Verwaltungsrecht

Erste Juristische, Staatsprüfung 2017/2, Bewertung der Klausur, Nr. 3, Beurteilungsfehler, bejaht, Folgefehler

Aktenzeichen  W 2 K 19.253

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18849
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JAPO § 30, § 31

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 2. Januar 2018 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2018 verpflichtet, die Arbeit der Klägerin zu Aufgabe 3 der Ersten Juristischen Staatsprüfung 2017/2 durch einen neuen Zweitkorrektor unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstrecken Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

1. Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes zum Prüfungstermin 2017/2 der Ersten Juristischen Staatsprüfung vom 2. Januar 2018 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2018 ist hinsichtlich der schriftlichen Prüfungsleistung Nr. 3 (Zivilrecht) rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten; sie hat einen Anspruch auf eine Neubewertung dieser Aufgabe (§ 113 Abs. 5 VwGO) durch einen neuen Zweitkorrektor.
Die Bewertung der Aufgabe 3 mit 2 Punkten durch den Zweitkorrektor erweist sich als rechtswidrig, da sie einen Bewertungsfehler aufweist und dieser Auswirkung auf die Notengebung hat.
Prüfungsentscheidungen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Dies folgt aus der Eigenart einer Prüfungsentscheidung als einem höchstpersönlichen Fachurteil über die Qualität einer Prüfungsleistung. Soweit es sich um prüfungsspezifische Wertungen handelt, steht den Prüfern ein Bewertungsspielraum zu. Der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum bezieht sich auf die Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prüfungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres – insbesondere nicht isoliert – nachvollziehen lassen und daher mit rein objektiven Maßstäben kaum messbar sind. Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. In diesen Bewertungsspielraum dürfen die Gerichte nicht eindringen; hier haben sie nur zu prüfen, ob der Prüfer die rechtlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten hat. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn das vorgeschriebene Prüfungsverfahren nicht eingehalten worden ist, der Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen ist, er allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat, sich von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen oder seine Bewertung willkürlich ist. Zudem müssen die prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein; sie dürfen insbesondere keine inhaltlichen Widersprüche enthalten (BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57/17 – juris; B.v. 5.3.2018 – 6 B 71/17 – juris).
Uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind hingegen Fachfragen, d.h. Fragen, die einer fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich sind. Für diese ist entscheidend, ob die vom Prüfungsteilnehmer vertretene Auffassung nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers. Die Verwaltungsgerichte haben nachzuprüfen, ob der Prüfer diesen Maßstab beachtet, d.h. eine fachlich richtige oder doch vertretbare Bemerkung nicht als falsch bewertet hat (BVerwG, B.v. 5.3.2018 – 6 B 71/17 – juris; B.v. 17.12.1997 – 6 B 55/97 – juris).
Das Gericht hat jedoch die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Der Prüfling muss also auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – juris Rn. 44). Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. Macht er geltend, dass etwa eine als falsch bewertete Antwort in Wahrheit vertretbar sei und auch so vertreten werde, so hat er dies unter Hinweis auf entsprechende Fundstellen näher darzulegen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – juris Rn. 27).
Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen. Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt – wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern – aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt (BVerwG, B.v. 13.3.1998 – 6 B 28/98 – juris).
1.1 Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die Bewertung des Zweitkorrektors der Prüfungsarbeit Nr. 3 hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin zu § 1378 Abs. 1 BGB zu beanstanden. Da diese Fehleinschätzung für das Bewertungsergebnis kausal ist, ist dieses aufzuheben und die Arbeit durch einen anderen unvoreingenommenen Zweitkorrektor neu bewerten zu lassen.
1.1.1 Der Einwand der Klägerin, ihre Ausführungen zu der analogen Anwendbarkeit von § 1378 Abs. 1 BGB auf die Ausgleichansprüche im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft seien vom Zweitkorrektor zu Unrecht negativ bewertet worden, ist begründet. Zwar ist die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, dass bei der Trennung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft für Ausgleichsansprüche grundsätzlich auf § 730 BGB als Anspruchsgrundlage abzustellen sei, tatsächlich falsch. Jedoch stellt ihre Argumentation, dass es deshalb bei der Prüfung der Anwendbarkeit von § 1378 BGB an einer Regelungslücke mangele, einen reinen Folgefehler dar, der keine zusätzlichen negativen Bewertungen auslösen darf. Dies ergibt sich aus dem Folgefehlerprinzip.
