Verwaltungsrecht

Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums

Aktenzeichen  B 4 S 16.227

Datum:
27.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 16 Abs. 1 AufenthG
AufenthG § 16 Abs. 2 AufenthG
Nr. 16.2.5 AVV-AufenthG

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 22.03.2016 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.03.2016 wird abgelehnt.
2. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
3. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils die Hälfte.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die am … 1988 geborene Antragstellerin ist kamerunische Staatsangehörige. Sie reiste erstmals am 09.10.2014 mit einem von der Deutschen Botschaft in Rom erteilten Visum in das Bundesgebiet ein.
Am 13.11.2014 beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums im Masterstudiengang „Intercultural Anglophone Studies“. Zum Nachweis des Studiums legte sie eine Studienbescheinigung der Universität … für das Wintersemester 2014/15 vor. Am 01.12.2014 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine bis 30.11.2015 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG. In einem separaten, der Antragstellerin am 16.01.2015 ausgehändigten Schreiben wurde folgende Nebenbestimmung verfügt: „Studium an der Universität …, Fachrichtung Intercultural Anglophone Studies/Master gestattet. Die Aufenthaltserlaubnis erlischt bei Beendigung oder Abbruch des genehmigten Studiengangs nach Ablauf von zwei Wochen.“
Am 10.12.2015 beantragte die Antragstellerin, nachdem sie dies bereits vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis mündlich beantragt hatte, bei einer Vorsprache im Ausländeramt die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Dabei gab sie als Aufenthaltszweck an: Promotionsstudium im Studiengang Linguistik. Zum Nachweis legte sie eine Studienbescheinigung der Universität … für das Wintersemester 2015/16 vor, wonach sie im Studienfach Anglistik/Englisch im zweiten Fachsemester zum Zweck der Promotion eingeschrieben sei.
Mit Schreiben vom 05.01.2016 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass ihre Aufenthaltserlaubnis aufgrund der verfügten auflösenden Bedingung vom 16.01.2015 vorzeitig erloschen sei. Sie halte sich somit seit dem 14.04.2015 ohne erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf und sei daher zur Ausreise verpflichtet.
Mit Schreiben vom 27.01.2016 zeigten sich die gegenwärtig für die Antragstellerin tätigen Rechtsanwälte an und teilten mit, dass Aufenthaltszweck der Antragstellerin nunmehr die Eheschließung und anschließende Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen sei. Durch die ursprünglich der Aufenthaltserlaubnis beigefügte Bedingung dürfte juristisch in der Tat die Aufenthaltserlaubnis mittlerweile erloschen sein. Dies solle jedoch nicht weiter vertieft werden, da die Antragstellerin ihren Verlobten nun heiraten wolle und ein Termin beim Standesamt … vereinbart sei. Nach erfolgter Eheschließung werde dann ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestellt werden. Dann wolle die Antragstellerin ihr Promotionsstudium fortführen.
Am 16.02.2016 wurde für die Antragstellerin eine Terminbestätigung des Standesamts … vorgelegt. Aufgrund dessen stellte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine bis zum 04.03.2016 befristete Duldung aus.
Am 04.03.2016 erfolgte die Eheschließung und für die Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass sie beabsichtige, ihren Wohnsitz nach … zu verlegen und den Nebenwohnsitz in … beizubehalten. Laut Melderegister war die Antragstellerin weiterhin mit Hauptwohnsitz in … gemeldet.
Mit Bescheid vom 08.03.2016 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung dieses Bescheides zu verlassen (Nr. 1). Der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 10.12.2015 wurde abgelehnt (Nr. 2) ebenso der Antrag auf vorübergehende Aussetzung der Aufschiebung (Nr. 3). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Ausreisepflicht nach Nr. 1 des Bescheides nicht fristgerecht nachkomme, wurde ihr die Abschiebung in die Republik Kamerun oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 4). Für den Fall einer notwendig werdenden Abschiebung wurde die Wirkung der Abschiebung, gerechnet ab dem Tag des Verlassens des Bundesgebiets auf ein Jahr befristet (Nr. 5).
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin sei aufgrund des Eintritts der auflösenden Bedingung zum 14.04.2015 erloschen. Sie sei vollziehbar zur Ausreise verpflichtet, da sie nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels sei und trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 AufenthG als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gelte. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums sei abzulehnen gewesen, da die Antragstellerin nicht über das erforderliche Visum verfüge. Der Aufenthaltstitel habe nicht im Bundesgebiet eingeholt werden können, da die Voraussetzungen des § 39 AufenthV nicht vorlagen. Vom Visumerfordernis könne nicht abgesehen werden, da die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG eine Ermessensentscheidung darstelle und kein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bestehe. Es sei der Antragstellerin auch nicht unzumutbar, das Visumverfahren nachzuholen und ihr Studium vorübergehend zu unterbrechen.
Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Ehegattennachzugs zum deutschen Ehemann sei abzulehnen gewesen, da die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Antragstellerin verfüge nicht über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache. Hinzu komme, dass die Antragstellerin nicht in Besitz des erforderlichen Visums sei. Die öffentlichen Belange an der Einhaltung des Visumverfahrens würden die privaten Belange der Antragstellerin überwiegen. Die Verpflichtung, zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland vor der Einreise ein Visum einzuholen, stelle keine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG dar. Dies gelte auch für eine zeitlich befristete Trennung.
Mit Schriftsatz vom 16.03.2016, eingegangen bei Gericht am 22.03.2016, haben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Klage zum Bayer. Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2016 die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu verlängern.
Gleichzeitig haben sie beantragt,
die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen,
hilfsweise,
der Antragsgegnerin zu untersagen, die Antragstellerin bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren in den Kamerun oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet sei, abzuschieben.
Zur Begründung wird vorgetragen, nachdem die Antragstellerin das Studium in … aufgenommen habe, sei ihr etwa Ende April 2015 seitens der Lehrstuhlinhaberin für englische Sprachwissenschaft an der Universität … geraten worden, sich zusätzlich für den Promotionsstudiengang Anglistik/Englisch einzuschreiben. Grund hierfür seien die vielseitigen Sprachkenntnisse der Antragstellerin gewesen. Während ihres Studiums in Italien habe sie zwei Jahre lang Chinesisch gelernt, so dass ihr empfohlen worden sei, im Rahmen des Promotionsstudienganges an einem besonderen Projekt teilzunehmen. Nachdem die Antragstellerin etwa zwei Monate lang gleichzeitig für beide Studiengänge eingeschrieben gewesen sei, sei ihr von Mitarbeitern am Lehrstuhl Anglistik II geraten worden, nur das Promotionsstudium Anglistik fortzuführen. Die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass ein ungenehmigter Wechsel des Studienfaches/Studienziels vorliege, werde nicht geteilt. Dies werde auch von der Inhaberin des Lehrstuhls für englische Sprachwissenschaft in einer Stellungnahme vom 19.02.2016 so gesehen. Unabhängig davon habe die Antragstellerin am 04.03.2016 die Ehe mit ihrem bisherigen Verlobten geschlossen. Der Ehemann besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er sei in … wohnhaft und dort als Entwicklungs-ingenieur tätig. Die Antragstellerin sei auch der deutschen Sprache mächtig. Sie beabsichtige zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft ihren Hauptwohnsitz nach … zu verlegen und … als Nebenwohnsitz zu behalten, da sie ihr Studium fortführen wolle. Unabhängig von einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG könne die Antragstellerin somit auf der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Von der Durchführung des Visumverfahrens könne im Ermessenswege abgesehen werden. Die Antragstellerin betreibe ihr Studium intensiv, so dass ihr eine Unterbrechung für mehrere Monate nicht zuzumuten sei.
Mit Schriftsatz vom 23.03.2016 hat die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie zeigt sich verwundert, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin nunmehr davon ausgehe, der Aufenthaltstitel der Antragstellerin durch den Studiengangwechsel sei nicht erloschen, nachdem er dies im Schreiben vom 27.01.2016 selbst so vertreten habe. Die Antragstellerin habe bei ihrer letzten persönlichen Vorsprache im Ausländeramt am 02.03.2016 angegeben, sie wolle nach der Eheschließung direkt von … aus nach Kamerun ausreisen Die persönliche Kommunikation zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin sei stets in englischer Sprache erfolgt. Es sei auch fraglich, wie die Antragstellerin die eheliche Lebensgemeinschaft in … führen wolle, wenn sie gleichzeitig in … zu leben plane.
Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin tragen ergänzend vor, die Antragstellerin werde im Rahmen ihres Studiums ein Projekt in Kamerun begleiten, so dass im Sommer 2016 eine Ausreise in den Kamerun erfolgen solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 22.03.2016 gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung bzw. Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.03.2013 ist nicht statthaft.
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung haben, greift nur dann, wenn der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gilt. Das setzt voraus, dass der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt (§ 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) oder im Falle verspäteter Antragstellung die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung angeordnet hat (§ 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG).
Im Zeitpunkt der Antragstellung war die Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin vom 01.12.2014, obwohl sie bis zum 30.11.2015 befristet war, gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bereits erloschen, weil die auflösende Bedingung vom 16.01.2015 spätestens mit der ausschließlichen Immatrikulation der Antragstellerin im Promotionsstudiengang Anglistik im Laufe des Sommersemesters 2015 eingetreten ist.
Nachdem die Fortgeltungswirkung der erloschenen Aufenthaltserlaubnis auch nicht gemäß § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG angeordnet wurde, greift die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde vom 08.03.2016 nicht in eine durch die Antragstellung vermittelte Rechtsposition ein. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ginge daher ins Leere.
2. Der demgemäß zulässige Hilfsantrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung der Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, ist begründet.
Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen vor. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund – die Antragsgegnerin beabsichtigt, sie abzuschieben – als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Denn es steht mit der für die Glaubhaftmachung notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit fest, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Aussetzung ihrer Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht.
Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung eines Ausländers insbesondere auszusetzen, solange sie aus rechtlichen Gründen unmöglich ist. Dies ist hier mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Fall.
a) Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung spricht vieles dafür, dass die Antragstellerin jedenfalls einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke der Aufnahme/Fortführung des Promotionsstudiums Anglistik gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hat. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.03.2016 ist insoweit rechtswidrig, da er die gebotene Ermessensausübung nicht vornimmt und die Antragstellerin deshalb in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach § 16 Abs. 1 Sätze 1 und 5 AufenthG kann einem Ausländer zum Zwecke des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Ein Wesensmerkmal der Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG ist deren strikte Bindung an einen bestimmten Aufenthaltszweck und das Erreichen dieses Zwecks in angemessener Zeit. Dementsprechend soll eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck in der Regel nicht erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht (§ 16 Abs. 2 AufenthG). Die an den Wechsel des Aufenthaltszwecks anknüpfende Sperrwirkung des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gilt nicht nur in den Fällen, in denen der Ausländer aktuell (noch) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG besitzt, sondern auch wenn sie bereits abgelaufen oder erloschen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs darf der Ausländer durch die Verwaltungspraxis, Aufenthaltserlaubnisse für Studienzwecke zur Vermeidung eines nachträglichen Befristungsverfahrens (§ 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) unter einer auflösenden Bedingung zu erteilen, weder bevorzugt noch benachteiligt werden (BayVGH, Beschluss vom 07.09.2010 – 19 CS 10.1681 Rn. 6; Urteil vom 26.05.2011 – 19 BV 11.174 Rn. 19). Letzteres wäre jedoch der Fall, wenn der Antragstellerin allein wegen des Bedingungseintritts eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG versagt werden könnte, obwohl die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis für ein Studium verlängert werden kann, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann, zweifelsfrei erfüllt sind.
Ausgehend davon ergibt sich anhand der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVV-AufenthG), an die die Antragsgegnerin gebunden ist und die auch in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, Beschluss vom 07.09.2010 – a.a.O. Rn. 8) durchgängig zugrunde gelegt wird, folgendes:
Der Inhalt des Aufenthaltszwecks wird grundsätzlich durch die Fachrichtung bestimmt (Nr. 16.2.4 Satz 1 AVV-AufenthG). Bei einer Änderung der Fachrichtung während des Studiums liegt regelmäßig ein Wechsel des Aufenthaltszwecks vor (vgl. Nr. 16.2.5 Satz 1 AVV-AufenthG). Nach Nr. 16.2.5 Satz 1 AVV-AufenthG wird aber der Aufenthaltszweck im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bei einem Wechsel des Studiengangs oder einem Wechsel des Studienfachs in den ersten 18 Monaten nach Beginn des Studiums (so genannte Orientierungsphase) nicht berührt. Diese Formulierung wird man so verstehen müssen, dass in der Orientierungsphase ein Wechsel des Aufenthaltszwecks begrifflich nicht vorliegt, mit der Folge, dass dem ausländischen Studenten auch die Sperrwirkung des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegengehalten werden darf. Ferner wird man daraus schließen müssen, dass eine im Hinblick auf einen Fachrichtungswechsel auflösend bedingte Aufenthaltserlaubnis in der Orientierungsphase nicht zulässig ist.
Die Antragstellerin befand sich bei dem Wechsel vom Masterstudiengang „Intercultural Anglophone Studies“ zum Promotionsstudiengang Anglistik erst im zweiten Studiensemester und auch bei der Beantragung der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis (§ 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG) eindeutig noch in der Orientierungsphase. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt ihre Aufenthaltserlaubnis wegen der (rechtswidrigen aber bestandskräftigen) auflösenden Bedingung bereits erloschen. Ihr Antrag ist daher als Antrag auf Neuerteilung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu behandeln. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte spricht hier vieles dafür, dass sich das in § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG normierte behördliche Ermessen zu einem Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung verdichtet hat.
Dem Antrag auf Aussetzung der Abschiebung war somit statt zugeben.
b) Nachdem der Antragstellerin bereits wegen ihres Studiums ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht, kann offen bleiben, ob sich ein solcher Anspruch zusätzlich aus ihrer Eheschließung und ihrem Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG herleiten lässt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach die Kosten verhältnismäßig zu teilen sind, wenn ein Beteiligter teils obsiegt (Hilfsantrag) und teils unterliegt (Hauptantrag).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (jeweils halber Auffangwert für Haupt- und Hilfsantrag).


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