Verwaltungsrecht

Erschließungsbeitragsrecht, Erschließungsvertrag, Modifizierende Kostenabrede, Fremdanlieger, Abrechnungsgebiet, Aufwand

Aktenzeichen  6 CS 21.1154

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41428
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5a i.V.m. BauGB §§ 128 ff.
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 28 S 20.1155 2021-03-26 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 26. März 2021 – M 28 S 20.1155 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.972,40 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Anlage „Hochwald straße Ost-West“. Er ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 244/10, das im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Hochwald- und Kelten straße“ liegt. Die Antragsgegnerin hatte die Erschließung dieses Baugebiets durch städtebaulichen Vertrag der Fa. B. (Erschließungsunternehmer) übertragen und für den von Westen nach Osten verlaufenden Teil der Hochwald straße eine modifizierende Kostenabrede getroffen, nach der sie sich verpflichtet, dem Erschließungsunternehmer die diesem für die Herstellung dieses Straßenteils entstehenden erschließungsbeitragsfähigen Aufwendungen einschließlich der Finanzierungskosten gegen Nachweis zu erstatten (vgl. § 5 des Vertrags vom 2./16.3.2015).
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2019 zog die Antragsgegnerin den Antragsteller, der keinen Kostenerstattungsvertrag mit dem Erschließungsunternehmer geschlossen hatte, zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung der „Hochwald straße Ost-West“ in Höhe von 19.889,58 € heran. Dieser legte Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden ist, und beantragte ohne Erfolg die Aussetzung der Vollziehung.
Seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. März 2021 abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der die Antragsgegnerin entgegengetreten ist.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe, die den Prüfungsrahmen im Beschwerdeverfahren bilden (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Das Verwaltungsgericht ist mit überzeugenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheids bestehen noch die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO; zum Prüfungsmaßstab etwa BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 6 CS 18.1569 – juris Rn. 8). Die Beschwerde hält dem nichts Durchgreifendes entgegen.
1. Der Erhebung des Erschließungsbeitrags für die Anlage „Hochwald straße Ost-West“ nach Art. 5a KAG in Verbindung mit §§ 127 ff. BauGB und der Erschließungsbeitragssatzung steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin die Herstellung sämtlicher Erschließungsanlagen im Baugebiet durch städtebaulichen Vertrag (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB) einem Erschließungsunternehmer übertragen hat.
Der Erschließungsunternehmer hat zwar nach Maßgabe von § 4 des Vertrags vom 2./16. März 2015 grundsätzlich auch die Kosten für die Erschließung zu tragen und refinanziert sich privatrechtlich durch Kostenerstattungsverträge mit den Grundstückseigentümern. Eine Ausnahme gilt aber für die hier abzurechnende „Hochwald straße Ost-West“, für die der Vertrag in § 5 eine modifizierende Kostenvereinbarung enthält, nach der sich die Antragsgegnerin dem Erschließungsunternehmer gegenüber verpflichtet hat, die diesem für die Herstellung dieses Straßenteils entstehenden erschließungsbeitragsfähigen Aufwendungen einschließlich der Finanzierungskosten gegen Nachweis zu erstatten. Dadurch ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei der Antragsgegnerin ein beitragsfähiger Erschließungsaufwand entstanden, den sie nach Maßgabe der Verteilungsregelung ihrer Erschließungsbeitragssatzung auf alle durch die Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke einschließlich der Grundstücke im Eigentum Dritter (Fremdanlieger) zu verteilen hat. Auf diesem Wege darf (und muss) der Antragsteller, der für sein durch die „Hochwald straße Ost-West“ erschlossenes Grundstück mit dem Erschließungsunternehmer keinen Erstattungsvertrag abgeschlossen hat, zu Erschließungsbeitragen herangezogen werden. Das Gesetz verbietet eine solche die privatrechtliche Refinanzierung ergänzende Beitragserhebung nicht (vgl. im Einzelnen BVerwG, U.v. 30.1.2013 – 9 C 11.11 – BVerwGE 145, 354 Rn. 12 ff. m.w.N.).
Für die Vermutung der Beschwerde, der städtebauliche Vertrag vom 2./16. März 2015 mit der Kostenvereinbarung sei erst nachträglich geschlossen worden, weil der Erschließungsunternehmer bereits im Oktober 2014 auf einen „bereits abgeschlossenen“ Vertrag ohne Kostenvereinbarung Bezug genommen habe, gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte. Vielmehr deuten alle Umstände darauf hin, dass es sich dabei lediglich um einen Vertragsentwurf gehandelt hat. Selbst wenn aber die Kostenvereinbarung erst nachträglich abgeschlossen sein sollte, würde das aus den bereits vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen nicht zu ihrer Unwirksamkeit führen. Denn eine zeitliche Begrenzung des Rechts zur nachträglichen Modifizierung eines ursprünglich ohne Kostenabrede abgeschlossenen Vertrags kann – frühestens – nur in Betracht gezogen werden, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage im Zeitpunkt der Vertragsmodifikation begonnen wurde (BVerwG, U.v. 30.1.2013 – 9 C 11.11 – BVerwGE 145, 354 Rn. 19). Das aber war nach den unwidersprochenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht der Fall.
2. Der Einwand der Beschwerde, die Antragsgegnerin habe die Anlage und damit auch das Abrechnungsgebiet fehlerhaft und gleichheitswidrig gebildet, greift nicht durch. Wenn die „Hochwald straße Ost-West“ nicht bereits wegen der Vertragsgestaltung aus Rechtsgründen eine (eigene) Erschließungsanlage bilden sollte, so wäre sie das jedenfalls wohl bei der ansonsten gebotenen natürlichen Betrachtungsweise (zum Maßstab etwa BayVGH, B.v. 25.3.2019 – 6 ZB 18.1416 – juris Rn. 10 m.w.N.). Nach Aktenlage bildet sie insbesondere keinen einheitlichen Straßenzug mit der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Hochwald straße. Schon deshalb kommt es auf die dortige Form der Beitragserhebung nicht an.
3. Schließlich ergeben sich aus der Beschwerde keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids der Höhe nach.
Die Rüge, die Antragsgegnerin habe den umlagefähigen Aufwand aus mehreren Gründen zu hoch bemessen und dem Antragsteller überhöhte Kosten auferlegt, greift aus den im erstinstanzlichen Beschluss ausführlich dargelegten Gründen bei der im Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung nicht durch. Eine abschließende Klärung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Angemerkt sei, dass etwaige Rechtsfehler bei der Aufwandsermittlung oder -verteilung, die sich teils zu Gunsten und teils zu Lasten eines Beitragspflichtigen auswirken, zu saldieren wären. Denn maßgeblich kommt es alleine darauf an, ob die festgesetzte Beitragshöhe – im Ergebnis – gerechtfertigt ist.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat in Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in ständiger Rechtsprechung ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts ansetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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