Wörtlich schrieb die Klägerin zu der analogen Anwendbarkeit von § 1378 Abs. 1 BGB in ihrer Klausurlösung: „Hier müsste es für diesen Ausgleichsanspruch eine Regelungslücke geben. In einer Partnerschaft ohne Eheschließung sind geleistete Beiträge über die Vorschriften der GbR zurückzuerstatten, somit gibt es keine Regelungslücke.“
Der Zweitkorrektor vermerkte dazu in seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren: „Hier ist die Annahme einer fehlenden Regelungslücke schon unzutreffend, da die nichteheliche Lebensgemeinschaft gesetzlich nicht geregelt ist.“
Nach dem Folgefehlerprinzip liegt ein reiner Folgefehler vor, wenn ein unrichtiger Ansatz in sich folgerichtig weitergeführt wird, sei es, dass bei einer Rechenaufgabe ein falsches Ergebnis bei der Lösung weiterer Rechenaufgaben eingesetzt und als Folge auch die weiteren Aufgaben unrichtig gelöst werden, sei es, dass bei einer unrichtigen Weichenstellung in einer sonstigen Arbeit danach ein folgerichtiger Lösungsweg beschritten wird (vgl. VG Berlin, B.v. 23.6.2009 – 12 A 507.07 -, juris; VG Sigmaringen, U.v. 30.10.2003 – 8 K 556/01 – juris). Nach dem Folgefehlerprinzip soll eine Leistung – trotz deren Unrichtigkeit – honoriert werden, wenn sie in sich logisch und richtig ist und ihre Unzutreffendheit ausschließlich darauf beruht, dass der Prüfling eine falsche Weichenstellung vorgenommen hat, also gleichsam ‚auf ein falsche Gleis’ geraten ist. Ein Folgefehler darf sich bei der Bewertung nicht mehrfach negativ auswirken.
So moniert der Zweitkorrektor schon bei der Prüfung der Ansprüche aus Gesellschaftsrecht, dass die Klägerin keine Ausführungen zu den eigentlichen Problemstellungen der Ausgleichsansprüche bei der Auflösung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften gemacht habe. Schon an dieser Stelle der Klausur wird deutlich, dass die Klägerin § 730 BGB ohne Rücksicht auf das grundgesetzlich gebotene Abstandsgebot zur Ehe generell als Anspruchsgrundlage für Ausgleichsansprüche bei der Trennung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft heranzieht. Dieser Fehler darf bei der Prüfung der analogen Anwendbarkeit von § 1378 BGB nicht nochmals negativ gewertet werden.
Die Klägerin hat die analoge Anwendbarkeit von § 1378 Abs. 1 BGB in ihrer Klausurlösung aufgrund einer fehlenden Regelungslücke abgelehnt, weil nach ihrer Lösung Ausgleichansprüche bei der Trennung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach den Vorschriften einer BGB-Gesellschaft einschlägig seien. Die Klägerin sieht nach ihrer Lösung – zwar rechtsirrig, aber in sich schlüssig – die Vorschriften der BGB-Gesellschaft auf alle nichtehelichen Lebensgemeinschaften anwendbar. Diese gesellschaftsrechtlichen Vorschriften werden in diesem Zusammenhang von der Klägerin quasi als Auffangnormen für alle Formen des gemeinsamen Zusammenlebens verwendet. Damit ist es aus ihrer Sicht folgerichtig, bei der Prüfung der analogen Anwendbarkeit von § 1378 Abs. 1 BGB keine Regelungslücke zu erkennen.
