Verwaltungsrecht

Erteilung einer Waffenbesitzkarte für Sportschützen, Unzuverlässigkeit, Frühere Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerszene“, Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, Langer Zeitablauf

Aktenzeichen  24 B 22.317

Datum:
16.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13371
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, 8

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 16 K 19.689 2020-12-04 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. Dezember 2020 wird aufgehoben.   
II. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Versagungsbescheids vom 25. Februar 2019 verpflichtet, dem Kläger die begehrte Waffenbesitzkarte für Sportschützen zu erteilen.     
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.     
IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.     
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden, denn die Parteien haben im Erörterungstermin vom 7. April 2022 einer solchen Vorgehensweise zugestimmt.
Die zulässige Berufung ist begründet, denn der Kläger hat gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO mittlerweile einen Anspruch auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte nach § 8 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328). Gründe nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b sowie nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG, die zur Versagung der beantragten Waffenbesitzkarte führen müssen, liegen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht mehr vor.
1. Der Kläger ist nicht mehr unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG, denn die festgestellten Vorfälle liegen schon mehr als fünf Jahre zurück. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG besitzen Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht. Dabei muss nicht feststehen, dass der Betroffene tatsächlich solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, sondern es reicht aus, wenn belastbare Tatsachen eine solche Annahme rechtfertigen.
Hier lagen bezüglich des Klägers in den Jahren 2013 und 2014 Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass er Bestrebungen verfolgt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, denn er hat unbestritten an Stammtischen der zur „Reichbürgerszene“ zu rechnenden „Republik Freies Deutschland“ (vgl. z.B. die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage vom 12.7.2016, Bt-Drs. 18/9161, S. 4 f.) teilgenommen und dort eine „Geheimhaltungsvereinbarung“ unterschrieben sowie einen Staatsangehörigkeitsausweis mit „reichsbürgertypischen“ Angaben beantragt. Solche Verhaltensweisen, insbesondere die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweise unter fortgesetzter Verwendung der Angaben „Königreich Bayern“ und „gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913“ bringen eine verfassungsfeindliche Gesinnung zum Ausdruck (vgl. im Beamtenrecht BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 30 ff.).
Allerdings liegen alle diese Vorfälle mittlerweile mehr als fünf Jahre zurück und nach Auskunft des Beklagten sind seit dem Jahr 2015 keine weiteren Vorfälle mehr bekannt geworden. Schon bei seiner Anhörung durch die Polizei im Jahr 2017 hat sich der Kläger von der „Reichsbürgerszene“ distanziert und wurde deshalb nur als „Verdachtsfall“ eingestuft. Auch die Anhörung des Klägers im Erörterungstermin vom 7. April 2022 ergab, dass keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er in den letzten fünf Jahren verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt hat. Der Kläger konnte glaubhaft berichten, dass er nach ca. vier bis fünf Besuchen der Stammtische der „Republik Freies Deutschland“ festgestellt hat, dass er die Auffassungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort nicht teilt, sein Ziel dort Kunden zu gewinnen, nicht zu erreichen war und er sich deshalb von diesem Personenkreis wieder zurückgezogen hat. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die sog. „Reichsbürgerszene“ zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit noch nicht sehr breit wahrgenommen worden ist, in den Verfassungsschutzberichten nicht explizit erwähnt wurde (in Bayern erstmals im Verfassungsschutzbericht 2016) und damit einem durchschnittlich gebildeten Bürger, wie dem Kläger, zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend sofort geläufig sein musste, was sich hinter der „Republik Freies Deutschland“ eigentlich verbirgt. Ob er dabei tatsächlich im Jahr 2013 einmal zu einem der Stammtische eingeladen hat, wie die von seiner E-Mail-Adresse versandte E-Mail vom 4. Juli 2013 nahelegt, kann dahinstehen. Der Kläger konnte überzeugend darlegen, dass er nach mehreren Stammtischbesuchen festgestellt hat, dass die dort vertretenen Meinungen seinen Auffassungen nicht entsprochen haben und er sich deshalb nach diesen Stammtischbesuchen in den Jahren 2013/2014 von der Gruppierung abgewendet hat. Wie tief er damals in die Organisation der Stammtische eingebunden war und ob sein Bekannter ihn auf diese Stammtische aufmerksam gemacht hat oder andersherum, ändert dran nichts. Ebenso ist unerheblich, aus welchen Gründen er im Jahr 2013 die „Geheimhaltungsvereinbarung“ unterschrieben hat. Er hat glaubhaft geschildert, dass er sich nicht mehr erinnern kann, dieses Dokument unterschrieben zu haben, die Unterschrift aber wahrscheinlich beim erstmaligen Besuch eines Stammtisches erfolgte. Diese Annahme wird von dem Vortrag des Beklagten gestützt, dass der Kläger sich im Verwaltungsverfahren an dieses Dokument nicht erinnern konnte und den Inhalt des Dokuments dann aus der Behördenakte zur Kenntnis genommen habe. Dass er sich nach Beendigung der Stammtischbesuche an diese, ihm nicht mehr präsente „Geheimhaltungsvereinbarung“ in irgendeiner Art und Weise gebunden gefühlt und sein Verhalten danach ausgerichtet hat, ist nicht ersichtlich. Auch die Schwierigkeiten des Klägers und seiner Ehefrau mit dem Einzug der Rundfunkgebühren im Jahr 2018 und dem dafür zuständigen Gerichtsvollzieher, führen nicht zu einer anderen Einschätzung. Zum einen hat das Landratsamt mit Schreiben vom 11. Juli 2019 bestätigt, dass der Gerichtsvollzieher angegeben habe, die Korrespondenz sei über die Ehefrau des Klägers gelaufen. Zum anderen hat der Kläger eine E-Mail vom 5. Juli 2018 vorgelegt, mit der nicht in querulatorischer oder „reichsbürgertypischer“ Art die Zahlung der Rundfunkgebühren verweigert wird, sondern in sachlichem Ton eine Aufstellung der geforderten und überwiesenen Beträge angefordert wird.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die festgestellten Tatsachen trotz Ablaufs der Fünfjahresfrist im Rahmen der Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG noch Berücksichtigung finden könnten, da der Kläger sich von seinem Verhalten nicht hinreichend distanziert hat. Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass nach dem Wortlaut der Norm nicht die Tatsachen, sondern die daraus gefolgerten Bestrebungen innerhalb der letzten fünf Jahren erfolgt sein müssen. Allerdings kann dem Kläger anhand der festgestellten Tatsachen keine über die Teilnahme an den Stammtischen hinaus fortdauernde „Mitgliedschaft“ in einer bestimmten Organisation vorgeworfen werden, die die Annahme einer nach Beendigung der Teilnahme an den Stammtischen fortdauernden Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen könnte. Die festgestellten Tatsachen erschöpfen sich im Wesentlichen in der fortgesetzten Teilnahme an den Veranstaltungen, die zwar eine gewisse Nähe und Sympathie für die dort geäußerten Theorien impliziert, da der Kläger ansonsten spätestens nach dem ersten Stammtisch kein Interesse mehr gezeigt hätte und die Stammtische nicht mehr besucht hätte. Nach Beendigung der Teilnahme an den Stammtischen ist aber die Annahme nicht mehr gerechtfertigt, dass er weiterhin verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt.
2. Der Kläger ist auch nicht mehr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG unzuverlässig. Danach liegt Unzuverlässigkeit vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit und ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn.12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 10.7.2018 – 6 B 79.18 – NJW 2018, 2812 = juris Rn. 6; B.v. 12.10.1998 – 1 B 245.97 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 83 = juris Rn. 5; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris Rn. 5).
Dabei ist zu berücksichtigten, dass § 5 Abs. 1 WaffG die Fälle der obligatorischen Unzuverlässigkeit betrifft. Der Gesetzgeber umreißt hier Fallgruppen des Fehlverhaltens, welche als so gravierend eingestuft werden, dass eine positive Zuverlässigkeitsprüfung von Gesetzes wegen ausscheidet (vgl. Gade in Gade, Waffengesetz, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 2). Im Gegensatz zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG, der an ein konkretes strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Betroffenen anknüpft, wird in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vom Gesetzgeber die Befürchtung regelwidrigen Verhaltens in der Zukunft auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte als zwingender Grund für die Annahme der Unzuverlässigkeit angeführt, soweit aus dem Verhalten „mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert, sei es durch das Verhalten des Antragstellers selbst (Buchst. a und b, Alt. 1) oder anderer (Buchst. b, Alt. 2 und Buchst. c)“ (BT-Drs. 14/7758, 54; Gade a.a.O. Rn. 6).
Hinsichtlich der Anhänger der „Reichsbürgerszene“ ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2021 – 24 ZB 20.1386 – juris Rn. 15 m.w.N.), dass diese als unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG anzusehen sind, da mit der Verleugnung des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland zwangsläufig die Gefahr einhergeht, dass die Betreffenden die geltenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, und damit auch das Waffengesetz, nicht als für sich verbindlich anerkennen und deshalb die Gefahr besteht, dass die Vorschriften nicht einhalten werden.
Dabei ist aber zu berücksichtigten, dass als Anhänger der „Reichsbürgerszene“ nur jemand bezeichnet werden kann, der sich deren Gedankengut zu eigen gemacht hat (vgl. BayVGH, U.v. 27.1.2022 – 24 B 20.2539 – juris Rn. 20). Für die Annahme einer Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG müssen daher Tatsachen vorliegen, die darauf hinweisen, dass der Betreffende tatsächlich Anhänger der „Reichsbürgerszene“ ist. Das ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung z.B. regelmäßig dann der Fall, wenn der Betreffende einen Staatsangehörigkeitsausweis mit „reichsbürgertypischen“ Angaben beantragt hat (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 24 ZB 20.1495 – juris Rn. 13).
Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG hinsichtlich der festgestellten Tatsachen nicht auf starre Fristen abstellt, sondern eine aktuelle Gefahrprognose erfordert. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm, der gerade keinen Zeitraum angibt, in dem die Tatsachen festgestellt worden sein müssen, als auch aus der Systematik der Unzuverlässigkeitstatbestände sowie aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat bei den verschiedenen Tatbeständen entweder keine (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 5 WaffG) oder Fristen von zehn (§ 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 WaffG) oder fünf Jahren (§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 WaffG) festgelegt und damit konkrete Überlegungen angestellt, wie lange davon ausgegangen werden muss, dass aus einem bestimmten Verhalten Gefahren resultieren. Wenn auch bei § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG eine solche Frist gelten sollte, dann hätte der Gesetzgeber dies deshalb auch ausdrücklich geregelt. Darüber hinaus lässt sich der Gesetzesbegründung (Bt-Drs. 14/7758, S. 54) entnehmen, dass für die Annahme einer Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG eine aktuelle Prognose erforderlich ist und gerade nicht schematisch auf den Ablauf bestimmter Zeitspannen zurückgegriffen werden kann. Dies bedeutet für die Rechtsanwendung, dass die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG festgestellten Tatsachen nach Schwere, Gefahrpotential, Zeitablauf und weiteren bekannten Umstände dahingehend bewertet werden müssen, ob sie zum Zeitpunkt der Entscheidung noch die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende mit Waffen nicht sorgfältig umgehen wird. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, ob die festgestellten Tatsachen auch die Annahme anderer Unzuverlässigkeitstatbestände rechtfertigen, aber die dortigen gesetzlich festgelegten Fristen möglicherweise schon abgelaufen sind. Denn die verschiedenen Tatbestände des § 5 WaffG stehen zwar grundsätzlich nicht im Verhältnis der Spezialität zueinander (vgl. zu den Tatbeständen des § 5 Abs. 2 BVerwG, U.v. 30.9.2009 – 6 C 29.08 – juris Rn. 13 ff.), aber der absolute Unzuverlässigkeitsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG kann auch nicht als Auffangtatbestand für sämtliche Verhaltensweisen dienen, die von den relativen Unzuverlässigkeitsgründen des § 5 Abs. 2 WaffG wegen Zeitablaufs nicht mehr erfasst sind.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben liegen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte (mehr) dafür vor, dass der Kläger derzeit noch der „Reichsbürgerszene“ zugehörig sein könnte und damit unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist. Unabhängig davon, ob der Kläger sich zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils die Vorfälle aus den Jahren 2013 und 2014 noch entgegen halten lassen musste, und zu diesen Zeitpunkten noch Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird, ist dies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht mehr der Fall.
Der Kläger hat sich nach seinen übereinstimmenden Angaben im Verwaltungsverfahren, im erstinstanzlichen Verfahren und vor dem Senat schon vor über sieben Jahren von der Gruppierung „Republik Freies Deutschland“ abgewendet und spätestens seit dem Jahr 2015 keine Stammtische mehr besucht. Die bekannt gewordenen Beiträge des Klägers zu den damaligen Stammtischen waren zwar nicht völlig untergeordnet, wenn man davon ausgeht, dass er gemäß der E-Mail vom 4. Juli 2013 selbst einmal zu einem Stammtisch eingeladen hat und er möglicherweise die „Geheimhaltungsvereinbarung“ bei der Unterzeichnung, an die er sich zwar glaubhaft nicht mehr erinnern kann, die er aber auch nicht bestreitet, sogar überzeugend fand. Allerdings hatte er schon im Jahr 2014 seine Teilnahme an den Stammtischen aufgegeben und hat sich bei der polizeilichen Anhörung im Mai 2017 von der Szene ausdrücklich distanziert, obwohl damals noch kein waffenrechtliches Verfahren anhängig war. Dass der Kläger heute noch solchem Gedankengut anhängen könnte, kann aus diesen Vorfällen nach der Überzeugung des Senats nicht mehr abgeleitet werden.
Auch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises im Jahr 2014 mit Angaben, die damals die Annahme einer verfassungsfeindlichen Gesinnung rechtfertigten (s.o. Nr. 1), führt heute nicht mehr dazu, dass eine Unzuverlässigkeit des Klägers gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG anzunehmen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Tatsachen nicht innerhalb der letzten fünf Jahre aufgetreten sind und deshalb im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG nicht mehr verwertet werden können (s.o. Nr. 1). Dies führt zwar nicht zwangsläufig zu einer Unverwertbarkeit im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG. Es müssen aber besondere Umstände vorliegen, die in einem solchen Fall weiterhin die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird. Solche Umstände können z.B. darin liegen, dass der Betreffende in „reichsbürgertypischer“ Manier auch noch nach Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises gefordert hat, dass darin bestimmte, gesetzlich nicht vorgesehene Eintragungen vorgenommen werden, dass Eintragungen im Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) entsprechend bereinigt werden oder der Betreffende eine Bezahlung der angefallenen Verwaltungsgebühren verweigert hat. Solche Umstände liegen hier nicht vor, sondern der Kläger hat den Staatsangehörigkeitsausweis erhalten und keine weitere Korrespondenz mit den Behörden geführt. Nach seinen eigenen Angaben hat er auch nie davon Gebrauch gemacht. Den bekannten Umständen kann daher nicht entnommen werden, dass nach Ablauf von mehr als fünf Jahren noch eine erhebliche Gefahr für hohe Rechtsgüter vom Kläger ausgehen könnte.
3. Auch im Übrigen sind vom Beklagten keine Umstände benannt oder sonst bekannt geworden, die es rechtfertigen würden, dem Kläger die Erteilung einer Waffenbesitzkarte für Sportschützen zu verweigern.
4. Demzufolge war auf die Berufung des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und der Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheids zu verpflichten, die begehrte Waffenbesitzkarte zu erteilen. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben