Verwaltungsrecht

Erwerbs- und Besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen, Unzuverlässigkeit, gleiche Anforderungen an Unzuverlässigkeit wie bei erlaubnispflichtigen Waffen

Aktenzeichen  W 9 K 19.1133

Datum:
22.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16402
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 41 Abs. 1
WaffG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
WaffG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die im hiesigen Verfahren angegriffene Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Das Landratsamt S. war gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 WaffG, § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Waffen- und Beschussrechts (AVWaffBeschR), Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO sachlich und gemäß § 49 Abs. 1 WaffG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG örtlich zum Erlass des Bescheids zuständig. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 14. Juni 2019 nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ordnungsgemäß angehört.
2. Der Bescheid des Landratsamts vom 22. Juli 2019 ist in Ziffer 1 nach der Sach- und Rechtslage zum – hier aufgrund seines Charakters als Dauerverwaltungsakt maßgeblichen – Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch materiell rechtmäßig. Gegen das verhängte Erwerbs- und Besitzverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WaffG für erlaubnisfreie Waffen sowie Munition bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Ermessensausübung ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden.
2.1 Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition u.a. untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Das Landratsamt stützt seine Feststellung, dass dem Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt, zutreffend auf die nicht widerlegliche Unzuverlässigkeitsvermutung der § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG, sowie auf die vorliegend nicht widerlegbare Regelunzulässigkeitsvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG i.V.m. § 36 WaffG. Der Begriff der Zuverlässigkeit beurteilt sich im Bereich der erlaubnisfreien Waffen ebenso nach § 5 WaffG wie im Bereich der erlaubnispflichtigen Waffen, denn die Vorschrift konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2020 – 24 ZB 19.1176 – juris Rn. 11 m.w.N.). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen (BayVGH, B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn. 14). Somit sind Verstöße gegen Vorschriften, die in besonderer Weise erlaubnispflichtige Waffen betreffen, auch geeignet, die Unzuverlässigkeit im Hinblick auf erlaubnisfreie Waffen zu begründen, weil es dabei um das generelle Verhalten des Betroffenen in Bezug auf den Umgang mit gefährlichen Gegenständen geht und den Kriterien in den Unzuverlässigkeitstatbeständen des § 5 WaffG ohne Einschränkung auch für den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn. 13 ff.). Die Prognose der Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird (BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
Es kann daher insoweit auf das Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2021 im Verfahren W 9 K 19.1131 verwiesen werden. Im dort verfahrensgegenständlichen Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers wurde dessen fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Abs. 2 Nr. 5 WaffG wegen der Aufbewahrung des Waffenschrankschlüssels und des Hochhaltens einer Pistole festgestellt. Das Gericht macht sich diese Ausführungen im vorliegenden Verfahren zu eigen.
2.2 Die Ermessensausübung durch das Landratsamt ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat das ihm bei der Entscheidung nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zukommende Ermessen erkannt, es im Sinne von Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Die Ausführungen des Landratsamts im streitgegenständlichen Bescheid sind zwar knapp, lassen aber die angestellten Erwägungen erkennen. In Anbetracht des Zwecks des Waffengesetzes, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren, ist es nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt das Erwerbs- und Besitzverbot mit der Gefahr und dem hohen Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit begründet, die beim Umgang des Klägers mit Waffen bestehen. In der mündlichen Verhandlung hat das Landratsamt zu seiner Ermessensentscheidung weiter ausgeführt, dass es das Waffenbesitzverbot nicht allein wegen des Vorfalls mit dem Tresorschlüssel erlassen hat, sondern der Vorfall mit der hochgehaltenen Waffe miteinbezogen wurde. Es hat folglich seine Ermessenserwägungen entscheidend auf die tatsächlichen Geschehnisse und nicht auf die rechtliche Wertung gestützt, dass der Kläger nicht nur waffenrechtlich unzuverlässig ist, sondern es ihm nach rechtsfehlerhafter Ansicht des Landratsamts auch an der persönlichen Eignung mangele. Nach Auffassung des Gerichts ist es daher unschädlich, dass die rechtliche Einordnung dieser beiden Vorfälle zum Teil fehlerhaft erfolgt ist. Das Waffenbesitzverbot genügt darüber hinaus insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen im Besitz des Klägers ausgehen, ist nicht ersichtlich.
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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