Dem steht auch die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsauffassung des Zweitkorrektors nicht entgegen, dass es für die Frage des Vorliegens einer Regelungslücke bei Ansprüchen aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht darauf ankomme, ob im konkreten Einzelfall zusätzlich Anspruchsgrundlagen aus anderen Rechtsgebieten und mit anderen Tatbestandsvoraussetzungen bejaht würden. Denn aus den Ausführungen der Klägerin geht deutlich hervor, dass sie dem Grunde nach bei jeder Trennung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft den Tatbestand des § 730 BGB als erfüllt ansieht, ohne dass es des Hinzutretens eines weiteren spezifisch gesellschaftsrechtlichen Tatbestandmerkmals bedürfe. Legt man diese – tatsächlich nicht vertretbare – Ansicht zugrunde, lädt man § 730 BGB mit einer familienrechtlichen Bedeutung auf, die folgerichtig eine Regelungslücke bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften ausschließen würde.
Nach alledem überschreitet der Zweitkorrektor seinen Beurteilungsspielraum, indem er die Ausführung der Klägerin zur analogen Anwendbarkeit von § 1378 BGB – zusätzlich zu seiner Beanstandung im Rahmen der Prüfung von § 730 BGB – als negativ wertet. Denn diese beruhen auf dem gleichen Fehlverständnis des grundgesetzlichen Abstandsgebot zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Mithin handelt es sich in der Sache um einen einzigen Fehler, der sich bei der Prüfung von § 730 BGB und in der Folge bei den Ausführungen zu § 1378 BGB niederschlägt.
1.1.2 Das Gericht muss auch davon ausgehen, dass diese falsche Einschätzung des Zweitkorrektors für die Benotung der Arbeit mit zwei Punkten ursächlich war. Zu berücksichtigen ist, dass der Zweitkorrektor die Aufgabe Nr. 3 der Kläger mit 2 Punkten bewertet hat, während die Bewertung des Erstkorrektors 3 Punkte ergab.
Der Erstkorrektor charakterisierte die Prüfung des § 1378 BGB durch die Klägerin als „zu knapp“ und „zu oberflächlich“, weil die Klägerin keine Ausführungen zu Art. 6 Grundgesetz (Abstandsgebot außerehelicher Beziehungen zur Ehe), zu den Zielsetzungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes, zu den sogenannten „unbenannten Zuwendungen“ unter Ehegatten oder den allgemeinen Rechtsbindungswillen machte, erkannte damit aber einen richtigen Kern der Lösung an.
Der Zweitkorrektor begründete bei der Erstkorrektur seine Punkteabweichung nach unten lediglich mit dem Satz „Wegen der gravierenden Mängel im ersten Teil bewerte ich die Klausur schlechter.“ Er schloss sich damit den Korrekturanmerkungen des Erstkorrektors der Sache nach an, machte von seinem Beurteilungsspielraum aber abweichend nach unten Gebrauch. Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens begründete der Zweitkorrektor seine Punkteabweichung zwar ausführlicher, so dass er seine formale Begründungspflicht nachträglich erfüllte, merkte zu den Ausführungen der Klägerin zu § 1378 Abs. 1 BGB aber nun Folgendes an: „Hier ist schon die Annahme einer fehlenden Regelungslücke unzutreffend.“ Daraus ergibt sich, dass der Zweitkorrektor die Ausführungen der Klägerin zu § 1378 BGB als vollkommen fehlerhaft und unbrauchbar bewertete. Da dies inhaltlich die einzige Abweichung der Korrekturanmerkungen beider Prüfer ist, ist davon auszugehen, dass auf dieser unterschiedlichen Betrachtung die unterschiedliche Punktevergabe beruht.
Zu berücksichtigen ist auch, dass in diesem unteren Notensegment „mangelhaft“, das heißt eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung, schon eine geringfügig bessere Leistung dazu führen kann, die Grenze von zwei zu drei Punkten zu überschreiten.
1.1.3 Die Neubewertung der Arbeit hat durch einen anderen Prüfer als den bisherigen Zweitkorrektor zu erfolgen.
Beim Zweitkorrektor ist angesichts seiner Ausführungen im Nachprüfungsverfahren und vor allem im gerichtlichen Verfahren zu befürchten, dass er nicht mehr unparteiisch eine nochmalige Bewertung vornehmen würde. Das hat er durch das unbeirrte Festhalten an seiner Bewertung und durch die Bekräftigung seiner Kritik in der mündlichen Verhandlung deutlich zum Ausdruck gebracht. Dadurch hat er sich erkennbar dahingehend festgelegt, dass für ihn eine Änderung der Note nicht in Betracht kommt (VG Ansbach, U.v. 4.8.2011 – AN 2 K 10.01591 – juris). Es ist nach seinem gesamten Verhalten nicht davon auszugehen, dass er unvoreingenommen und ohne auf seine Benotung festgelegt zu sein, ein erneute Benotung vornehmen könnte. Somit ist er für eine neuerliche Bewertung ungeeignet.
1.2 Auf die weiteren von der Klägerin erhobenen Rügen kommt es mithin nicht mehr an. Sie dringen im Übrigen aber auch nicht durch. Dies ergibt sich aus Folgendem:
1.2.1 Entgegen der klägerischen Auffassung, es sei im Rahmen des der Prüfung von Ansprüchen aus Schenkungswiderruf ein „vertretbares Ergebnis“ bemängelt worden, liegt keine Verletzung eines allgemein gültigen Bewertungsgrundsatzes vor.
Zutreffend ist, dass eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht als falsch gewertet werden darf und dass die Ablehnung der Konstruktion der unbenannten Zuwendung eine solche vertretbare Lösung bei vertretbarer Argumentation darstellen kann (Koch, FamRZ 1995, 321; Müßig, FamRZ 2000, 1193).
Wie durch den Zweitkorrektor im Rahmen seiner Stellungnahme im Nachprüfverfahren zutreffend festgestellt, wird durch die Klägerin aber eine Schenkung bejaht, ohne dabei die Konstruktion der unbenannten Zuwendungen überhaupt zu thematisieren. Dadurch, dass die Klägerin ohne Diskussion eine Schenkung annimmt, verkennt sie das Kernproblem der Arbeit, nämlich die Zuwendungen unter Ehegatten und die Übertragbarkeit dieser Problematik auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, und zeigt einen Mangel an Problembewusstsein. Insofern bemängelt die Korrektur nicht die Lösung an sich, sondern das Fehlen von Ausführungen zu dieser Problematik. Zudem lassen die Ausführungen der Klägerin zum Schenkungswiderruf in erheblichem Maße Systemverständnis, Begründungstiefe und Problembewusstsein vermissen. Bereits die Anspruchsgrundlage ist unvollständig. Die Klägerin prüft einen Anspruch unmittelbar aus §§ 516 Abs. 1, 530 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift des § 530 Abs. 1 BGB begründet jedoch nur ein Widerrufsrecht und enthält keine Rechtsfolgenregelung; diese ist der Vorschrift des § 531 Abs. 2, i.V.m. §§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB zu entnehmen. Dies zeigt ebenfalls eine zumindest oberflächliche Sachbehandlung. Ein Bewertungsfehler ist daher zu verneinen.
1.2.2 Auch der von der Klägerin bei der Prüfung der §§ 951, 946 BGB erhobene Einwand, dass hier zu Unrecht massive Verständnismängeln moniert worden seien, weil die Prüfung der Eigentumserlangung nur einen Nebenpunkt beträfe und nur eine kleine Ungenauigkeit darstelle, bleibt erfolglos.
