslage zu laufen beginnt, also mit der technischen Fertigstellung (BayVGH, U.v. 16.11.2018 – 6 BV 18.445 – juris Rn. 23 m.w.N.), und deshalb aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen nicht abgelaufen sein kann. Eine weitere Ausnahme enthält Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG, wonach kein Erschließungsbeitrag mehr erhoben werden kann, soweit seit dem Beginn der technischen Herstellung der Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind; diese Bestimmung wird allerdings erst am 1. April 2021 in Kraft treten (§ 2 Abs. 2 Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8.3.2016, GVBl. S. 36) und würde im Übrigen dem Kläger nicht zugute kommen, weil auch dieser Zeitraum bei Bescheidserlass noch nicht vergangen war.
b) Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Die mit dem Zulassungsantrag angesprochenen Gesichtspunkte lassen sich aus den genannten Gründen ohne weiteres aufgrund des Gesetzes und der vorliegenden Rechtsprechung beantworten und bedürfen nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren.
c) Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen der vom Kläger geltend gemachten Abweichung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2013 – 9 C 3.12 – zuzulassen.
Eine beachtliche Divergenz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Entscheidungen nicht auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Während das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts das bundesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht im Allgemeinen und § 132 Nr. 4 BauGB im Besonderen betrifft, hatte das Verwaltungsgericht Landesrecht anzuwenden. Dieses verweist zwar (ursprünglich in Art. 5a Abs. 1 KAG a.F., nunmehr in Art. 5a Abs. 9 KAG) unter anderem auf § 132 BauGB. Dadurch hat der bayerische Gesetzgeber die in Bezug genommenen Vorschriften des Baugesetzbuchs allerdings in bayerisches Landesrecht überführt (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2002 – 6 B 99.44 – BayVBl 2003, 21; BVerwG, B.v. 9.8.2013 – 9 B 31.13 – juris Rn. 2). Abgesehen davon liegt die behauptete Abweichung in der Sache aus den oben genannten Gründen nicht vor.
d) Es liegt schließlich kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Dem Verwaltungsgericht musste sich eine Beweiserhebung über die Beschaffenheit der Gehwegoberfläche vor und nach Durchführung der Straßenbauarbeiten im Jahr 2010 und der daraus für einen objektiven Betrachter zu ziehenden Schlussfolgerungen in Bezug auf die Frage der endgültigen Herstellung nicht aufdrängen.
Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, B.v. 16.4.2012 – 4 B 29.11 – BayVBl 2012, 640; BayVGH, B.v. 9.3.2016 – 6 ZB 15.622 – juris Rn. 15). Die anwaltlich vertretenen Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) zu Protokoll stellen können (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO); das ist jedoch ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 20. Februar 2018 nicht geschehen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten zu kompensieren.
Die Tatsache‚ dass ein Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt wurde‚ wäre nur dann unerheblich‚ wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist jedoch nur dann erfolgreich‚ wenn sie schlüssig aufzeigt‚ dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen. Es muss ferner dargelegt werden‚ welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beteiligten günstigeren Entscheidung hätte führen können (BVerwG‚ B.v. 14.9.2007 – 4 B 37.07 – juris Rn. 2 f. m.w.N.; B.v. 10.2.2015 – 5 B 60.14 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 6 ZB 14.2404 – juris Rn. 23). Diese Anforderungen erfüllt die Zulassungsbegründung nicht. Sie zeigt nicht schlüssig auf, warum sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Der Streit betraf weniger den Ausbauzustand, sondern dessen erschließungsbeitragsrechtliche Bewertung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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