Verwaltungsrecht

Erteilung einer unbeschränkten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  24 ZB 21.1044

Datum:
19.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22538
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SprengG § 27 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2

 

Leitsatz

Das Interesse eines Sportschützen, bei der legalen Nutzung fremder Waffen von ihm selbst hergestellte Munition verwenden zu können, ist regelmäßig schon im Ansatz nicht als vergleichbar gewichtig anzuerkennen wie das Interesse an der Verwendung von selbsthergestellter Munition im Fall der Verwendung eigener Waffen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 9 K 20.925 2021-02-19 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer unbeschränkten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis.
Der Kläger ist Sportschütze und im Besitz einer Erlaubnis nach § 27 SprengG, die ihm erstmals im Mai 2010 erteilt wurde. Bei der am 14. Mai 2020 vorgenommenen Verlängerung bis zum 13. Mai 2025 wurde unter III. u. a. folgende “Auflage” aufgenommen: “Die Erlaubnis gilt nur für das Laden und Wiederladen von Patronenmunition für die in die Waffenbesitzkarte des Antragstellers eingetragenen Waffen. Sie gilt nicht für Sammler-, Erb-, Alt- und sonstige Waffen, die nicht zum Schießen verwendet werden dürfen.” Zudem wurde der “Hinweis” unter Punkt 8 der Erlaubnis gestrichen, wonach wiedergeladene Hülsen ohne Kennzeichen nur Dritten überlassen werden dürften, die der gleichen schießsportlichen Vereinigung wie der Inhaber dieser Erlaubnis angehören.
Die insoweit erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Februar 2021 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte uneingeschränkte Erlaubnis.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, an der Richtigkeit des streitgegenständlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Zudem bestünden besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
a) Das gilt zunächst für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.).
Insoweit führt die Zulassungsbegründung aus, der Kläger als Sportschütze befinde sich in einer Sondersituation. Diese werde durch das erstinstanzliche Urteil nicht ausreichend berücksichtigt. Der Kläger, der seit seinem 15. Lebensjahr den Schießsport ausübe, sich für bayerische Meisterschaften qualifiziert und Platzierungen im vorderen Drittel bei der Teilnahme an Deutschen Meisterschaften erzielt habe, werde in der Ausübung seines Schießsports unzulässig eingeschränkt. Sportschützen schössen auch mit geliehenen oder Vereinswaffen. Um die Schießergebnisse zu optimieren, bedürfe es entsprechender Munition, vorrangig durch Wiederladen. Entsprechende Munition zum Kauf sei nur begrenzt am Schießstand verfügbar, schon gar nicht für jedes Kaliber.
In Ansehung dieses Zulassungsvorbringens ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Eine nach § 27 Abs. 1 SprengG für den nicht gewerblichen Erwerb und Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen notwendige Erlaubnis ist unter anderem dann zu versagen, wenn der Antragsteller ein Bedürfnis für die beabsichtigte Tätigkeit nicht nachweist (§ 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SprengG). Zweck der danach notwendigen Bedürfnisprüfung ist es insbesondere, im Hinblick auf die Gefährlichkeit von Sprengstoffen deren Erwerb sowie den Umgang mit ihnen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 ZB 15.1972 – juris Rn. 13 m.w.N.). Dem entspricht es, dass die Bedarfslage und das daraus folgende Interesse an der begehrten sprengstoffrechtlichen Tätigkeit nach Art und Umfang hinreichend konkretisiert sein müssen. Demgegenüber begründet das Interesse, für den Fall eines nur möglichen Bedarfs gleichsam vorsorglich eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu erhalten, regelmäßig kein Bedürfnis im Sinn des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SprengG (BayVGH B.v. 9.2.2018 – 21 ZB 15.1972 – juris Rn. 13; OVG NRW, B.v. 1.2.2005 – 20 A 20/04 – juris Rn. 9, B.v. 22.12.2020 – 20 A 2997/18). Der Kläger möchte in allen Fällen, in denen er geliehene Waffen bzw. Vereinswaffen benutzen wird, jedwede benötigte Munition selbst herstellen können, also eine generelle Erlaubnis. Ein Interesse an einer solchen Möglichkeit ist aber regelmäßig nicht anzuerkennen. Das Interesse eines Sportschützen, bei der legalen Nutzung fremder Waffen von ihm selbst hergestellte Munition verwenden zu können, ist regelmäßig schon im Ansatz nicht als vergleichbar gewichtig anzuerkennen wie das Interesse an der Verwendung von selbsthergestellter Munition im Fall der Verwendung eigener Waffen. Es ist dem Kläger als Sportschützen möglich und zumutbar, bei der legalen Nutzung fremder Waffen (wie geliehene Waffen oder Vereinswaffen) vom dem Waffenberechtigten Munition – ggf. sogar von diesem selbst hergestellte – zu erwerben (OVG NRW, B.v. 1.2.2005 – 20 A 20/04 – juris Rn. 14). Auch wenn der Kläger seit seinem 15. Lebensjahr den Schießsport ausübt und erfolgreich an Meisterschaften teilgenommen hat, ist – im Vergleich zu anderen Sportschützen bzw. zu anderen Waffenbesitzern – keine Ausnahmesituation ersichtlich, auf Grund derer dem Kläger eine generelle Erlaubnis erteilt werden müsste.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Kläger verfehlt mit seinem Zulassungsvorbringen bereits die Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (Roth in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2021, § 124a Rn. 75 m.w.N.). Der Kläger behauptet lediglich, es bestünden besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, ohne hierzu weitere Ausführungen zu machen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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