Die Klägerin prüft einen Ausgleichanspruch aus §§ 951, 946, 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB und nimmt dabei an, dass T durch Mitfinanzierung des Hausbaus auch Eigentümer am Haus vor der Verbindung mit dem Grundstück geworden ist. Dafür waren im Sachverhalt keine Anhaltspunkte vorhanden und es stellt einen massiven Verständnismangel hinsichtlich der schuld- und sachenrechtlichen Beziehungen dar. Es zeigt, dass das Abstraktionsprinzip nicht verstanden wurde. Da dies das Grundverständnis des Zivilrechts betrifft, was nach § 18 Abs. 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO, v. 13.10.2003, GVBl. S. 758, zuletzt geändert d. VO v. 18.12.2020, GVBl. 2021 S. 4) Prüfungsgegenstand der Ersten Juristischen Staatsprüfung ist, kann es sich nicht mehr um kleine Fehler handeln. Der Fehler wiegt auch nicht deswegen weniger schwer, weil die Klägerin später hinsichtlich der Eigentumserlangung zum richtigen Ergebnis kommt. Die Anmerkung der Korrektoren, dass „hier massive Verständnismängel aufgetreten seien“ und dass „die übrigen Ausführungen, die größtenteils nur oberflächlich ausfallen, vermögen diesem Mangel bestenfalls ansatzweise abzuhelfen.“ zeigen, dass sie zwischen verschiedenen Mängeln und ihrem Gewicht abgewogen haben. Diese Wertung ist dem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum zuzurechnen und kann nicht beanstandet werden.
Auch der klägerische Einwand, die Ablehnung einer Zweckverfehlung im Rahmen der Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB), weil der Zweck des Hauserwerbs, das gemeinsame Wohnen, erfüllt worden sei, sei eine vertretbare Lösung und können daher keinen Mangel darstellen, greift nicht durch. Zwar ist richtig, dass eine vertretbare Lösung nicht als falsch gewertet werden darf. Allerdings bemängelt der Erstkorrektor, dem sich der Zweitkorrektor anschließt, nicht die Annahme, dass der Zweck aufgrund des fünfjährigen Zusammenlebens von K und T erfüllt worden sei. Aus der Korrekturanmerkung „die Zweckverfehlungskondiktion (wird), insbesondere bar jeglicher inhaltlicher Prüfung, in Gestalt des Eigentumsübergangs erörtert und nur mangels Zweckverfehlung letztlich verneint.“ Lässt sich dies nicht entnehmen. Vielmehr wird daraus deutlich, dass die Annahme des Zwecks „gemeinsames Hausbewohnen“ nicht kritisiert wird.
1.2.3 Auch beim Anspruch aus Gesellschaftsrecht (§§ 705, 726, 733 Abs. 2 BGB) kann die Rüge der Klägerin, dass die Korrekturanmerkung, ihre Ausführungen seien „nur knapp“ und hätten „gravierende Mängel“ zu Unrecht ergangen, nicht durchdringen.
Hinsichtlich der Bearbeitungstiefe kann es nicht darauf ankommen, auf wie vielen Seiten bzw. mit welchem Schreibaufwand die Thematik bearbeitet wird. Vielmehr ist es zulässig und nötig, eine inhaltliche Bewertung der Bearbeitung vorzunehmen. Die Klägerin übersieht hier die wesentlichen Fragestellungen, denn sie diskutiert die zentrale Frage eines Rechtsbindungswillens zwischen T und K zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrags nicht und prüft nicht, ob ein gemeinsam verfolgter, über die bloße Führung der Lebensgemeinschaft hinausgehender Zweck vorliegt. Die Klägerin kommt alleine aufgrund der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu dem Ergebnis, dass ein Gesellschaftsvertrag vorliege. Damit verkennt sie die eigentliche Problematik der Aufgabenstellung.
Entgegen der Ansicht der Klägerseite kritisiert der Zweitkorrektor nicht das gefunden Ergebnis, das mit entsprechender Begründung durchaus als vertretbare Meinung erkannt wird (vgl. Griziwotz, Auseinandersetzung einer faktischen Lebensgemeinschaft, NZFam 2015, 543), sondern er sieht die Ausführungen als zu knapp und zu oberflächlich an, weil nicht die Kernprobleme erörtert werden. Die Begründung des Zweitkorrektors ist demnach nachvollziehbar und sachgerecht. Im Übrigen gehört es zum prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum, in welcher Tiefe und zu welchem Problempunkt Ausführungen erwartet werden.
2. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben