Verwaltungsrecht

Erste Juristische, Staatsprüfung 2019/1, Bewertungen der Klausuren 2, 4 und 5, Beurteilungsfehler, verneint

Aktenzeichen  W 2 K 19.888

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12450
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JAPO § 30
JAPO § 31
JAPO § 14

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 26. Juni 2019 ist im streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubewertung der angegriffenen Prüfungsaufgaben 2, 4 und 5 (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Die Aufhebung eines Prüfungsbescheids und die Verpflichtung der Behörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen, setzt voraus, dass die Bewertung fehlerhaft ist und dieser Fehler Einfluss auf das Gesamtergebnis hat.
Prüfungsentscheidungen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Dies folgt aus der Eigenart einer Prüfungsentscheidung als einem höchstpersönlichen Fachurteil über die Qualität einer Prüfungsleistung. Soweit es sich um prüfungsspezifische Wertungen handelt, steht den Prüfern ein Bewertungsspielraum zu. Der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum bezieht sich auf die Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prüfungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres – insbesondere nicht isoliert – nachvollziehen lassen und daher mit rein objektiven Maßstäben kaum messbar sind. Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. In diesen Bewertungsspielraum dürfen die Gerichte nicht eindringen; hier haben sie nur zu prüfen, ob der Prüfer die rechtlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten hat. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn das vorgeschriebene Prüfungsverfahren nicht eingehalten worden ist, der Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen ist, er allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat, sich von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen oder seine Bewertung willkürlich ist. Zudem müssen die prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein; sie dürfen insbesondere keine inhaltlichen Widersprüche enthalten (BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57/17 – juris; B.v. 5.3.2018 – 6 B 71/17 – juris).
Uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind hingegen Fachfragen, d.h. Fragen, die einer fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich sind. Für diese ist entscheidend, ob die vom Prüfungsteilnehmer vertretene Auffassung nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers. Die Verwaltungsgerichte haben nachzuprüfen, ob der Prüfer diesen Maßstab beachtet, d.h. eine fachlich richtige oder doch vertretbare Bemerkung nicht als falsch bewertet hat (BVerwG, B.v. 5.3.2018 – 6 B 71/17 – juris; B.v. 17.12.1997 – 6 B 55/97 – juris).
Das Gericht hat jedoch die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Der Prüfling muss also auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – juris Rn. 44). Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. Macht er geltend, dass etwa eine als falsch bewertete Antwort in Wahrheit vertretbar sei und auch so vertreten werde, so hat er dies unter Hinweis auf entsprechende Fundstellen näher darzulegen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – juris Rn. 27).
Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen. Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt – wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern – aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt (BVerwG, B.v. 13.3.1998 – 6 B 28/98 – juris).
Nach diesen Maßgaben kann der Kläger mit seinen Rügen nicht durchdringen.
1.1. Bei der Korrektur der Prüfungsaufgabe 1 lässt sich kein Bewertungsfehler feststellen. Die Rüge, es sei von den Prüfern zu Unrecht moniert worden, dass der Kläger den Zahlungsanspruch für die gesamte Zeit auf § 535 Abs. 2 BGB stütze und nicht zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung differenziere, obwohl dies nach seinem Lösungsweg konsequent sei, da der Kläger davon ausgegangen sei, dass das Mietverhältnis aufgrund der Zahlung der rückständigen Miete nicht beendet worden sei, greift nicht durch. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Prüfer auch nach dem vom Kläger eingeschlagenen Lösungsweg eine Differenzierung zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung erwartet haben. Denn es ist umstritten, ob die Zahlung rückständiger Miete nach § 569 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Wirkung ex tunc oder ex nunc zur Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung führt. Bei Annahme einer Unwirksamkeit ex nunc mit der herrschenden Meinung hätten nach dem Lösungsweg des Klägers Ansprüche auf Entschädigung aus § 546 a Abs. 1 BGB und § 987 BGB bestanden. Das Fehlen von Ausführungen hierzu und die damit unterbliebene Differenzierung zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung durften die Prüfer bemängeln. Ein Bewertungsfehler ist nicht erkennbar.
1.2. Auch hinsichtlich der Klausur 4 besteht kein Anspruch auf Neubewertung.
