Verwaltungsrecht

erweiterte Gewerbeuntersagung gegenüber einer Unternehmergesellschaft, Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers wegen Eintragung im Vollstreckungsportal und Straftaten auch ohne Gewerbebezug, außerhalb der gewerblichen Tätigkeit begangenes Vermögensdelikt, länger zurückliegende Straftaten, Darlegungsanforderungen im Zulassungsverfahren bei gegenüber der ersten Instanz geändertem Tatsachenvortrag

Aktenzeichen  22 ZB 21.229

Datum:
24.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 976
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 16 K 20.278 2020-11-30 VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine Unternehmergesellschaft, wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
Die Klägerin meldete zunächst unter einer anderen Firmenbezeichnung zum 19. Februar 2018 bei der Beklagten ein Gewerbe an. Ausweislich des Handelsregisters änderte sie zum 5. April 2019 ihren Firmennamen in den jetzigen sowie ihren Unternehmensgegenstand. Nach Ermittlungen der Beklagten war der Geschäftsführer der Klägerin, Herr W., am 17. Dezember 2019 einmal im Vollstreckungsportal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft eingetragen. Zudem ergaben sich aus dem Führungszeugnis des Geschäftsführers drei Eintragungen, wonach er mit Urteil des Amtsgerichts München vom 27. Juni 2007 wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung sowie mit Urteil des Amtsgerichts München vom 18. Dezember 2013 wegen räuberischen Diebstahls in Mittäterschaft zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden war. Weiter war er mit Urteil des Amtsgerichts München vom 7. Oktober 2014 wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 untersagte die Beklagte der Klägerin die Ausübung des bisher betriebenen Gewerbes als selbstständige Gewerbetreibende im stehenden Gewerbe (Nr. 1) sowie die Ausübung jeglicher selbstständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe (Nr. 2).
Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 30. November 2020 ab, das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28. Dezember 2020 zugestellt wurde. Mit am 18. Januar 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit Schriftsatz vom 27. Februar 2021, beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag per Telefax eingegangen.
Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung der Klägerin (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung vorliegen.
1. Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, die jedoch nicht vorliegen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.).
1.1 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Beklagte zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit der Klägerin ausgegangen, weil diese sich mit Herrn W. eines unzuverlässigen Geschäftsführers bediene. Der Gesellschaft seien Unzuverlässigkeitsgründe in der Person ihres Geschäftsführers als vertretungsberechtigtes Organ nach § 5a, § 6 Abs. 1, § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zuzurechnen, die sich aus dessen Pflichtverletzungen als Geschäftsführer ergäben. Die Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers ergebe sich bereits daraus, dass er ausweislich der Eintragung im Vollstreckungsportal die Vermögensauskunft nicht abgegeben habe.
Die Klägerin rügt insoweit, ihr Geschäftsführer habe sämtliche im Vollstreckungsportal eingetragene Verbindlichkeiten längst vollständig beglichen, was sich aus einer vorgelegten Bestätigung der AOK vom 23. November 2020 und einer Bestätigung der Rechtsanwälte K. vom 18. Februar 2021 ergebe. Die Forderungen seien bereits vor Erlass der Gewerbeuntersagungsverfügung beglichen worden; der Geschäftsführer habe es jedoch versäumt, die Einträge im Vollstreckungsportal zur Löschung zu bringen, was durch Vernehmung des Geschäftsführers bewiesen werden könne. Zum jetzigen Zeitpunkt bestünden gegen die Klägerin keine ungeregelten Forderungen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils erweckt die Klägerin damit nicht. Aus den von der Klägerin vorgelegten Nachweisen – soweit sie sich überhaupt auf Forderungen beziehen, die der Eintragung des Geschäftsführers der Klägerin im Vollstreckungsportal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft zugrunde lagen – ergibt sich nicht, dass die Forderungen bereits im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht mehr bestanden hätten. In Bezug auf die Bescheinigung der AOK spricht schon dagegen, dass diese vom 23. November 2020 datiert, während der Bescheid am 17. Dezember 2019 erlassen wurde. In dem vorgelegten Schreiben der Rechtsanwälte K. vom 18. Februar 2021 heißt es, Herr W. habe in der Sache D.B. ./. D. … UG (früherer Name der Klägerin) die Forderung vollständig beglichen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hatte die Klägerin demgegenüber eine Forderungsaufstellung offenbar zu dem gleichen Rechtsstreit vorgelegt, auf der notiert ist, dass ein bestimmter Betrag am 25. Juni 2020 (also nach Bescheiderlass) bezahlt worden und ein weiterer Betrag noch offen sei. Durch ihre bloße Behauptung im Zulassungsverfahren hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Forderung bereits vor Bescheiderlass beglichen worden sei. Soweit die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag bezüglich beider Forderungen hier korrigieren möchte, würde sie besonderen Anforderungen an die Substantiierung ihres Vortrages unterliegen (vgl. in Bezug auf im Zulassungsverfahren neu vorgebrachte Tatsachen Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 91). Mit dem bloßen Angebot, dies könne durch Aussage des Geschäftsführers der Klägerin bewiesen werden, genügt sie dem nicht (vgl. HessVGH, B.v. 11.5.2016 – 7 A 1687/15.Z – juris Rn. 12; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 91).
1.2 Das Verwaltungsgericht hat weiter angenommen, dass sich die Unzuverlässigkeit der Klägerin aus dem Verhalten ihres Geschäftsführers ergebe, soweit dieser vom Amtsgericht München abgeurteilte Straftaten begangen habe. Die den Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte seien, auch wenn es sich nicht um Taten mit Gewerbebezug handele, geeignet, die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Herrn W. zu begründen. Die Vielzahl der Gesetzesverletzungen, die zum größeren Teil von erheblichem Gewicht seien, ließen auf einen Charakter des Geschäftsführers im Hinblick auf die Nichtachtung der Rechtsordnung schließen. Dies trage – auch wenn seit Begehung der Taten mehrere Jahre vergangen seien – die negative Zuverlässigkeitsprognose hinsichtlich seiner Person.
Die Klägerin rügt diesbezüglich, eine Gewerbeuntersagung könne nur dann auf eine strafgerichtliche Verurteilung gestützt werden, wenn die Straftat einen Bezug zum ausgeübten Gewerbe aufweise, woran es hier fehle. Die Taten seien weder im Rahmen der Ausübung des Gewerbes begangen worden noch hätten sie einen konkreten Bezug zum Gewerbe. Darüber hinaus seien seit Begehung der Straftaten mehrere Jahre vergangen, so dass sie die Gewerbeuntersagung nicht rechtfertigen könnten.
1.2.1 Auch damit sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht belegt. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht das Strafurteil, sondern das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt hat, eine Gewerbeuntersagung erfordern kann (BVerwG, B.v. 23.5.1995 – 1 B 78.95 – juris Rn. 7). Die Gewerbebehörden und die Verwaltungsgerichte müssen sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Bestrafung zugrunde gelegen hat – wobei sie in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürfen -, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen (BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 1 B 34.97 – juris Rn. 10).
Nach diesen Maßstäben rechtfertigten die von dem Geschäftsführer der Klägerin ausweislich der Strafurteile begangenen Taten die Prognose seiner Unzuverlässigkeit und gleichzeitig die der Klägerin. Die dem Bescheid und dem Urteil zugrunde liegende Verurteilung vom 18. Dezember 2013 wegen räuberischen Diebstahls in Mittäterschaft ging nach den Feststellungen des Strafgerichts darauf zurück, dass ein Mittäter gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Klägerin in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken beim Treppenabgang von der F.-straße in M. einem Geschädigten ein Mobiltelefon entwendete, indem der Mittäter es dem Geschädigten aus der Hand riss und in seine Hosentasche steckte, um es zu behalten. Als der Geschädigte und sein Begleiter das Mobiltelefon von den beiden Mittätern zurückforderten, sprachen diese gegen den Geschädigten und seinen Begleiter verbale Drohungen aus, insbesondere dass sie sich mit ihnen nicht anlegen sollten und dass sie deren Familien umbringen würden, um diese daran zu hindern, weiterhin die Rückgabe zu verlangen. Schließlich packte der Mittäter den Geschädigten am Hals, um sich im Besitz des Mobiltelefons zu halten. Als dessen Begleiter mit seinem Mobiltelefon die Polizei verständigen wollte, schlug ihm der Mittäter das Telefon aus der Hand.
Die Tat wurde zwar nicht bei Ausübung des Gewerbes der Klägerin begangen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann ein Verhalten außerhalb der Gewerbeausübung für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden aber herangezogen werden, soweit sich daraus Rückschlüsse auf Charakter oder Verhaltensweisen des Gewerbetreibenden ziehen lassen, die ihrerseits auch für sein Gewerbe relevant werden können. So können z.B. Eigentums- oder Vermögensdelikte eines Gewerbetreibenden darauf schließen lassen, dass er dazu neigt, sich fremdes Eigentum oder Vermögen in strafbarer Weise zu verschaffen, und die betroffenen Rechtsgüter nicht respektiert (BayVGH, U.v. 20.2.2014 – 22 BV 13.1909 – juris Rn. 28; B.v. 21.8.2012 – 22 C 12.1256 – juris Rn. 8).
So liegt der Fall hier: Die von dem Geschäftsführer der Klägerin begangene Tat macht deutlich, dass er nicht bereit ist, fremdes Eigentum zu respektieren. Die Respektierung fremden Eigentums und fremden Vermögens ist aber unabdingbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ausübung jeden Gewerbes (BayVGH, B.v. 21.8.2012 – 22 C 12.1256 – juris Rn. 8).
Die weiteren dem Bescheid und dem Urteil zugrundeliegenden Straftaten – schwerer sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen und vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln – weisen zwar keinen unmittelbaren Bezug zu der Gewerbeausübung des Geschäftsführers der Klägerin auf. Eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann aber auch dann zu bejahen sein, wenn die Häufung von Straftaten einen Hang zur Missachtung geltender Vorschriften erkennen lässt (vgl. VG Würzburg, U.v. 22.7.2020 – W 6 K 20.380 – juris Rn. 24; Ennuschat in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 39 m.w.N.). Darauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgestellt.
1.2.2 Dass seit der Begehung der Straftaten einige Jahre verstrichen sind, begründet ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass kein Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG wegen Tilgungsreife der Verurteilungen gemäß § 45, § 46 BZRG bestand. Der mit Urteil vom 27. Juni 2007 abgeurteilte schwere sexuelle Missbrauch widerstandsunfähiger Personen unterliegt einer Tilgungsfrist von 20 Jahren (§ 46 Abs. 1 Nr. 3 BZRG); die Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung sowie die Verurteilung zu Geldstrafe von 100 Tagessätzen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unterliegen jeweils einer Tilgungsfrist von 15 Jahren (§ 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG). Jenseits dessen ist die Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu beantworten, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind (BayVGH, B.v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174 u.a. – juris Rn. 34; B.v. 2.8.2021 – 22 ZB 21.1302 – juris Rn. 15). Die Klägerin hat insoweit weder Umstände dargelegt noch sind solche ersichtlich, die der Einschätzung des Verwaltungsgerichts entgegenstünden, wonach angesichts der Taten von erheblichem Gewicht allein der Zeitablauf darauf schließen lassen müsste, dass die Persönlichkeit ihres Geschäftsführers sich zur Rechtstreue hin entwickelt hätte.
2. Die Klägerin macht weiterhin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend.
Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich aus der Frage, ob und in welchem Umfang zur Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit Vorstrafen berücksichtigt werden dürften, die nach Art. 54 Abs. 2 PAG zu löschen seien. Danach seien Straftaten zu löschen, wenn seit der rechtskräftigen Verurteilung mehr als zehn Jahre vergangen seien, wobei die Zehnjahresfrist mit dem Ende des Jahres der Erfassung beginne. Vorliegend sei die Gewerbeausübung u.a. mit Blick auf eine Straftat, die zu einer Verurteilung am 27. Juni 2007 geführt habe und mithin mehr als zehn Jahre zurückliege, ausgesprochen worden.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Aus den Ausführungen unter 1.2.2 ergibt sich, dass die Frage, ob und in welchem Umfang zur Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit Straftaten zu berücksichtigen sind, in der Rechtsprechung hinreichend geklärt ist. Mit dem Verweis auf Art. 54 Abs. 2 PAG hat die Klägerin dies nicht infrage gestellt.
Nach Art. 54 Abs. 1 PAG kann die Polizei personenbezogene Daten in Akten oder Dateien speichern und anderweitig verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben, zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG kann die Polizei insbesondere personenbezogene Daten, die sie im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, speichern und anderweitig verarbeiten, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist; Art. 54 Abs. 2 PAG enthält weiter Vorschriften über die Löschung der gespeicherten Daten. Die Norm betrifft damit personenbezogene Daten, auch strafgerichtliche Verurteilungen, die für die polizeiliche Arbeit (Gefahrenabwehr) erforderlich sind. Für die Frage, inwieweit strafgerichtliche Verurteilungen für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit im Rahmen von Gewerbeuntersagungen durch die zuständigen Verwaltungsbehörden verwendet werden dürfen, ist sie jedoch nicht einschlägig. Grundsätzliche Aussagen zur Verwertbarkeit strafgerichtlicher Verurteilungen in diesem Rahmen trifft das BZRG (vgl. § 3 Nr. 1, §§ 4 – 7 BZRG zur Eintragung strafgerichtlicher Verurteilungen, § 31 BZRG über die Erteilung des Führungszeugnisses an Behörden sowie die Vorschriften über die Tilgung in §§ 45 ff. BZRG); die weiteren Maßstäbe hierzu ergeben sich aus der oben 1.2.2 zitierten Rechtsprechung. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass vorliegend nach Art. 54 Abs. 2 Satz 6 PAG die Speicherfrist aufgrund der letzten Verurteilung von 2014 im Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht abgelaufen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben