Verwaltungsrecht

Erwerbs- und Besitzverbot erlaubnisfreier Waffen und Munition im Anschluss an die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach strafgerichtlicher Verurteilung

Aktenzeichen  24 ZB 18.1159

Datum:
15.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30437
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, lit. c, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Mit der Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG für ein Besitz- und Erwerbsverbot erlaubnisfreier Waffen und Munition vor. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Anordnung eines Waffenbesitzverbots ist keine zusätzliche Prüfung erforderlich, die die Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung rechtfertigt (Anschluss an VGH München BeckRS 2014, 46234). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ermessensfehler liegen nicht vor, wenn die Waffenbehörde zur Abwehr der auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition ausgehenden Gefahren handelt und insoweit maßgeblich auf die strafgerichtliche Verurteilung abstellt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.1200 2018-02-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen ein Verbot betreffend den Besitz und den Erwerb erlaubnisfreier Waffen und Munition.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 7. Februar 2018 die Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid vom 27. Februar 2017, mit dem das Waffenbesitzverbot ausgesprochen wurde, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, der Kläger sei aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen waffenrechtlich unzuverlässig. Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könne, liege nicht vor. Die Ermessensausübung des Beklagten sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Seine Bevollmächtigten tragen im Wesentlichen vor, das Erstgericht habe unzutreffend aus der Regelunzuverlässigkeit auf eine gleichermaßen geltende Regel für die Verhängung eines Besitzverbotes für erlaubnisfreie Waffen geschlossen. Nicht nachvollziehbar gehe das Erstgericht davon aus, dass bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen derselbe Zuverlässigkeitsmaßstab anzulegen sei wie im Fall erlaubnispflichtiger Waffen. Bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliege, stelle das Verwaltungsgericht zu stark auf die strafgerichtliche Verurteilung ab. Tatsächlich habe die Behörde entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Darüber hinaus habe das Erstgericht selbst Zweifel gehabt, ob mit der allgemeinen Bezugnahme auf die Zuverlässigkeit in § 41 WaffG ohne weiteres alle in § 5 WaffG genannten Fälle herangezogen werden könnten.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
Im Übrigen wird auf die Gerichts -und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
a) Der Kläger macht zunächst ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Solche sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel genügt keine unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.
In Ansehung des Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Unstreitig liegt ein Fall der Regelunzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c WaffG vor. Eine Regel, dass die Behörde in einem solchen Fall zwingend ein Waffenbesitzverbot aussprechen müsse, hat das Erstgericht nicht aufgestellt. Vielmehr hat es zunächst geprüft, ob ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, vorliegt und dies in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08), wonach ausschließlich auf die Umstände der abgeurteilten Tat abzustellen ist, verneint, wobei es entgegen dem Vortrag in der Zulassungsbegründung ausreichend auf eben diesen abgeurteilten Einzelfall eingegangen ist (UA. S. 12). Weiter hat es ausgeführt, dass mit der Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit die Tatbestandsvoraussetzungen des von der Behörde herangezogenen § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG vorliegen, wobei sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, dass von dieser Vorschrift jeder Fall der allgemeinen waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit erfasst wird (vgl. auch Gade/Stoppa, WaffG, 2011, § 41, Rn. 7). Tatsächlich lässt auch die vom Verwaltungsgericht zitierte Gesetzesbegründung zu § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG (UA. S. 10 – BT-Drs. 14/7758, S. 76) keinen anderen Schluss zu, wenn dort insbesondere ausgeführt wird, es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen. Dieses Ergebnis steht auch mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Einklang, wonach bei der Anordnung eines Waffenbesitzverbots keine zusätzliche Prüfung erforderlich ist, die die Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung rechtfertigt (BayVGH, B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781). Schließlich hat es die Ermessensausübung der Behörde in den vom Gesetz gesetzten Grenzen (§ 114 Satz 1 VwGO) nachgeprüft und ist zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass diese keinen Bedenken begegnet, nachdem das Landratsamt insbesondere zur Abwehr der auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition ausgehenden Gefahren gehandelt und insoweit maßgeblich auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers und nicht auf sonstige Verstöße oder Verfehlungen, die möglicherweise weiter hätten aufgeklärt werden müssen, abgestellt hat.
b) Tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache sind von vornherein nicht ersichtlich. Es liegen aber auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor. Das ist nur dann der Fall, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt (Seibert DVBl 1997, 932). Die gebotene kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung kann nur zum Gegenstand haben, ob sich die durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits in der Rechtsprechung geklärt sind (Eyermann/Happ, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124 VwGO, Rn. 29), was hier der Fall ist (vgl. oben a)).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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