Zwar hat der Erstprüfer in seiner zusammenfassenden Würdigung der Arbeit bemängelt, die Auffassung, J. habe bedingt vorsätzlich gehandelt, sei unvertretbar, obwohl die Annahme von dolus eventualis des J. nach der in der Literatur vertretenen Mindermeinung der sog. Möglichkeitstheorie im Ergebnis vertretbar ist. Dies hat der Zweitprüfer durch sein Beitreten zu den Feststellungen des Erstprüfers übernommen.
In seiner Stellungahme im Nachprüfungsverfahren hat der Zweitprüfer jedoch klargestellt, dass die Bejahung von bedingtem Vorsatz nur akzeptabel gewesen wäre, wenn man sich mit der Mindermeinung der Möglichkeitstheorie allein mit dem kognitiven Vorsatzelement begnügen würde und weiter ausgeführt, dass dann jedoch die verschiedenen Positionen hätten dargestellt werden müssen, ebenso wie der Kläger hätte begründen müssen, warum er nicht der Billigungstheorie folge, die er jedoch im Anfang referiert habe, worin ein Widerspruch liege.
Der Erstprüfer hat in seiner schriftlichen Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren dargelegt, dass die Ausführungen des Klägers zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit in sich widersprüchlich seien, da sich der Kläger anfangs der Billigungstheorie anschließe und sodann völlig konträr zu seiner eigenen Ausgangsargumentation bewusste Fahrlässigkeit ablehne. Selbst unter Berücksichtigung der in der Literatur vertretenen Mindermeinung der Möglichkeitstheorie seien die Ausführungen des Klägers daher völlig unbrauchbar. Eine andere Bewertung sei auch bei Berücksichtigung der Vertretbarkeit der Möglichkeitstheorie nicht gerechtfertigt.
Diese Kritik der Prüfer ist nicht zu beanstanden. Zwar ist die Annahme von bedingtem Vorsatz des J. und damit das vom Kläger gefundene Ergebnis als solches vertretbar. Die Herleitung dieses Ergebnisses durch den Kläger ist jedoch in keiner Weise nachvollziehbar. Seine Ausführungen hierzu sind mehrfach in sich widersprüchlich. Obwohl der Kläger auf Seite 6 Vorsatz als „Wissen und Wollen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes“ definiert, lässt er es auf Seite 7 genügen, dass J. die Gefährlichkeit der Steinwürfe und den Eintritt eines tatbestandlichen Erfolges „für möglich hält“, was er zuvor auf Seite 6 unten jedoch verneint hatte, und kommt zu dem Ergebnis, dass J. deswegen die Verwirklichung des gesetzlichen Erfolges „billigend in Kauf genommen hat“. Der Kläger vermischt damit die verschiedenen Theorien zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit und schließt sich nicht bewusst der Möglichkeitstheorie unter Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung an. Dass seine Ausführungen vor diesem Hintergrund als unbrauchbar bewertet wurden, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ein kausaler Bewertungsfehler ist nicht festzustellen.
Auch die weiteren Rügen des Klägers gegen die Korrektur der Klausur 4 greifen nicht durch. Dass die unterbliebene Prüfung einer fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen als Fehler gewertet wurde, lässt sich den Korrekturbemerkungen nicht entnehmen. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Prüfer monieren, dass die Hauptprobleme der Arbeit entweder gar nicht oder verfehlt erörtert werden. Dies durften sie aufgrund des ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums bei der vergebenen Notenstufe „mangelhaft“ berücksichtigen. Auch legen beide Prüfer in ausreichendem Umfang dar, worin sie zentrale Mängel der Arbeit sehen.
1.3. Auch hinsichtlich der Bewertung der Klausur 5 lässt sich kein Bewertungsfehler erkennen.
Die vom Zweitprüfer übernommene Bewertung des Erstprüfers, der Kläger habe bei Frage 1 die Fristenproblematik als Hauptthema dieses Aufgabenteils verkannt, ist nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hat die Frage der fristgemäßen Rechtsmitteleinlegung falsch beurteilt und damit verkannt.
Soweit der Erstprüfer in seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren ausführt, dass sich der Begriff „verkennt“ auf die inhaltlich widersprüchlichen Ausführungen bezöge, was der Zweitprüfer ebenfalls übernommen hat, hat der Erstprüfer in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er mit der Begriffsverwendung „widersprüchlich“ habe ansprechen wollen, dass es sich hinsichtlich der Fristproblematik um keine konsistente Lösung gehandelt habe. Der Zweitprüfer hat sich dem angeschlossen.
Diese Kritik der Prüfer ist nicht zu beanstanden. Obwohl der Kläger zunächst feststellt, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist dem nach § 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO zuständigen VG „zugestellt“ wurde, kommt er unter fehlerhafter Heranziehung der nicht einschlägigen Vorschrift des § 167 ZPO zu dem Ergebnis, die Rechtsmittelfrist sei gewahrt worden, da die Antragschrift fristgemäß beim VGH eingelegt worden sei und dieser sie ordnungsgemäß und somit „demnächst“ an das VG weitergeleitet habe. Dies durfte als nicht konsistente Lösung und Verkennen der Fristproblematik als Hauptthema des Aufgabenteils gewertet werden. Ein Bewertungsfehler ist nicht festzustellen.
Nach alledem bleibt die Klage ohne Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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