Verwaltungsrecht

Erteilung eines Jagdscheins an einen Mitglied in der verbotenen Vereinigung „Freies, Netz Süd“

Aktenzeichen  B 1 K 16.612

Datum:
21.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 52856
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJadgG § 5 Abs. 2, § 15 Abs. 2, § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 2a, Nr. 3, § 6
GG Art. 12
VwGO § 84 Abs. 1 S. 4, § 117 Abs. 3 S. 2, § 167 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
1. Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg und ist daher abzuweisen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger erfüllt auch zum maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt des Erlasses dieses Gerichtsbescheids die Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Jagscheins nicht.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) ist Personen der Jagdschein zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen. Fehlen die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 des Waffengesetzes (WaffG), darf gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG erteilt werden. Bei letzterem handelt es sich um einen sogenannten Falknerjagdschein, nicht aber um einen Drei-Jahres-Jagdschein im Sinne von § 15 Abs. 2 BJagdG, wie ihn der Kläger begehrt.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Drei-Jahres-Jagdscheins nicht, weil ihm die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2a) WaffG wegen seiner Mitgliedschaft im unanfechtbar verbotenen Freien Netz Süd (FNS) fehlt. Das Gericht nimmt hier zunächst gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 5 VwGO auf die diesbezügliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom 03.08.2016 Bezug und führt ergänzend insbesondere zum Vorbringen des Klägers Folgendes aus:
a) Die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 2a) WaffG findet auch auf „informelle“ Vereinigungen Anwendung. Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei einer verbotenen Vereinigung um einen im Vereinsregister eingetragenen Verein handelt. Nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 2a) Alt. 1 WaffG ist alleine entscheidend, dass es sich um einen Verein handelt, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde. Dies ist beim FNS der Fall. Das FNS ist seit dem 14.12.2015 – mit Rechtskraft des die Verbotsverfügung des StMIBV vom 02.07.2014 bestätigenden Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – unanfechtbar verboten.
b) Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger Mitglied des FNS war. Die Würdigung aller bekannten Tatsachen lässt nur diesen Schluss zu. Dies sind namentlich die beim Kläger aufgefundenen Propagandamittel in größerer Stückzahl, die regelmäßige Teilnahme des Klägers an Kameradschaftstreffen des FNS und der Umstand, dass der Kläger als einer der Adressaten der Verbotsverfügung auch selbst hiergegen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben hat.
Auch aus den vom Gericht zum vorliegenden Verfahren beigezogenen Akten der ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth geführten Verfahren Az. B 1 K 16.23 und B 1 K 16.185 ergibt sich, dass der Kläger Mitglied des FNS war. So ist beispielsweise dem Gericht aus jenen Verfahren bekannt, dass auf S. 80 f. der Verbotsverfügung des StMI vom 02.07.2014 ausgeführt wird, dass der Kläger aufgrund des bei ihm aufgefundenen Materials zu einem Personenkreis zu zählen ist, der sich aus den Führungsfiguren des FNS, Vertretern der zweiten Führungsebene und dem Aktivistenstamm zusammensetzt. Bezüglich der maßgeblichen Ermittlungsergebnisse hierzu wird u.a. auf Bl. 213, 239f. der Behördenakte I zum Verfahren B 1 K 16.23 verwiesen. Weiter ist dem Gericht aus den beigezogenen Akten der Verfahren bekannt, dass der Kläger in dem gegen die Verbotsverfügung vom 02.07.2014 erhobenen Klageverfahren vortragen ließ, dass er sich durch das ausgesprochene Verbot in seinem Recht auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit verletzt fühle. Der Kläger räumt damit selbst eine Mitgliedschaft im FNS ein.
Letztlich streitet der Kläger in dem hier vorliegenden Klageverfahren seine Mitgliedschaft im FNS nicht substanziert ab, sondern stellt lediglich in Frage, dass der in der Verbotsverfügung des StMIBV getroffene diesbezügliche Schluss aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zwingend sei.
c) Die Frage, ob der Kläger informeller Führer der Aktionsgruppe … innerhalb des FNS war, und der Umstand, dass diese Aktionsgruppe nicht gesondert verboten wurde, sind vorliegend nicht streitentscheidend und bedürfen daher keiner näheren Betrachtung. Für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 2a WaffG ist alleine maßgeblich, dass der Kläger Mitglied des (übergeordneten) FNS war. Welchen Status der Kläger in örtlichen oder regionalen Gruppierungen innerhalb dieser verbotenen Vereinigung hatte, ist damit nicht mehr von Bedeutung für die Annahme der waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit.
d) Soweit der Kläger geltend macht, eine unterstellte Betätigung im FNS liege schon Jahre zurück und sei im Lichte seines damaligen jugendlichen Alters zu sehen, rechtfertigt dies keine Abweichung von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Das Gesetz stellt in § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG auf einen Zeitraum von zehn Jahren ab Beendigung der Mitgliedschaft ab, in dem diese Regelvermutung gelten soll. Da der Kläger auch gegen das Vereinsverbot des FNS vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklagt hat und damit seine Mitgliedschaft auch noch nach Erlass des Verbots durch das StMIBV am 02.07.2014 zum Ausdruck gebracht hat, ist als Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers im FNS der 14.12.2015 als erster Tag der Tag des unanfechtbaren Verbots und damit der Auflösung des FNS anzusehen. Damit sind zum jetzigen Zeitpunkt des Erlasses dieses Gerichtsbescheids noch nicht einmal drei Jahre der Zehnjahresfrist vergangen. Auch ein möglicher Gesinnungswandel des Klägers kann damit – nach noch nicht einmal einem Drittel der regelmäßig abzuwartenden Frist – keine Abweichung von der Regelvermutung begründen. Eine persönliche Befragung des Klägers durch das Gericht in einer mündlichen Verhandlung ist deshalb nicht erforderlich.
Auch das Alter des Klägers vermag keine atypische Sachverhaltskonstellation zu bewirken. Denn der Kläger war im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung am 02.07.2014 bereits fast 24 Jahre alt und hat sich auch danach noch für das FNS betätigt, was sich in der Erhebung seiner Klage gegen das Vereinsverbot zeigt. Damit kann hier nicht mehr von einer Verfehlung aus jugendlichem Leichtsinn ausgegangen werden.
e) Auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 2a) WaffG im Lichte der Berufsfreiheit des Klägers nach Art. 12 Abs. 1 GG führt hier nicht zu einem Abweichen von der waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit. Denn unabhängig davon, ob der Kläger überhaupt die sonstigen Voraussetzungen für eine Einstellung in den forsttechnischen Vorbereitungsdienst der dritten Qualifikationsebene erfüllt, wäre diese Tätigkeit im Beamtenverhältnis im öffentlichen Dienst nur eine mögliche Berufswahl, die der Kläger nach Abschluss seines Studiums der Forstwissenschaft ergreifen könnte. Anders als im Fall eines Büchsenmachers, der in der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG (BT-Drucksache 14/7758, S. 55) angeführt wird, ist der Kläger damit nicht auf einen Jagdschein angewiesen, um den von ihm angestrebten Beruf des Forstingenieurs auszuüben.
f) Da die Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers damit bereits aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 2a) WaffG feststeht, kann die Frage dahinstehen, ob der Kläger auch aufgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3a) WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen wäre. Jedenfalls deshalb kann damit auch der diesbezügliche Einwand des Klägers, die Beklagte habe substantiiert konkrete Handlungen zu benennen, woraus sie ein gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtetes Engagement des Klägers herleite, nicht zum Erfolg der Klage führen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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